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Faszikel Ia-03-1779
     
 
Universität Würzburg
Arbeitsstelle Jean Paul

Transkription und digitale Edition von Jean Pauls Exzerptheften

Vorgelegt von: Sabine Straub, Monika Vince und Michael Will
unter Mitarbeit von Christian Ammon, Kai Büch und Barbara Krieger.

Universität Würzburg. Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition
Leitung: Helmut Pfotenhauer

 
   
Titelblatt
 
  Exzerpten.  
  Dritter Band.  
  1779.  
  Verschiedenes,  
  aus den  
  neuesten Schriften.  
  Dritter Band.  
  Schwarzenbach an der Saal, ? ?.  
  1779.  
     
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I.
 
 
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Algemeine deutsche Bibliothek. Des siebenten Bandes zweites Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai, 1768.
 
 
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1) Von der Genugthuung.
 
 
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"Wenn die Apostel lehren, daß der Tod Jesu das von Gott bestimte Mittel sei, wodurch er nach seiner Barmherzigkeit sein Misfallen an dem Sünder aufheben, und ihm seine Gnade zuwenden wollen, so bedienen sie sich oft dazu bildlicher Redensarten. Sie nennen es eine Versöhnung, eine Erlösung, ein Opfer, ein Lösegeld, Christus ist das Lam Gottes u. s. w. Diese Redensarten waren besonders bei den Juden gottesdienstlich, und aus ihrer heiligen Sprache entlehnt; aus dieser müssen sie also gedeutet werden, nicht aus denjenigen Ideen, die wir nach dem heutigen Sprachgebrauch damit verbinden, oder daraus herleiten können. Es ist auch schwer zu erweisen, daß man diese Ausdrükke gleichsam pressen, und alles daraus ziehen dürfe, was nach altem und neuem Sprachgebrauch dadurch angedeutet werden kan. Noch schwerer wird es zu erweisen sein, daß die Apostel dabei zur Absicht gehabt, den Menschen die Art und Weise bekant zu machen, wie Gott es eingerichtet habe, daß er sein Misfallen aufheben, und Sünde vergeben kan. Dies ist eine Sache Gottes die der Mensch nie ganz beurtheilen kan, noch zu seiner Beruhigung zu wissen nöthig hat. Sondern die Apostel haben einmal durch den Gebrauch solcher den Juden heilig gewordener Ausdrükke den Tod Jesu ehrwürdig und wichtig vorstellen, und zweitens anzeigen wollen, daß dieser Tod Jesu, eben so wie die Opfer des A. B., von Gott verordnet und zum Mittel bestimt sei, den Menschen Vergebung der Sünden wiederfahren zu lassen; ja, wie Paullus den Hebräern beweiset, daß der Tod Jesu ganz eigentlich und allein dieses Mittel sei, die Opfer des A. B. hingegen
 
 
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es nicht wirklich gewesen, sondern nur im Bilde vorgestelt haben. So erklären die Apostel diese bildliche Vorstellungen selbst, wenn sie in eigentlichen Ausdrükken davon reden. Als Paullus, Eph. 1, 7. und Kol. 1, 14. Ob aber Gott dieses Mittel erwählet habe, weil er jemanden die Sünden der Menschen zurechnen muste; weil die Strafen derselben ausgehalten werden musten; weil ohne Strafe sein Zorn nicht aufhören konte; u. s. w. zu diesen Folgerungen scheinen uns obige Ausdrükke der Schrift nicht so zuverlässig zu berechtigen, daß wir sie, als Glaubensartikel zur Seeligkeit, ansehen müsten. Der philosophirende Geist der Menschen hat zwar Gott diese Staatsgründe zur Erwählung des Todes Jesu geliehen; aber ein Theil der Menschen kan diese Gründe in der Schrift nicht sehen, oder doch nicht durch Vergleichung vieler Schriftstellen herausfinden; ein anderer Theil geräth über dem Nachdenken auf Zweifel, die ihr ganzes Religionssystem wankend machen; und noch ein Theil hält sie für wahr, ohne die gehörige Kraft zur Prüfung derselben zu haben. Denn alle werden gewis nicht befriedigt, wenn der V. sagt: das geopferte Thier habe die Strafe der Sünden des Menschen, der es darbrachte, erlitten. Ist denn ein Thier einer Strafe fähig? Und kan Gott die Sünde eines Menschen an einem Thiere strafen? Allen wird es nicht einleuchten, daß Gott Christo die Sünde anrechnen muste, die er an den Menschen fand. Er muste freilich durch eine feierliche Handlung sein Misfallen an der Sünde zeigen, er muste den Schaden, den die Sünden dem Menschen gestiftet hatten, aufheben, um gerecht zu sein, wenn er barmherzig sein wolte: Aber ob das durch Zurechnung geschehen sei, das bleibt nach Vernunft und Schrift schwer zu entscheiden. ? Seit. 105. 106. 107.
 
 
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2) Die Unbilligkeit des falschen Religionseifers.
 
 
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"Der falsche Religionseifer ist unbillig ? denn es ist keine Religion, die mehr Liebe, Dultung, Eintracht predigte, als die christliche: der Stifter derselben macht sie zur Grundlage.
 
 
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Die Apostel bauen drauf fort: Paullus wil durchaus nicht, daß einer sagen sol ich bin kephisch u. s. w. Nie werden die Irrenden und Schwachen in den Schriften des N. T. verdamt, und das sind noch alle die, die in der Christenheit gewisse Erkentnisstükke annehmen, aber nur ihre Vorstellungen davon mit den Vorstellungen andrer nicht vereinbaren können. ? Im 12. und 13. Kap. des 1. Br. an die Kor. wird ausdrüklich verboten, daß über die Verschiedenheit der Gaben und Einsichten kein Streit sein und jeder gedultet werden solle (als Christ gedultet) der Jesum für seinen Herrn halte: Solten wir nicht auch bedenken, daß bei der mannigfaltigen Verschiedenheit unsrer Fähigkeiten ? niemals eine durchgängige Gleichheit unsrer Vorstellungen über alle und jede Glaubenspunkte zu hoffen sei? Niemals hat unser Heiland unverschuldete Fehler und Irthümer des Verstandes, wohl aber nicht geachtete Verderbnisse des Herzens gerügt; an zween Samaritern sehen wir es, wie er verschiedene Religionseinsichten, wenn Herz und Wandel nicht dabei litten, duldete (auch wolten wir noch hinzu sezzen, aus dem ganzen Schriftvortrag, welcher eben nicht so genau bestimt ist, um die Freiheit der Vorstellungen zu erlauben; aus dem Beispiel unsers Herrn, der es dabei bewenden lies, irrenden aber sonst ehrlichen Jüngern zu sagen, "ihr wisset die Schrift nicht" ohne sie mit Ungestüm ihres apostolischen für verlustig zu erklären). ?" Seit. 131. 132.
 
 
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3) Eine Bemerkung für Dichter.
 
 
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"Starke mahlerische Züge haben viel Gewalt zu gefallen, und Bewunderung zu erregen. Allein der Beifal verschwindet bald wieder, und läst keine Empfindung, kein Nachdenken von einiger Dauer nach sich; wenn nicht solche Züge darunter sind, welche Leidenschaften erregen: sie gehen dan nicht ins Herz. Diese pathetischen Züge hingegen dringen tief ein, erregen sanfte Bewegungen in der Brust, und lassen ein gewisses stilles Nachdenken zurük.?" Seit. 152.
 
 
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II.
 
 
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Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeihxuxng Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irthum und Schein durch J. H. Lambert. Erster Band. Leipzig, bei Johann Wendler, 1764.
 
 
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1) Mittel, jede Sache leicht von andern zu unterscheiden
 
 
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"Man nimt die Merkmaale, so der Sache allein zukommen, desgleichen auch die, so sie mit andern gemein hat, besonders zusammen, und theilt daher den Begrif in seine eigene und in die gemeinsame Merkmaale ein. Dadurch wird er in zween besondere Begriffe zergliedert, wovon der eine die gemeinsame Merkmaale enthält, und den Namen von Art oder Gattung bekömt. Der andre enthält die eigenen Merkmaale, und wird der Unterschied der Art genent. Beide zusammen genommen erschöpfen den ganzen Begrif und bezeichnen seinen Umfang. Der Begrif der Gattung zeigt demnach, was die Sache mit mehrern andern gemein hat, und man sagt dabei, daß diese alle unter die Gattung gehören, und hinwiederum, daß der Begrif der Gattung allein zukomme. Hingegen ist der Begrif des Unterschiedes der Art, der Sache eigen, und die Merkmale die er enthält, sind für sich zureichend, die Sache von jeden andern zu unterscheiden. Z. E. Unter allen Figuren ist der Triangel die einzige, die drei Seiten hat.
 
 
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Diese Eintheilung der Sachen in Arten und Gattungen fängt bei denen an, die unter allen am meisten bestimt sind, und am meisten Ähnlichkeit haben. Jene sind die wirklichen Dinge, weil bei denselben alles bestimt ist. Man ist daher
 
 
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schon längstens gewohnt, die Thiere, Pflanzen, Steine pp. in Arten und Gattungen einzutheilen, und diese sind vermuthlich der erste Anlas zu dieser Eintheilung gewesen. Die Ähnlichkeit der einzeln Dinge macht die Art, die Ähnlichkeit der Arten die Gattung, und die Ähnlichkeit der Gattungen die höhere Gattung aus. Und so geht es stufenweise weiter, bis man zu dem komt, was überhaupt noch allen Dingen gemeinsam bleibt. ?" Seit. 9. 10.
 
 
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2) Wie Bex der Begrif von einer Sache, wenn sie sich ändert, bestimt wird.
 
 
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"Bei einzelnen Dingen geht noch eine Art von Veränderung vor, ohne daß sie ihren Namen ändern, oder nicht mehr für eben dieselben, überhaupt betrachtet, angesehen werden solten. Es ist daher auch hier etwas, welches so lange es bleibt, den Begrif und Namen des einzelnen Dinges beibehält. Z. E. ein Mensch wächst von Kindheit auf, wird grösser, älter, verständiger, krank, wieder gesund, so, daß man anstehen x...x kan, wie viel von dem Stof, daraus sein Leib besteht, nach einigen Jahren noch übrig bleibt, der sich nicht mit neuem verwechselt hätte. Es ist klar, daß man hiebei dieser Änderungen ungeachtet, den Kajus immer für den Kajus, und Titius für den Titius halten wird, so lange die Masse des Leibes in ihrem Leben und Verbindung bleibt. Es komt hier auf den Verlust der Theile an, mit welchen das Leben nothwendig aufhört; und auch hier noch geht nur der Begrif des lebenden Kajus oder Titius verlohren. Denn wenn man z. E. noch die Mumie eines in der Geschichte bekanten egyptischen Königs erkente, so würde man sie immer noch von demselben hernennen. So viel braucht es den Begrif eines einzeln Dinges ganz wegzubringen, daß man auch die Asche in den Todtenurnen von dem herschreibt, dessen Asche ist aufbehalten worden. ?" Seit. 13.
 
 
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Es finden sich aber solche Verwandlungen nicht nur bei den Menschen, sondern überhaupt bei allen Dingen in der Natur. Eine Stadt leidet solche durch tausend Veränderungen
 
 
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beständig, und der Hauptbegrif davon bleibt dennoch, so lange noch der Ort bekant bleibt, wo sie gestanden hat. Man stelt sich Troia immer als Troia vor, und schiebt alle Veränderungen, die diese Stadt erlitten, auf den Hauptbegrif, den man sich davon macht. Es ist demnach bei einzelnen Dingen etwas, das man sich als fortdauernd vorstelt, und von seinen Abänderungen abstrahirt. Dieses etwas ist der Begrif der Art oder Gattung, worunter die Sache gehört, und ihr Begrif bleibt, so lange die Sache noch die Merkmaale der Gattung behält. Man stelt sich Troia als eine Stadt vor, und das, wodurch man sie zu einem einzelnen Dinge macht, sind die Umstände der Zeit und des Orts, und die Verhältnisse, in welchen sie mit andern einzelnen Dingen war. Virgil nent diesen Hauptbegrif res summa, und die Verhältnisse res Priami, Priami regna etc. ?" Seit. 14.
 
 
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3) Anmerkungen.
 
 
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"Ein Mittel, die Möglichkeit wilkührlich zusammengesezter Begriffe zu prüfen, ist, wenn man den Beweis davon oder von dessen Unmöglichkeit sucht. Hiezu dient die Entwikkelung der Merkmaale. Denn ist in dem Begriffe etwas widersprechendes, so ist klar, daß solche Merkmaale darin sein müssen, die beisammen nicht bestehen können, oder da folglich das eine bejaht verneint, was das andere bejaht. Ein rundes Vierek ist deswegen unmöglich, weil in einem Zirkel alle Punkte des Umkreises von dem Mittelpunkt gleich abstehen, in dem Vierekke aber nicht. ?" Seit. 44.
 
 
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"So hat in der Tonkunst der einige Einfal, daß sich die verschiednen Töne mit dem Begriffe der Höhe und Tiefe vergleichen lassen, dazu Anlas gegeben, die Töne und
 
 
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ihre Unterschiede zu malen, und sie auf den Notenlinien kentlich vorzustellen. Daß ein Ton höher sei als ein andrer, ist eine blosse Metapher. Indessen macht sie die musikalische Erkentnis figürlich, und dadurch beurtheilt gleichsam das Auge, was schlechthin ein Gegenstand des Gehörs war. Was die Noten in Ansehung der Intervallen, der Töne und ihrer Dauer thun, das thun die Buchstaben in Ansehung eines andern Unterschiedes, den zwar das Ohr bemerkt, der aber noch durch keine Metapher auf ein figürliches Bild gebracht worden ist. Daher sind die Buchstaben noch in allen Sprachen ganz wilkührliche Zeichen der Töne, die sie vorstellen. ? ?" Seit. 72. 73.
 
 
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4) Von den einfachen Begriffen.
 
 
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"Da demnach die Möglichkeit einfacher Begriffe schlechthin auf ihrer Gedenkbarkeit beruht, so gilt von denselben im strengsten Verstande, was man in der Metaphysik von den Begriffen und Möglichkeiten überhaupt angenommen, daß nämlich alles an sich Gedenkbare möglich sei, und hinwiederum. Denn bei zusammengesezten Begriffen mus man sich bewust sein, daß sie nichts Widersprechendes haben, bei einfachen aber fält diese Besorgnis für sich weg. Übrigens ist klar, daß die Gedenkbarkeit hier eigentlich ein idealer Verhältnisbegrif ist. Wir müssen aber solche Verhältnisbegriffe aufsuchen, weil wir in den einfachen Begriffen selbst nichts mannigfaltiges oder verschiedenes finden können, eben deswegen, weil sie einfach sind.
 
 
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Wir merken ferner an, daß das, so ein einfacher Begrif vorstelt, ebenfals nichts mannigfaltiges zeigt, dagegen aber dem einfachen in dem Begriffe ohne Nachtheil, an Grösse und Graden verschieden sein kan. Man wird hierin den Begrif der Homogeneität oder Gleichartigkeit, oder Einartigkeit in seiner äussersten Schärfe finden. Denn zusammengesezte Dinge werden xom homogen
 
 
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oder gleichartig genent, wenn ein jeder Theil desselben für jeden andern von gleicher Figur und Grösse gesezt werden kan, ohne daß das Ganze dadurch verändert werde, indem nämlich alles übrige, wodurch sich die Theile könten unterscheiden lassen, durchaus einerlei ist. Um desto mehr wird diese Homogeneität stat haben, wo die Sache das ist, was ein einfacher Begrif vorstelt. Da demnach der Unterschied der Grösse und der Grade dem einfachen eines Begrifs keinen Eintrag thut, so ist klar, daß solche Begriffe eben nicht nothwendig etwas unendlich Kleines vorstellen müssen, welches folglich eben deswegen von uns nicht könte empfunden werden, weil es unendlich klein ist. Wil man die Begriffe der Ausdehnung und der Existenz als solche einfache Begriffe ansehen, so wird das, was der erstere vorstelt, der Grösse nach unendlich viele Stufen haben, und der andere wird Stufen leiden, in so fern mehr oder minder Dinge als existirend betrachtet werden, und in so fern die Existenz grössere oder kleinere Dauer hat; hingegen hat die Existenz kein Gradus intensitatis, weil etwas nicht mehr oder minder existent ist. In dieser lezten Absicht ist demnach die Existenz eine absolute Einheit, die aber nicht hindert, daß eine existirende Sache nicht in andern Absichten Grade haben könne, z. E. in Absicht auf die Grösse, Kräfte, Zahl der Theile, Dauer pp.
 
 
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Da ferner einfache Begriffe nicht zusammengesezt sind, und daher nicht aus mehrern x...x innern Merkmalen bestehen, so haben sie auch keine gemeinsame innere Merkmale. Denn jeder ist sich selbst sein inneres Merkmaal. Wenn damnach zween oder mehrere einfache Begriffe gemeinsame innere Merkmaale hätten, so wären sie entweder nicht eingefast einfach oder nicht von einander
 
 
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verschieden. Beides stöst die Voraussezzung um, folglich können einfache Begriffe kein gemeinsames inneres Merkmaal haben. Hiebei ist wohl zu merken, daß man innere Merkmaale von blossen Verhältnissen zu unterscheiden hat. Denn so kommen alle einfache Begriffe darin überein, daß sie einfach sind, daß sie Begriffe sind, daß sie sich gedenken lassen, daß sie nichts Widersprechendes in sich haben pp. ?" Seit. 457. 458. 459.
 
 
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5) Verschiedene einfache Begriffe.
 
 
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"Wir rechnen z. E. den klaren Begrif der Farben unter die einfachen Begriffe. Von diesen lassen sich einige überhaupt betrachtet mit Namen benennen, die theils der Farbe eigen sind, wie z. E. roth, gelb, grün, blau, weis, schwarz, grau pp. theils von Dingen in der Natur hergenommen x...x werden, die diese Farbe haben, wie z. E. Meergrün, Olivenfarb, Orangengelb, Himmelblau, theils auch von den Dingen, die zum Malen der Farben gebraucht werden, wie z. E. Indigo, Okker, Berggelb, Saftgrün pp. allein zu den unzähligen Stufen und Vermischungen der Farben haben wir nicht Namen genug, und ein Maler, der eine Sache genau nach dem Leben malen wil, mus sie vor sich haben, bis er sich etwan an die Mischung der Farben und ihren Anstrich gewöhnt hat. Ungeachtet wir nun überhaupt wissen, daß das Rothe sich ins Gelbe, das Gelbe ins Grüne, das Grüne ins Blaue, das Blaue ins Schwarze und ins Rothe, desgleichen das Rothe ins Schwarze, das Gelbe ins Braune pp. gleichsam verlieret, und daher Stufen in den Farben vorkommen, so sind die Begriffe dieser Stufen an sich dennoch einfach, weil eine so wenig als die andre mehrere innere Merkmale hat, und sich höchstens nur durch Verhältnisbegriffe bestimmen läst. Wir müssen indessen den Unterschied machen,
 
 
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wo wir zwo oder mehrere Farben zugleich empfinden, wie z. E. in dem blaurothen oder rothblauen. Denn da in der vorhin erwähnten Gradation das Rothe vom Blauen zu weit entfernt ist, so empfinden wir das Heterogene in den Vermischungen. Hingegen zeigt uns die Erfahrung, daß sich aus blau und gelb ein solches grün zusammensezzen lasse, welches uns weder vom Blauen noch vom gelben eine Spur zeiget. ? ? Wir merken nur noch an, daß nicht nur das Auge, sondern auch die übrigen Sinnen uns eine solche Menge und Stufen in den einfachen Begriffen geben, die wir nicht alle mit Worten ausdrükken können und uns daher mit solchen Begriffen Worten, die überhaupt ganze Klassen von solchen Begriffen anzeigen, begnügen; wie z. E. die Worte bitter, süs, sauer, scharf, salzigt, herbe pp. die verschiedene Arten des Geschmaks anzeigen, deren wir etwan noch, wo es um Vergleichungen zu thun ist, die Bitterkeit der Galle, des Wermuths pp. die Süssigkeit des Zukkers, des Honigs pp. beifügen. Auf eine ähnliche Art drükken wir die Unterschiede und Stufen des Schmerzens durch drükken, reissen, brennen, stechen, wehe thun pp. aus, und in Ansehung der Wärme und Kälte begnügen wir uns mit den Worten, temperirt, warm, schwül, kalt, frostig, schauernd pp. ?" Seit. 470. 471. 472.
 
 
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6) Von mehrern Sinnen.
 
 
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"Wenn wir sezzen, der Raum der Welt sei dichte ausgefült, und aus der Erfahrung nehmen, daß das Gold den Flus der magnetischen Materie so viel als gar nicht hindere; so können wir kaum zweifeln, daß nicht noch mehrere Empfindungen möglich sein solten, und daß wir, wiewohl viel zu schwache Empfindungen davon haben, wie zx wir z. E. die
 
 
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elektrischen, um sie zu empfinden, verstärken müssen." Seit. 494. 495.
 
 
  Ia-03-1779-0028
"Es ist nicht zu zweifeln, daß Mathematiker etwan auf Figuren und Mechanismen fallen könten, welche bei einem Sinne stat haben, der uns mangelt, oder der von dem Auge so viel und mehr noch als das Auge vom Ohr verschieden und dessen unerachtet sehr einfach wäre. Z. E. ein Blinder empfindet die Wärme der Sonne, Sehende aber noch überdies ihr Licht und ihre Scheinbare Figur. Man könte vermuthen, daß es an sich möglich wäre, ihre Grösse, ihren Abstand, ihre Attraktionskraft, ihre innere Struktur pp. zu empfinden. ?" Seit 496.
 
 
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7) Von der Dauer.
 
 
  Ia-03-1779-0030
"Den Begrif der Sukzession und Dauer haben wir ebenfals in unserm Bewustsein. Wir denken einen Gedanken nach dem andern, und so lange wir denken, fahren wir fort zu existiren. Demnach legen wir unserer Existenz eine Dauer bei. Das Anfangen, Fortdauern und Aufhören einzelner Vorstellungen giebt uns den Begrif der Zeit, und ihrer einzelnen Theile. Und wir haben daher den Grundsaz: daß die Zeit in einem fortgehe, und daß keiner von ihren Theilen mit den andern zugleich sei, und keiner von dem andern sich anders als durch das vor und nach unterscheiden lasse. ?" Seit. 501.
 
 
  Ia-03-1779-0031
8) Vom Irrigen.
 
 
  Ia-03-1779-0032
"Jede einfache Begriffe sind an sich wahre und richtige Begriffe. ? Demnach liegt das Irrige nicht in den einfachen Begriffen, sondern in ihrer Verbindung und Zusammensezzung. Man sezze, daß in einem einfachen Begriffe etwas irriges oder falsches sei, so müste etwas darin sein, das mit dem übrigen nicht bestehen könnte. Demnach liesse sich in dem einfachen Begrif etwas unterscheiden, und so wäre er nicht einfach. Da nun dieses wider die Bedingung des Sazzes läuft, so kan in einem einfachen Begriffe nichts irriges sein. Wo demnach etwas irriges vorkömt, da mus es in der Verbindung oder Zusammensezzung der einfachen Begriffe sein.
 
 
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  Ia-03-1779-0033
In iedem Irthum ist Wahrheit, so fern er gedenkbar ist. Das Irrige liegt in der Zusammensezzung oder Verbindung einfacher Begriffe, so fern diese nicht beisammen bestehen, oder nach der angenommenen Art der Zusammensezzung nicht mit einander bestehen können. Nun aber ist ieder einfache Begrif für sich betrachtet, ein wahrer und richtiger Begrif. Demnach ist auch in so fern in der irrigen Vorstellung Wahrheit, und zwar nothwendig. Ferner kan Wahrheit darin sein, in so fern die Zusammensezzung zum Theil zulässig ist. Nun sind einfache Begriffe für sich gedenkbar, und in so fern die Zusammensezzung zulässig ist, so fern ist sie ebenfalls gedenkbar. Hingegen wo sie anfängt unzulässig zu werden, da fängt zugleich auch das Irrige an. Solte nun dieses gedenkbar sein, so müste man sich A und nicht A zugleich, folglich runde Vierekke, das wil sagen, widersprechende Dinge vorstellen können, welches nicht angeht. ?" Seit. 552. 553.
 
 
  Ia-03-1779-0034
9) Der Ursprung des Wahren
 
 
  Ia-03-1779-0035
"Das Nichtsgedenken, oder das Wegsein aller Vorstellungen, ist demnach das 0 oder der gemeinsame Anfang des Wahren des Irrigen. x...x x...xNämlich sobald man anfängt zu denken, fängt auch das Wahre oder das Irrige an.
 
 
  Ia-03-1779-0036
Einmal das Wahre fängt vor dem Irrigen an, in sofern ein einzelner einfacher Begrif näher an dieses 0 gränzt, als ein zusammengesezter, ungefehr wie in dem Zahlengebäude 1 näher an 0 gränzet, als 2, 3, 4 pp. In diesem Verstande nehmen wir das hier das Wort anfangen. Denn da das Irrige nur in der Verbindung oder Zusammensezzung einfacher Begriffe vorkomt, in so fern diese nicht angeht, so werden zum Irrigen wenigstens zwei einfache Begriffe erfordert. Hingegen, da ieder einfache Begrif an sich Wahrheit hat, so läst er sich auch für sich gedenken, und in so fern fängt das Wahre vor dem Irrigen an, weil es bei einem einzelnen einfachen Begriffe anfangen kan." 554. 555.
 
 
Manuskriptseite 13.
 
  Ia-03-1779-0037
10) Von der Gedenkbarkeit des Irthums und des Wahren.
 
 
  Ia-03-1779-0038
"Da ferner in iedem Irthum das Wahre so weit reicht, als der Irthum gedenkbar ist, so ist klar, daß wenn in einer Vorstellung nichts irriges vorkömt, dieselbe sich durchaus gedenken lasse. Diese komplete Gedenkbarkeit macht demnach eine absolute Einheit aus, und sie hat stat, so oft eine Vorstellung durchaus wahr und richtig ist.
 
 
  Ia-03-1779-0039
Hingegen in ieder irrigen Vorstellung geht dieser Einheit etwas ab. Denn in ieder irrigen Vorstellung ist etwas, das sich nicht gedenken läst. Da sie sich nun durchaus solte gedenken lassen, so ist klar, daß man sie sich als eine Einheit vorstellen kan, das nicht gedenkbare darin eine Lükke lasse, welche macht, daß die Vorstellung nicht völlig =1 ist. Indessen, so fern man sich das nicht Gedenkbare oder das eigentlich Irrige unter dem Bilde des Gedenkbaren vorstelt, so macht dieser eingebildete Theil mit dem realen Theile der Vorstellung eine Einheit aus, die ebenfals nur eingebildet ist. Weil sie sonst durchaus real und folglich die Vorstellung durchaus wahr und richtig wäre. Auf diese Art sagt man z. E. es sein in einer Vorstellung drei Theil wahr, und ein Theil irrig. Das heist nun auf Algebraisch, die Einheit der Vorstellung sei = 3/4 + 1/4 1 - 1. -" Seit. 558. 559.
 
 
  Ia-03-1779-0040
"Es ist an sich unmöglich, alle Wahrheiten zugleich zu läugnen. Man sezze, es könne angehen, so macht man aus iedem wahren Sazze: A ist B, einen falschen: A ist nicht B, und hinwiederum aus iedem wahren Sazze: A ist nicht B, einen falschen: A ist B. Demnach erhält man eben so viele irrige Säzze, als im Reiche der Wahrheiten wahre sind. Solte man nun in diesem Chaos von Irthümern durchaus nichts Wahres zurük bleiben, so müste der Läugnende durchaus nichts gedenken, folglich auch nichts läugnen. Welches ungereimt ist. Daher geht es auch nicht an, daß man alle Wahrheiten zugleich solte läugnen können.
 
 
Manuskriptseite 14.
 
  Ia-03-1779-0041
Das Wahre ist demnach bei iedem denkenden Wesen so eingewurzelt, daß man, ohne etwas Wahres zu denken, gar nichts denken kan, und daß selbst der Irthum von dem Wahren borgen mus, weil man, ohne Wahres mit einzumengen, nicht irren kan. Der Irthum besteht nämlich blos in der Meinung, daß man mehr denke, als man wirklich denkt." Seit. 585.
 
 
  Ia-03-1779-0042
III.
 
 
  Ia-03-1779-0043
Des Abtes Trublet, der preuss. Akademie der Wissenschaften Mitglieds, Archidiak. und Korherrn zu St. Malo, Versuche über verschiedne Gegenstände der Sittenlehre und Gelehrsamkeit. Aus dem Französischen übersezt. Erster Theil. Berlin, verlegts August Mylius, 1766.
 
 
  Ia-03-1779-0044
1) Von der Lebhaftigkeit.
 
 
  Ia-03-1779-0045
"Eine grosse Lebhaftigkeit schikket sich fast niemals zu einer anhaltenden Beschäftigung mit einerlei Sache. Daher kömt es auch, daß die meisten Leute von lebh lebhaftem Verstande, nicht leicht in einem Zusammenhange denken; sie hüpfen von einer Sache auf die andere, sie denken viel, aber ohne Ordnung und Folge. ?" Seit. 4.
 
 
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2) Von neuen Gedanken.
 
 
  Ia-03-1779-0047
"Solte man nicht überhaupt wünschen, daß alle die, welche denken, keinen guten Gedanken verlohren gehen liessen, der ihnen im Lesen, im Nachdenken, und in der Unterredung von einer Sache beifiele? Diejenigen, welche das ganze Werke in einem Zusammenhange schreiben, würden in dem, was sie also nach und nach und fast ohne Zwang gesamlet haben, einen reichen Vorrath
 
 
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antreffen. Auf wie viel Gedanken kömt man nicht bei einer Sache, von ohngefähr, die man nicht wieder finden kan, wenn man etwas darüber schreiben wil? Es giebt in dem menschlichen Leben gewisse glükliche Augenblikke, die nicht wiederkommen. Die Hizze der Unterredung, und die Gedanken andrer bringen uns zuweilen auf solche, die man auf der Studierstube, und bei vielem Kopfbrechen vergeblich suchen würde. ? Seit. 7.
 
 
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3) Von der Art durch abgesonderte Gedanken zu schreiben.
 
 
  Ia-03-1779-0049
"Viele abgesonderte Gedanken mit einander in eine Samlung zu bringen, brauchet man nur einen unterbrochenen Fleis, bei dem man oft absezzen und ruhen kan. Ist die Samlung fertig, so kan man leicht davon wegnehmen was etwan dem Leser nicht gefallen möchte. An stat daß bei einem zusammenhangenden Werke der Verfasser oft gezwungen ist, gewisse seichte Stellen zu lassen, die er bei allen seinen Kräften nicht hat verbessern, und doch auch nicht wegstreichen können, weil sie mit den andern nothwendig verknüpft waren.
 
 
  Ia-03-1779-0050
Die Verbindung der Säzze durch Bindewörter ist meistentheils eine Quelle einer matten Schreibart. Man würde die meisten an einander hangenden Werke sehr abkürzen, ohne ihnen etwas Wesentliches zu nehmen, wenn man alles ausstreichen wolte, was der Verfasser, blos um sich vorzubereiten, die Gedanken zu verbinden, und der ganzen Arbeit eine gewisse Gestalt zu geben, hingesezt hat. ?" Seit. 10.
 
 
  Ia-03-1779-0051
4) Eine Bemerkung
 
 
  Ia-03-1779-0052
"Man kan nicht leicht eine Sache, sie sei auch was für eine sie wolle, gründlich untersuchen, den Ursachen von den gemeinsten nachspüren, und den feinsten Unterschied, der sich unter den Dingen findet, entdekken, daß man nicht ein wenig abstrakt werden solte; aber abstrakt werden, und dunkel sein, ist für dieienigen einerlei, die gewohnt sind, sich mehr ihrer Einbildungskraft, als ihres Verstandes zu bedienen. Dergleichen Leser halten das nur für eine deutliche Schrift, welche sie verblendet, und auf eine lebhafte Weise in Bewegung sezt. Ein philosophischer
 
 
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Leser hingegen trift nur darinnen öfters Dunkelheit und Verwirrung an, wo kleine Geister alles in der grösten Deutlichkeit zu sehen glauben. ?" Seit. 21. 22.
 
 
  Ia-03-1779-0053
5) Von der Gabe zu reden, bei erfinderischen Geistern.
 
 
  Ia-03-1779-0054
"Leute von einem seltnen und hohen Verstande haben oft weniger Fertigkeit, sich auszudrükken, als Leute von einem mittelmässigen Verstande; weil sie mehr denken, das heist, weil ihre Gedanken neuer, feiner, gründlicher sind. Wenn man nur gemeine und ungekünstelte Gedanken hat, so darf man sich nicht verwundern, daß diese Gedanken klar und deutlich sind. Es ist aber auch natürlich, daß neue und in einander verwikkelte, und daß gründliche Gedanken sich anfangs nur dem Verstande verwirt vorstellen, und daß man sie folglich nicht aus dem Stegreife wohl ausdrükken könne. Im Schreiben und Reden, und sonderlich in Übersezzungen aus einer Sprache in die andere, erfährt man täglich, daß dieses die besten Gedanken sind, wo der Ausdruk viel Mühe kostet. ?" Seit. 53. 54.
 
 
  Ia-03-1779-0055
"Es ist also gewis, die Häufigkeit der Gedanken, das heist ihre Neuigkeit, ihre Feinheit, ihre Gründlichkeit, ist an sich selbst eine Hindernis sich wohl auszudrükken; dahero folget, daß ein Mensch, welcher Verstand hat, eben deswegen, weil er Verstand hat, oft weniger Fertigkeit zu reden besizt, als viel Leute, die einen seichten Verstand haben. ?" Seit. 55.
 
 
  Ia-03-1779-0056
6) Von der Geschwindigkeit zu reden.
 
 
  Ia-03-1779-0057
"Wenn ich sage, die Fertigkeit zu reden, entstehe aus der Geschwindigkeit, mit welcher die Gedanken auf einander folgen, so verstehe ich eine gemässigte Geschwindigkeit; sonsten würden sich die Gedanken unter einander verwirren, und eine die andre vertreiben. Der Überflus der Gedan
 
 
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ken würde machen, daß man gar nicht reden könte. Es gibt Narren, welche es nur wegen der alzugeschwinden Folge der Gedanken sind. Dieses ist auch eine Wirkung der Trunkenheit; man hat also Ursache zu sagen, daß eine alzu xx grosse Lebhaftigkeit der Narheit sehr nahe kömt. Und man könte sagen, den gewöhnlichen Zustand gewisser Leute recht auszudrükken, daß sie gebohrne Trunkene wären. ?" Seit. 57. 58. siehe unten x
 
 
  Ia-03-1779-0058
IV.
 
 
  Ia-03-1779-0059
Philosophische Werke des Herrn Diderot. Erster Theil. Aus dem Französischen. Leipzig, in der Dykkischen Buchhandlung, 1774.
 
 
  Ia-03-1779-0060
1) Von Leidenschaften.
 
 
  Ia-03-1779-0061
"Wir gleichen volkommen Instrumenten, deren Saiten die Leidenschaften sind. Beim Thoren sind sie zu hoch gespant, und das Instrument schreit; beim Blödsinnigen sind sie zu niedrig, und das Instrument ist dumpf. Ein Mensch ohne Leidenschaften ist also ein Instrument, von dem man die Saiten abgeschnitten, oder das nie welche gehabt hat. Dieses zwar ist schon gesagt worden. Aber es giebt hier noch mehr zu bemerken! Ist ein Instrument gestimt, und man schlägt Eine Saite an; so verursacht der Ton, den sie von sich giebt, ein Erzittern so wohl an den nahe liegenden Instrumenten, wenn ihre Saiten eine verhältnismässige harmonische Spannung mit der angeschlagenen Saite haben, als auch in den nächsten Saiten desselben Instruments, wenn sie mit ihr in demselben Verhältnis stehen. Ein volkommenes Bild von der Verwandschaft und der wechselseitigen x...x x...x x...x x...x x...x, zeigen Euch sehr x...x x...x x...x x...x x...x dieser x...x
 
 
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Zusammenstimmung gewisser Neigungen in einerlei Karakter, von den angenehmen Eindrükken und dem süssen Schauder, welche schöne Handlungen in anderen besonders tugendhaften Menschen hervorbringen. Diese Vergleichung liesse sich sehr weit treiben. Denn der erregte Ton ist stets demienigen anlogisch, durch den er erregt wird." Seit. 150. 157.
 
 
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2) Der Unterschied zwischen dem absoluten und dem relativen Schönen.
 
 
  Ia-03-1779-0063
"Unter dem absoluten Schönen darf man keine, dem Gegenstande inhärirende Eigenschaft verstehen, wodurch er schön an sich, selbst und ohne Rüksicht auf eine Seele wäre, die sich ihn vorstelt. Das Wort schön drükt eben, wie alle andern Wörter, die sinliche Ideen bezeichnen, eigentlich nur die Vorstellung des Geistes aus; so wie Kälte und Wärme, Süsses und Saures Bitteres blosse Empfindungen unsrer Seele sind, ob gleich der gemeine Glaube diese Eigenschaften in die Dinge selbst versezt, die iene Empfindungen nur veranlassen. Es läst sich keine Schönheit in den Gegenständen denken, wo man nicht einen Geist annimt, der sie erkent, und der mit einem Sinne für sich sie begabt ist. Sonach wird unter der absoluten Schönheit nur dieienige verstanden, die gewissen Gegenständen an sich selbst zukömt, ohne daß man sie mit etwas anders, wovon sie eine Nachahmung wären, vergleichen könte. Von dieser Art ist die Schönheit, die wir in den Werken der Natur, und in gewissen künstlichen Formen, in Figuren, Körpern und Flächen gewahr werden. Relative Schönheit hingegen legen wir solchen Gegenstän
 
 
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den bei, die man gemeiniglich als Nachahmungen und Bilder von andern ansieht. Diese Eintheilung gründet sich also mehr auf die verschiednen Quellen des Vergnügens, das uns die Schönheit verursacht, als auf die Verschiedenheit der Gegenstände; denn es ist ausgemacht, daß die absolute Schönheit, so zu reden, eine relative und die relative Schönheit eine absolute hat." Seit. ? 277. 278.
 
 
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V.
 
 
  Ia-03-1779-0065
Neue Mannigfaltigkeiten. Eine gemeinnüzzige Wochenschrift. Des ersten Iahrganges drittes Vierteliahr. December 1773 bis Februar 1774. Berlin, verlegt und zu finden bei D. L. verehl. Bossen in der Wilhelmsstrasse.
 
 
  Ia-03-1779-0066
1) Die unzälbare Menge der Geschöpfe.
 
 
  Ia-03-1779-0067
"Niemals ist unsre Einbildungskraft im Stande, die Wunder der Natur in der Volkommenheit sich vorzustellen, in welcher wir selbige in der Natur selbst antreffen, bevor wir solche durch den Gebrauch unsrer Sinne empfunden und wahrgenommen haben. Tausend wunderbare Gestalten bietet uns die Luft dar, wenn in derselben bunte Papilionen oder vergüldete Fliegen herumschwimmen. Millionen Gewürme von unerdenklichen Gestalten, mit unnachahmlich künstlichen Flügeldekken, stikken das grüne Kleid der Erde und treiben auf derselben ihr thierisches Gewerbe. Aber Dekatillionen und abermals Dekatillionen von Geschöpfen finden ihre Wohnung,
 
 
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und ihren Unterhalt in den durchsichtigen Wassern, und in der Tiefe des Meeres, wovon beinahe ein ieder Tropfen ein Ozean vol Meerwunder ist. ?" Seit. 417.
 
 
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2)
 
 
  Ia-03-1779-0069
Klagen bei dem Abschiede eines Freundes.
"Schon sind sie hin, die wonnevollen goldnen Stunden,
An seiner Hand, so sanft durchlebt. ?
Schnel, wie ein froher Morgentraum sind sie verschwunden,
Der um den müden Scheitel schwebt! ?
Wo find ich ihn, für den mein Busen zärtlich wallet!
Sagts Thäler mir! Du kleiner Bach,
O rausch' es mir! ? Ihr Zephyrs lispelts! Berge schallet,
Den süssen Namen zärtlich nach!
Sonst blühtet ihr so schön, ? und hörtet unsre Lieder,
Und saht uns frölich ? Hand in Hand,
Dann rauschtest du ? o Quelchen, unsre Freuden wieder,
Und sprachst, was unser Herz empfand; ?
Und izt, o Iammer! ? schweigst du! ? einsam stehn die Wälder, ?
Sie fült kein freudiger Gesang.
Nur kummervolle Seufzer dumpfen durch die Felder
Wo sonst der Freundschaft Glük erklang.
Sonst sahst du, unser Herz in Liebe sanft zerfliessen;
Und unsern Kus, ? du stiller Mond! ?
O, izt, izt, sieh auch meine Thränen sich ergiessen,
Hier, wo für dich mich kein Freund mehr wohnt! ?
Wo ist er? ? ach, hier gieng er noch! ? vom heissen Munde,
Flos ihm noch jüngst der treueste Schwur.
Dann weist es Gott! ich segnete die selge Stunde, ?
Ganz Himmel war mir die Natur; ?
Und weh mir! ach, er ist nicht mehr in unserm Kreise,
Von mir zuerst schied ihn die Hand,
 
 
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Die Herzen bind't und löset, eine lange Reise,
Rief ihn in ein entferntes Land!
Wie ward mir! nein, der bangen Mus' erlischt das Feuer,
Und izt! ? o sahst du, Freund, iezt fliest
Der Freundschaft heisse Zähr' auf meine stumme Leier,
Von keinem Scherze mehr begrüst! ?
Sie schweigt, und horchet deiner Freunde bange Klagen, ?
Und deiner frommen Eltern Schmerz,
Der besten Schwester Thränen, ? o wie könt' ich's sagen?
Zerschmelzen tausendfach mein Herz! ?
O welch ein Anblik! schmachtend hängt an deiner Wange,
Der lezte seelenvolle Kus! ?
Nun keiner mehr! ? noch glüht er in der Thräne lange,
Bis plözlich er ? ersterben mus! ? ?"
Seit. 477. 478. 479.
 
 
  Ia-03-1779-0070
3)
 
 
  Ia-03-1779-0071
Grabschriften.
"Hier, Wandrer, liegt ein schlechter Leichenstein,
Und unter ihm Arist,
O! mögtest du, was er war, sein!
Er war ein Weiser und ein Christ.
Kein prächtger Marmor darf dir seinen Ruhm erheben,
Arist starb, um zu leben."
"Der von der Burs'
Starb im Konkurs.
Mehr wil man nicht zu seinem Lobe sagen
Weil doch vielleicht nach wenig Tagen,
Auch dieser Leichenstein,
Nicht mehr wird seiner sein. ?"
Seit. 480.
 
 
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  Ia-03-1779-0072
VI.
 
 
  Ia-03-1779-0073
Neue Mannigfaltigkeiten. Eine gemeinnüzzige Wochenschrift. Des ersten Iahrgangs viertes Vierteliahr. Merz bis Mai 1774. Berlin, verlegt und zu finden bei D. L. verehl. Bossen in der Wilhelmsstrasse.
 
 
  Ia-03-1779-0074
1) Von der Furcht vor einer grossen Menge von Insekten.
 
 
  Ia-03-1779-0075
"Wie beklagenswürdig sind hingegen die Menschen, die sich in dergleichen Fällen von der Furcht des Aberglaubens foltern lassen, der uns Gott als einen Tyrannen, und seine liebenswürdigen Geschöpfe als lauter Geisseln abmahlet? Wird etwan ein unbekantes Geschöpf Insekt entdekt; oder finden sich bekante in ungewöhnlicher Menge, oder an den ungewöhnlichen Orten, in den Häusern, in den Viehställen, in den Brunnen u. s. w. ein; so denken die meisten gleich an unnatürliche Sachen, an Wunder, an Plagen, an Hexereien und Bezauberungen, und verrathen dadurch offenbar, daß sie weder die Natur, noch ihren grossen, weisen und gütigen Beherscher kennen, der zu dem ungestümen Meere, geschweige zu den Heeren der Würme und Insekten sagen kan: Bis hieher solst du kommen, und nicht weiter. ? ? ?" Seit. 634.
 
 
  Ia-03-1779-0076
2) Gedanken über die Befruchtung der Pflanzen.
 
 
  Ia-03-1779-0077
"Gewächse und Pflanzen können auf mancherlei Art fortgepflanzt und vervielfältiget werden. Einige vermehren sich durch Ausspröslinge aus der Wurzel; andere durch Ableger, und noch andre durch abgeschnittene und in die Erde gestekte Zweige. Zwiebelgewächse haben ihre iunge Brut bei sich, die oft in Menge die Mutterzwiebel umgiebt. Am meisten aber vermehren sich Blumen und Kräuter, die Bäume selbst, durch den Samen, den sie zuweilen in ausserordentlicher Menge tragen. Die Kentnis der leztern Art der Fortpflanzung ist zwar schon so alt,
 
 
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als die Welt. Aber, daß dabei eine ordentliche Befruchtung durch den mänlichen Samenstaub vorgehe, die mit einer animalischen Zeugung nicht wenig Ähnlichkeit hat, und einer Pflanze die Fähigkeit verschaffe, Samen zu tragen, und dadurch ihr Geschlecht in Millionen Kindern und Kindeskindern fortzupflanzen, das ist eine Entdekkung, die, wo nicht in unsern Tagen ganz neu gemacht; doch näher bewiesen, berichtigt und in ein helleres Licht gesezt worden. Ob Aristoteles, Hippokrates und mehrere von den Alten schon Muthmassungen von dem Geschlechte der Pflxzen Pflanzen gehabt haben, das mögen andre untersuchen. Genug die völlige Bestätigung dieser Lehre ist ein Werk neurer grosser Naturforscher, unter welchen ich nur die berühmten Nahmen eines Linné, eines Gleditsch und eines Ludwig nennen wil. Diese grossen Männer haben bewiesen, daß es Gewächse gebe, die blos mänlichen; andre, die blos weiblichen, und noch andre, die beiderlei Geschlechts zugleich sind, ohne derer zu gedenken, die noch unter die Kryptogamischen oder Verborgenehigen gehören. Sie haben gefunden, daß die Hermaphroditischen oder zweigeschlechtigen sich selbst befruchten; die blos weiblichen aber durch den mänlichen Samenstaub andrer fruchtbar gemacht werden müssen, und ohne denselben unfruchtbar bleiben. Sie haben entdekt, welche Gefässe den mänlichen Samenstaub enthalten, und welches die Staubwege der weiblichen Pflanzen sind, darin sich derselbe ergiesset, und ?" Seit. 673. 674. 675.
 
 
  Ia-03-1779-0078
"Könte der Begierde der Blumenliebhaber nicht dadurch abgeholfen werden, wenn sie ihre Blumen, sie mögen blos weiblichen, oder auch mänlichen Geschlechts zugleich sein, von denen sie gern Samen haben möchten, mit dem Samenstaube derienigen bestreueten, der deren Farbe sie vornämlich gern auf eine übertragen zu können wünschten. Die Bildung animalischer Geschöpfe hat gemeiniglich etwas mit der Gestalt, den Farben und der Beschaffenheit beider Ältern gemein. So würden auch
 
 
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zwo Blumen von sehr verschiednen Farben ganz neue Sorten, in welchen beide mit einander vermischt wären, hervorbringen, wenn man ihren Samenstaub mit einander vermischen könte. Entweder es würde eine neue seltsame Farbe zum Vorschein kommen, oder es würden sich, neben den schon vorhandenen Farbenstrichen, noch andre neue erzeugen. Eine Nelke, z. B. welche helle und dunkelrothe Striche auf weissem Grund hat, würde durch Begattung mit einer gelben und aschgrauen, vielleicht neben ienen auch diese Farben annehmen. Bisher hat man diese Behandlung der Blumen meistentheils verabsäumet. Man hat dieienigen, die beiderlei Geschlechts sind, sich selbst befruchten lassen, und was konte daraus anders entstehen, als Kinder die ihren Eltern ähnlich waren? Andre sind nur von ohngefähr durch eine fremde Art befruchtet worden, und daher ist zwar das Verlangen der Blumenliebhaber einigermassen, aber doch nur selten durch eine neue vorzüglich schöne Gattung befriedigt worden. ?" Seit. 676.
 
 
  Ia-03-1779-0079
3) Algemeine Betrachtung der Insekten.
 
 
  Ia-03-1779-0080
"Alle Dinge, welche der almächtige Schöpfer auf unsrer Erdkugel hervorgebracht hat, stehen in einer wunderbaren Ordnung und Verbindung mit einander, und gründen ihre immerwährende Erhaltung auf gegenseitige Dienste. Der Erdklumpe selbst, die Felsen, Erzte und Steine, haben ihren Ursprung und Wachsthum von den Elementen. Die Pflanzen, Bäume, Kräuter, Gras, und Moose ziehen ihre Nahrung aus der Erde; und hernach die Thiere aus den Pflanzen; endlich werden alle diese Dinge wieder in ihr erstes Wesen verwandelt. Die Erde dient der Pflanze zum Unterhalt; die Pflanze dem Wurm; der Wurm dem Vogel, der Vogel öfters dem Raubthier, und endlich wird, nach umgekehrter Ordnung, das Raubthier dem Sperber zur Speise, der Sperber dem Wurme, der Wurm der Pfanze, und die Pflanze der Erde. Und der Mensch, welcher alles zu seinem Gebrauch zu
 
 
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kehren weis, wird öfters dem Raubthier, oder dem Sperber, dem Seehund, dem Wurm oder der Erde zur Beute. Solchergestalt drehet sich alles in einem beständigen Zirkel.
 
 
  Ia-03-1779-0081
Die Natur hat demnach ein iedes Ding zum Nuzzen eines andern geordnet, und nicht zugegeben, daß etwas ihm selbst allein diente. Die Tyger, Luchse, Bären, Zobel, Füchse, Hermeline u. a. m. müssen ihre kostbaren Felle zum Gebrauch andrer hergeben. Die Hunde müssen auf der Rehe= und Haseniagd ganze Tage die Wälder durchlaufen, da die Beute auf unsern Tisch kömt, und ihre Mühe schlecht belohnt wird. Der Dachs iagt das Kaninchen, aus den verborgensten Höhlen, dem Menschen zum Besten heraus. Dem Pferde, Elephant und Kamele werden Lasten aufgelegt; dem Ochsen ein Ioch; die Kuh mus ihre Milch abgeben; das Schaf die Wolle; das Renthier den Schlitten ziehen; das Schwein und der Igel die Erde durchwühlen, die Schärmaus den Grund umkehren, damit die Pflanzen und Gewächse desto besser fortkommen können. Der Falke mus uns zum Vogelfange dienen, und von der Henne fordern wir Eier. Der Hahn mus uns am frühesten Morgen aufwekken, gegen den Tag aber der Kukuk und die Lerche, Morgens und Abends die Amsel, die Nachtigal mit ihrem Gesange, und bis in die späte Nacht, erfreuen, und der Pfau mit seinen prächtigen Federn die Augen ergözzen.
 
 
  Ia-03-1779-0082
Bei angehendem Frühling besuchen die Störche, Kraniche, Reiher, Gänse, Schwanen, Staaren, Finken die nördlichen Länder; verändern ihren Aufenthalt wieder im Herbst und gehen nach südlichern Gegenden, damit sie mehrern Völkern dienen.
 
 
  Ia-03-1779-0083
Den Fischen ist es natürlich, aus den tiefern Gründen des Ozeans die gefährlichen Ufer zu suchen, in die Flüsse heraufzusteigen, von einem Vorgebirge zum andern zu streichen, und das zu gesezten Tagen und Monaten, damit sie Haufenweise von Menschen, Vögeln und wilden Thieren gefangen werden. Die Tauchenten treiben bei hunderten und in geordneten Reihen, durch das freie Meer, die Fische an das Ufer, daß wir sie desto
 
 
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bequemer fangen können. Die Möven fliegen immer über den Fischen her, und verrathen deren Aufenthalt. Die surinamische Zikade leuchtet dem Menschen bei Nacht. Die Seidenwürmer verschaffen uns schöne Kleider. Die Biene trägt mit vieler Mühe den Honig zusammen, welchen wir uns wohlschmekken lassen.
 
 
  Ia-03-1779-0084
Selbst das Meer wirft täglich viele Muscheln und Schnekken an Bord, zu der Menschen und Thiere vielfachen Nuzzen. Durchgehen wir die menschlichen Einrichtungen, so finden wir, daß die Natur aller Orten diese Absicht hat. Der Bootsknecht wagt sein Leben, welches uns doch das liebste ist, daß er andern Gewin zubringe. Der Soldat vergiest sein Blut zum Heil des Vaterlandes, und seiner Mitbürger. Die Bürger sind mit den Geschäften des Nächsten beladen. Die, welche herschen, widmen ihre Zeit, Kräfte und Musse dem gemeinen Wesen. Die Ältern spahren unermüdet zusammen, was die Erben zerstreuen. Der Akkerman säet und erndtet, aber das wenigste kömt auf seinen Kornboden:
 
 
  Ia-03-1779-0085
Sic Vos Vobis ?
 
 
  Ia-03-1779-0086
Also sind alle Dinge von dem weisesten Urheber und Regierer dieser Welt zum Dienst andrer geschaffen. Hieraus entdekt sich unsre Pflicht leicht. Der Starke komme dem andern zu Hülfe. Der einen grossen Geist hat, unterweise die, welche ihn nicht haben. Der Gelehrte x theile seinen Unterricht mit. Kurz, lieben wir den Nächsten wie uns selbst, so werden wir der Absicht des Schöpfers entsprechen. Diese gegenseitige Dienste, die wir einander leisten müssen, haben uns, um des algemeinen Nuzzens willen, zu Geselschaften verbunden. Was x...x mit getheilten Kräften nicht geschehen kan, wird mit vereinigten leicht erhalten.
 
 
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  Ia-03-1779-0087
Wo würden wir das Geld hernehmen, wenn ein einzelner Mensch die Berge durchgraben, das Wasser ableiten, das Erzt herausbringen, tragen, in zehn verschiednen Öfen und Feuern rösten, giessen, mit dem Hammer ausdehnen, verschneiden und prägen solte? Nicht einer würde einen Pallast bauen, wenn er allein den Grund legen, die Gewölber graben, die Ziegel schneiden und brennen, die Mauren aufführen, bedekken, inwendig zieren, Fenster anordnen und noch mehr dergleichen anschaffen solte. Noch weniger würde einer ein Kriegsschif durch die wütenden Wellen des Meeres zu dem entfernten Indien leiten; noch ein Soldat sich Königreiche und Provinzen unterwerfen; noch einer allein regieren können, wenn er alle Befehle selbst austheilen wolte. Dieses alles verrichten mehrere mit wenig Mühe, wenn sie sich zusammen verbinden. Wie wenig Wachs und Honig mag doch eine einzige Biene samlen, da hingegen, was alle zusammenbringen, vielen Menschen zu gute kömt. Ein Seidenwurm würde mir kein Kleid spinnen, das kan aber leicht von vielen geschehen.
 
 
  Ia-03-1779-0088
Also verhält es sich in der ganzen Natur, in den Künsten und allen Wissenschaften, daß man alles, was herlich und gros sein sol, mit vereinigten Kräften zu Stande bringen mus. Wie viele tausend Menschen werden darzu erfordert, wenn ein König mächtig, die Regierung glüklich und das Volk berühmt sein sol? Wir sind durch den Schweis vieler Vorfahren zu dieser bewundernswürdigen Höhe gekommen, auf welcher die Wissenschaften anizt stehen, und sagen die Baukünstler mit Recht, daß vereinigte Kräfte stärker wirken.
 
 
  Ia-03-1779-0089
Izt hat man gesehen, was die Natur für Kräfte ausgespendet hat, andern zu nüzzen, und mit vereinigter Hand unsern Nuzzen zu befördern. Mit was für einem Vermögen aber sind wir zu diesem grossen Geschäfte ausgerüstet? ? Nicht wahr, damit wir uns über die Thiere erheben? Der Löwe, welcher keine Furcht kennet, hat das grösseste Herz. Der Hase hat eine grosse Federkraft in den Füssen, und hilft sich mit der Geschwindigkeit derselben. Der Affe hat die weichesten Pfoten und das empfindlichste Gefühl. Die Frösche und Schlangen die bieg
 
 
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samsten Adern und das zäheste Leben. Unter den Vögeln hat die Nachteule die grössesten Augen, und sieht wenn es schon finster ist. Der Uhu hat die ausgedehntesten Ohren, und übertrift alle am Gehöre. Die Spinne mus einen grossen Magen haben, weil sie eins von den gefrässigsten Thieren ist. ? So hat die Natur den Sin eines ieden Thiers, welchen es am meisten braucht, geschärfet. Unter den vierfüssigen Thieren hat keines so viel Gehirn als der Elephant; unter den Vögeln keiner so viel als der Papagei, unter den Fischen der Walfisch das grösseste Gehirn: und diese sind unter allen Thieren die verschlagensten. Von allen aber hat keines so viel Gehirn, als der Mensch, und in demselben wohnet der Geist des Menschen, wie wir vermuthen, da alle Nerven in demselbigen enstpringen. Die Natur hat hier ihr gröstes Meisterstük aufgestelt:
 
 
  Ia-03-1779-0090
Sie befiehlt, daß vom Gehirn viele Nerven sich erheben,
Und durch den ätherschen Strom alle Sinnen dir beleben,
Ia auch zu den edlern Theilen deines Leibs als Wächter gehn,
Da für deines Lebens Dauer Herz, Gehirn, und Lunge stehn.
Denn viel edler ist der Theil, welcher für dein Leben wachet,
Dessen Tod ein plözlich End auch deinem Leben machet.
Last uns dann diese Vernunft hochschäzzen, last uns diesen edeln Schaz, welcher uns von den Thieren unterscheidet, recht gebrauchen! Gott hat den Menschen nicht, wie die übrigen Thiere gekleidet; die Vernunft aber hat uns verschiedne Kleider erfinden gelehrt. Auch hat uns die Natur die scharfen Klauen und schneidende Zähne des Tiegers versagt, aber der Verstand zeigt uns, wie wir das Fleisch und die Beine viel geschikter zerschneiden können. Wir können mit dem Hasen zwar nicht in die Wette laufen, dennoch wissen wir den schnelsten zu fangen. Wir können die Erde nicht, wie der Maulwurf, mit unsern Händen durchgraben, doch sind wir im Stande die härtesten Steine zu spalten. Auch wissen wir, ohne Flosfedern und Fischohren, das weite Weltmeer zu durchkreuzen. Die Natur hat uns keine Flügel gegeben; dennoch sind wir geschikt, alle Vögel aus der Luft herunterzufangen; noch die Augen
 
 
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des Luchses; doch entdekken wir die Flekken in der Sonne, und wissen mit dem Vergrösserungsglas die kleinsten Theilchen einer Käsemilbe auszukundschaften. ? ?" Seit. 689. 690. 691. 692. 693. 694.
 
 
  Ia-03-1779-0091
"Bei den kleinsten und verachtetsten Thieren, den Insekten, sind die herlichsten Züge des Schöpfers zu erkennen. Und ob sie wohl klein und stum sind, so verkündigen sie doch die Weisheit des Schöpfers mehr, als alle übrige. Der sonst so nach Neuigkeiten iagende Mensch hat diese seiner Aufmerksamkeit so wenig würdig gehalten, daß unter allen Wissenschaften, dieienige von der Natur und den Eigenschaften derselben, am wenigsten angebauet ward. Inzwischen hat das Reich dieser kleinen Thierchen unter den Engländern, einen Lister; unter den Hölländern einen Schwammerdam; unter den Deutschen einen Frisch, Rösel, Schäfer; und unter den Franzosen einen Reaumur unsterblich gemacht. Noch viele andere berühmte und grosse Männer, und zwar ein Aristoteles, Gesner, Aldrovand, Schönfeld, Ionston, Iung, Blankard, Merret, Ioblot, Kolumna, Leuwenhök, Gödart, eine Merianin, ein Bradlei, Hufnagel, Albin, Wallisner, Petiver, Willughbei, Lesser, Bazin und Raius haben die Natur sorgfältig untersucht; keiner aber sie durch gewisse standhafte Kenzeichen von den vierfüssigen Thieren, Vögeln, Fischen und Würmern abzusondern gewust. Der Krebs wurde unter die Fische gezählt, da er doch ein Insekt ist ? das Seepferdchen für ein Insekt gehalten, da es doch ein Fisch ist. Die Seenessel, Schnekken, Würmer, ia gar die pflanzenartige Würmer, und Muschelwürmer wurden alle zu den Insekten gerechnet, da sie doch zu dem Geschlechte der Würmer gehören. Die Unordnung herschte bis der unsterbliche Linneus in seinem Natursystem gezeiget, daß nur die Insekten Fühlhörner haben, und daß das Beingerippe ihre äussere Haut sei, wodurch diese kleine gepanzerte Thierchen gestärkt, und vor äussern Gefahren sicher gestelt sind. Diese Verwahrung war ihnen nöthig, denn wie hätten sie sonst so viel Drükke und Stösse ausstehen, wie hätten sie unter der Erde kriechen können, ohne erdrükt zu werden? Die Sonne hätte sie ausgedört, und im Sommer Winter hätten sie die heftigste Kälte nicht ausstehen mögen. Diese dikke Haut dünstet nicht so stark aus; daß aber die vermehrte oder verminderte Ausdünstung vieles zur Verlängerung oder Verkürzung des Lebens beitrage, ist aus verschiednen Versuchen klar zu sehen, welche verschiedne berühmte Naturkundige über diese Materie angestelt haben. Wenn
 
 
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der Elephant die Stärke des Käfers nach Proportion der Grösse hätte, so würde er die mächtigsten Bäume wie Bohnenstroh zerkniken, und die Berge und Felsen umkehren.
 
 
  Ia-03-1779-0092
Man betrachte die wunderbare Erziehung der Insekten. Wie unähnlich ist der Iüngling dem Kind, und wie sind beide von dem Ältern unterschieden? Verwandlungen, welche über unsre Kräfte sind! Eine grüne Larve mit sechszehn Füssen, welche kriecht, haaricht ist, und Blätter frist, die man sonst eine Raupe nent, wird in eine hängende, glatte, fastende, goldene Puppe verwandelt, welche keine Füsse hat. und aus dieser wird hernach ein fliegender, weisser, honigsaugender, bunter Schmetterling mit sechs Füssen. Was kan doch die Natur bewundernswürdigers hervorgebracht haben? Es trit ein einziges Thierchen unter so viel Gestalten auf! Es geschiehet aber eben dieses, wenn ein Küchlein aus dem Ei bricht, ausser daß hier alle drei Häute auf einmal reissen und abfallen, bei dem Schmetterling aber eine nach der andern. Denn wenn das erste Häutchen abfält, so erscheinet der Wurm oder die Larve; und nach wenn dieses abgedört oder weggestossen ist, so ists die Puppe; und nach Ablegung der dritten erscheint der Schmetterling. Wie viel tausend Geschlechter und Gattungen, giebt es nicht, welche alle ihre besondere Struktur und Eigenschaften haben, die nicht minder zu bewundern sind, als die der allergrössesten! Wenn wird die Zeit kommen, da uns alles dieses klar sein wird?
 
 
  Ia-03-1779-0093
Man bewundert die scharfen Augen des Luchses, der Schlange und der Nachteule, welche bei gröster Finsternis siehet. Wenige aber würdigen die acht Augen der Spinne, die alle auf einer Stirn liegen, ihrer Bewunderung; noch die Augen der Bremse, oder eines andern fliegenden Insekts, welche aus tausenden zusammengesezt sind.
 
 
  Ia-03-1779-0094
Man kan sich kaum sat sehen an einem Hirsche, der seine schöne zakkigte Hörner empor trägt; aber man wil nicht Acht haben auf die glatten Hörner des Schröters, die so glat, ästicht, hohl und korallenförmig sind, die er so künstlich auszudehnen und wieder zusammenzuziehn weis. Noch ziehn wir die merkwürdigen blätterichten Fühlhörner des Käfers in Betrachtung, welche gleich den
 
 
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Blättern in einem Buche zusammen gefaltet werden. Wir bewundern die langen Hörner des Ziegenboks und des Bisamthiers, welche in nette Ringe abgetheilt sind, und gehen die Hörner des Holzkäfers, welche etliche mal länger sind, als das ganze Thier, und die merkwürdigen Fühlhörner des Maiwurms stilschweigend vorbei. Und wenige kennen den Krebsartigen Kiefenfus, dessen Hörner an wunderbahrer Gestalt alle andre weit übertreffen, weil dieselben wie eine Hand gefingert, und wie Arme ausgestrekket sind, daß sich das Thierchen mit denselben im Wasser hin und her bewegen kan. Wir erstaunen über den grossen und langen Rüssel des Elephanten, ohne auf den sehr langen Schnabel des Kornwurms zu sehen, der so hx...x hart, als ein Horn, und am Ende in einen Mund gespalten ist. Die, so aus den abendländischen Indien zurükkommen, wissen vieles von dem Ameisenbär zu erzählen, der keine Zähne hat, sondern mit seiner ausgestrekten Zunge die Ameisen auffängt, und verschlukket. Aber das wissen wir nicht, daß die Zunge eines ieden Zweifalters in eine Spirallinie zusammengelegt ist: und daß die Schnakke mit ihrer Zunge wie mit einer Nadel sticht, und wie mit einer Pumpe sauget. Wir erschrekken, wenn der grimmige Löwe seinen Rachen aufspert oder ein raubender Seehund sich zeiget, aber wir betrachten niemalen die vielfachen Kiefern der Drachenhure, welche unter den Insekten grössere Verherungen anrichtet, als der Löwe in der Wüste, oder der Seehund im grossen Meer; denn das grausame Thier erhascht alle vorbeifliegende Insekten, und zermalmet ihre Gebein in einem Augenblik. Wir bewundern den schnellen Lauf des Hasens und Eichhorns, und merken doch nicht auf die Sprünge eines Flohes, und die Kreuzsprünge der Heuschrekken, noch auf iene Mükken, welche troknes Fusses über das Wasser daher tanzen; oder auf des Wasserkäfers leichte Kreise durch das Wasser; noch auf die Rükkensprünge des Springkäfers, noch auf die Tänze der Stinkfliege, noch auf den horizontalen Lauf der Spinne von einer Wand zur andern; wenn sie eine Mükke verfolgt, oder sonst ihr Nez ausspant, und sorgfrei durch die Luft wandert. Betrachtet einmal die grossen, zierlichen, gemalten, bunten Flügel des Zweifalters, die mit sehr kleinen Schüpchen oder Federchen überdekt sind. Diese Flügel heben ihn den ganzen Tag in
 
 
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die Luft, und streiten mit dem hohen Fluge der Vögel, und dem prächtigen Schweif des Pfauen. Noch dazu hat er vier Flügel. So viel hat die Natur keinem Vogel gegeben. Wer lehrt das Federvieh mit den Flügeln pipen, wie die Schnakke, summen wie die Hummeln, oder klingend schmettern, wie die Feldgrillen, und die Cikaden in den Thälern, die Maulwurfsgrille unter dem Boden, und die Hausgrille in dem Feuerheerde? Welcher Vogel trägt seine Flügel so senkrecht, wie der Schmetterling, so wagrecht wie die grosse Mükke (Tipula), so niedergebogen, wie der Nachtvogel (Phalæna)? Welcher verbirgt seine Flügel in so zierliche Scheiden, wie die spanische Fliege, und faltet sie so niedlich zusammen, wie der Ohrwurm? ? Seit. 696. 697. 698. 699. 700.
 
 
  Ia-03-1779-0095
4) Moralische Gedanken.
 
 
  Ia-03-1779-0096
"Wenige Menschen wissen: was der Tod sei? und eben so wenige wissen: was Leben ist? Darum leben und sterben die mehresten so schlecht."
 
 
  Ia-03-1779-0097
"Dieienigen, welche sich erst am Schlusse des Lebens bekehren wollen, sind selten glüklicher, als die, welche im Grabe erwachen. Sie leben noch einmal auf, um zweimal zu sterben."
 
 
  Ia-03-1779-0098
"Wer nicht Gelegenheit hat, lasterhaft zu werden, kan noch nicht sagen: daß er tugendhaft sei." ? Seit. 704.
 
 
  Ia-03-1779-0099
5) Eine Fabel.
 
 
  Ia-03-1779-0100
"Elendes kriechendes Geschöpf! Verächtlicher Wurm! rief aus der Höhe ein auf sein farbichtes Gefieder stolzer Schmetterling der Raupe zu. Du erinnerst dich nicht, erwiederte diese, was du vormals warst; und denkst wohl nicht, was ich noch werden kan. ?" Seit. 314.
 
 
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  Ia-03-1779-0101
VII.
 
 
  Ia-03-1779-0102
Algemeine deutsche Bibliothek. Des achten Bandes erstes Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai, 1768.
 
 
  Ia-03-1779-0103
1) Von dem Lobgesange und der Religion der Maria.
 
 
  Ia-03-1779-0104
"Die Iünger Iesu hatten überhaupt den Glauben, daß Gott seine Zusage halten und den Messias senden werde; sie erwarteten von ihm Glük und Errettung, Erlösung von der Hand ihrer Feinde, Luk. 1, 74 u. s. w. sie deuteten das aber, nach der algemeinen Denkungsart ihres Volks, fleischlicher Weise, und hoften eine irdische Wolfarth, eine leibliche Errettung, und ein Reich hier auf Erden, das sie über andre Völker erheben, und auch andre Völker zu ihnen herzulokken werde. Iesu Wunder überzeugten sie, daß er der Messias sei; und ihr Glaube an ihn bestand darin, ihn dafür zu bekennen, ihm als dem von Gott verordneten Herrn und König treu anzuhangen, und die Zeit seines zu errichtenden Reichs getrost zu erwarten. Von seinem Tode und von der dadurch zu stiftenden geistlichen Erlösung, von ihrer Nothwendigkeit und Beziehung auf das ganze menschliche Geschlecht, von dem himlischen Reiche des Messias, von der Bildung, welche Gottes Geist dem Herzen dazu geben mus, hatten sie keine, oder doch nicht richtige Begriffe. Zu Iesu Unterricht, (der gerade auch über diese Punkte mit groser Weisheit sparsam war,) samleten sie diese Erkentnis nicht, berichtigten ihre Vorstellungen nicht, und liessen in der ganzen Zeit wenige von den Vorurtheilen und Irthümern fahren, welche den Zwek und die Sendung Iesu in einem falschen Lichte zeigten. Viele Artikel der Heilsordnung, die es izt für uns sind, fehlten ihnen ganz: und von andern hatten sie irrige und fleischliche Begriffe: und der sukzessive Unterricht Iesu scheint nur dies vornehmlich bei ihnen bewirkt zu haben, daß sie in der Überzeugung, Iesus sei der Messias, gewisser; und in ihren Gesinnungen und Handlungen gewissenhafter, reiner und gottesfürchtiger wurden. Diese historische Wahrheiten lassen sich als solche beweisen; der Beweis liegt in der ganzen evangelischen Geschichte; der Hr. Senior Göz läugnet sie selbst nix...x nicht, und kan sie nicht läugnen.
 
 
  Ia-03-1779-0105
"Aber bei der Maria ist eine Ausnahme zu machen." und warum? Nicht wahr, man mus historische Data haben, daraus
 
 
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man zuverlässig schliessen kan, daß sie mehrere und richtigere Erkentnis und weniger Irthümer und Vorurtheile als die Iünger und Apostel gehabt habe. Nun, das wil ich mit dem Hr. S. untersuchen.
 
 
  Ia-03-1779-0106
"Warum solte bei der Maria nicht eben sowohl eine höhere Erleuchtung möglich gewesen sein, als sie es bei dem Iohannes dem Täufer, beim Zacharias, dem Simeon, der Hanna möglich war?" O ia, warum nicht? Sie war auch bei den übrigen Iüngern, sie war bei allen damaligen Iuden möglich, wenn Gott sie ihnen geben wolte. Aber ist die höhere Erleuchtung da gewesen? Das ist eine historische Frage; die nur aus einem ausdrüklichen Zeugnisse, oder aus ihren Reden und Handlungen beantwortet werden kan. Iohannes der Täufer solte die Iuden von der wahren Ankunft des Messias und von dem Zwekke seiner Sendung unterrichten; nach seinem Amte mus ich also auch eine genauere Einsicht in diesen Zwek bei ihm vermuthen: überdem zeigt es auch der Inhalt seiner Reden ganz klar, daß ihm durch den heiligen Geist die geistliche Absicht von der Zukunft des Messias näher aufgeschlossen worden als irgend , einem seiner Zeitgenossen. Wie weit aber seine Erkentnis der Heilsordnung ausgebildet gewesen, und sich unsrer gegenwärtigen genähert habe, das ist eine delikate Frage, die aus dem wenigen, was uns von ihm aufgezeichnet ist, schwer mit Zuverlässigkeit entschieden werden kan. So viel sagt uns Christus selbst von ihm: der kleinste im Himmelreich ist grösser als er. Vom Zacharias heist es ausdrüklich, er ward des heil. Geistes vol: Simeon kam aus Anregen des Geistes in den Tempel: Hanna war eine Prophetin. Und in den Reden der beiden ersten finden wir auch Spuren, daß sie von zukünftigen Dingen geredet haben, die sie nicht anders als durch Offenbarung des heil. Geistes wissen konten. Wie viel er ihnen offenbaret, das können wir nur aus der Bedeutung der Worte wissen, deren sie sich bedienten; und die Bedeutung der Worte müssen wir aus der Analogie, aus ihrer Denkungsart und aus den Religions
 
 
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begriffen ihrer Zeit aufsuchen. Der Bund Gottes mit den Vätern, den Zacharias Luk. 1, 71. f. besang, hatte freilich einen höhern Zwek; aber die Frage ist, ob Zacharias diesen höhern Zwek kante? Ein frommer Iude, dem Gott es offenbarte, nun sol der Messias erscheinen, könte ia wohl singen: Bald werden wir erlöset sein von der Hand unserer Feinde, und unserm Gott dienen ohne Furcht, u. s. w. und doch eine leibliche Erlösung verstehen, welche ieden ermuntern würde, Gott recht treu und gefällig zu werden. Er konte die von Iohannes zu verkündigende Vergebung der Sünden preisen, aber folgt aus diesen Worten, daß er sich auch dabei dachte, es sei die Vergebung durch das Blut Iesu? Simeon sprach vom Heilande, er solle ein Licht sein, die Heiden zu erleuchten. Sehen wir aus diesen Worten, daß er den bestimten Begrif und Inhalt des Evangeliums, wie es von den Aposteln den Heiden geprediget wurde, und die aufgehobene Scheidewand zwischen Iuden und Heiden vor Augen gehabt habe? Was Hanna gesprochen habe, ist uns gar nicht berichtet; sie sprach zu solchen, welche auf die Erlösung zu Ierusalem warteten: das erzält uns der Evangelist. Was sie für Begriffe von dieser Erlösung gehabt, das sagt er uns nicht; vermuthlich solche, wie sie sie nach der ihrer Fassung und der herschenden Denkart aus den Schriften des A. B. erlangen konten. Folgt es etwa? weil sie auf die Erlösung warteten, so stelleten sie sich eben das darunter vor, was Paullus dx...xtxx dachte, als er von der Erlösung durch Iesu Blut predigte. Das wird doch wohl niemand behaupten: weil der Geist Gottes auf den und den wirkte, so wuste er alles und wuste es völlig. Wie viel ihm der heil. Geist geoffenbaret habe, das mus man aus den Reden des heil. Mannes schliessen, und seine Reden nicht nach unserm, sondern nach seinem Sin erklären.
 
 
  Ia-03-1779-0107
Wie verhält es sich nun mit der Maria? Hat sie wirklich mehr Erleuchtung gehabt, als die Iünger Iesu? Hat sie sogar die bestimte und ausführlichere Erkentnis der Heilsordnung gehabt, die der Christ izt hat; oder hat sie vielleicht Anfangs nicht einmal so viel davon erkant, als sie und die Iünger nach genossenem
 
 
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Untericht von Iesu gesamlet und berichtiget haben? "Ia, der Engel Gottes nent sie Luk. 1, 28. eine begnadigte, und begnadiget von Gott kan nur der sein, der den wahren Glauben hat an den Heiland der Welt." Welchen Glauben? Den, der die ganze Vorstellungsart von der geistlichen Erlösung, so wie der Christ ihn izt hat, in sich schliest? So müssen wohl die Iünger, die Iesus sich erwählet hatte, keine begnadigte Gottes, sondern verworfene und verdamte gewesen sein; denn sie wusten nichts vom Tode Iesu, von seinen erlösenden Leiden, und dem was dadurch erworben werden solte; sie wolten es nicht einmal glauben, wenn Iesus sie darauf führte. Der Glaube, den wir bei ihnen finden, war ein Vertrauen auf Gottes Zusage, eine Hofnung auf den Messias, eine Erwartung von Glük und Errettung, die er von Gott bringen solte, und eine feste Zuversicht, sie durch Iesum zu erhalten. Was für Glük, was für Errettung, das bildeten sie sich ganz anders aus, als wir. Aber wozu diese dogmatische Argumente? Die Frage ist, welchen Sin hat der Engel dem Wort Begnadigte beigelegt, und in welchem Sinne hat es Maria verstanden? Nun mögen wir die Verkündigung des Engels ansehen, oder die Reden und das Betragen der Maria, so war der Gedanke natürlicher Weise der erste bei ihr: ia wohl würde das eine vorzügliche Gnade Gottes sein, wenn ich einen Sohn gebähren solte, der ein Sohn des Höchsten heissen würde. ?" Seit. 144. 145. 146. 147. 148.
 
 
  Ia-03-1779-0108
"Der Lobgesang Mariä ist die grösseste und beinahe einzige Rede, die uns von ihr aufgezeichnet ist, daraus wir uns von ihrer Denkungsart und dem Maasse ihrer Erkentnis einigen Begrif machen können. Ist er ausserordentlich eingegeben worden? Man weis nicht, was man hierauf antworten sol. Es ist doch merkwürdig, daß es mitten in der Reihe, wo von andern Personen erzählt wird, daß sie des h. Geistes vol gewesen, von der Maria verschwiegen wird. Aus dem Inhalte des Gesanges erhellet es auch nicht zuverlässig. Er besteht aus Erinnerungen und Anwendungen biblischer Sprüche. Ieder
 
 
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fromme Israëlit, dem Gott es offenbarte, von dir sol der Messias entspringen, konte aus der Fülle seines Herzens in dieses Lied ausbrechen. Indessen kan doch Gottes Geist dabei wirksam gewesen sein, daß sie es auf seinen Antrieb gesungen, oder durch ihn in der Begeisterung erhöhet worden. Bedurfte aber ihre gerührte Seele wohl dieses Antriebs, dieser ausserordentlichen Begeisterung? ? "Aber war denn ihre Freude über Gott ihren Heiland blos aus ungegründeter Hofnung zeitlicher Vortheile entsprungen?" Nein. Wenn Maria sich freuet, daß Gott sie aus der Niedrigkeit hervorzieht, und ihrem verheissenen Sohn den Thron Davids geben wil, so ist sie from gerührt über diesen Beweis der Gnade und Macht Gottes, v. 50. f. so freuet sie sich mit edlem Herzen, daß dem ganzen Israël dadurch Heil wiederfahren sol; so preiset sie Gott für diesen Beweis, den er giebt, daß er ihrem Volke vergeben wolle. Denn nach der Sprache des A. T. heist Gott vergiebt, so viel: er hebt die Strafen auf und befreiet das Volk von dem Elend, darin es durch seine Sünden gekommen war. Wenn nun Maria oder ein anderer Frommer es in dieser Bedeutung auch dachte: wird der Messias König sein, und das Volk von fremder Herschaft befreien, so ist das ein Beweis Gottes, daß er die bisherigen Sünden vergebe: war denn das gemein, niederträchtig oder einem frommen unanständig gedacht? ? "Die algemeinen Säzze in diesem Liede treffen doch aber nicht im algemeinen Sinne ein; nicht alle Hoffärtigen werden erniedriget, nicht alle niedrige erhoben." Das braucht es auch nicht. Wenn ein Frommer algemeine Aussprüche der Bibel in sein Loblied einflicht, so denkt er nicht an die algemeine Wahrheit des Sazzes, sondern er wendet ihn nur auf sich und seinen Fal an. Er hat die Wahrheit davon erfahren: das ist ihm genug. Und so verhielt sich es mit der Maria auch. "Sie preiset es aber auch, daß Gott dem Israël ewiglich aufhelfe; hier hat sie doch wohl auf das Recht der ewigen Kindschaft gesehen, das die Menschen durch die Versöhnung Iesu empfangen solten." Wenn es nicht historisch zu erweisen ist, daß sie von der Versöhnung bestimte Ideen gehabt habe, so hat sie auch an die daraus fliessende Kindschaft nicht denken können. ?" Seit. 151. 152. 153.
 
 
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  Ia-03-1779-0109
VIII.
 
 
  Ia-03-1779-0110
Algemeine deutsche Bibliothek. Des achten Bandes zweites Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai, 1769.
 
 
  Ia-03-1779-0111
1) Vom Baume des Erkentnisses.
 
 
  Ia-03-1779-0112
"Wir sehen immer noch nicht, warum man nicht ohne Nachtheil der Wahrheit die Bildersprache, dieses Bedürfnis der ältesten Welt, auch in der Erzählung vom Fal und dessen Ursachen derselben könte gelten lassen. Solte es denn zwischen dem profanen Wiz eines Beverlands und seiner Gefährten und der schweren Erklärungsart unsrer Exegeten, die so viel Zweifel auch bei Redlichen gebiehrt, kein Drittes geben? ? Solte die Wahrheit verlieren, solte sie nicht viel eher gewinnen und dem chikanirenden Theil der Mund auf einmal gestopft werden, wenn man sagte, das Ganze laufe daraus hinaus, daß Gott dem Menschen zwar unschuldige sinliche Vergügungen gestattet, aber den Genus sündlicher Wollüste verboten habe; daß das Weib von einer derselben sich bethöret sich überwunden gegeben und den Man selbst dazu verführt; daß dan Schaam, Schrekken des Gewissens, peinigende Furcht für Gott bei iedem Gehör einer maiestätischen Naturwirkung, so lebhafte Angst, als wenn er auf den Fus als Rächer folgte, gegenseitige Anklagen und Entschuldigungen des Herzens, der traurige Erfolg davon gewesen, und die natürliche Strafe des Menschen darin bestanden, durch einen und den andern Versuch des lasterhaften Vergnügens in einen solchen Zustand versezt zu sein, daß ein beständiger Streit zwischen Fleisch und Geist ist, in welchem der Sieg allezeit zweifelhaft bleibt und leider nur alzuoft von ienem behauptet wird? Es sei nochmals gefragt, ob es etwa dem grossen Gott unanständig gewesen, wie ein guter Vater, sich zu seinen noch ganz unmündigen spielenden Kindern in der alten Welt herab zu lassen und sie durch Bilder, (in welchen er dazumal allein mit ihnen reden konte) zu belehren? ?" Seit. 112. 113.
 
 
  Ia-03-1779-0113
2) Vom jüdischen Volke.
 
 
  Ia-03-1779-0114
"Es gefiel Gott , nicht allein der Schuzgott der Israëliten zu sein, sondern auch ihre höchste Landesobrigkeit zu werden ? hieraus läst sich die Weisheit und Billigkeit vieler sonst hartscheinenden Gesezze
 
 
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darthun ? es waren gleichsam Polizeiordnungen ? daher kan es auch wurde die Abgötterei nie eigentliches crimen læsæ maiestatis ? und das Gesez gegen die Verehligung mit den Heiden, ingleichen von der Enthaltung von unreinen Thieren, zur Verwahrung für alle Gemeinschaft mit fremden Völkern gegeben ? Daher kan es auch Niemand befremden, daß Gott blos zeitliche Strafen den Verbrechern gedrohet, weil das Volk dadurch am lebhaftesten überzeugt werden konte, daß sein Gott allein Gott sei, weil keiner von den vermeinten Göttern der Heiden mit Dürre und Miswachs strafen, oder mit Fruchtbarkeit belohnen konte ? daher ist auch die Drohung, noch an Nachkommen die Sünden der Vorfahren zu bestrafen, nicht als ein Stük der algemeinen Religion, sondern als eine bürgerliche Verordnung zu betrachten, so wie Monarchen das Laster der beleidigten Maiestät bestrafen. ? Es kan auch nicht befremden, wenn David in seinen Psalmen gleichwohl klagt, es gehe den Gottlosen wohl, den Frommen übel, indem diese ausserordentliche Vorsehung nach und nach stufenweise abgenommen, ie mehr die Zeiten der neuen Einrichtungen sich näherten. ? ?" Seit. 120. 121.
 
 
  Ia-03-1779-0115
3) Von der ersten Kirche u. s. w.
 
 
  Ia-03-1779-0116
"In diesem (wie die Apostel lehrten,) gemässigten Ton redeten die Väter in den ersten drei Iahrhunderten fort. ? Die Wörter Dreieinigkeit, Wesen, Person waren ihnen unbekant. - Selbst ihre Begriffe von Glauben, Sinnes=Änderung, Rechtfertigung, Erlösung waren nicht übereinstimmend ? deshalb verdamte man auch Niemand, und noch Gregorius Nazianzenus durfte es wagen zu schreiben, wenn man den heil. Geist ???? nennt, bei Leuten die ?????????? sind, so ists löblich, aber bei Schwachen ist es zu starke Speise. - Nur nach und nach wurden die Vorstellungen feste gesezt und damit auch manche Irthümer kanonisirt. ? Die Reformation hat zwar die Kirche davon ziemlich gereinigt, ob man gleich nicht sagen kan, daß die Sache zu aller der Volkommenheit gebracht sei, deren sie fähig ist, ? wie selbst fromme
 
 
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Gottesgelehrten öffentlich gestanden haben. ? Last uns aus dem allen den Schlus machen ? daß die ältesten Zeiten nicht immer die erleuchtesten gewesen, ? daß die Betrachtung des langsamen Wachsthums menschlicher Erkentnis uns in unsern Urtheilen von Andern, die andre Einsichten zeigen, vorsichtig machen sol ? daß deshalb nicht iede Religion gleichgültig ist, und ein ieder verbunden sei, nach richtigen x...xsx Einsichten zu streben, und die erkanten ohne alles Interesse zu bekennen. (Matth. 10, 33.) ? ?" Seit. 125. 126.
 
 
  Ia-03-1779-0117
4) Was die Trägheit sei.
 
 
  Ia-03-1779-0118
"Die Trägheit ist weiter nichts, als der Saz des zureichenden Grundes, auf die Veränderung des Zustandes des Körpers angewandt. Die Ursache dieser Änderungen ist, so viel uns unsre Sinnen lehren, nicht in dem Körper selbst, sondern in andern, ausser ihm befindlichen, Dingen zu suchen. Vielmehr sieht es so aus, als ob in dem Körper etwas wäre, das ieder Bemühung ihn aus seinem Zustande zu bringen, hinderlich fiele. und dieses nent man seine Trägheit. Sie hat keine bestimte Grösse, denn sie widerstehet viel oder wenig, nachdem die Gewalt, der sie sich widersezt, gros oder klein ist. Sie ist keine Kraft, sondern so zu reden nur der Widerhal andrer Kräfte. ? ? ?" Seit. 214.
 
 
  Ia-03-1779-0119
5) Von dem Drukke.
 
 
  Ia-03-1779-0120
"Daß aus fortgesezten Drükkungen Bewegung entstehen kan, zeigt die Schwere. Was aber ein einzelner Druk in einer unendlich kleinen Zeit hervorbrächte, wäre eine unendlich kleine Bewegung. Dasienige also, womit endliche Bewegung verbunden ist, die sogenante lebendige Kraft, ist als eine Summe unzähliger Drukke, als ein Integral anzusehen, davon ein Druk das Element ist. Man hat also mit Recht lebendige und tode Kraft als Dinge, die sich nicht ver
 
 
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gleichen lassen, angesehen, da diese ein Element von iener ist. Wil man demnach die Stärke des Stosses messen, so mus man ihn als die Summe unzähliger Drükkungen betrachten. Eben so lassen sich die Härten der Körper, aus den Eindrükken des Stosses, vergleichen. ?" Seit. 215. 216.
 
 
  Ia-03-1779-0121
6) Wizzige Vergleichung des Schmetterlings mit den Menschen.
 
 
  Ia-03-1779-0122
"Die Raupe wil wissen, wie der künftige Schmetterling aussieht, wie er kriecht, auf welchem Blat er sich aufhält pp. Darüber hat schon Swift angemerkt, es seie uns nicht gesagt was der Himmel ist, sondern nur was er nicht ist, daß man nämlich daselbst nicht esse, trinke, heurathe pp. Das wil sagen, der Schmetterling kriecht nicht, und die Raupe hat nur Begriffe vom kriechen. So wird wohl müssen von Dingen gesprochen werden, die kein Aug gesehen, kein Ohr gehört hat; und die in keines Menschen Sin ie gekommen sind. Indessen sind die Bemühungen sich alles rdigste davon vorzustellen, nicht unnüzze, nur mit dem Zusazze, daß wenn es nicht so sein wird, es noch besser sein werde." ? Seit. 278. 279.
 
 
  Ia-03-1779-0123
IX.
 
 
  Ia-03-1779-0124
Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irthum und Schein durch I. H. Lambert. Zweiter Band. Leipzig, bei Iohann Wendler, 1764.
 
 
  Ia-03-1779-0125
1) Von den Vokalen.
 
 
  Ia-03-1779-0126
"Die Erfahrung lehrt uns, daß, wenn man dieienigen Wendungen der Gliedmassen, die zum Sprechen gehören, nicht in der Kindheit zu einer Fertigkeit macht, sie uns im höhern Alter, theils schwer, theils ganz unmöglich werden. Das Schibbolet der
 
 
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Iüden, das th der Engelländer, das mst der Russen, sind verhältnisweise von dieser Art. Die Welschen haben Mühe zu asperiren, und werden leicht Hengelland und Oland aussprechen, die Deutschen treffen das Französische eu nach seinen beiden Aussprachen sehr selten, und verwechseln es leicht mit i und e. Das Griechische ? scheint ein Mittelton zwischen ei und i gewesen zu sein, dessen Aussprache die Lateiner mit e verwechselten; und da die Lateiner das griechische ? durch ph und nicht durch f geben, so scheint auch, daß es ein Mittel zwischen ph und F gewsen sei, so wie die Franzosen das Wort vive als vifve dergestalt aussprechen, daß das fv ein Mittel zwischen f und v ist.
 
 
  Ia-03-1779-0127
Die Unterschiede der Vokalen sind, nach so viel mir vorgekommen, folgende:
 
 
  Ia-03-1779-0128
1). a, wie es die Deutschen in haben, Adam pp. aussprechen.
 
 
  Ia-03-1779-0129
2. oa, ein Mittelton zwischen o und a.
 
 
  Ia-03-1779-0130
3. ae, wie in dem Wort Vers, mäß, her.
 
 
  Ia-03-1779-0131
4. ae, wie im Französischen in fait, im Deutschen sez, Herr.
 
 
  Ia-03-1779-0132
5. e, wie in geh, mehr.
 
 
  Ia-03-1779-0133
6. e, wie in den lezten Sylben der Wörter sizzen, faire.
 
 
  Ia-03-1779-0134
7. e, wie in einigen holländischen Örtern die erste Sylbe in siten, ein Mittelton zwischen e und i.
 
 
  Ia-03-1779-0135
8. i, wie im Deutschen mir, Hirt.
 
 
  Ia-03-1779-0136
9. i, wie im Französischen vif, im Deutschen vil.
 
 
  Ia-03-1779-0137
10. u, wie im Französischen pur.
 
 
Manuskriptseite 43.
 
  Ia-03-1779-0138
11. u, wie in der Schweiz für, über, füllen.
 
 
  Ia-03-1779-0139
12. u, wie outre, joug, muse, Uhr.
 
 
  Ia-03-1779-0140
13. u wie gloire, ruhen, fuhr.
 
 
  Ia-03-1779-0141
14. u, wie Stufe, murren, um.
 
 
  Ia-03-1779-0142
15. o, das o chiuso der Italiener, ein Mittel zwischen u und o.
 
 
  Ia-03-1779-0143
16. o, das o aperto der Italiener, ein klingendes o.
 
 
  Ia-03-1779-0144
17. oe, wie in der Schweiz hören, im Französischen leur, feu. ? ?" Seit. 46. 47.
 
 
  Ia-03-1779-0145
2) Von den Konsonanten.
 
 
  Ia-03-1779-0146
"Die Mitlauter theilen sich in einfache und zusammengesezte. Von diesen haben wir Zeichen für folgende dreizehn:
 
 
  Ia-03-1779-0147
v, d, f, g, h, l, m, n, r, s, w, ?, @,
 
 
  Ia-03-1779-0148
zu welchen vielleicht noch das griechische ? als ein Mittelton zwischen f und vh, und das engländische th, welches aus d, h, s, zusammengezischt wird, kommen könte. Ob aber die Gliedmassen der Sprache nicht noch mehrere Konsonanten möglich sein lassen, läst sich nicht wohl anders entscheiden, als wenn man solche in ganz fremden Sprachen findet. Wir bemerken hiebei nur eine Anomalie in den gewöhnlichen Buchstaben unsrer Sprachen. Denn für dh, gh, dhs, gs, bh nehmen wir einfache Zeichen t, k, z, x, p, und hingegen für die einfachen Mittellauter der Griechen ?, @, ?, nehmen wir cg, sch, ph. Lezteres vermuthlich aus Mangel eigner Zeichen, ersteres aber als eine ganz wilkührliche Abkürzung, die nach strengern Regeln entweder unterbleiben, oder auf iede andre zusammengeschlungene Konsonanten, z. E. bl, br, bs, gl, gr, gs, st, spr, str pp. ausgedehnt werden müste.
 
 
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  Ia-03-1779-0149
Von diesen einfachen Konsonanten kommen einige den Vokalen näher, und diese sind s, ch, sch, f, r, weil der Ton in der Aussprache, so lange man wil, darauf ruhen kan, wie bei den Vokalen. Nach diesen haben die 3 Buchstaben l, m, n, noch etwas selbsttönendes, d und g sind stummer, b und w fordern eine völlige Schliessung der Lippen, und das h ist eine blosse Aspiration. Man könte sie demnach in halblaute, flüssige, halbstumme, stumme und aspirirende abtheilen. ?" Seit. 48. 49.
 
 
  Ia-03-1779-0150
3) Von einfachen Begriffen, wie sie ausgedrukt werden müssen.
 
 
  Ia-03-1779-0151
"Es ist, an sich betrachtet, das natürlichste, daß ein Begrif, der für sich gedacht werden kan, schlechthin nur durch eine Sylbe angedeutet werde. Denn eine Sylbe läst sich für sich ebenfals mit einem male aussprechen. Die Kürze des Zeichens ist eine Volkommenheit, und es bedarf ein Zeichen nicht mehr, als daß es das Bewußtsein der Sache errege. Aus diesem Grunde sind zusammengesezte Wörter, in welchen nicht iede Sylbe ihre eigne Bedeutung hat, Unvolkommenheiten einer Sprache. ?" Seit. 67.
 
 
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4) Von Konjunktionen.
 
 
  Ia-03-1779-0153
"Im Deutschen scheinen: und, auch, so, als, oder, wenn, wo, wie, aber, weder, noch, doch, sonst, ob, denn, weil, daß, da, nun, pp. Wurzelwörter zu sein. Die Lateiner haben noch die verneinende, ne, nec, quin, pp. die wir im Deutschen zusammensezzen, so wie sie hingegen das deutsche auch, durch etiam, quoque, pp. geben. Die abgeleiteten oder zusammengesezten Bindwörter, besonders wenn sie von andern Redetheilen herkommen, ändern gewissermassen ihre Bedeutung, und öfters sind es Abkürzungen von Redensarten. Z. E. das Bindwort daher, welches an
 
 
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sich ein Verhältnis des Orts anzeigt, wird metaphorisch metaphorisch und wegen Ähnlichkeit des Eindrukkes auf die Gründe und Schlusfolgen gezogen; als ein Bindwort aber ist es eine Abkürzung der Redensart: daher kömt daß pp. Das Bindwort damit, welches auf Mittel und Absichten geht, behält noch etwas von dem Vorworte mit, aus welchem es abgeleitet ist. Das Bindwort deswegen oder derowegen, derohalben, hat wie im Lateinischen quapropter, propterea, fast ganz seine natürliche und ursprüngliche Bedeutung, weil propter, wegen, an sich auch eine Propositio caussalis ist. Man wird in den Bindwörtern: ebenfals, desgleichen, dazu, ausserdem, ungeachtet, hingegen, folglich, demnach, obschon, nachdem, indessen, inzwischen, unterweilen, mittlerweilen, ferner, weiter, übrigens, zwar pp. ähnliche Spuren der Ableitung und Abkürzung finden." Seit. 139.
 
 
  Ia-03-1779-0154
X.
 
 
  Ia-03-1779-0155
Die Schönheit der deutschen Sprache in auserlesenen prosaischen Stükken aus den besten Schriftstellern der Nation. Zur Bildung der Sitten und des Geschmaks. Augsburg, verlegts Eberhard Kletts seel. Witwe 1773.
 
 
  Ia-03-1779-0156
1) Was Andacht heist.
 
 
  Ia-03-1779-0157
"Die Empfindungen und Gemüthsbewegungen aus der Betrachtung des höchsten Gegenstandes des menschlichen Denkens, der noch dazu uns selbst so nahe angeht, die machen einen Andächtigen. Und dann sehe ich, anstat des Schwachen und Niedrigen, welches man so oft damit verknüpft, nichts anders darin, als die würdigste und edelste Erhebung der menschlichen Seele. Die Stärke dieser vernünftigen Empfindung ist so gros, daß unser Geist, wenn er sie in dem ganzen Umfange ihrer Wahrheit fassen wolte, nothwendig unter dem Gewichte derselben niedersinken müste. Und wenn wir auch biswei
 
 
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len darinnen, bei einer strengen Zusammenhaltung unsrer Gedanken, zu einer ausserordentlichen, obwohl den Gegenstand nie übersteigenden, Höhe entzükt werden, so können unsre denkenden und fühlenden Kräfte das doch nur eine sehr kurze Zeit aushalten, und müssen bald zu sanftern und ruhigern Regungen zurükkommen. Aber diese niedrigere Gegend der Andacht mus dagegen auch nothwendig ein sehr natürlicher und gewöhnlicher Aufenthalt für das Gemüth desienigen sein, der Gott, und seine Beziehung auf ihn, kent. ? ?" Seit. 113. 114.
 
 
  Ia-03-1779-0158
"Der Mensch darf nur sein Herz den Eindrükken, welche die natürlichen Folgen von einer richtigen Erkentnis dieser unendlich wichtigen Gegenstände sind, mit Vernunft und Ehrlichkeit öfnen, um von den angenehmsten und würdigsten Bewegungen durchdrungen zu werden. Hier fühlet die Seele erst recht ihre wahre Grösse, wenn sie sich zu der Höhe geschwungen hat, daß sie an den himlischen Freuden der Andacht einen Geschmak findet. Hier kan sie ihrem Verstande und ihrer Denkungart Ehre machen; und alles in der Welt wird ihr dargegen niedrig und klein scheinen sein. Wenn ein Gott ist, wenn er diese Welt erschaffen hat und regieret; wenn alles Gute in der Natur von ihm herrühret, wenn er mit seiner bex...x belebenden Gegenwart alles erfüllet, wenn er auch mich siehet, wenn er mich in den aufrichtigsten Bestrebungen, gut zu sein, mit einem anbethungswürdigen götlichen Wohlgefallen sieht, wenn seine ganze unermesliche Maiestät für mich lauter Seegen ist, Segen auf Ewigkeiten hinaus. Wo ist der Geist, der die ganze Gewalt dieser Empfindungen erträgt? ?" Seit. 120. 121.
 
 
  Ia-03-1779-0159
2) Vom Glük eines Geistes.
 
 
  Ia-03-1779-0160
"Eine gewisse Gleichgültigkeit gegen die Dinge dieses Lebens, eine Gelassenheit, die sich über alle ungestüme Wünsche und Besorgnisse erhoben hat, ein Geist, der gewissermassen sich selbst
 
 
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genug ist, der von den äusserlichen Banden eines nach dem andern zerbricht, um sich so vielmehr in sich selber zusammen zu ziehen, eine wohlangelegte Vetraulichkeit der Freundschaft, und eine den Kräften gemässe Übung in Erkentnis und Betrachtung; das bringt eine innerliche Ruhe zu wege, die sich selber immer gleich ist; die aber doch dann nur erst ihre x...x wahre Volkommenheit erreicht, wenn die Fähigkeiten und Begierden der Seele sich immer mehr zu ihrem einzigenchsten Ziele samlen, und in Gott die völlige Sättigung suchen, die sie sonst nirgends finden. ?" Seit. 127-128.
 
 
  Ia-03-1779-0161
3) Die Erkentnis Gottes die herlichste Erkentnis.
 
 
  Ia-03-1779-0162
"Die Seele, welche glüklich sein wil, mus gros sein; gros in ihren Wünschen, und damit ihre Wünsche mit der Unenendlichkeit ihrer Begierde nach Glükseeligkeit übereinstimmen mögen, gros in ihren Gedanken und Erkentnissen. Weite Aussichten erweitern den Geist, der, ie enger der Kreis seiner Einsichten ist, sich auch in einem kleinern Kreise des Vergnügens befindet. Was die Sinne empfinden; was die Ohren hören und die Augen sehen, kan nur so lange gros zu sein scheinen, als wir nicht Mängel und Unvolkommenheiten der Dinge erblikken, die uns in Verwunderung sezzen. Ihr Anblik tödtet, so zu sagen, die Verwunderung; das Erstaunen stirbt, das Grosse wird klein, das Erhabene niedrig, so bald die Seele zur Erkentnis des, was grösser, volkommener und erhabener ist, empor steiget. So müsse sie denn alle Kräfte ihrer Aufmerksamkeit und Betrachtung allein auf den richten, dessen Grösse die Unendlichkeit ist, und sie müsse nicht eher ruhen, bis sie sich zu der unermeslichen Volkommenheit des hinaufgeschwungen hat, der über allen Mangel und über alle Schranken erhoben ist! Sie müsse ihre vornehmste Sorge sein lassen, Gott kennen zu lernen, weil nichts grössers ist, als die Gotheit! ?" Seit. 187. 188.
 
 
  Ia-03-1779-0163
"Ist die Schönheit dessen, was Gott geschaffen hat, so unermeslich gros, so ist der unaussprechlich grösser, der die Schöpfung mit einem
 
 
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Gedanken umspant? Hat die Sonne einen Glanz, den meine Augen nicht ertragen können: so darf ich mich nicht verwundern, daß der, der sie angezündet hat, in einem Lichte wohnet, worin ihn kein Mensch gesehen hat und sehen wird. Solte er weniger wunderbar sein, als das, was seine Hand gebildet hat? Ie wunderbarer seine Werke sind, desto mehr mus er selbst mein Erstaunen verdienen. Wären wir fähig, ihn zu fassen, so würde er nicht Gott, oder wir würden nicht Menschen sein. Von diesem Gegenstande ist nichts wahr, als was uns in ein ewiges Erstaunen sezt.
 
 
  Ia-03-1779-0164
Ich stehe in der stillen Mitternacht auf, wo die Aufmerksamkeit meines Geistes weder durch das Geräusche der Eitelkeit ausser mir, noch durch die Unruhe der Arbeit, der Sorge und der Leidenschaft in mir gestört wird, und verliere mich in dem Anblikke des gestirnten Himmels, wo nun stat einer Sonne am Tage zehntausend und noch mehr Sonnen in einer unermeslichen Entfernung vor mir angezündet sind! Ein ruhiges, aber fast ein almächtiges Erstaunen überfält mich! Welch ein Schauplaz seiner Grösse! Welch eine herliche Offenbarung Gottes! Welches Auge kan ihn fassen! Welch eine Höhe! Wenn ich hinauf schaue; welch eine Tiefe, worinnen ich mich selbst kaum gewahr werde, wenn mein Auge aus der Höhe zurük kömt! Kreise über Kreise von einem Umfange, den vielleicht der erste Engel kaum ausmessen kan! Ohne Ende Sonnen über Sonnen, und ohne Zweifel um sie her Welten, die grösser sind als das Sandkorn von Erde, auf der ich wohne! Was für ungeheure Massen von Licht müssen das sein, daß noch ein Schimmer von ihnen bis zu meinem Auge herab dringen kan! Welch eine Ordnung und Schönheit, welch eine schnelle Bewegung derselben! Welch eine Entfernung worinen sich die äussersten Grade der Höhe, der Breite und der Breite Tiefe verlieren! Das ist gros; unaussprechlich gros; das ist der Verwunderung und des Erstaunens würdig! ? ?" Seit. 188. 189. 190.
 
 
  Ia-03-1779-0165
"Wo können sich also meine Aussichten mehr erweitern; wo kan ich grössere Erkentnisse und Gedanken einsamlen, als
 
 
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in der Betrachtung der an Gewalt und Pracht so grenzenlosen Gotheit, um allen Kräften meiner Seele die Stärke zu verschaffen, die mich zum Genusse unendlicher Freuden geschikt machen? Ie mehr sich mein Geist auf Erden erweitert; ie grösser er durch die Betrachtung des Grösten hier geworden ist, desto mehr wird er dort fassen können. So wil ich denn nun meine Aufmerksamkeit zwischen Gott und der Natur theilen, aber nur, um in dieser, als in einem Spiegel, das Bild des Wesens zu finden, das ich nicht von Angesicht zu Angesicht sehen kan. Ich wil die mannigfaltigen Schönheiten und Volkommenheiten, die durch das weite Gefild der Schöf Schöpfung zerstreuet sind, samlen, und wenn mich ihre unzählbare Menge in Verwunderung sezt, wil ich zu mir selbsten sagen, daß sie weniger gegen die Volkommenheiten ihres Schöpfers, als ein Tropfen gegen das Weltmeer sind! ? ?" Seit. 190. 191.
 
 
  Ia-03-1779-0166
4) Die Glükseeligkeit derer, die Gott zu kennen suchen.
 
 
  Ia-03-1779-0167
"Wie hoch solten wir nicht die Glükseeligkeit schäzzen, daß wir fähig sind, Gott zu erkennen und zu lieben; daß wir durch die ganze Einrichtung unsrer Natur gleichsam genöthigt werden, uns nicht, gleich den Thieren blos auf den Genus des kurzen sinlichen Vergnügens einzuschränken; daß es, ie länger es genossen wird, immer mehr von seinem Reize verliert; daß wir, ie mehr sich unsre höheren Kräfte entwikkeln und ausbilden, immer unzufriedener werden müssen, ie weiter wir uns von dem Besizze des Besten und Volkommensten entfernt sehen! Es ist die erhabenste Beschäftigung des Menschens, Gott zu erkennen, aber was noch mehr ist, auch die seeligste. Ie näher wir dadurch unsrer wahren Würde kommen, desto näher kommen wir auch durch seine Erkentnis unsrer einzigen wahren Wohlfahrt. Wenn schon die Wahrheiten, welche uns mit endlichen und eingeschränkten Dingen bekant machen, eine fast unbeschreibliche Anmuth für unsren Geist haben: können denn wohl dieienigen weniger gewähren, welche das Wesen der Wesen, die Quelle und den Ursprung alles dessen angehen, was unsre Aufmerksamkeit und Betrachtung an sich zieht? ? ?" Seit. 192. 193.
 
 
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  Ia-03-1779-0168
5) Über die Absichten im Pflanzenreiche.
 
 
  Ia-03-1779-0169
"Wie gros der Reichthum von Beweisen in der ganzen Natur, daß das erste, nothwendige, ewige und selbständige Wesen, welches alle Dinge hervor gebracht hat, einen unendlichen Verstand besizzen müsse! Wenn ich blos das Reich der Pflanzen betrachte: wie viele Ursachen finde ich da, seine unbegreifliche und gränzenlose Weisheit zu bewundern! Ich mag über die Erzeugung derselben, über ihren Wachsthum, über ihre Einrichtung und die Beschaffenheit ihrer Theile, über ihre Erhaltung und Fortpflanzung, oder ihren mannigfaltigen Nuzzen für die Menschen und Thiere nachdenken; überal entdekke ich Absicht; überal die vortreflichsten Regeln und Gesezze für dieses weitläuftige und so sehr bevölkerte Reich!
 
 
  Ia-03-1779-0170
Wenn wir auch von den Pflanzen nichts anders wüsten, als was iedes noch so ungeübte Auge bemerken kan, nur dies einzige, daß ein Saamenkorn, wenn es in die Erde, diesen so fruchtbaren Schoos der Natur ausgesäet ist, erst eine Wurzel in den Boden senke, dann einen Stam aufwärts in die Luft treibt, welcher Knospen, Zweige, Blätter, Blumen und Früchte trägt, worinnen Saamen zu neuen Pflanzen enthalten sind, damit die Gewächse einer ieden Art verewigt werden mögen: kan man denn, ohne die äusserste Unvernunft, diese beständige Folge des Saamens auf die Pflanzen, und der Pflanzen auf den Saamen, die nun so lange gedauert hat, mit allen dazu erforderlichen Werkzeugen einem blossen Zufalle zuschreiben? Erde, Regen, Luft und Wärme sind zur Erzeugung derselben unentbehrlich; aber würde wohl, wie unentbehrlich sie auch ihnen sind, eine einzige Pflanze zur Wirklichkeit kommen, wenn es keinen Saamen gäbe?
 
 
  Ia-03-1779-0171
So bald der Saame in der Erde die nöthige Feuchtigkeit empfangen hat, sehen wir ihn aufschwellen; die äussere Haut, welche Wurzel, Stam und Blätter verbirgt, zerreist; die Wurzel bricht hervor, gräbt sich in die Erde, und bereitet die nöthige Nahrung für den Stam, der sich aus der Erde herauf arbeitet, seine Blätter auseinander
 
 
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breitet, die erst weis sind, dan gelb und endlich mit einem lieblichen Grün gefärbt werden. In ieder Pflanze erblikken wir mannifgaltige Röhren und Kanäle, die in einem Kreislaufe den ihr nöthigen Saft durch alle Zweige, Knospen, Blätter und Blumen vertheilen, bis aus diesen, nach einer vorhergegangenen Befruchtung, Früchte hervorwachsen, reifen und in sich den Saft zu andern Pflanzen gleicher Art enthalten. Was für Ordnung, was für Weisheit und Kunst in allen diesen Veränderungen! ?" Seit. 215. 216.
 
 
  Ia-03-1779-0172
"O daß ich doch keinen beschatteten Baum, keine wallende Saat, keine blumenvolle Wiese, keinen prächtigen Wald sehen, keine Blumen brechen, in keinen Garten treten möchte, ohne zu bedenken, daß es Gott, ein Wesen von einem unerforschlich grossen Verstande ist, durch den der Baum kühlenden Schatten wirft; Gott, durch den die Blumen solche süsse Gerüche aushauchen; Gott, durch den Wälder und Wiesen, Berge und Thäler mit einem so anmuthigen Grün bekleidet werden; Gott, durch den Wein, Öl und Most aus der Erde wächst, das Herz des Menschen zu erfreuen, ohne auszurufen: Herr, wie sind deine Werke so gros und viel! Du hast sie alle weislich geordnet. ?" Seit. 217.
 
 
  Ia-03-1779-0173
"Welche offenbare weise Absichten blos in der Wahl der Farbe, womit alle Pflanzen geschmükket sind! Wären alle Felder weis oder roth gefärbt: wer könte den Glanz davon ertragen, und in die Länge aushalten! Wäre die algemeine Farbe dunkler und finstrer: welch ein trauriger Anblik würde nicht die ganze Natur für uns sein! Welch ein Mittel zwischen allen Farben ist nicht das erfrischende Grün! Welch eine Verwandschaft hat es nicht mit der Bildung unsrer Augen, die es nie ermüdet und alzeit erquikket! und doch ist gleichwohl in dieser einzigen Farbe eine solche bewundernswürdige Mannigfaltigkeit, indem nicht ein einzige Gewächs in seinem Grün so licht oder so dunkel ist, als das andere. ? ?" Seit. 218.
 
 
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  Ia-03-1779-0174
XI.
 
 
  Ia-03-1779-0175
Auserlesene kleinere Gedichte aus den besten deutschen Dichtern zur Bildung iugendlicher Herzen und des Geschmakes. Augsburg, verlegts Eberhard Kletts seel. Witwe. 1772.
 
 
  Ia-03-1779-0176
1) Aus Gesners Idyllen: Mirtil.
 
 
  Ia-03-1779-0177
"Bei stillem Abend hatte Mirtil noch den Mondbeglänzten Sumpf besucht. Die stille Gegend im Mondschein und das Lied der Nachtigal hatten ihn in stillem Entzükken aufgehalten. Aber izt kam er zurük, in die grüne Laube von Reben vor seiner einsamen Hütte, und fande seinen alten Vater sanft schlumernd am Mondschein, hingesunken, sein graues Haupt auf den einen Arm hingelehnt. Da stelt er sich, die Arme in einander geschlungen, vor ihm hin. Lang stand er da, sein Blik ruhete unverwandt auf dem Greisen, nur blikt er zuweilen auf, durch das glänzende Reblaub zum Himmel, und Freudenthränen flossen dem Sohn vom Auge.
 
 
  Ia-03-1779-0178
O du! so sprach er iezt, du, den ich nächst den Göttern am meisten ehre! Vater! wie sanft schlummerst du da! Wie lächelnd ist der Schlaf des Frommen! ? Gewis gieng dein zitternder Fus aus der Hütte hervor, in stillem Gebete den Abend zu feiern, und betend schliefest du ein. Du hast auch für mich gebetet, Vater! Ach wie glüklich bin ich! die Götter hören dein Gebet; oder warum ist der Segen ruhet unsre Hütte so sicher in den von Früchten gebogenen Ästen, warum ist der Segen auf unserer Heerde und auf den Früchten unsers Feldes? Oft wenn du bei meiner schwachen Sorge für die Ruhe deines matten Alters Freudenthränen weinst; wenn du dann gen Himmel blikkest und freudig mich segnest, ach was empfind ich dan,
 
 
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Vater! Ach dann schwelt mir die Brust, und häufige Thränen fallen vom Auge! Da du heut an meinem Arm aus der Hütte giengest, an der wärmenden Sonne dich zu erquikken, und die frohe Herde um dich her sahest und die Bäume vol Früchte, und die fruchtbare Gegend umher, da sprachst du, meine Haare sind unter Freuden grau worden, seid gesegnet, Gefilde! nicht lange mehr wird mein dunkler Blik euch durchirren, bald werd ich euch an seeligere Gefilde vertauschen. Ach Vater! bester Freund! bald sol ich dich verlieren, trauriger Gedanke! Ach! dann ? ? dann wil ich einen Altar neben dein Grab hinpflanzen, und dann, so oft ein seeliger Tag kömt, wo ich Nothleidenden Gutes thun kann, dann wil ich Vater! Milch und Blumen auf dein Grabmal streuen.
 
 
  Ia-03-1779-0179
Izt schwieg er, und sah mit thränendem Aug auf den Greisen; "wie er lächelnd da liegt, und schlummert!" sprach er izt schluchzend, es sind von seinen frommen Thaten im Traum vor seine Stirne gestiegen. Wie der Mondschein sein kahles Haupt bescheint und den glänzend weissen Bart! O daß die kühlen Abendwinde dir nicht schonten, und der feuchte Thau! izt küst er ihm die Stirne, sanft ihn zu wekken, und führt ihn in die Hütte, um sanfter auf weichen Fellen zu schlummern. Seit. 70. 71. 72.
 
 
  Ia-03-1779-0180
2) Glükliches Leben ? sanfter Tod und ? ? Entzükkung!! ?
 
 
  Ia-03-1779-0181
"Unser wahres Glük ist die Tugend. Der ist ein Weiser, und glüklich, der willig die Stel ausfült, die der Baumeister, der den Plan des ganzen denkt, ihm bestimt hat. Ia du, götliche Tugend, du bist unser Glük, du streust Freud und Seligkeit in iedem Stand auf unsre Tage. O wen sol ich beneiden, wenn ich durch dich beglükt die Laufahn meines Lebens vollende? Dann sterb ich froh, von Edlen beweint, die x mich um deinetwillen liebten, von euch beweint, ihr Freunde! Wenn ihr beim Hügel meines Grabes vorbei geht, dann drükket euch die Hand, dann umarmet euch. Hier liegt sein Staub, sagt ihr, des Redlichen,
 
 
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aber Gott belohnt seine Bemühung glüklich zu sein, izt mit ewigem Glük; bald aber wird unser Staub auch da liegen, und dann genissen wir mit ihm das ewige Glük. Und du, geliebte Freundin! wann du beim Hügel meines Grabes vorübergehst, wann die Maaslieben und die Ringelblumen von meinem Grabe dir winken; dann steig eine Thräne dir ins Auge; und ists den Seeligen vergönt, die Gegend, die wir bewohnt, und die stillen Haine zu besuchen, wo wir so oft in seeligen Stunden unsrer Seele grosse Bestimmung dachten, und unsre Freunde zu umduften; dann wird meine Seele dich oft umschweben, oft, wenn du vol edler hoher Empfindung einsam nachdenkst, wird ein sanftes Wehen deine Wangen berühren; dann gehe ein sanftes Schauern durch deine Seele. ? ? ?" Seit. 91. 92.
 
 
  Ia-03-1779-0182
3)
 
 
  Ia-03-1779-0183
Die Menschenliebe
"O! wolte doch der Mensch des Menschen Schuzgott sein,
So wär das meiste Weh noch unbekante Pein!
Belebte iedes Herz der Geist der Menschenliebe:
So wären Neid und Haß noch ungezeugte Triebe.
Als Glieder schuf uns Gott, als Bürger einer Welt,
In der des einen Hand die Hand des andren hält.
Wir trennen dieses Land, und bleiben fühllos stehen,
Und bauen unser Glük auf Andrer Untergehen.
Ein treu und redlich Herz wohnt bei Vernunft in dir;
Allein du denkst, du sprichst, du glaubst nicht so, wie wir,
So siehst du deine Qual in blinder Eifrer Händen,
Die redend heilig sind und Gott durch Thaten schänden.
Aus Eifer für den Gott, der Liebe nur gebeut,
Verfolgt und drängt man dich, und stöst aus Heiligkeit
Dich schäumend von sich aus, und suchet durch verheeren,
Durch Martern des Barbars dich christlich zu bekehren.
 
 
Manuskriptseite 55.
 
   
Hält nicht noch manches Land, aus nie befohlner Pflicht
Rechtgläubig vor dem Herrn, ein heilig Blutgericht,
Zum Bau des Christenthums und Kezzern zum Verderben,
Die oft weit seliger, als ihre Henker, sterben.
So lieblos macht der Mensch den Menschen unglüksvol,
Stat, daß er ihn als Freund mit Sanftmuth tragen sol.
Kom wieder glüklich Iahr, du goldne Zeit der Alten,
Da Wahrheit, Treu und Recht, und Menschenliebe galten.? ?"
Seit. 105. 106. 107.
 
 
  Ia-03-1779-0184
4)
 
 
  Ia-03-1779-0185
Von höhern Wesen ? und von Sterblichen.
"Gott hält für ungethan, was man gezwungen thut,
Der Tugend Übung selbst wird durch die Wahl erst gut.
Gott sah vom Anfang wohl, wohin die Freiheit führet,
Daß ein Geschöpf sich leicht bei eignem Licht verlieret,
Und ein gemesener Geist nicht leicht die Kette findt,
Die den besondern Saz an den gemeinen bindt.
Des äussern Zauberglanz verdekt die innre Blösse,
Die stärkre Gegenwart, erdrükt des fernen Grösse;
Wer ists, der allemal der Neigung Stuffe mist,
Wo nur das Mittel gut, sonst alles Laster ist?
Kein endlich Wesen kent das Mitsein aller Sachen,
Und die Alwissenheit kan erst unfehlbar machen,
Gott sah dies alles wohl, und doch schuf er die Welt;
Kan etwas weiser sein, als das, was Gott gefält?
Gott, der im Reich der Welt sich selber zeigen wolte,
Sah daß, wenn alles nur aus Vorschrift handeln solte,
Die Welt ein Uhrwerk wird, von fremdem Trieb beselt,
Und keine Tugend bleibt, wo Macht zum Laster fehlt.
Gott wolte, daß wir ihn aus Kentnis solten lieben,
Und nicht aus blinder Kraft von ungewählten Trieben:
Er gönte dem Geschöpf den unschäzbaren Ruhm,
Aus Wahl ihm hold zu sein, und nicht aus Eigenthum.
 
 
Manuskriptseite 56.
 
   
Der Thaten Unterschied wird durch den Zwang gehoben,
Wir loben Gott nicht mehr, wenn er uns zwingt, zu loben;
Gerechtigkeit und Huld, der Gotheit Arme ruhn,
Sobald Gott alles wirkt, und wir nichts selber thun.
Drum überlies auch Gott die Geister ihrem Willen,
Und dem Zusammenhang, woraus die Thaten quillen,
Doch so, daß seine Hand der Welten Steur behielt.
Und der Natur ihr Rad mus stehn, wenn er befiehlt. -
So kamen in die Welt die unerschafnen Geister,
Volkommenes Geschöpf von dem volkomnen Meister.
In ihnen war noch nichts, das nicht zum Guten trieb,
Kein Zug, der an der Stirn nicht ihren Ursprung schrieb;
Ein iedes Einzle war in seiner Art volkommen;
Dem war wohl mehr verliehn, doch ienem nichts benommen.
Der einen Wesen ward vom Irdischen befreit,
Sie blieben näher Gott an Art und Herlichkeit.
Euch kent kein Sterblicher, ihr himlische Naturen!
Von eurer Treflichkeit sind in uns wenig Spuren:
Nur dieses wissen wir, daß, über uns erhöht, x
Ihr auf dem ersten Plaz der Reih der Wesen steht.
Vielleicht empfangen wir, bei trüber Dämrung Klarheit,
Nur durch fünf Öfnungen den schwachen Stral der Wahrheit;
Da ihr, bei vollem Tag, das heitere Gemüth
Durch tausend Pforten fült, und alles an euch sieht.
Daß, wie das Licht für uns erst wird mit unsern Augen,
Ihr tausend Wesen kent, die wir zu sehn nicht taugen;
Und wie sich unser Aug am Kleid der Dinge stöst,
Vor eurem scharfen Blik sich die Natur entblöst.
Vielleicht findt auch bei uns der Eindruk der Begriffe,
Im alzuseuchten Sin, nicht gnug Gehalt und Tieffe;
 
 
Manuskriptseite 57.
 
   
Da bei euch alles haft, und, sicher vor der Zeit,
Sich die lebhafte Spur, so oft ihr wünscht, verneut.
Vielleicht, wie unser Geist, gespert in enge Schranken,
Nicht Plaz genug enthält zugleich für zwei Gedanken,
In euch der ohne Sin des Vielen fähig ist,
Und den zu breiten Raum kein einzler Eindruk mist. ? ?"
Seit. 143. 144. 145. 146. 147.
"Fern unter Engeln hat das sterbliche Geschlecht,
Im Himmel und im Nichts, sein doppelt Bürgerrecht.
Aus ungleich festem Stof hat Gott es auserlesen,
Halb zu der Ewigkeit, halb aber zum Verwesen;
Zweideutig Mittelding von Engeln und von Vieh,
Es überlebt sich selbst, es stirbt, und stirbet nie. ? ?"
Seit. 147.
 
 
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5)
 
 
  Ia-03-1779-0187
Die Endlichkeit der Höllenstrafen!!!!
"O Gott vol Gnad und Recht! darf ein Geschöpfe fragen,
Wie kan sich mit deiner Huld sich unsre Qual vertragen?
Vergnügt, o Vater! dich der Kinder Ungemach?
War deine Lieb erschöpft? war deine Almacht schwach?
Und konte keine Welt des Übels ganz entbehren,
Wie liessest du nicht eh ein ewig Unding wären?
Verborgen sind, o Gott, die Wege deiner Huld,
Was in uns Blindheit ist, ist in dir keine Schuld.
Vielleicht, daß dermaleinst die Wahrheit, die ihn peinigt,
Den umgegosnen Geist durch lange Qualen reinigt,
Und, nun dem Laster feind, durch dessen Frucht gelehrt,
Der Willen umgewandt, sich ganz zum Guten kehrt:
Daß Gott die späte Reu sich endlich läßt gefallen,
Und alle zu sich zieht, und alles wird in allen.
Denn seine Güte nimt, auch wann sein Mund uns droht,
Noch Maas, und noch Schranken an, und hasset unsern Tod.
 
 
Manuskriptseite 58.
 
   
Vielleicht ersezt das Glük volkommener Erwählten
Den minder tiefen Grad der Schmerzen der Gequälten:
Vielleicht ist unsre Welt, die wie ein Körnlein Sand
Im Meer der Himmel schwimt, des Übels Vaterland. ?
Die Sterne sind vielleicht ein Siz verklärter Geister,
Wie hier das Laster herscht, ist dort die Tugend Meister,
Und dieses Punkt der Welt, von mindrer Treflichkeit
Dient in dem großen Al zu der Volkommenheit:
Und wir, die wir die Welt im kleinsten Theile kennen,
Urtheilen auf ein Stük, daß wir vom Abhang trennen.
Denn Gott hat uns geliebt, wem ist der Leib bewust?
Sagt an, was fehlt daran, zur Nüzbarkeit und Lust?
Seht den Zusammenhang, die Eintracht in den Kräften,
Wie iedes Glied sich schikt zu menschlichen Geschäften,
Wie ieder Theil für sich, und auch für Andre sorgt,
Das Herz vom Hirn den Geist, dies Blut von ienem borgt,
Wie im bequemsten Raum sich alles schikken müssen:
Wie aus dem ersten Zwek noch andre Nuzzen fliessen,
Der Kreislauf uns belebt, und auch vor Fäulung schüzt,
Der ausgebrauchte Theil von uns sich selbst verschwizt,
Und unser ganzer Bau ein stetes Muster scheinet,
Von höchster Wissenschaft, mit höchster Huld vereinet.
Sol Gott den Menschen selbst, die Seele nicht mehr schäzzen?
Dem Leib sein Wohl zum Ziel, dem Geist sein Elend sezzen?
Nein, deine Huld, o Gott! ist al zu offenbar,
Die ganze Schöpfung legt dein liebend Wesen dar:
Die Huld, die Raben nährt, wird Menschen nicht verstossen,
Wer gros im Kleinen ist, wird grösser sein im Grossen.
Wer zweifelt dann daran? ein undankbarer Knecht;
Drum werde, was du wilst, dein Wollen ist gerecht.
Noch Unrecht, noch Versehn, kan vom Alweisen kommen,
Du bist an Macht und Gnad, an Weisheit ia volkommen.
 
 
Manuskriptseite 59.
 
   
Wenn unser Geist gestärkt, dereinst dein Licht verträgt,
Und sich des Schiksals Buch vor unsre Augen legt,
Wann du der Thaten Grund uns würdigest zu lehren,
Dann werden alle dich, o Vater, recht verehren,
Und kündig deines Raths, den blinde Spötter schmähn,
In der Gerechtigkeit nur Gnad und Weisheit sehn. ?"
Seit. 165. 166. 167. 168.
 
 
  Ia-03-1779-0188
6)
 
 
  Ia-03-1779-0189
Der Vorwiz das Künftige zu wissen.
"Gütig hült in Finsternissen
Gott die Zukunft ein:
Deutlich sie voraus zu wissen
Würde Strafe sein.
Säh ich Glük auf meinem Wege;
Würd ich stolz mich blähn,
Und leichtsinnig oder träge
Meinen Zwek versehn.
Säh ich Unglük, würd ich zittern:
Und die künftge Zeit
Würde mir das Glük verbittern,
Das mich izt erfreut.
Was ich habe, wil ich nüzzen,
Fernen Grain nicht scheun:
Und sol ich ein Glük besizzen,
Meines Glüks mich freun. ?"
Seit. 209. 210.
 
 
  Ia-03-1779-0190
7)
 
 
  Ia-03-1779-0191
Der Morgen.
"Wilkommen, schöner Morgen!
Wie gros ist deine Pracht!
Sie bliebe mir verborgen,
Wär ich nie früh erwacht:
Lust, Wunder und Entzükken
Begegnen meinen Blikken,
 
 
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Wohin ich immer seh,
Im Thal und auf der Höh.
Es glühn der Berge Spizzen
Vom güldnen Sonnenstral;
Von Diamanten blizzen
Die Pflänzchen überal.
In Luft und auf der Weide
Ertönt das Lied der Freude,
Und wekt in süssem Schal
Den dankbarn Widerhal.
Ihr wist nicht, reiche Prasser,
Was ihr für Glük verschlaft?
Seid eure eignen Hasser,
Und durch euch selbst bestraft!
Verschlaft die schönsten Stunden,
Nie frei von euch empfunden,
Was diese schöne Welt
Für Wunder in sich hält.
Ich wil es aber fühlen,
Indem die Weste mir
In Lokken leibreich spielen,
Siz und betracht ich hier.
Gott! ist mein irdisch Leben
Mit so viel Glük umgeben,
Was wird der Wohnplaz sein,
Der uns dort sol erfreun! ?"
Seit. 212. 213.
 
 
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XII.
 
 
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Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Dritter und lezter Band. Berlin und Stettin, bei Friedrich Nikolai. 1776.
 
 
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1) Von Orthodoxen ? Bibelauslegen ? und Theopnevstie. -
 
 
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"Die Schriftgelehrten (Orthodoxen) haben von ie her ihre Lehrgebäude so künstlich angelegt, daß ieder das seine, troz aller Widerlegung beweisen kan. Sie gleichen Bergschlössern, die noch dazu mit hohen Wällen und tiefen Graben umgeben sind, so daß derienige, der darin ist, sich ewig vertheidigen, und der, der draussen ist, sie nimmer mit Vortheile angreifen kan. Aber wie? Wenn wir diese Vestungen, die uns eigentlich nichts hindern, liegen liessen, und mit der gesunden Vernunft geradezu ins Land drängen? Die Priester hatten bis ins sechszehnte Iahrhundert ihr System in gar künstliche dialektische Schlingen verwikkelt. Luther lies sie, und ging gerade auf die Bibel, die er allen, die lesen konten, in der Landessprache in die Hände gab. Die fleissige Lesung dieses Buchs erwärmte das Herz und erleuchtete den Verstand, indem sie das Nachdenken beförderte. Wollen wir auf einem gleichen Wege nicht weiter fortgehen?
 
 
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Man sezt immer die Vernunft der Offenbarung entgegen. Dies mag der nöthig finden, der an eine unerklärliche Theopnevstie glaubt. Ich hoffe aber, es sei niemand izt mehr so einfältig, sich einzubilden, Gott habe die heiligen Bücher, ganz unmittelbar, und übernatürlich, eingehaucht. Es sind Bücher, welche zu schreiben, hat müssen Vernunft angewendet werden, und zum Lesen und Verstehen derselben gehört auch Vernunft. Seit.
 
 
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Samuel Werenfels, einer der gelehrtesten und rechtschaffensten Gottesgelehrten in der Schweiz, schrieb in seine Bibel:
 
 
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Hic liber est, in quo sua quærit dogmata quisque;
Invenit et pariter dogmata quisque sua.
Daß dies wahr sei, lehret die Kirchengeschichte aller Sekten. Der viel, und der wenig glaubet, der Rechtgläubige wie der Schwärmer, suchen
 
 
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und finden ihre Lehre in der Bibel. Was nun? ich meine, was geschehen ist, sei nicht ohne weise Absichten der götlichen Vorsehung geschehen. Gott hat weder das A. T. noch das N. T., selbst, unmittelbar, aufgezeichnet. Er hat gute Leute ausersehen, welche Bücher geschrieben haben, die durch verschiedne Vorfälle (in denen, wie in allen Dingen, auch die götliche Vorsehung mitgewirket hat) bei einem großen Theile des menschlichen Geschlechts in solches Ansehen gekommen sind, daß er aus denselben seine Pflichten hat kennen lernen wollen. Diese Bücher aber sind so eingerichtet, daß dies nicht ohne Betrachtungen und Schlüsse, folglich nicht ohne Nachdenken geschehen kan. Also sind diese Bücher hauptsächlich in so fern, eine Quelle der Wahrheit, als sie das Nachdenken über Wahrheit befördern. Und wenn denn nun auch die Schlüsse und Folgerungen aus denselben verschieden sind! Wenn sie nur alle zulezt in gemeinsame Wahrheit zusammenfliessen, wollen wir uns beruhigen. ?
 
 
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Die heiligen Bücher sollen mir beständig Quellen des Nachdenkens über Wahrheit bleiben; wer aber andre Quellen des Nachdenkens über Wahrheit zu finden glaubt, besonders wenn er mit mir auf gleiche gemeinsame Wahrheit zurükkomt, den verdamme wer wil, ich nicht. Verdamme wer wil, fast ganz Asien und Afrika und den grösten Theil von Amerika. Sie kennen diese Bücher nicht; und doch hat sie der algemeine Vater gewis nicht ohne Wahrheit, und ohne Glükseeligkeit, ihre Folge, lassen wollen.
 
 
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Wenn ich in den heil. Büchern, eine Stelle finde, in welcher von einem Gotte die Rede ist; und lese, erst nach Iahrhunderten sei gefunden worden, daß ein durch ein zu dünnes Pergament durchgeschlagener Querstrich x) Im Alexandrinischen Kodex scheint der mittelste Querstrich des ersten E in dem Worte ?????????, durch das Pergament gerade an der Stelle durch, wo der Spruch 1 Tim. III, 16. geschrieben ist. Dadurch scheint das ? in ?? ein ? zu sein, deshalb man lange Zeit ?? gelesen, welches die Abbreviatur von ???? ist. den Gott veranlasset hat. Wenn ich lese, daß nach Iahrhunderten entdekt worden, es habe sich ein nicht xx) Der berühmte Klerikus warf zuerst Röm. V, 14. das ?? aus dem Text. in den Text geschlichen, so daß anstat
 
 
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der nicht sündigenden die sündigenden verstanden werden müssen, ? Bin ich verdammungswerth, weil ich glaube, die blossen Buchstaben dieser Offenbarung, die so vielen Veränderungen unterworfen sein können, über deren wahre Lesarten man noch nicht einig ist, können nicht blos und allein den Grund der Wahrheit und meiner künftigen Glükseeligkeit enthalten.
 
 
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Wenn ich in der Kirchengeschichte lese, man habe Iahrhunderte lang gestritten, welche Bücher kanonisch sein solten, und welche nicht. Wenn ich finde, daß der Kanon auf Koncilien bestimt worden, und aus der Kirchengeschichte weis, wie die meisten Koncilien beschaffen gewesen. Wenn ich finde, daß das Buch des weisen Sirach unter den apokryphischen, und ein anders Buch, vol mystischer Bilder unter den kanonischen stehet, ? kan ich mich enthalten zu zweifeln, zu untersuchen? Und was kan ich dazu brauchen, als meine Vernunft, die auch eine Gabe Gottes ist?
 
 
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Wenn ich in einem dieser Bücher lese: (2 Brief Ioh. v. 9=11.) "Wer übertrit und bleibet nicht in der Lehre Christi, der hat keinen Gott. So iemand zu euch komt, und bringet diese Lehre nicht, den nehmet nicht zu Hause, und grüsset ihn nicht, denn wer ihn grüsset, der macht sich theilhaftig seiner bösen Werke." Wenn ich in einem andern lese: (Brief Iuda v. 5.) "Der Herr brachte um, die da nicht glaubten." ? ? bin ich verfluchenswerth, weil ich nicht mit blindem Köhlerglauben alles annehme, wie es buchstäblich da stehet, sondern vermeine, daß in diesen Büchern, vieles, nicht für die algemeine Menschheit, nicht für mich, geschrieben sei, aber dennoch redlich, alle das Gute und Nüzliche, das ich in diesen Büchern finde, zu der Masse der Erkentnis schlage, die ich aus Natur und Erfahrung geschöpft habe. ?" Seit. 59. 60. 61. 62. 63. 64.
 
 
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XIII.
 
 
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Lehrbuch zur Bildung des Verstandes und des Geschmaks. Zum Behufe des öffentlichen Schul= und Privatunterrichts verfasset, von Christian Gottfried Schüz Prof. der Philosophie auf der Friedrichsuniversität zu Halle. Erster Band. Halle bei dem Verfasser und Lemgo in Komission der Meierischen Buchhandlung. 1776.
 
 
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1) Ob der Körper oder die Seele empfindet.
 
 
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"Untersuche, was du Empfindung nenst, und wie es dabei zugeht. Du nenst
 
 
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den Schmerz eine Empfindung. Die Flamme verbrent deinen Finger. Eine Nadel verwundet dir die Hand. Es thut weh. Liegt der Schmerz hier in der Flamme, in der Nadel? Das wirst du nicht sagen wollen. ? Aber in deinem Körper? das könte sein. Aber du sagst ia der Finger, die Hand thut mir wehe, ich habe Zahnschmerzen u. s. w. Der Schmerz also ist in dir, in dem was du dein Ich nenst? Ia gewis es ist so! Eine abgehauene Hand, ein abgerissener Zahn, leidet keine Schmerzen, und macht dir keine. Dieses Ich ist also weder Kopf noch Rumpf, weder Hand noch Fus, es ist dein Körper nicht; also ein Wesen das mit deinem Körper zwar verbunden, aber doch von ihm verschieden ist, mit einem Worte deine Seele. Diese hat also Empfindung, nicht der Körper. ?" Seit. 2. 3.
 
 
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2) Aus der Physiologie.
 
 
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"Der ganze menschliche Körper ist ein Gewebe von Fasern und Röhren. Was man Fleisch nent, ist ein Gewebe von Muskelfasern, durch welche die Glieder des Körpers bewegt werden. Von ihnen sind die Nerven oder Nervenfasern unterschieden, durch welche die Empfindung hervorgebracht wird. Alle Nerven entspringen entweder unmittelbar, oder mittelbar durch das Rükkenmark aus dem Gehirne. Obgleich das Gehirn wie eine breiartige Masse aussieht, so ist es doch selbst ein Gewebe von unendlich vielen sehr feinen Fäserchen. Wenn kein Nerve gereizt wird, entsteht keine Empfindung; und alle Theile des Körpers, wohin keine Nerven gehn, sind völlig gefühllos. ?" Seit. 3.
 
 
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3) Von der Ähnlichkeit der Empfindungen.
 
 
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"Es giebt nicht zwei Empfindungen, unter denen nicht die eine mit der andern einige Ähnlichkeit hätte; d. i. in deren einer nicht einige Merkmale wären, die in der andern auch sind. Denn so verschieden auch die Obiekte sind, die auf einen gewissen Sin wirken, so ist doch die Wirkungsart dieses Sinnes in allen Fällen an und für sich ähnlich. Z. E. Ein angenehmer Geruch, und ein häslicher Gestank sind sehr verschieden; und doch wissen wir bald, daß daß die Empfindungen des Wohlgeruchs und des Gestanks in gewissem Betrachte näher mit einander verwandt sind, als die des Wohlgeruchs und des Wohllauts. Alle Empfindungen werden einander schon dadurch ähnlich, daß sie alle mit Empfindungen des Gefühls verbunden sind, und daß die Obiekte, die durch andre Sinnen empfindbar werden, gröstentheils auch fühlbar sind. Z. E. die Farbe der Rose, und der Nelke ist sehr verschieden; aber beide werden doch durch das Gefühl kentlich. Das ist schon ein gemeinsames Merkmal von beiden. Zulezt kommen doch alle Empfindungen, der äussern, und des innern Sinnes darin überein, daß sie unsrer Seele Vorstellungen geben. ?" Seit. 30.
 
 
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4) Von unserm innern Gefühl.
 
 
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"So lange wir zwei oder mehrere Empfindungen nicht von einander unterscheiden, so lange haben wir auch nur eine einzige zusammengesezte Vorstellung von ihnen. Z. B. Insofern das Kind noch nicht Schal und Licht von einander unterscheidet, so macht der Schein des Sonnenlichts, das Singen seiner Wärterin, und die Farben der Körper im Zimmer nur Eine Idee in seiner Seele aus. Wer zum erstenmale ein Gemälde sieht, bemerkt nur ein grosses Ganze, in welchem der Maler unendlich viel mannigfaltiges unterscheidet. Es war also eine Zeit, wo wir uns Selbst, unser Ich, noch nicht von dem, was uns widerfährt, unterschieden; wo wir inre und äussere Empfindung noch nicht unterschieden. Nach und nach musten wir bemerken, daß unser Ich, wir selbst, unsre Seele von den äussern Empfindungen unterschieden war. Denn das Ich blieb immer da, und die äussern Empfindungen wechselten ab. Wir bemerkten, daß Hören, Sehen, Schmekken, Fühlen, etwas, von unserm Selbst, verschiednes sein müsse, indem die Idee von dem leztern immer fortdauerte, wenn iene Ideen kamen, und verschwanden. Alles was beständig in unsrer Vorstellung blieb, rechneten wir zu uns selbst Selbst, alles, was darinnen veränderlich war, unterschieden wir von unserm Selbst.
 
 
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Die Vorstellung unsers Ich oder Selbst ist anfänglich blos auf die Empfindung des Gefühls gegründet. Denn diese ist die einzige beständige Empfindung und zugleich anfänglich die lebhafteste und stärkste. So bald nun die Seele das Beisammensein mehrerer Ideen, deren eine beständig, die andre abwechselnd ist empfindet, so bald fängt sie an das Verhältnis zwischen diesen Ideen sich vorzustellen, d. h. zu urtheilen. Man sezze also, indem die fortdauerende Empfindung des Fühlens nach und nach mit der Empfindung des Sehens, Hörens, Schmekkens und Riechens verbunden wird, daß die Seele diese und seine Empfindung von einander unterscheidet, so werden die zusammengesezten Empfindungen
 
 
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Fühlen Sehen
 
 
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Fühlen Hören
 
 
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Fühlen Schmekken
 
 
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sich nach und nach in diese Urtheile verwandeln:
 
 
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Ich sehe
 
 
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Ich höre
 
 
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Ich schmekke.
 
 
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Das Urtheil ist also hier die Vorstellung des Verhältnisses zwischen der beständigen Idee von unserm Ich, und andern, die damit sich abwechselnd verbinden. ?" Seit. 35. 36.
 
 
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5) Von verschiednen Vergnügungen.
 
 
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"Angenehm ist es, sich das Glük und das Vergnügen seiner Nebenmenschen vorzustellen. Angenehm, sich im Geiste durch die ganze Natur zu schwingen, und überal Ordnung, Schönheit, Leben zu finden. Angenehm sind die Täuschungen der Dichter, wodurch sie uns in andre Welten hineinzaubern. Angenehm die Aussichten in Zukunft und Ewigkeit,
 
 
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und glänzende Gedanken
Von unsers Daseins Zwek, der Weltbau ohne Schranken
Unendlich Raum und Zeit, die Sonne, die uns scheint,
Ein Funke nur von einer höhern Sonne;
Unsterblich unser Geist, Unsterblichen befreundt
Und ahmt er Göttern nach, bestimt zur Götterwonne.
Die Vergnügungen der Einbildungskraft gehören mit zu den edelsten. Das Thier, und der ganz wilde sinliche Mensch kennet sie nicht. Und man findet einen Menschen schon deshalb lobenswürdig, wenn er eine Neigung hat, öfter seine Einbildungskraft, als seine äusserlichen Sinne zu ergözzen. ?" Seit. 99.
 
 
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6)
 
 
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Vorzüge der Musik die für das Herz arbeitet vor der blos gekünstelten ? von Wieland.
"Es lebe Galuppi und Hasse, und du, erzogen am Busen
Der Grazien, Sohn der Natur, mein Pergolese, du!
Dir hören, wenn du scherzest, entzükt die Griechischen Musen,
Es hören, wenn du das Schwerdt im tiefzerrissnen Busen
Der götlichen Mutter beweinst, mitweinende Engel dir zu!
Dir, ihrem Liebling, entdekte das grosse Geheimnis, die Herzen
Almächtig zu rühren, die Göttin Harmonie,
Der Einfalt hohe Kunst! Wir fühlen wahre Schmerzen
Tief in der Brust, und wünschen ewig sie
Zu fühlen. Dem Wilden selbst, von dessen rauher Wange
Nie sanfte Thränen gerolt, wird warm in seiner Brust;
Erstaun erfähret er bei deinem hohen Gesange
Zum erstenmal der Thränen götliche Lust.
Und o! wem wallet nicht, von neuen Gefühlen umfangen,
Das Herz im Busen vor Verlangen,
Zu sterben den süssen Tod, in dem dein himlisches Lied
 
 
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Den sanft entschlummernden Geist, von Engelsharfen umgeben,
Hinüber in Elysium zieht,
Des Weisen Übergang zu einem bessern Leben!
In ihm, ihr Amphionen, studiert,
Den hohen Geschmak, das Wahre zum ungefärbten Schönen
In edler Einfalt gepaart; die Kunst zu mahlen mit Tönen,
Die Kunst, mit starken Gefühlen den Busen auszudehnen,
Die Kunst, die Steine beseelt, und Seelen den Leibern entführt.
Seid stolz genug, den neuen Marsyassen
Die eitle Kunst zu überlassen,
Die, ähnlich einem Zauberfest,
Bei ihrem schalen Getön das Herz verhungern läst,
Die mit den Tönen spielt, wie Gaukler aus der Taschen,
Und immer blenden wil und immer überraschen. ?"
Seit. 204. 205.
 
 
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7)
 
 
  Ia-03-1779-0228
Der Mensch!!!
"Ich ward, nicht aus mir selbst, nicht weil ich werden wolte,
Ein Etwas das mir fremd, das nicht ich selber war,
Ward auf dein Wort mein Ich. Zuerst war ich ein Kraut,
Mir unbewust, noch unreif zur Begier;
Und lange war ich noch ein Thier,
Da ich ein Mensch schon heissen solte.
Die schöne Welt war nicht für mich gebaut,
Mein Ohr verschlos ein Fel, mein Aug ein Staar,
Mein Denken stieg nur noch bis zum Empfinden,
Mein ganzes Kentnis war, Schmerz, Hunger und die Binden.
Zu diesem Wurme kam noch mehr von Erdenschollen
Und etwas weisser Saft
Ein inn'rer Trieb fing an die schlaffen Sehnen
Zu meinen Diensten auszudehnen,
Die Füsse lernten gehn durch Fallen,
Die Zunge reichete zum Lallen,
Und mit dem Leibe wuchs der Geist.
Er prüfte nun die ungeübte Kraft,
Wie Mükken thun, die von der Wärme dreist,
Halb Würmer sind, und fliegen wollen.
 
 
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Ich starte iedes Ding, als fremde Wunder, an,
Ward reicher ieden Tag, sah vor und hin der heute,
Maas, rechnete, verglich, erwählte, liebte, scheute
Ich irte, fehlte, schlief, und ward ? ein Man. ?"
Seit. 270. 271.
 
 
  Ia-03-1779-0229
XIV.
 
 
  Ia-03-1779-0230
Handbuch für Kinder von reiferem Alter, zur Bildung des Verstandes und Herzens. Nürnberg, bei Georg Peter Monath, 1776.
 
 
  Ia-03-1779-0231
1) Von der Grösse der Welt.
 
 
  Ia-03-1779-0232
"So ein unaussprechlich grosses Gebäude ist die Welt! So eine unbegreifliche Anzahl Sonnen, deren iede so viel tausendmal unsre Erde an Grösse übertrift, sind durch die Almacht des grossen Schöpfers an ihren Ort gesezt. Wer ist also im Stande, die Grösse der Welt zu begreifen? Gewis, sie übersteiget alle unsre Begriffe. Aber man denke einmal, wie gros der sein mus, der diese Welt gemacht hat. Er ist unendlich gros, alle Grösse ist nichts gegen ihn.
 
 
  Ia-03-1779-0233
O herlich grosser Gott! es sind erschafne Seelen
Vor deinen Thaten viel zu klein:
Sie sind unendlich gros, und wer sie wil erzählen,
Mus, gleich wie du, ohn Ende sein.
Wenn wir die Grösse der Welt mit der Kleinheit unsrer Erde vergleichen; wenn wir erwägen, daß unsre Erde gegen dem Ganzen nicht einmal so viel ausmacht, als ein Sandkörnchen gegen einen ganzen Berg: so mus eine grosse Schaam über alle Begriffe entstehen, die wir bis dahin über die Grösse und Kleinheit gehabt haben. Vergesset nicht, ihr Stolzen, den gestirnten Himmel zu betrachten, um an seiner Grösse eure Kleinheit, und in eurer Kleinheit Demuth zu lernen. Last uns indessen das grosse Wesen, welches dieses herliche Weltgebäude zum Tempel seiner Ehre aufgeführt hat, auf eine ihm würdige Weise darinnen anbeten. Wir müssen seine Grösse in so viel tausend Sonnen und Erden bewundern; aber noch mehr seine unendliche Güte anbeten, welche vielleicht dieses unermesliche Gebäude mit unzähligen Schaaren vernünftiger Wesen besezzet, die er zu ewigen Freuden bestimt hat. ?" Seit. 13. 14.
 
 
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  Ia-03-1779-0234
2) Von der Undurchdringlichkeit der Körper.
 
 
  Ia-03-1779-0235
"Die Undurchdringlichkeit ist eine wesentliche Eigenschaft des Körpers, nach welcher er ein ieder seinen eigenen Raum einnimt, so daß kein andrer Körper zugleich in demselben Raum sein kan. Es können zwar flüssige Körper, z. B. Wasser und Wein, geschmolzne Metalle u. d. g. sehr genau mit einander vermischt werden; aber es behält doch bei einer solchen Vermischung iedes Theilchen seinen eignen Raum. Wenn also in einem Gefässe Wasser und Wein vermischt ist: so kan kein Theilchen Wasser da sein, wo ein Theilchen Wein ist, sondern beiderlei Theilchen liegen in besondern Räumen neben und über einander. ?" Seit. 18. 19.
 
 
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3) Von Blumen.
 
 
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"Wir wollen eine würkliche Blume betrachten. Was für eine unnachahmliche Maschine ist sie? Es zieht dieselbe alle Feuchtigkeit der Erde in ihre Wurzel. Alsdan sind Pumpen da, welche den Saft in die Höhe ziehen, und Drukwerke, die ihn nach iedem Theile der Pflanze hintreiben. Allein nicht in iedem Theile der Pflanze ist der Saft gleich. An dem einen Orte ist er süs, an einem andern bitter, da scharf, dort gelinde. Es kann also die Maschine auch die verschiednen Säfte von einander absondern und sie mit einander vermischen.
 
 
  Ia-03-1779-0238
Hier wird Honig, dort Öl zu rechte gemacht u. s. f. Mit einem Worte, die Pflanze ist eine so wunderbare Maschine, als keine von xx menschlicher Erfindung ist. Man sehe nur einen einzigen Theil derselben, z. E. die Blume an. Diese ist wieder nicht aus einer rohen Materie, sondern aus tausend Maschinen zusammengesezt. Da wird der Honig und die wohlriechende Gewürze gekocht. Hier sind Streubüchsen, die sich zu gesezter Zeit öfnen und wieder schliessen, wenn der liebliche Geruch in die Luft fliegen, oder zurükbleiben sol. Man betrachte einen andern Theil. Hier ist das Saamengehäuse, wer wolte da alle Wunder erzählen, die darinnen liegen? Ein iedes Kernchen ist wieder eine eben so volkommene Maschine, als die ganze Pflanze. Den Staub da, der an der Blume hängt, solte man für die roheste Materie halten: aber ein iedes von diesen Stäubchen ist eine bewunderungswürdige Maschine ? eine Kugel, in welcher der belebende Hauch enthalten ist, ohne den die Blumen nicht befruchtet werden. ? ? ?" Seit. 49. 50.
 
 
  Ia-03-1779-0239
4) Von den Polypen.
 
 
  Ia-03-1779-0240
"In dem ganzen Reiche der Natur herschet nicht nur die vortreflichste Ordnung, sondern auch die schönste Verbindung. Alle Geschöpfe stehen so zu
 
 
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sagen, auf einer gewissen Leiter stuffenweise über einander, und man trift nirgends eine Lükke an. Zwischen dem Pflanzen= und Thierreiche füllen die Polypen oder Thierpflanzen diese Lükke aus. Erst in den neuern Zeiten haben die Naturforscher diese wunderbare Geschöpfe, die im Wasser leben, entdekt. Sie wachsen ohne vorhergegangene Begattung aus den Seiten x ihrer Mütter, wie die Zweige aus den Knospen der Bäume. Man hat sie lange für Pflanzen gehalten; sie sind aber empfindlich und können sich wilkürlich bewegen. Denn sie gehen mit den Armen, die wie Zweige aussehen, auf Raub aus, schlängeln sich um die kleinen Wasserthiergen, und führen sie zu einem Loche des Hauptstams, um sie auszusaugen, und aus welchem alle Zweige oder Arme ihre Nahrung bekommen. Aus eben demselben Loche, welches mehr übereinander gewachsenen Polypen gemeinschaftlich ist, so lange bis sie sich von einander trennen und besonders leben, werden die unverdaulichen Überbleibsel wieder xx weggeschaft. Wird die Vertheilung der Nahrungssäfte in einem Polypen wegen der vielen Äste zu schwer: so reissen sich einige Iunge von dem Hauptstamme los, und machen neue Familien. Schneidet man einen dieser Zweige ab, und zertheilt ihn in zwei Stükke: so lebt iedes Stük fort, und treibt aus Knospen neue Zweige hervor. Zerschneidet man überdies den Polypen nach der Länge bis auf seine Mitte in Riemen: so bekomt ein ieder Rieme wieder einen Kopf, gleich den erdichteten vielköpfigen Schlangen. Schneidet man ein Stük von diesem Zweige ab, und sezt es in ein anders ein, so wächst es mit demselben zusammen, wie ein Pfropfreis mit einem fremden Stamme. Zuweilen streiten sie um die Beute, und einer verschlingt den andern. Aber ihr Leib wird für die Thiere ihrer eignen Art nur ein Gefängnis. Der verschlungene Polyp lebt einige Tage in demselben, und komt gesund und unverlezt wieder heraus. Kehrt man das Inre eines dieser Zweige, die wie Röhren hohl sind, nach aussen, wie man den Finger eines Handschuhs umkehrt: so schadet es seinem Leben nicht. Die vorige äussere Seite wird sein Magen, und die vorige innere aber treibt neue Zweige oder Arme hervor.
 
 
  Ia-03-1779-0241
Die Korallengewächse, die man auf dem Boden des Meeres findet, werden nach einigen neuern Bemerkungen von einer Polypen, wie die Muschelschaalen von den Thieren, die darinnen wohnen, gebaut, und nach und nach in mannigfaltige Äste ausgebreitet. ?" Seit. 65. 66. 67.
 
 
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  Ia-03-1779-0242
5) Von den Augen der Insekten.
 
 
  Ia-03-1779-0243
"Die Fliegen und andre Insekten haben grosse, harte und unbewegliche Augen, welche wie zwei halbe Kugeln an den beiden Seiten des Kopfs herausstehen. Diese Augen sind zusammengesezt, und bestehen aus vielen sechsekkigten Flächen, davon iede als ein Auge dient, und einen besondern Sehenerven hat. An einem einzigen Schmetterlinge sind, von glaubwürdigen Naturforschern, über dreissig tausend solcher Augen wahrgenommen worden. Dadurch sind sie im Stande, alles, was vor, neben, hinter und ihnen vorgeht, aufs genauste zu beobachten. Und was das wunderbarste bei der Sache ist; so gerathen sie wegen der Menge der vervielfältigten Gegenstände eben so wenig in Verwirrung, als der Mensch, der alle Dinge mit zwei Augen zugleich erblikket. ?" Seit. 69. 70.
 
 
  Ia-03-1779-0244
6) Von der verschiednen Speise der Thiere.
 
 
  Ia-03-1779-0245
"Der berühmte schwedische Kräuterkenner Linnäus hat durch unzählige Versuche gefunden, daß die Ochsen 276 Kräuter essen, 218 aber stehen lassen; daß die Ziegen 276 Kräuter geniessen, und 126 andre vorbei gehen; daß die Schaafe 387 Kräuter nahrhaft und wohlschmekkend finden, 141 aber nicht berühren: daß die Pferde 262 Kräuter fressen, und hingegen 212 andre unberührt lassen; daß die Schweine sich mit 72 Gewächsen behelfen, aber 171 nicht achten. ?" Seit. 74. 75.
 
 
  Ia-03-1779-0246
7) Vom Instinkte der Thiere.
 
 
  Ia-03-1779-0247
"Wir Menschen lernen erst durch viele Versuche und vieles Fallen das Gleichgewicht halten; aber ein Küchlein läuft, sobald es aus dem Eie komt, schnel weg, obgleich sein Leib nicht senkrecht auf den Füssen ruht, sondern hinten und vorne überhängt. Die iungen Enten, welche von einer Henne ausgebrütet worden, kennen ihr Element, und rudern ohne Anweisung auf dem Wasser herum. Wenn ia ihre Federn nicht ölicht genug sind: so wissen sie Rath dazu, indem sie mit dem Schnabel aus einer Drüse im Schwanze fette Feuchtigkeit pressen, und ihre Federn alsdan durch den Schnabel ziehen, um sie damit zu schmieren. Von dem Laubfrosche ist es etwas besonders, daß er allemal, wohin er auch springt, wenn es auch ein glatter aufrecht gestelter Spiegel wäre, hangen bleibt. Die Klauen thun es bei ihm nicht; sondern er hat in den Ballen seiner Füsse einen ölichten Schwam. Aber auch das Öl würde die Körper nur desto schlüpfriger machen, wenn er nicht von Natur die Fertgkeit
 
 
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hätte, sogleich die Mitte seines Bals in die Höhe zu ziehen, daß ein lediger Raum entsteht, da denn der Fus durch die äussere Luft angehalten wird. Dies sieht man täglich an den kleinen Laubfröschen, welche man als Wetterpropheten, in runden Gläsern aufbewahrt. Auf gleiche Weise hält der Dintenfisch mit mehr als tausend Saugwarzen seine Beute fest, oder befestiget sich selbst an einen Felsen. Eben dieser Fisch führt auch eine Blase, die mit einer schwarzen Feuchtigkeit angefült ist, bei sich. Diese Dinte läst er oft ausfliessen, entweder, wenn er in Gefahr ist, damit ihn der Feind in der finstern Wolke nicht entdekken möge; oder damit er seine Beute desto unvermerkter haschen möge. ?" Seit. 76. 77.
 
 
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8)
 
 
  Ia-03-1779-0249
Der Morgen!
"Uns lokt die Morgenröthe
In Busch und Wald,
Wo schon der Hirten Flöte
Ins Land erschalt.
Die Lerche steigt und schwirret,
Von Lust erregt;
Die Taube lacht und girret;
Die Wachtel schlägt.
Die Hügel und die Weide
Stehn aufgehelt;
Und Fruchtbarkeit und Freude
Beblümt das Feld
Der Schmelz der grünen Flächen
Glänzt voller Pracht;
Und von den klaren Bächen
Entweicht die Nacht.
Der Hügel weisse Bürde,
Der Schaafe Zucht,
Drängt sich aus Stal und Hürde
Mit froher Flucht.
Seht wie der Man der Heerde
Den Morgen fühlt,
Und auf der frischen Erde
Den Buhler spielt.
 
 
Manuskriptseite 73.
 
   
Der Iäger macht schon rege
Und hezt das Reh
Durch blutbetriefte Wege,
Durch Busch und Klee.
Sein Hifthorn gibt das Zeichen,
Man eilt herbei:
Gleich schalt aus allen Zweigen
Das Iagdgeschrei.
Doch Frizchens Herz erbebet
Bei dieser Lust
Nur Zärtlichkeit belebet
Die sanfte Brust.
Los! uns die Thäler suchen,
Geliebtes Kind,
Wo wir von Berg und Buchen
umschlossen sind.
Erkenne dich im Bilde
Von jener Flur!
Sei stets wie dies Gefilde,
Schön durch Natur.
Erwünschter als der Morgen,
Gold wie sein Stral;
So frei von Stolz und Sorgen
Wie dieses Thal. ? ?"
Seit. 211. 212. 213.
 
 
  Ia-03-1779-0250
XV.
 
 
  Ia-03-1779-0251
Briefe zur Bildung des Geschmaks an einen iungen Herrn von Stande. Erster Theil. Leipzig und Breslau, bei Iohann Ernst Meier 1764.
 
 
  Ia-03-1779-0252
1) Alles in der Welt ist recht und zum Besten des Ganzen abgezwekt.
 
 
  Ia-03-1779-0253
"Die ganze Natur ist nur ein Kunstwerk, das der Mensch nicht einsieht: Aller Zufal ist eine Leitung des Himmels, die er nicht versteht; alles Übel in Theilen ist ein Gut des Ganzen. ? Seit. 151.
 
 
  Ia-03-1779-0254
2)
 
 
  Ia-03-1779-0255
Rechtfertigung der Vorsehung aus Popens Versuch vom Menschen.
"O Eingebildeter, du wilst die Ursach finden,
Warum dich Gott so schwach, so klein, so blind erschaffen?
 
 
Manuskriptseite 74.
 
   
Errathe, wenn du kanst, erst was noch härter ist,
Warum du nur so schwach, so blind, so klein nur bist?
Frag deine Mutter, Erd, warum die Eichen höher,
Und stärker, als das Kraut, das sie beschatten, wurden?
Frag über deinem Haupt die silbernen Gefilde,
Warum des Iupiters Gefährten kleiner wurden,
als er ?"
Seit. 151. 152.
 
 
  Ia-03-1779-0256
"Wenn das stolze Ros einsehen wird, warum der Mensch seinen feurigen Lauf zügelt, oder es über die Felder spornet; wenn der dumme Ochse erkent, warum er izt den Erdklos bricht, izt ein Opfer, und izt ein Gott Ägyptens ist; dann sol auch der stolze und dumme Mensch den Nuzzen und Endzwek seiner Handlungen, seiner Leidenschaften, seines Wesens begreifen, warum er handelt oder leidet, gezügelt oder getrieben wird: und warum er in dieser Stunde ein Sklav, in der folgenden ein Gott ist." Seit. 153.
 
 
  Ia-03-1779-0257
"Der Himmel verbirgt vor allen Geschöpfen das Buch des Schiksals: nur ein Blat stehet ihnen offen, ihr gegenwärtiger Zustand. Dem Vieh verbirgt er was die Menschen, dem Menschen, was die Geister wissen; wer würde sonst sein Dasein auf der Welt ertragen können? Das Lam, welches deine lekkerhafte Zunge heute zum Tode verdamt, würde es hüpfen und spielen, wenn es deine Vernunft besässe? Bis auf den lezten Augenblik vergnügt, frist es das blumigte Futter, und lekket die Hand, die eben erhoben wird, sein Blut zu vergiessen. O! Unwissenheit der Zukunft! aus Güte hat dich der Himmel gegeben, damit ein ieder den Kreis vollende, den Er ihm vorgeschrieben hat: Er, der als Gott von allem, mit gleichem Auge einen Helden sterben, oder einen Sperling fallen, Atomen, oder Welten in den Untergang stürzen, und hier eine Wasserblase, dort eine Welt zerspringen siehet. x...x
 
 
  Ia-03-1779-0258
Hoffe demnach in Demuth: erhebe dich auf zitternden Flügeln. Erwarte den grossen Lehrer, Tod, und bete Gott an. Was für eine Glükseeligkeit dich künftig erwarte, das läst er dich nicht wissen, aber er giebet dir die Hofnung zu deiner gegenwärtigen Glükseeligkeit. Hofnung quilt beständig in der menschlichen Brust:
 
 
Manuskriptseite 75.
 
   
Der Mensch ist hier niemals glüklich, aber sol auf immer glüklich werden: die Seele, die in sich eingeschränkt, unzufrieden ist, beruhigt sich, indem sie in ein künftiges Leben hinaus siehet. ?
 
 
  Ia-03-1779-0259
Siehe den armen Indianer an! Sein unmündiger Verstand sieht Gott Gott in den Wolken, oder höret ihn in dem Winde. Stolze Wissenschaft lehret nie seine Seele, sich bis zu der Sonnenbahn, oder zur Milchstraße hinauf zu schwingen: doch hat die einfältige Natur seiner Hofnung, hinter dem mit Wolken bedekten Hügel einen niedrigern Himmel, eine sicherere Welt im tiefen Schatten der Wälder,eine glüklichere Insel in der Wasserwüste gegeben, wo Sklaven ihr väterliches Land einmal wiedersehen, keine Feinde sie quälen, und keine Christen nach Gold dürsten werden. Zu sein, befriedigt die Begierde seiner Natur; er fordert nicht den Flügel des Engels, nicht das Feuer des Seraphs; sondern glaubet, daß sein getreuer Hund mit ihm in einen Himmel kommen, und ihm Gesellschaft leisten wird. ?" Seit. 155. 156. 157.
 
 
  Ia-03-1779-0260
"Dieser Endzwek (die Glükseeligkeit) erfordert eben so sehr eine beständige Abwechselung von Regen und Sonnenschein, als von den Begierden des Menschen: eben so sehr beständige Frühlinge, und wolkenlose Wolken, als immer mässige, ruhige und weise Menschen. Wenn Landplagen und Erdbeben des Himmels Absicht nicht stören, warum solte es ein Borgia, oder ein Katilin? ?" S. 158.
 
 
  Ia-03-1779-0261
"Vielleicht wäre es besser für uns, wenn hier alles Harmonie, alles Tugend wäre: wenn weder Luft, noch Meer vom Winde bewegt würde; wenn keine Leidenschaft das Gemüth beunruhigte: Allein alles erhält seine Fortdauer durch den Kampf der Elemente; und die Ele Leidenschaften sind die Elemente des Lebens. ?" Seit. 159.
 
 
  Ia-03-1779-0262
3) Feinere Sinne wären dem Menschen schädlich.
 
 
  Ia-03-1779-0263
"Warum hat der Mensch kein mikroskopisches Auge? Aus dem klaren Grunde, der Mensch ist keine Fliege. Wenn er feinere Augen empfangen hätte, wozu würden sie ihm nüzzen? Er würde eine Made sehen, aber nicht den Himmel betrachten können. Hätte er ein zärtlicher, ein lebendiger Gefühl: es würde ihn nur schmerzen, und in ieder Nerve quälen. Schössen die Dünste schnelle durch sein Gehirn; so würde er beim Geruch der Rose vor Pein sterben! Oder donnerte die Natur in seine ofnern Ohren, und betäubte ihn mit der Musik der Sphä
 
 
Manuskriptseite 76.
 
   
ren, wie würde er wünschen, daß der Himmel ihm nur den lispelnden Westwind, und den rieselnden Bach, gelassen hätte. ?" Seit. 160. 161.
 
 
  Ia-03-1779-0264
4) Die unendliche Menge der erschafnen Wesen ? ihre Verbindung.
 
 
  Ia-03-1779-0265
"Siehe in dieser Luft, in diesem Ozean, und in dieser Erde allen Stof belebt, und voller Zeugungskraft. Wie hoch erstrekket sich der Fortgang des Lebens über uns? Wie weit um uns? Wie tief unter uns? Grosse Kette der Wesen! welche von Gott anhebet, ätherische und menschliche Naturen, Engel, Mensch, Vieh, Vogel, Fisch, Insekt, was kein Auge sehen, kein Glas erreichen kan: vom Unendlichen bis zu dir, von dir bis zu Nichts. ? Wolten wir uns zu den höch höhern Wesen drängen, so würden die untern sich an uns drängen, oder in der vollen Schöpfung eine Lükke lassen; und wenn eine Stufe zerbrochen ist, so ist die ganze Leiter zerstöret. Was für ein Glied du auch aus der Kette der Natur hinwegnimst, das zehnte, oder das zehntausendeste, so wird doch allezeit die Kette zerbrechen. ?" Seit. 162.
 
 
  Ia-03-1779-0266
5) Von der Algegenwart Gottes.
 
 
  Ia-03-1779-0267
"Alle sind nur Theile eines erstaunlichen Ganzen, dessen Leib die Natur, und dessen Seele Gott ist. Diese, in allem verändert, und dennoch in allem dieselbe, so gros in der Erde, als in dem Bau des Himmels, erwärmet in der Sonne, kühlet im Zephyr, glühet in den Sternen, und blühet in den Bäumen? lebt durch das ganze Leben, dehnet sich durch den ganzen Raum aus, verbreitet sich unzertheilet, wirket unerschöpfet; athmet in unsrer Seele, belebt unsern sterblichen Theil; eben so volkommen in einem Haar, als in einem Herzen; eben so volkommen in dem elenden Menschen, der klaget, als in dem entzükten Seraph, der anbetet, und brennet: bei ihr ist nichts hoch, nichts niedrig, nichts gros, nichts klein; sie erfüllet, umgränzet, verbindet und macht alles gleich. ?" Seit. 164. 165.
 
 
  Ia-03-1779-0268
6) Alle Thiere, sogar die verächtlichsten, theilen die Veränderungen des Lebens mit dem Menschen.
 
 
  Ia-03-1779-0269
"Der das Reh für deinen Tisch nähret, der streute eben so gütig für dieses Reh Blumen über den Anger aus. Singt die Lerche nur für dich? Ihr eigne Freude stimt ihren Gesang. Wirbelt die Kehle der Nachtigal nur für dich? Ihre eigne Liebe und Entzükken belebt ihr Lied! Das Ros, worauf du so prächtig
 
 
Manuskriptseite 77.
 
   
sizzest, theilt das Vergnügen, und den Stolz, mit dem Reuter. Von dem Samen, womit du das Feld bestreuest, nimt der Vogel des Himmels sein Korn; ein Theil von der Erndte des güldnen Iahres bezahlet deinen arbeitsamen Stier; das Schwein, das nicht für dich arbeitet, lebet von den Arbeiten dessen, der ein Herr von allen sein wil. ?" Seit. 166.
 
 
  Ia-03-1779-0270
6)
 
 
  Ia-03-1779-0271
Das Bild des Menschen.
"Wie arm, wie reich; wie niedrig, wie erhaben,
wie x räthselhaft, wie wunderbar ist doch der Mensch! ?
Vermischet aus verschiedenen Naturen
ein meisterhaftes Band getrenter Welten!
Ein sonderbares Glied in der endlosen Kette
der Wesen! mitleres Geschöpfe zwischen
dem Nichts, und Gott! ?
Ein Erb' der Herlichkeit; ein schwaches Kind des Staubes,
ein hülfloser Unsterblicher! ein unendliches
Insekt, ein Wurm! ein Gott! ?"
Seit. 234. 235.
 
 
  Ia-03-1779-0272
7)
 
 
  Ia-03-1779-0273
Der vergnügte Morgen!
"Dort am Usipper Wald, den durch des Varus Schlacht
Der überflüssge Ruhm bemerkungswerth gemacht,
Wo der verschobne Sand, vom dichten Laub beschirmet;
Sich aus dem tiefen Grund zum breiten Hügel thürmet,
Zog einst mein ofnes Herz bei frühem Sonnenschein,
Dem tausendfachen Reiz der Anmuth hungrig ein,
Weil hier, wo Schönheit iezt dem Nuzzen Küsse zolte,
Mein Geist der Sinnen Kraft an sich versuchen wolte.
Wie funkelnd war der Glanz, der durch die Bäume gieng,
Und zitternd sich am Rand bethauter Blätter hing!
Bald schien mich flüssig Gold, bald Feuer zu bedekken,
Doch sorgenfreies Gold, und Feuer ohne Schrekken.
Die Sonne quol hervor, wie Ruh aus Tugend quilt.
Sie selbst ein Bild von Gott wies mir ihr holdes Bild
 
 
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In der vor Dankbarkeit mir abgeflosnen Zähre,
Du, Sonne, wärst mein Gott, wann Gott nicht götlich wäre.
Ihr lebensschwangrer Stral befruchtete den Duft:
Der walte langsam auf, umschwomme mit der Luft
Begeisternd meine Brust, lag brüthend auf dem Grase:
So fuhr des Schöpfers Hauch dem Adam in die Nase.
Hier warf der Eichen Muth den schweren Stam empor,
Bis in der Höhe sich ihr dikkes Haupt verlohr,
Wovon die Sonne doch nch breite Schatten senkte,
Und wie ein buntes Nez nach Raupenart vermengte.
Bald flog ein Hirsch dahin, der in der Luft sich wog,
und vorwärts Hals und Brust, die Hörner rükwärts zog.
Bald sprang ein schlankes Pferd mit wieherndem Getöne,
Mit eingebognem Kopf, und aufgeworfner Mähne.
Dort rieb ein West die Saat, der milde Kühlung trug,
Bald auf den Ähren schwom, bald an die Stengel schlug.
Der enge Zwischenraum lies die befreundten Stielen
Von oben reich beblümt nah an einander spielen;
Bis alles sich zulezt in ebne Flächen schlos
Und iede Farbe schön vertheilt zusammen flos.
Oft krümte sich der Grund zu sanft geschwolnen Höhen,
Und lies den schweren Halm gebükt herunter gehen
Dort schnit der Akkerman mit lauten Sensen ab,
Was die Natur gereift und ihm die Sorgfalt gab:
Und Mägdgen, leicht bedekt, die Müh zum Scherze machten,
Des Frevels unbesorgt, in breite Bündel brachten.
Ich sah die alte Ruhr da durch ein dunkles Grün,
Hier durch ein flaches Gelb mit glatten Fluthen ziehn:
Oft ward die Fläche schnel mit buntem Licht bezogen,
Oft schuppicht eingekerbt, oft tiefer eingebogen.
Wen rührt der nahe Sturz des hohlen Ufers nicht,
Woran die iüngre Ruhr den losen Kizzel bricht?
Dem stolzen Rhein getreu taucht sie die volle Hüfte
In das geheime Bet nie gekanter durchgesehner Klüfte.
Wie maiestätisch stil, wie herrisch wälzet dort
Der königliche Rhein die gelben Fluten fort?
 
 
Manuskriptseite 79.
 
   
Zum Siegeszeichen sich, dem ewgen Rom zur Schande,
Reist er noch immerfort von dem beträhnten Sande,
Wo der verschlagne Feind vielleicht noch manches Grab,
Gewis die Flucht errang, oft ganze Klumpen ab.
Die tiefgesenkte Lust lies endlich bei den Sträuchen,
Die dort im Zirkel gehn, mein Aug sein Ziel erreichen.
Ein murmelndes Geräusch von Schlummertönen vol,
Das nah um mich herum aus kleinen Bächen quol,
Wo Silber und Kristal auf hellen Steinen glimten,
Die oft das klare Nas zu goldnen Schnekken krümten;
Das Lispeln, das die Luft vergnügend fürchterlich
Erschütternd von dem Laub der iungen Äste strich;
Der schwizzernde Gesang vom lokkenden Gefieder
Flos durch den tiefen Wald weteifernd hin und wieder.
Dann zoge die Natur, die erst sie un unterschied,
Das ganze Tönenheer in ein harmonisch Lied. ?"
Seit. 246. 247. 248. 249.
 
 
  Ia-03-1779-0274
XVI.
 
 
  Ia-03-1779-0275
Die Leiden des iungen Werthers. Erster Theil.
 
 
  Ia-03-1779-0276
Ieder Iüngling sehnt sich so zu lieben,
Iedes Mägdlein so geliebt zu sein,
Ach, der heiligste von unsern Trieben,
Warum quilt aus ihm die grimme Pein?
Zweite ächte Auflage. Leipzig, in der Weigandschen Buchhandlung. 1775.
 
 
  Ia-03-1779-0277
1) Vom Gefühle.
 
 
  Ia-03-1779-0278
"Wenn das liebe Thal um mich dampft, und die hohe Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsternis meines Waldes ruht, und nur einzelne Stralen sich in das innerste Heiligthum stehlen, und ich dann im hohen Grase am fallenden Bach liege, und näher an der Erde tausend mannigfaltige Gräschen mir merkwürdig werden. Wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten, al der Würmgen, der Mükgen, näher an meinem Herzen fühle, und fühle die Gegenwart des Almächtigen, der uns al nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Alliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält. Mein Freund, wenn es denn um meine Augen dämmert, und die Welt um mich her und der Himmel ganz in meiner Seele ruht, wie die Gestalt
 
 
Manuskriptseite 80.
 
   
einer Geliebten; dann sehn ich mich oft und denke: ach köntest du das wieder ausdrükken, köntest du dem Papier das einhauchen, was so vol, so warm in deinem Herzen lebt, daß es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes. Mein Freund ? Aber ich gehe darüber zu Grunde, ich erliege unter der Gewalt der Herlichkeit dieser Erscheinungen. ? ?" Seit. 9. 10.
 
 
  Ia-03-1779-0279
2) Wenn doch alle Menschen andre glüklich machen wolten!!! ?
 
 
  Ia-03-1779-0280
"Wer sich das nur täglich sagte:" rief ich aus, du vermagst nichts auf deine Freunde, als ihnen ihre Freude zu lassen und ihr Glück zu vermehren, indem du es mit ihnen geniessest. Vermagst du, wenn ihre inre Seele von einer ängstigenden Leidenschaft gequält, vom Kummer zerrüttet ist, ihnen einen Tropfen Linderung zu geben?
 
 
  Ia-03-1779-0281
Und wenn die lezte, bangste Krankheit dann über das Geschöpf herfällt, das du in blühenden Tagen untergraben hast, und sie nun da liegt in dem erbärmlichsten Ermatten, das Auge gefühllos gen Himmel sieht, und der Todesschweis auf ihrer Stirne abwechselt, und du vor dem Bette stehst wie ein Verdamter, in dem innigsten Gefühl, daß du nichts vermagst mit al deinem Vermögen, und die Angst dich inwendig krampft, daß du alles hingeben möchtest, um dem untergehenden Geschöpf einen Tropfen Stärkung, einen Funken Muth einflössen zu können. ?" Seit. 58.
 
 
  Ia-03-1779-0282
3) Entzükkung! Empfindung! Gefühl!!
 
 
  Ia-03-1779-0283
"Wenn ich sonst vom Fels über den Flus bis zu ienen Höhxx Hügeln das fruchtbare Thal überschaute, und alles um mich her keimen und quellen sah, wenn ich iene Berge, vom Fusse bis auf zum Gipfel, mit hohen, dichten Bäumen bekleidet, al iene Thäler in ihren mannigfaltigen Krümmungen von den lieblichsten Wäldern beschattet sah, und der sanfte Flus zwischen den lispelnden Rohren dahin gleitete, und die lieben Wolken abspiegelte, die der sanfte Abendwind am Himmel herüber wiegte, wenn ich denn die Vögel um mich, den Wald beleben hörte, und die Millionen Mükkenschwärme im lezten rothen Strale der Sonne muthig tanzten, und ihr lezter zukkender Blick den summenden Käfer aus seinem Grase befreite und das Gewebere um mich her, mich auf den Boden aufmerksam machte und das Moos, das meinem harten Felsen seine Nahrung abzwingt, und das Geniste, das den dürren Sandhügel hinunter wächst, mir das innere glühende, heilige Leben der Natur eröfnete, wie umfast ich das al mit warmen Herzen, verlohr mich in der unendlichen Fülle, und die herlichen Gestalten der unendlichen Welt bewegten sich allbelebend in meiner Seele. Ungeheure Berge umgaben mich, Abgründe lxgen lagen vor
 
 
Manuskriptseite 81.
 
   
mir, und Wetterbäche stürzten herunter, die Flüsse strömten unter mir, und Wald und Gebürg erklang. Und ich sah sie würken und schaffen in einander in den Tiefen der Erde, al die Kräfte unergründlich. Und nun über der Erde und unter dem Himmel wimmeln die Geschlechter der Geschöpfe al, und alles, alles bevölkert mit tausendfachen Gestalten, und die Menschen dann sich in Häuslein zusammen sichern und sich annisten und herrschen in ihrem Sinne über die weite Welt! Armer Thor, der du alles so gering achtest, weil du so klein bist. Vom unzugänglichen Gebürge über die Einöde, die kein Fus betrat, bis ans Ende des unbekanten Ozeans, weht der Geist des Ewigschaffenden und freut sich sich iedes Staubs, der ihn vernimt und lebt. Ach , damals, wie oft hab' ich mich mit Fittigen eines Kranichs, der über mich hinflog, zu dem Ufer des ungemessenen Meers gesehnt, aus dem schäumenden Becher des Unendlichen, iene schwellende Lebenswonne zu trinken, und nur einen Augenblik in der eingeschränkten Kraft meines Busens einen Tropfen, in der der Seeligkeit des Wesens zu fühlen, das alles in sich und durch sich enthält hervorbringt. ? ?" Seit. 92. 93. 94.
 
 
  Ia-03-1779-0284
XVII.
 
 
  Ia-03-1779-0285
Briefe zur Bildung des Geschmaks an einen iungen Herrn von Stande. Dritter Theil. Leipzig und Breslau, bei Iohann Ernst Meier 1767.
 
 
  Ia-03-1779-0286
1)
 
 
  Ia-03-1779-0287
Pathetische Züge!
"So viele Leben, ach! grausame Herschbegier!
Um Eine Spanne Land, gepflügt von Einem Stier?
Ach Hochmuth! um Ein Wort, vielleicht zu schnel geredet,
Ach Geiz! um elend Gold die halbe Welt verödet?
Gebiethende Vernunft, wenn du uns herschen lehrst,
Fang in dem Menschen an, und hersche da zuerst! ?"
Seit. 99.
 
 
  Ia-03-1779-0288
2)
 
 
  Ia-03-1779-0289
Von den vielen prächtigen Weltkörpern.
"Fleug mit des Lichtes Schwingen das unablässig
Das Alter einer Welt hindurch, hinauf
Von einer Kugel zu der andern: Zähle
Da, wo vorhin nur Punkte standen, Sonnen
Und Welten, und die erste Sonne siehe
Verloschen im Gesichtskreis! denke dann,
Hier sei dein Flug geendigt: aber wisse
Du hast noch einen gleichen Weg bis dahin,
Wo Heerden Welten wimmeln, einen Weg,
 
 
Manuskriptseite 82.
 
   
So endlos, wie der erste war. ? Mir schwindelt,
Almächtiger! auf dieser Almachtshöhe
Sinkt alle meine Denkungskraft in Ohnmacht! ?"
Seit. 105. 106.
 
 
  Ia-03-1779-0290
3)
 
 
  Ia-03-1779-0291
Die Sonne! ?
"Erschreklicher Brand! ungeheure Maiestät!
O zitre, kleine Erd! erschrekket, ihr Planeten!
Vor diesem Riesenkörper, der,
Genähret von Kometen, was sich ihm
Zu nahe wagt, entzündet zum Kometen! ?"
Seit. 110.
 
 
  Ia-03-1779-0292
4)
 
 
  Ia-03-1779-0293
Das Saamenkorn!
"Ia du bist schön, o Thal! doch höre deinen Schöpfer:
Die kleinste Blume hat ein Thal, so schön, wie du:
Dies Thal ist wiederum mit Samen angefüllet,
Von dem das kleinste Korn zehntausend Halme
In seinem Punkte trägt, und dessen Körner
Sind wiederum mit Millionen schwanger:
Zermalme nun das kleinste Senfkorn, und
Sieh eine Welt vergehn! ?"
Seit. 112.
 
 
  Ia-03-1779-0294
6)
 
 
  Ia-03-1779-0295
Die grosse Kette der Wesen. ?
"Wie gros ist der Abstand zwischen der Empfindung
Bis zu dem grössesten Verstand! ? Der Raum x...x
Kan hier nicht leer sein ? welche Grade der
Vernunft vom Plato bis zu einem Affen!
Und von der Denkungsart des Affen bis
Zur Auster nieder! Welch ein Unterschied
Der Grössen von dem Körper Leviathans
Bis zu dem kleinsten Thiere, das sein Glas
Entdekket! welch ein Unterschied der Länge
Des Lebens zwischen dem gekrönten Hirsche,
Und dem Elephanten Ephemeron, das Einen Tag
Durchlebt! Sind diese grosse Zwischenräume
Vom Untersten, zum Obersten ? wer weis,
Wie weit? ? nicht angefüllet? Steigen Geister,
Und Körper, und Vermögen stuffenweise
Zu einer Zahl hinauf, die niemand ausspricht?
Vernunft, Erfahrung, Glas, und Auge sagen, Ia! ?"
Seit. 113.114.
 
 
Manuskriptseite 83.
 
  Ia-03-1779-0296
6)
 
 
  Ia-03-1779-0297
Die Leiter der Empfindung bis zur Vernunft.
"Sie, wie sie zu dem königlichen Menschen
Von ienen grünen Myriaden, die
Das Gras bevölkern, steigt! Wie viele Arten
Des Sehens zwischen diesen beiden Gränzen,
Der Dämmerung des Maulwurfs, und dem Lichte
Des Luchses! wie viel Arten des Geruches!
Vom Hunde, der die Spur im Grase wittert,
Bis zu der Löwin des Gehörs, von dem,
Was in Gewässern lebt, bis zu dem Vogel,
Der in Gebüschen singt! Wie äusserst fein
Auf iedem Faden fühlt die Spinn', und lebet
Durch alle ihre Seile! Welcher Sin
Der kleinen Biene saugt so fein, und richtig
Aus gift'gen Kräutern den balsamschen Thau?
Wie unterschieden ist des Schweins Instinkt
Von deinem halbvernünftiger Elephant!
Welch eine feine Scheidung trennet diesen
Von der Vernunft? ? ? ?
Wie nah verwandt sind Überlegung, und
Gedächtnis! welche dünne Scheidung trennet
Empfindung und Gedanken? ? ?"
Seit. 114. 115. 116.
 
 
  Ia-03-1779-0298
7)
 
 
  Ia-03-1779-0299
Was der Tod ist? ?
"Wo blieb die Lerche, deren süsse Kehle
Den Philadon einladete, das Wunder
Des Morgenroths zu sehn? der muntre Wächter,
Der aus der hohen Luft durch seine Stimme
Zur Andacht die Geschöpf, erwekte? Sie
Stieg in den Himmel, von dem Lobe dessen
Entflamt, der ihren zarten Hals zum Triller
Gebaut; und da sie eben ihr Gebeth,
Und ihren Morgenpsalm began, da ward sie ?
Ach Philadon! ein Raub des Falken. Wie?
Du seufzest? ? Darf ein Philosoph hier seufzen?
Sol denn die Lerche niemals sterben? Sol
Der Falk nicht leben? Ist die Ordnung grösser,
Wenn gar kein Raubthier wär? besinne dich!
Du selber bist das gröste Raubthier! Ia,
Noch mehr! wenn alles Leben hat, und sich
 
 
Manuskriptseite 84.
 
   
Vom Leben nähret; wie ist dann ein Raubthier
Von einem andern unterschieden? Ist
Der Tod nichts mehr, als die Veränderung
Der Form, so ist ia aller Dinge Tod
Nichts, als ein fortgeseztes Werde. ?"
Seit. 118. 119.
 
 
  Ia-03-1779-0300
8)
 
 
  Ia-03-1779-0301
Die grosse Welt!
Ich sah das grosse Al! Wo bleibst du da?
Wofern der Sonnenkreis von diesem Ganzen
Nichts mehr ist, als ein Punkt, so ist die Erde
Ein Punkt von ihm; und du? ? o! diesen Punkt
Wer kan ihn theilen? ? Nein, izzo verschwindet
Vor mir mein Philadon! ?"
Seit. 120.
 
 
  Ia-03-1779-0302
XVIII.
 
 
  Ia-03-1779-0303
Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion an Se. Durchlaucht den Erbprinzen von Braunschweig und Lünneburg. Zweiter Theil. Braunschweig, in Verlag der Fürstl. Waisenhaus=Buchhandlung, 1774.
 
 
  Ia-03-1779-0304
1) Von der Geschichte der ersten Welt.
 
 
  Ia-03-1779-0305
"Ich habe schon gesagt, daß die ganze Geschichte der ersten Welt in diesem Buche (dem 1ten Buch Moses) aus so vielen Original-Urkunden oder historischen Liedern, als dem einzigen Gedächtnismittel aller alten Völker, zu bestehen scheine, worin die ersten Menschen die merkwürdigsten Begebenheiten, die sie erlebten, unter sich zu erhalten und auf ihre Nachkommen fortzupflanzen gesucht hätten. Die Beschreibung der Sündfluth hat das volle Ansehen von eben einem solchen Liede. Es ist wenigstens keine Begebenheit möglich, die Noah und seine Söhne mit mehr Erstaunen hätte erfüllen, und die ihnen wichtiger hätte sein können, das Andenken davon zu erhalten, und mit derselben zugleich die grosse Grundwahrheit der Religion, von einer über die Menschen wachenden heiligen und gerechten Vorsehung, die ihnen bisher so wichtig gewesen, bei ihren feierlichen Zusammenkünften sich in einem solchen heiligen Liede vorzuhalten, und das Andenken davon auch auf ihre späteste Nachkommenschaft fortzupflanzen. Auch hat die Beschreibung selbst alle Kenzeichen, die diese Muthmassung bestätigen. Diese Art, wie der Verfal der Menschen vorgestellet wird, die Beschreibung des götlichen Rathschlusses, die öfteren und
 
 
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gleich hinter einander vorkommenden Wiederholungen von beiden, die weitläuftige Art zu erzählen, da der Rathschlus Gottes bald historisch beschrieben, bald Gott Gott selbst als redend eingeführt wird, die Beschreibung der Fluth selbst, die alte Benennung des Schifs, es ist alles die Sprache des höchsten Alterthums, und von der eigenen einförmigen Schreibart Mosis, die mit seiner speciellen Geschichte von Abraham anfängt, deutlich unterschieden. Auch ist die Berechnung der Zeit älter, als die, deren Mosis sich bedienet. Hier ist noch das leichter zu berechnende ältere Mondeniahr, die Monathe nach der runden Zahl von dreissig Tagen berechnet, da Moses hergegen bei der Anordnung seiner Feste schon die genauere Berechnung nach Sonneniahren und die nöthige Einschaltung kante. Dabei ist der Grund des hier angegebenen Verfals eben die Sinlichkeit, die den Verfal des ersten Stamvaters und seiner nächsten Nachkommenschaft schon veranlasset hatte, da der eine Theil mit Hindansezzung aller Gottesfurcht seinen sinlichen Trieben sich dergestalt überlassen, daß die Verehrung Gottes in der dritten Generation schon ein karakteristisches Unterscheidungszeichen geworden war. Einige andere Geschlechter hätten sich zwar durch ihren unschuldigen gottesfürchtigen Wandel als Kinder Gottes von ienen Ruchlosen noch eine Zeitlang unterschieden, und wären diesem Bekentnisse Gottes und seiner Vorsehung treu geblieben; aber so wie sie sich mehr verbreitet und von den Hütten ihrer Gottesfürchtigen Väter sich entfernet, so hätte diese verderbte Sinlichkeit sich auch ihrer nach und nach bemächtiget, das Gefühl der Religion hätte sich immer mehr verloren, auch sie wären blos ihren sinlichen Trieben nachgegangen, und da sie sich ohne Scheu mit den öffentlichen Verächtern Gottes in die genauesten Verbindungen eingelassen, so wäre diese gesezlose Sinlichkeit endlich so algemein geworden, daß auch diese, die es bisher noch für einen unterscheidenden Ruhm gehalten hätten, den Namen von Bekennern und Kindern Gottes zu führen, eben solche Gibborim und Nephilim, solche Titanen und Centauren, wie die übrigen, geworden wären, die ohne alles Gefühl von Sitlichkeit und Gerechtigkeit die Vorsehung verleugnet, dem Himmel getrozzet, und sich kühn allen ihren wilden und gewaltthätigen Trieben überlassen hätten. Luther übersezt die beiden Worte Gibborim und Nephilim durch Tyrannen und Gewaltige, vermuthlich um die Fabel von den Riesen dadurch nicht zu bestätigen, doch wäre der Name Riesen dieser alten dichterischen Sprache gemässer gewesen. Nur daß man sich bei diesen Namen kein wirkliches Geschlecht von Riesen denken darf. Die Natur bringt so wenig ganze Geschlechter von Riesen, als von Zwergen, hervor, die natürliche menschliche Grösse nach ihrem äussersten Maasse zwischen vier und sieben Fus gerechnet. Beide sind nur einzelne Abartungen, die sich nicht fortpflanzen. Alle Riesen des Alterthums sind nichts als symbolische Wesen und Geschöpfe der Dichtkunst, worunter
 
 
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alle alte Völker ihre grossen Vorfahren abbildeten, wenn sie ihre ausserordentlichen Heldenthaten vorstellen wolten. Moralische Grösse war in diesen rauhern Zeiten noch nicht gekant; man kante noch keine andere Grösse als wilden Muth und Stärke, die in gesezloser Gewaltthätigkeit bestand, und womit die Verachtung aller Vorsehung verbunden war, welche die welche die dichterische Einbildung, um sie so viel ausserordentlicher und fürchterlicher zu machen, unter keinem stärkern Bilde, als unter dem Bilde ungeheurer Riesen, vorzustellen wuste. Dies ist die Sprache der Natur, ohne daß dabei einige Nachahmung Stat hätte. Als solche Riesen beschrieben die alten nordischen Völker in ihren Liedern ihre Helden; und dergleichen Riesen sind auch die neun Ellen grossen Aloiden und Titanen der Griechen, die kühn auf ihre unwiederstehlige Gewalt Berge auf Berge thürmen, und den Himmel selbst zu bestürmen sich zutrauen. Dies ist eben die Sprache in diesem Liede. ?" Seit. 213. 214. 215. 216.
 
 
  Ia-03-1779-0306
2) Die Erde bekam durch die Sündfluth allein keine solche Beschaffenheit, wie sie izt hat.
 
 
  Ia-03-1779-0307
"Alle diese Erscheinungen (von versteinerten Sachen auf hohen Bergen, u. d. g.) würden sich wohl schwerlich aus der einzigen Sündfluth erklären lassen, sondern sie scheinen vielmehr zum Theil die Würkung von gewaltsamen Veränderungen, auch von längern und ältern Überschwemmungen, und vermuthlich von iener ältern Fluth noch her zu sein, die der Schöpfer in die Tiefe gehen hies, wie er diese Erde zu einer neuen Wohnung für uns bereitete. Denn die an Materie und Dikke so verschiedne und mit einander abwechselnden Schalen oder Schichten, woraus die ganze Oberrinde der Erde besteht, und unter welchen sich oft erst in der grösten Tiefe ein Seegrund und eine Lage von Muscheln und oft mehr als eine dergleichen findet, die durch viele Faden dikke Schichten xxx von Thon und Sand von einander abgesondert sind, diese scheinen allerdings der Bodensaz von einer Überschwemmung zu sein, aber auch mehr als eine dergleichen, und auch eine viel längere vorauszusezzen. Eine einzige Fluth konte die Erdrinde so nicht auflösen; dies beweiset die Festigkeit des Seegrunds selbst; und es würden diese Schichten sich auch nicht so regelmässig noch so bald wieder gesezt haben. Noah fing gleich an, so wie das Wasser sich nur verlaufen hatte, die Erde wieder zu bebauen, und er fand alle seine bekanten Gewächse, seinen Ölbaum und Weinstok wieder. Auch stand die Fluth nicht lange genug, daß solche ungeheure Berge von Muscheln und Seegwächsen davon hätten aufgethürmt werden können. Man
 
 
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kan diese Berge vielmehr selbst als einen alten Seegrund, und als Bruchstükke der unter dem Wasser gestandenen Erdrinde ansehen, die bei dem Ausbruche eines unterirdischen Feuers in die Höhe geworfen, und womit diese Seegeschöpfe zugleich mit erhoben sind. Dies machen die übereinander gethürmten rauhen Klippen, ingleichen die Spalten in diesen Gebirgen, auf die zum Theil gegen einander passenden Winkel, und die d an vielen deutlich wahrzunehmenden Spuren des Feuers höchst wahrscheinlich, und dies kömt selbst mit der über alle menschliche Beredsamkeit erhabnen prächtigen Beschreibung überein, die David von der schöpferischen Almacht im 104 Psalm giebt. Endlich aber scheinen viele dieser Phänomene auch zu alt zu sein, als daß sie sich aus dieser Fluth erklären liessen, so wie andere hergegen sichtbarlich von neurer Zeit sind. Die Versteinerung scheinet allein schon ein höheres Alter vorauszusezzen. Denn da die härtesten Felsen von Marmor und andern Steinarten dergleichen Meeresreste in sich schliessen und zum Theil ganz daraus bestehen, und also nothwendig eine weichere Materie vorher schon gewesen sein müssen; so würde die Zeit, von dieser Fluth an gerechnet, zu dem Zeitraum, den die Natur zu diesem geheimen und langsamen Geschäfte nimt, wohl nicht zureichen; da die Ruinen der allerältesten Gebäude, die sich nur auf der Erde finden, wie zum Exempel die Überbleibsel der alten Mauren und Thore von Suez am rothen Meere, die vielleicht schon nahe an die Zeiten Mosis reichen, schon vol von solchen Schnekken=Schaalen sind, auch die Steinart, woraus die ägyptischen Pyramiden bestehen, dergleichen schon in sich hält. ?" Seit. 229. 230. 231.
 
 
  Ia-03-1779-0308
3) Die Sündfluth war nicht algemein.
 
 
  Ia-03-1779-0309
"Es ist nichts, was uns nöthigt, diese Überschwemmung für so buchstäblich algemein anzunehmen, daß sie über die höhsten Gebürge der ganzen Erde sich ergossen hätte. Wer mit der Sprache der Schrift nur einigermassen bekant ist, der wird sich vieler ähnlicher Redensarten erinnern, wobei es nie einem Leser einfallen wird, kan, nach dem buchstäblichen Ausdrukke den ganzen Erdkreis oder alle Thiere der Erde, alle Vögel unter dem Himmel sich dabei vorzustellen. Ezech. 31, 6. Und dies ist die Sprache der Schrift allein nicht; dies ist die Sprache der Natur; alle Menschen erhöhen auf diese Art den Ausdruk, wenn sie etwas ausserordentliches beschreiben; und man denke sich hinzu, daß diese Beschreibung ein Lied, ein durch das natürliche Erstaunen derer, die die Zeugen dieser schreklichen Begebenheit waren, erhöhtes Lied ist. Iene angeführte Fluthen, gesezt, daß es partikuliere Fluthe gewesen, werden wenigstens mit eben
 
 
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den vergrösserten Ausdrükken beschrieben. Daß diese Noahische Fluth das ganze südliche Asien habe überschwemmen können, ist aus dem erst angeführten höchst wahrscheinlich. Und wie wahrscheinlich waren diese Länder die damals noch allein bewohnte, und vielleicht auch allein noch gekante Erde. Einem ieden Geschichtschreiber ist das die ganze Erde, wie sie zu seiner Zeit gekant ist. Wer macht dem Ptolemäus einen Vorwurf daraus, daß in seiner Erdbeschreibung noch kein Amerika, kein Iapan, noch Grönland ist? Wo solten denn die ersten Bewohner der Erde die volständige geographische Kentnis derselben herbekommen haben? Man hat sich nur in die unnöthige Verlegenheit gesezt, die Fluth auch über die Alpen und Kordilleras zu führen, weil man zu dieser Zeit die ganze Erde bis unter den Polen schon bevölkert annimt. Aber die Natur ist so fruchtbar nicht, als die Federn der Männer sind, die sich mit der Berechnung der Bevölkerung beschäftigen. Es konte also diese Fluth das ganze menschliche Geschlecht betreffen, und die ganze menschliche bewohnte Erde überschwemmen, ohne daß man nöthig hat, eine solche Fluth, die buchstäblich über die höchsten Gebürge der ganze Erdkugel gegangen wäre, dabei anzunehmen; und so ist die unerklärlich wundervolle Herbeiführung aller Thiere, und ihre eben so unerklärliche Zurükbringung in die von der Natur ihnen angewiesenen Gegenden auch zugleich nicht mehr nöthig. Die Nordsee könte ganz Niederteutschland überschwemmen, auch noch über den ganzen Harz gehen, und die Bewohner der Schweiz könten dabei noch ganz sicher sein. Auch selbst die höchsten Gebürge auf der Erde nicht mit gerechnet, so sind unter dem, was wir Ebenen und Flächen nennen, viele Gegenden etliche tausend Fus von dem Mittelpunkte der Erde mehr entfernt und höher als andre. Das mitlere Siberien, das so vielen hundert Meilen langen Strömen den Fal giebt, übertrift an Höhe alle asiatische Gebürge; und Basel, das gegen die Alpen auch noch Fläche ist, liegt beinahe vier tausend Fus höher, als die holländischen Seestädte. Hier blieb also allen Arten von Thieren Raum genug zu ihrer Rettung übrig, und Noah brauche keine andere als dieienigen mitzunehmen die ihm zu seiner Erhaltung und zur nächsten Bebauung der Erde unentbehrlich waren. ?" Seit. 235. 236. 237. 238.
 
 
  Ia-03-1779-0310
4)
 
 
  Ia-03-1779-0311
Von dem Regenbogen
 
 
  Ia-03-1779-0312
"Hier bricht die Sonne wieder durch die Wolken, und Noah sieht während seines Opfers den Regenbogen mit freudigem Entzükken als die Bestätigung an, daß die Natur von ihrer alten Ordnung und Schönheit nichts verloren
 
 
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habe. Es ist hier nur wieder die Sprache der ersten Welt, die alle ausserordentliche Lufterscheinungen, und vorzüglich den Regenbogen, da die natürliche Ursache davon noch nicht gekant war, als eine Bothschaft der Gotheit ansah. Hier heist er ein Zeichen des Bundes, den Gott gleichsam mit dem Menschen zu ihrer Versicherung macht, daß die Natur bei allen ihren Veränderungen, nach den von seiner Weisheit geordneten Gesezzen, unverändert fortdauren sol. Und hiervon ist er auch noch, so oft er uns erscheint, für uns die Versicherung, die dadurch, daß wir die natürliche Ursache davon izt erkennen, noch mehr bestätigt als geschwächt wird. ?" Seit. 244.
 
 
  Ia-03-1779-0313
5) Wie man sich Gott sonst vorstelte.
 
 
  Ia-03-1779-0314
"Es wird gleich hinzugesezt, daß die Vorsehung die Ausführung dieses Vorhabens nicht genehmigt, und die Beschreibung davon ist völlig wieder eben die Sprache, als ich bei der Sündfluth bemerkt habe. Dem Wesentlichen nach, wiederum noch der richtige paradiesische Grundbegrif von Gott, aber dem Ausdruk nach, iener Kindheit der Vernunft und ihrer Sprache auch wieder völlig gemäs, noch ohne eigentlichen Begrif von Alwissenheit, Algegenwart oder Vorhersehung; der Himmel ist, wegen seines wolthätigen Einflusses auf die Erde, auch der eigentliche Siz Gottes; von diesem sieht er herab auf die Handlungen der Menschen, und steigt von demselben herunter, um die Veränderungen, die er beschlossen hat, zu bewirken; dabei denkt er sich der rohe Mensch alle diese götlichen Rathschlüsse als Überlegungen, und kleidet sie in Selbstgespräche ein. Abermals der ächteste Beweis von dem ursprünglichen Alter dieser Nachricht. In dem vorgenommenen Baue des Thurmes selbst, war zwar nichts was der Gottheit hätte misfallen können; dies dachten sich die Menschen nur, die die Volführung desselben vereitelt sahen. ?" Seit. 253. 254.
 
 
  Ia-03-1779-0315
6) Von der Verwirrung der Sprachen.
 
 
  Ia-03-1779-0316
"In der Redensart selbst, Gott habe ihre Sprache verwirret, ist vor erst nichts, was uns nöthigt, ein solches Wunder anzunehmen, und die Erklärung bleibt, wenn man sie von einer Uneinigkeit annimt, eben so buchstäblich und natürlich. Mache ihre Zungen (oder ihre Sprache) uneins, betet David, Ps. 55, 10. wenn er Gott anruft, daß er die bösen Anschläge seiner Feinde durch ihre Uneinigkeit zunichte machen wolle; und es ist vielleicht keine Sprache in der Welt, worin die Einigkeit und Uneinigkeit der Gesinnungen nicht auf eben die Art, durch einstimmig sein, sich einander verstehen, aus einem Munde reden, ausgedrükt würde. Auch dies, daß diese Verwirrung Gott unmittelbar zugeschrieben wird, bestätigt dieses Wunder nicht. Dies ist die natürliche Sprache
 
 
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eines Buchs, das vornehmlich die grosse Wahrheit lehrt, daß alle Begebenheiten und Veränderungen in der Welt unter der Regierung dieses höchsten Wesens stehen, und daß sie alle seinen weisen Absichten gemäs erfolgen müssen. Dann aber ist das hierbei angenommene Wunder so unerklärlich, daß man, nach meiner Einsicht, sich dasselbe gar nicht denken kan. Die Verwirrung in der Sprache sol so gros geworden sein, daß es deswegen den Menschen nicht mehr möglich gewesen, den Bau fortzusezzen, und wenn sie zugleich der Grund von der Verschiedenheit der Sprachen, die jezt in der Welt sind, sein sol, so mus sie gleich aufeinmal so gros gewesen sein, als nur iezt eine afrikanische oder amerikanische Sprache von einer europäischen unterschieden ist. Dies sezt eine gänzliche Auslöschung des Gedächtnisses voraus; einen völlig thierischen Zustand, der ohne einen gänzlichen Verlust der Vernunft sich gar nicht denken läst, und wobei alle geselschaftliche, selbst alle häusliche Verbindung hätte aufhören müssen. Das Kind hätte seinen Vater so wenig mehr gekant, als es sich des Namens wäre bewust geblieben. Wil man sagen, daß ein ieder, stat der ausgelöschten Worte, gleich so viele neue wieder bekommen; so ist dies ein neues auch wieder eben so unerklärliches Wunder, das eben so mannigfaltig ist als nur Menschen waren, ohne daß noch die Vorsehung von der Erreichung ihres Endzweks dadurch wäre versichert gewesen. Denn wie leicht war, über so wenig Worte, die zur Fortsezzung eines so simpeln Baues erfordert wurden wurden, sich wieder zu vergleichen! Wie viel sicherer erfülte die blosse Uneinigkeit den ganzen Endzwek, da die Absicht des Baues an sich schon so beschaffen war, daß derselbe, so bald nur die Frage entstand, welche Familie hat bei entstehender grösserer Vermehrung das nächste Recht daran behalten solte, diese Trennung veranlassen muste. Zur Erklärung der vielen Sprachen, die iezt in der Welt sind, ist dies Wunder eben so wenig nöthig, als es nöthig ist, um die verschiednen Gesichtszüge der Nationen und die Abänderung der weisen und schwarzen Farbe aus der bräunlichen Mittelfarbe dieser Gegend, oder die iezzige Unähnlichkeit unserer Buchstaben mit den alten phönizischen zu erklären. Die eine Abänderung ist so völlig so natürlich, als die andere. So bald durch die Uneinigkeit das gemeinschaftliche Band aufhörte, und die Familien sich trenten, so nahm eine iede zwar ihre Muttersprache mit; aber da diese nothwendig noch sehr sinlich und arm sein muste, und höchstens aus einigen hundert Stamwörtern bestehen konte, eine iede also, so wie ihr neue Obiekte
 
 
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vorkamen, und ihre Begriffe sich vermehrten, sich zu deren Bezeichnung auch neue Worte wählte, so musten nicht allein alle diese Worte den Grund zu einer besondern Sprache legen; sondern da die Grammatik einer Sprache die lezte Stufe ihrer Volkommenheit ist, welche die Vernunft nicht eher bearbeitet, als bis sie selbst zu einiger Kultur gekommen; so ist es eben so natürlich, daß die verschiednen Zweige einer und derselben ursprünglichen Sprache auch hierin nach und nach eine verschiedne Struktur bekommen haben. Dann aber musten auch die mitgenommenen ursprünglichen Stamwörter sich in einer Kolonie nach und nach so abändern, daß ihre Aussprache und Bedeutung von der Mundart der übrigen immer mehr abwich. Wer mit diesen Veränderungen einigermassen bekant ist, der wird es nicht erwarten, daß ich es hier weitläuftig ausführe, wie dergleichen ursprüngliche Stamwörter sich zum Theil aus einer Sprache ganz verlieren, oder nach und nach eine ganz andere Bedeutung bekommen, theils aber auch durch die beständigen Veränderungen der Buchstaben von einerlei Organen, und durch die Veränderungen, die das Klima, die rauhere oder gesittetere Lebensart, die mindere oder mehrere Lebhaftigkeit und Feinheit der Empfindungen darin verursachen, in einigen hundert Iahren so unkentlich werden können, daß kaum noch ein Geübter die ursprüngliche Abstammung davon entdekken kan. Wie viele Veränderungen hat unsere Sprache in ihren nächst verwandten Dialekten nicht gelitten! In den lezten Zeiten der römischen Republik waren die lateinischen Verse aus den Zeiten der Könige selbst den Priestern räthselhaft; und welcher Deutsche kent in Ottfrieds Evangelium seine Sprache noch? ? ? ?" Seit. 264. 265. 266. 267.
 
 
  Ia-03-1779-0317
"Dies bestätigt, wenn man Babel als den Standpunkt annimt, von welchem alle diese Völkerschaften ausgegangen sind, die Geographie der Sprachen über dem ganzen Erdboden. Denn die Sprachen von allen diesen leztern Völkern, die am nächsten bei Babel blieben, haben ihren ursprünglichen Familienkarakter so deutlich behalten, daß sie sichtbarlich nichts als Töchter einer Mutter sind; die aber, da ihre Ähnlichkeit iezt noch so kentlich ist, sich vor 4000 Iahren gewis noch viel ähnlicher gewesen sein müssen. Ein deutlicher Beweis also, daß die Verwirrung, welche die Unterlassung des Baues veranlasset, in diesem Unterschiede der Sprachen wohl nicht bestanden haben könne. Wenigstens würde die Vorsehung, in Absicht auf ihren Endzwek, weit sicherer gewesen sein, wenn sie diesen Völkern, die zunächst bei Babel und am Euphrat blieben, dieienigen Sprachen zugetheilt hätte, die an den äussersten Ende der Welt
 
 
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geredet werden, und hergegen dieienigen, welche die gemeinschaftliche chaldäische Mundart behielten, in iene entfernten Weltgegenden über dem Imaus und Atlas wären versezt worden. So nothwendig es aber auch war, ie weiter die Völker von diesem ihren gemeinschaftlichen Hauptstam sich entfernten, daß die ursprüngliche Ähnlichkeit ihrer Sprachen sich auch verlohr; so haben doch Zeit, Vermischung und Klima diese Ähnlichkeit nicht so auslöschen können, daß sich nicht einige Familienzüge erhalten hätten, woraus die glükliche Scharfsinnigkeit der Männer, die sich mit diesen Untersuchungen beschäftigen, die Verwandschaft fast aller, auch der ältesten europäischen Sprachen immer kentlicher macht, so daß die verschiednen Linien der Züge, die die Völker westwärts bis über die Pyrenäen, und nordwärts bis nach Finland hinauf genommen haben, alle von dieser Gegend ausgehen, die uns in diesem Buche, als der erste Siz des iezzigen menschlichen Geschlechts, bekant gemacht wird. Da nun von diesen westlichen Zügen, welche die Sprachen von hieraus genommen haben, die Spuren noch kentlich sind, solte sich denn unter den östlichen und nordöstlichen nicht noch eben eine solche Verwandschaft entdekken lassen, wenn wir, wie wir iezt schon mit Zuversicht hoffen können, mit der alten Sprache der Perser und der Hindus bekanter würden. Ausser diesem sind nun vielleicht noch unzählige Sprachen übrig, wohin man alle Sprachen der wilden afrikanischen und amerikanischen Völker rechnen kan, die auch nicht die allergeringste Verwandschaft, weder unter einander, noch mit unsern bekanten Sprachen, zu haben scheinen. Aber da wir die Abstammung, die Vermischung, und die Züge dieser Völker nicht kennen; da sie ihre Sprache nicht schreiben; und da bei ihren rauhen ungebildeten Organen und ihrer wilden Ungeselligkeit die blosse Aussprache zwei ganz nahe verwandte Sprachen schon ganz unkentlich machen kan; auch eine iede kleine Völkerschaft, die nicht einerlei Sprache hat, alle Gemeinschaft mit einander aufhebt: so können viele dieser Sprachen einen sehr nahen gemeinschaftlichen Ursprung haben, ob er uns gleich bei dem Mangel aller geschriebenen Denkmaale unerforschlich ist. Denn da diese Ägypter und Äthiopier auf der östlichen Seite von Afrika, und die Phönizier auf der ganzen nördlichen und westlichen Küste sich so sehr verbreitet, solte dies nicht immer ein wahrscheinlicher Grund auch von dem gemeinschaftlichen Ursprunge der Sprachen iener wilden Völker sein können? Der Herr von Kondamine glaubte, daß sich auch der Ursprung der Sprachen der wilden amerikanischen Völkerschaften
 
 
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noch entdekken liesse. Diese Völker haben wahrscheinlich mehr als eine Abkunft. Aber da die nordwestliche Seite dieses Welttheils von dem nordöstlichen Asien nur durch die schmale Meerenge getrennet ist, und die daselbst gegen einander überliegenden Völker an Gestalt, Sitten und Lebensart sich wie eine Nation ähnlich sind, solte sich hier nicht ebenfals eine gemeinschaftliche Abkunft der Sprachen, und dabei eine Zuglinie denken lassen, die uns auch von dieser Seite zu ienem ersten Sizze der Menschheit zurükbrächte. Wenigstens würde es immer wohl schwer zu behaupten sein, da die Ähnlichkeit der Sprachen in denen Gegenden, welche die Verwirrung zu allererst hätte betreffen müssen, noch so kentlich ist, daß iene unendliche Menge der wilden Völkersprachen sämtlich an die äussersten Ende der Welt hingekommen wäre. ?" Seit. 268. 269. 270. 271.
 
 
  Ia-03-1779-0318
XIX.
 
 
  Ia-03-1779-0319
Die Leiden des iungen Werthers. Zweiter Theil.
 
 
  Ia-03-1779-0320
Du beweinst, du liebst ihn, liebe Seele,
Rettest sein Gedächtnis von der Schmach;
Sieh, dir winkt sein Geist aus seiner Höhle:
Sei ein Mann, und folge mir nicht nach.
Leipzig in der Weigandschen Buchhandlung. 1775.
 
 
  Ia-03-1779-0321
1) Süsse Schwärmereien.
 
 
  Ia-03-1779-0322
"Ossian hat in meinem Herzen den Homer verdrängt. Welch eine Welt, in die der Herliche mich führt. Zu wandern über die Haide, umsaust vom Sturmwinde, der in dampfenden Nebeln, die Geister der Väter im dämemrnden Lichte des Monds hinführt. Zu hören vom Gebürge her, im Gebrülle des Waldstroms, halb verwehtes Ächzen der Geister aus ihren Höhlen, und die Wehklagen des zu Tode geiammerten Mädgens, um die vier moosbedekten, grasbewachsnen Steine des edel gefalnen, ihres Geliebten. Wenn ich ihn denn finde, den wandelnden grauen Barden, der auf der weiten Haide die Fusstapfen seiner Väter sucht und ach! ihre Grabsteine findet. Und dann iammernd nach dem lieben Sterne des Abends hinblikt, der sich ins rollende Meer verbirgt, und die Zeiten der Vergangenheit in des Helden Seele lebendig werden, da noch der freundliche Stral den Gefahren der Tapfern leuchtete, und der Mond ihr bekränztes, siegrükkehrendes Schiff beschien. Wenn ich so den tiefen Kummer auf seiner Stirn lese, so den lezten verlassenen Herlichen in aller
 
 
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Ermattung dem Grabe zu wanken sehe, wie er immer neue schmerzlich glühende Freuden in der kraftlosen Gegenwart der Schatten seiner Abgeschiedenen einsaugt, und nach der kalten Erde dem hohen dem hohen wehenden Graase niedersieht, und ausruft: Der Wanderer wird kommen, kommen, der mich kante in meiner Schönheit und fragen: wo ist der Sänger, Fingals treflicher Sohn? Sein Fustrit geht über mein Grab hin, und er fragt vergebens nach mir auf der Erde. O Freund! ich möchte gleich einem edlen Waffenträger das Schwerd ziehen und meinen Fürsten von der zükkenden Qual des langsam absterbenden Lebens auf einmal befreien, und dem befreiten Halbgott meine Seele nachsenden. ?" Seit. 151. 152. 153.
 
 
  Ia-03-1779-0323
2) Empfindungen zu Nachts bei starken Überschwemmungen.
 
 
  Ia-03-1779-0324
"Ich hatte noch Abends gehört, der Flus sei übergetreten und die Bäche al, und von Wahlheim herunter al mein liebes Thal überschwemt. Nachts nach Eilf rant ich hinaus. Ein fürchterliches Schauspiel. Vom Fels herunter die wühlenden Fluthen in dem Mondlichte wirbeln zu sehn, über Äkker und Wiesen und Hekken und alles, und das weite Thal hinauf und hinab eine stürmende See im Sausen des Windes! Und wenn denn der Mond wieder hervortrat und über der schwarzen Wolke ruhte, und vor mir hinaus die Fluth in fürchterlich herlichen Widerschein rolte und klang, da überfiel mich ein Schauer, und wieder ein Sehnen! Ach! mit ofnen Armen stand ich gegen den Abgrund, und athmete hinab! hinab, und verlohr mich in der Wonne, al meine Qualen, al meine Leiden da hinab zu stürmen, dahin zu brausen wie die Wellen. Oh! Und den Fus vom Boden zu heben! Vermochtest du nicht und alle Qualen zu enden! ? Meine Uhr ist noch nicht ausgelaufen. ? ? ich fühls! ?" Seit. 172. 173.
 
 
  Ia-03-1779-0325
3) Empfindungen beim Grab.
 
 
  Ia-03-1779-0326
"Ich hatte eine Freundin, die mein Alles war meiner hülflosen Iugend, sie starb und ich folgte ihrer Leiche, und stand an dem Grabe. Wie sie den Sarg hinunter liessen und die Seile schnurrend unter ihm weg und wieder herauf schnelten, dann die erste Schaufel hinunter schollerte, und die ängstliche Lade einen dumpfen Ton wiedergab, und dumpfer und immer dumpfer und endlich bedekt war! ? Ich stürzte neben das Grab hin ? Ergriffen, erschüttert, geängstet, zerrissen mein innerstes, aber ich wuste nicht wie mir geschah ? wie mir geschehen wird ? Sterben! Grab! Ich verstehe die Worte nicht! ?" Seit. 210.
 
 
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  Ia-03-1779-0327
XX.
 
 
  Ia-03-1779-0328
Auserlesene Gedichte von Anna Louisa Karschin. Berlin, bei Georg Ludwig Winter. 1764.
 
 
  Ia-03-1779-0329
1)
 
 
  Ia-03-1779-0330
Morgengedanken.
"Der Morgen dreht sein heitres Angesichte
Uns lächelnd zu, und wekt mit sanftem Lichte
Die Kreaturen an den Tag hervor!
Der Sperling schwazt; die muntern Hähne krähen
Den Lobgesang, und aller Augen sehen,
Zu Gott, der sie ernährt, empor.
Auch ich bin schwach, und meinem ersten Blikke
Befehl ich, daß er Dank zum Himmel schikke
Für diese Ruh, für diese sanfte Nacht!
Es ist ein Gott, der diese Welt regieret,
Der aus dem Staub mich wunderbar geführet,
Und der mir Freud und Freunde macht!
Mein ruhig Herz und dieser stille Friede
Der um mich herscht, der keinen Tag mich müde
Von der Arbeit, oder von Verdrusse, sieht;
Das sanfte Feuer, das durch die Ader dränget,
Und dies Gefühl, das in mir denkt, und singet,
Das dank ich dem, der mich durch Güte zieht.
Ich heische nicht aus seinen vollen Händen
Ein grösser Glük. Nicht Reichthum sol er senden,
Nicht eitlen Ruhm und was ins Auge fält.
Mein Mittelstand, der Rok, der reinlich kleidet,
Ein gnugsam Brod, genossen unbeneidet,
Dies sei mein Theil und bleib es in der Welt. ?"
Seit. 21. 22.
 
 
  Ia-03-1779-0331
2)
 
 
  Ia-03-1779-0332
Die menschliche Seele.
"Du (Seele) denkst in mir, du kanst dich schwingen
Dem unsichtbaren Winde gleich,
In einem Agenblik dahin, wo Engel singen,
Und singst mit ihnen zugleich!
Du übersteigest Mond und Sterne
Fliehst schnel zurük, du schweifst umher
Wie Gottes Bliz, und schwebst in ungemesner Ferne
Hoch über Hügel und Meer!
 
 
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Du drengest dich durch dikke Mauren,
Du achtest feste Schlösser nichts;
Ich fühl es, daß du strebst der Gotheit gleich zu dauren,
Zu trinken Ströme des Lichts. ?
Bis du zum Seraph wirst erhoben.
O fühle deine Würde ganz,
Unsterbliche! dir gab der, den die Sterne loben
Ein Theil vom himlischen Glanz. ? ?"
Seit. 26. 27.
 
 
  Ia-03-1779-0333
3)
 
 
  Ia-03-1779-0334
Klagen beim Grab! ?
"Nie wil ich dem Leben fluchen
Selbst mein Kummer sol mir heilig sein.
Oft wil ich den Staub (meines Ehegatten) besuchen,
Und ihm eine stille Thräne weihn.
Der entflogne Schatten
Meines theuren Gatten,
Lächelt dann mit euch auf mich herab,
Und behorcht die frommen Seufzer
Hingestöhnt auf's Grab! ?"
Seit. 61.
 
 
  Ia-03-1779-0335
4)
 
 
  Ia-03-1779-0336
Der Freund!
"Du Bewohner einer Himmels=Sphäre!
Siehe, meiner Freuden stille Zähre
Fliesset über meine Wangen oft.
Kanst du reden theurer Schatten? sage
Ob dein Herz für meine Lebenstage
Glük und Ehre dazumal gehoft.
Sei mir dreimal mehr mit Licht bekleidet,
Mit der Gottheit Blikken mehr geweiset
Als die andern Seelen um dich her!
Für die Tropfen alle die mir werden
Aus dem Freuden=Becher hier auf Erden,
Tränke dich der Seeligkeiten Meer! ?"
Seit. 94.
 
 
Manuskriptseite 97.
 
  Ia-03-1779-0337
5)
 
 
  Ia-03-1779-0338
Vorbitte wegen eines Nusbaums an Palemon.
"Erheitre nicht des Garten=Hauses Wände,
Und fälle nicht um einer Handbreit Raum,
Durch Eisen und durch zwei gedungne Hände,
Den schattigten Raum.
Selbst der Prophet, der Ninivens Verderben
Hartnäkkig forderte, ganz Menschenfeind,
Hat einst, gerührt von einer Pflanze Sterben,
Den Kürbis beweint.
Und du, ganz Menschenfreund, du wilst die Hiebe
Im hohen Baum? auf dessen Zweigen oft
Ein Vogel singt, der lokkend, seiner Liebe
Befriedigung hoft? ?
Seit. 201.
 
 
  Ia-03-1779-0339
XXI.
 
 
  Ia-03-1779-0340
Der goldene Spiegel, oder die Könige von Scheschian, eine wahre Geschichte. Aus dem Scheschianischen übersezt. ? ? Rex eris ? si recte facies. Erster Theil. Reutlingen, bei Iohann Georg Fleischhauer. 1774.
 
 
  Ia-03-1779-0341
1) Die Gesezze des Psammis an die Kinder der Natur.
 
 
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"Freude ist der lezte Wunsch aller empfindenden Wesen; sie ist dem Menschen, was Luft und Sonnenschein den Pflanzen ist. Durch süsses Lächeln kündigt sie die erste Entwiklung der Menschheit im Säugling an, und ihr Abschied ist der Vorbote der Auflösung unsers Wesens. Liebe und gegenseitiges Wohlwollen sind die reichsten und lautersten Quellen, Unschuld des Herzens und der Sitten die sanften Ufer, in welchen sie dahin fliessen. - Diese wohlthätigen Ausflüsse der Gotheit sind es, was ihr unter den Bildern vorgestelt seht, denen euer gemeinschaftlicher Tempel heilig ist.
 
 
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Betrachtet sie als Sinbilder der Liebe, der Unschuld, der Freude. So oft der Frühling wieder kömt, so oft Erndte und Herbst angehen und geendigt sind, und an iedem andern festlichen Tage versammelt euch in dem Myrtenhaine, bestreuet den Tempel mit Rosen, und kränzet die holden Bilder mit frischen Blumen; erneuert vor ihnen das unverlezliche Gelübde, der Natur getreu zu bleiben; umarmet einander unter diesen Gelübden, und die Iugend beschliesse das Fest; unter den frohen Augen der Alten, mit Tänzen und Gesang. Die iunge Schäferin, wenn ihr Herz aus dem langen Traume der Kindheit zu erwachen begint, schleiche sich einsam in den Myrtenhain, und opfere der Liebe die ersten Seufzer, die ihren sanften Busen heben; die iunge Mutter mit dem lächelnden Säugling im Arme, wandle oft hieher, ihn zu den Füssen der holden Göttinnen in süssen Schlummer zu singen. ?" Seit. 131. 132.
 
 
  Ia-03-1779-0343
"Höret mich Kinder der Natur! ? Niemals möge unter euch das Ungeheuer gebohren werden, das eine Freude darin findet, andre leiden zu sehen, oder unfähig ist, sich ihrer Freude zu erfreuen! Nein, ein so unnatürliches Misgeschöpfe kan nicht zum Vorschein kommen, wo Unschuld und Liebe sich vereinigen den Geist der Wonne über alles, was athmet, auszugiessen. Freuet euch, meine Kinder! eures Daseins, eurer Menschheit; geniesset so viel als möglich ist, ieden Augenblik eures Lebens; aber vergesset nie, daß ohne Mässigung auch die natürlichsten Begierden zu Quellen des Schmerzens, und durch Übermaas die reineste Wollust zu einem Gifte wird, das den Keim eures künftigen Vergnügens zernaget. ?" Seit. 134. 135.
 
 
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"Alle andre Werke der Natur scheinen nur spielende Versuche und Vorübungen, wodurch sie sich zur Bildung ihres Meisterstüks, des Menschen, vorbereitet. In ihm scheint sie alles, was sie diesseits des Himmels vermag, vereinigt, an ihm allein mit Wärme und verliebt in ihr eignes Werk, gearbeitet zu haben. Aber sie hat es in unsrer Gewalt gelassen, es zu vollenden oder zu verderben. Warum that sie das? Ich weis nichts davon; aber nachdem was sie gethan hat, müssen wir das bestimmen, was wir zu thun haben. Iede harmonische Bewegung unsers Körpers, iede sanfte Empfindung der Freude, der Liebe, der zärtlichen Sympathie verschönert uns; iede alzuheftige oder unordentliche Bewegung, iede ungestümme Leidenschaft, iede neidische
 
 
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und unordentliche Bewegung, iede ungestümme übelthätige Gesinnung verzert unsre Gesichtszüge, vergiftet unsern Blik und würdiget die unsre schöne menschliche Gestalt zur sichtbaren Ähnlichkeit mit irgend einer Art von Vieh herab. So lange Güte des Herzens und Fröhlichkeit die Seele eurer Bewegungen bleiben, werdet ihr die schönsten unter den Menschenkindern sein. Das Ohr ist, nach dem Auge, der volkommenste unsrer Sinnen. Gewöhnt es an kunstlose aber seelvolle Melodien; aus welchen schöne Gefühle athmen, die das Herz in sanfte Bebungen sezzen, oder die einschlummernde Seele in süsse Träume wiegen. Freude Liebe und Unschuld stimmen den Menschen mit in Harmonie mit sich selbst, mit allen guten Menschen, mit der ganzen Natur. So lang euch diese beseelen, wird iede eurer Bewegungen, der gewöhnliche Ton eurer Stimme, eurer Sprache selbst wird Musik sein. Seit. 139. 140.
 
 
  Ia-03-1779-0345
"Lernet, meine Kinder, die leichte Kunst, eure Glükseeligkeit ins Unendliche zu vermehren; das einzige Geheimnis, sie so nah als möglich der Wonne der Götter, und wenn es erlaubt wäre so kühn zu denken, der Wonne des Urhebers der Natur selbst zu nähern. ? Erstrekket euer Wohlwollen auf die ganze Natur; liebet alles, was ihr algemeinstes Geschenke, das Dasein, mit euch theilet! Liebet einen ieden, in welchem ihr die ehrwürdigen Kenzeichen der Menschheit erblikket, solten es auch nur ihre Ruinen sein. Freuet euch mit iedem der sich freuet; wischet die Thränen der Reue von den Wangen der bestraften Thorheit, und küsset die aus den Augen der Unschuld die Thränen des Mitleidens mit sich selbst. Vervielfachet euer Wesen, indem ihr euch gewöhnet in iedem Menschen das Bild eurer eignen Natur und in iedem guten Menschen ein andres Selbst zu lieben. Schmekket so oft ihr könnet das reine götliche Vergnügen Andre glüklicher zu machen; ? und du, Unglükseeliger, dem von diesem blossen Gedanken das Herz nicht zu wallen anfängt, fliehe, fliehe auf ewig aus den Wohnungen der Kinder der Natur. ?" Seit. 142. 143. 144.
 
 
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  Ia-03-1779-0346
XXII.
 
 
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Der goldene Spiegel, oder die Könige von Scheschian, eine wahre Geschichte. Aus dem Scheschianischen übersezt. Zweiter Theil . Reutlingen, bei Iohann Georg Fleischhauer. 1774.
 
 
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1) Von Gewohnheiten.
 
 
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"Die meisten alten Gewohnheiten sind verderblich, blos weil sie alte Gewohnheiten sind. Sie mochten zu ihrer Zeit, unter gewissen Umständen gut oder doch zu rechtfertigen sein; aber diese Umstände haben aufgehört, und die Gewohnheit, welche dennoch fortdauert, wird schädlich. Daher ist überhaupt nichts so albern als das gewöhnliche Geschrei der Dumköpfe über Neuerungen. ? ?" Seit. 67. 68.
 
 
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2) Vom Nuzzen der Geschichte.
 
 
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"Die Geschichte, mit beobachtenden Augen durchfoscht, und mit philosophischem Blik aus erhabenen Standpunkten übersehen, ist die Quelle der solidesten und nüzlichsten Kentnisse für den Bürger, für den Staatsman, und selbst für den blossen Weltbeschauer. Ein gelassener und aufgeklärter Geist sieht durch das verworrene Gewebe der menschlichen Thorheit hindurch und entdekt in dem Zusammenhang und in der stufenweisen Entwikkelung der grossen Weltbegebenheiten den festen Plan einer alles leitenden höhern Weisheit; er ergözt, ermuntert, und bessert sich bei dem Anblik des immerwährenden Kampfes der Tugend mit dem Laster, der Vernunft mit den Leidenschaften, der Wahrheit mit dem Irthum und Betrug, der Wissenschaften mit der Unwissenheit, des Geschmaks mit der Barbarei, und erkent mit Anbetung die verborgne Hand des grossen Urhebers der Natur, der aus diesem ewigen Streit in den Theilen, Ordnung und Harmonie im Ganzen hervorzubringen weis. Die Geschichte des menschlichen Verstandes, die Geschichte der Tugend, die Geschichte der Religion, der Gesezgebung, der Künste, der Handelschaft, des Geschmaks, des Luxus u. s. f. sind eben so viele fruchtbare Gegenden der algemeinen Geschichte, deren besserer Anbau die herlichsten Vortheile für die spekulativen und praktischen Wissenschaften verspricht. ?" Seit. 204. 205.
 
 
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XXIII.
 
 
  Ia-03-1779-0353
Der goldene Spiegel, oder die Könige von Scheschian, eine wahre Geschichte. Aus dem Scheschianischen übersezt. Dritter Theil. ??? ??????? ???????? ???? ????????? ??? ??????. Hesiodus. Reutlingen, bei Iohann Georg Fleischhauer. 1774.
 
 
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1) Von Gott im Verhältnis gegen die Menschen.
 
 
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"Iedes Verhältnis der Gottheit gegen die Menschen beweist bis zum Augenscheine, daß die Idee des unenedlichen Geistes in dem inwendigen System unsrer Seele eben das ist und sein sol, was die Sonne in dem grossen Kreisse der Schöpfung, die uns umgiebt, ist; ? daß sie es sein sol, die unsrer Seele Licht und Wärme giebt, um iede Tugend, iede Volkommenheit hervorzubringen, und zur Reife zu bringen. Iener süsse Zug der Sympathie, der uns geneigt macht, uns mit andern Geschöpfen zu erfreuen und zu betrüben, ist nun etwas mehr als ein blosser mechanischer Trieb. Algemeine Güte, zärtliche Theilnehmung an den Schiksaalen der Wesen unsrer Gattung, sorgfältige Vermeidung alles Zusammenstosses, wodurch wir ihre Ruhe, ihren Wohlstand verlezzen würden, lebhafte Bestrebung ihr Bestes zu befördern und mit dem unsrigen zu vereinigen, ? alles dieses in dem Lichte betrachtet, welches die Idee der Gottheit über uns verbreitet, sind die Gesezze des almächtigen und wohlthätigen Beherschers aller Welten; Gesezze, von deren Verbindlichkeit uns nichts loszählen kan. Gesezze , von deren Befolgung die Erfüllung des ganzen Endzweks unsers Daseins abgeha abhängt. ? ? ?" Seit. 173. 174. 175.
 
 
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XXIV.
 
 
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Der goldene Spiegel, oder die Könige von Scheschian, eine wahre Geschichte. Aus dem Scheschianischen übersezt. Mihi quidem videntur huc omnia esse referenda iis, qui præsunt aliis, ut ii, qui erunt in eorum imperio, sint quam beatissimi. Cicero ad Quint. Frat. I. 1-8. Vierter Theil. Reutlingen, bei Iohann Georg Fleischhauer. 1774.
 
 
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1) Die Rede des Dschengis an Tifan, da der leztere König wurde.
 
 
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"Endlich ist er gekommen, rief Dschengis aus, der glükliche, der feierliche Tag, der mich für die Arbeit, für die Sorgen so vieler Iahre, der mich für das Arbeit grösseste Opfer, welches ein Vater der Liebe zu seinem Fürsten bringen kan, belohnt! O Tifan, o! du, dessen Leben ich mit dem Blute meines einzigen Sohnes bezahlen muste, sieh in meinen halberloschnen Augen diese Thränen der Freude und der Zärtlichkeit! Ich hab' ihn erlebt den grossen Tag, um dessentwillen es der Mühe werth ist, gelebt zu haben! Ich sehe deine Tugend von einem ganzen Volk anerkant, mit unbegrenzten Vertrauen, mit dem götlichesten Loos, das einem Sterblichen zufallen kan, mit der uneingeschränkten Macht Gutes zu thun, bekrönt. O Tifan! Ich höre auf, dein Vater zu sein, um an Liebe, an Treue der erste deiner Unterthanen zu werden. Ich kenne dein grosses, dein wohlthätiges Herz! Welche Lehren könte die Weisheit dir geben, die nicht der Finger der Natur selbst in deine Seele geschrieben hat! Aber, o! Tifan, geliebtester, bester der Menschen! wie könt' ich vergessen, daß du mit allen deinen Tugenden, mit allen deinen Vorzügen doch nur ein Mensch, daß du Schwachheiten und Bedürfnissen, Irthümern und Leidenschaften, eben so wie der geringste deiner Unterthanen, ausgesezt bist. Möchtest du uns dies durch die Menge deiner guten Thaten, durch den unbeflekten Glanz eines der Tugend geheiligten Lebens vergessen machen! Möchten wir immer in dir das sichtbare Ebenbild eines weisen und wohlthätigen Gotheit erkennen;
 
 
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und nur alsdann, wenn wir an deine Sterblichkeit zu denken gezwungen sind, mit Zittern fühlen, daß du weniger als eine Gotheit bist. Aber, o! Tifan ? wenn iemals ? Himmel, las meine Augen sich auf ewig am Anbruche des traurigen Tages schliessen ? wenn iemals, o Tifan, deine Seele ihrer eignen Würde und ihrer glorreichen Pflichten vergessen, iemals zu einer unedlen Leidenschaft, oder zu einer ungerechten That herabsinken wolte, o Sohn meines königlichen Freundes und der meinige, möchte dich dann die Erinnerung an deinen Dschengis, wie der Arm eines Genius, vom Rande des Abgrundes zurükziehen! Möchte dir dann ? doch mein Tifan, niemals sol ? ich schwör es dir bei der Tugend, wozu ich dich gebildet habe, niemals wird die schrekliche Stunde kommen, wo dich das Bild deines Dschengis, wie er vom Blute seines einzigen Sohnes besprizt, unter der fruchtbaren Hülle der Nacht, dich auf seinen bebenden Armen tragend, aus Scheschians Mauren entflieht, wo dies Racherufende Bild vonnöthen wäre, den Vater seines Volks, den besten der Fürsten zur Tugend zurük zu schrekken. Nein! bessere Ahndungen, frohe lichtvolle Aussichten stellen sich meiner beruhigten Seele dar. Mit den Segnungen deines Volks und mit meinen Freudenthränen bezeichnet, wird ieder Tag deines königlichen Lebens zum Himmel empor steigen, die guten Thaten, womit du ihn erfült hast, zu den Füssen des Königs aller Könige niederzulegen. Ich, ? diese Edlen von Scheschian, die Mitgenossen deines Ruhms und deine Gehülfen in dem grossen Werke, dein Volk glüklich zu machen, ? dieses unzälbare Volk, welches sein Wohl in deine Hände geleget hat, wir alle werden uns seelig preisen, deine Zeiten erlebt zu haben und ? mit einem belohnenden Blikke auf mein glükliches Vaterland ? und dich ? werden sich einst die Augen deines alten Dschengis schliessen. ? ?" Seit. 31. 32. 33. 34. 35.
 
 
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  Ia-03-1779-0360
XXV.
 
 
  Ia-03-1779-0361
Algemeine theologische Bibliothek. Eilfter Band. Mietau, bei Iakob Friedrich Hinz. 1778.
 
 
  Ia-03-1779-0362
1) Von dem Christenthum in nächsten Iahrhunderten nach den Aposteln.
 
 
  Ia-03-1779-0363
"Die Religion Iesu bekam schon in den nächsten Iahrhunderten Lehrer, die mit Philosophie und Wiz ausgerüstet, dem Christenthum die Gestalt eines scharfsinnigen Lehrgebäudes zu geben suchten, aber nicht ohne Zumischung gekünstelter Einfälle, und in Verbindung mit einer strengen, neuersonnenen Sittenlehre. Die Lehrer der Religion masten sich mehr Ansehen an, die Lehre wurde mehr verfälscht, der Zuwachs der Kirche aber war dennoch unter allen Schwierigkeiten sehr beträchtlich. In den lezten 70 Iahren ward die christliche auch noch nicht auf eine sehr merkliche oder schädliche Art verändert, ob man gleich immer mehr Spizfindigkeiten hineinbrachte, mit Cärimonien diese geistige Religion überladete, und ihre Lehrer sich immer mehr zu Gesezgebern aufwurfen. Gegen das Ende dieses Zeitraums aber zeigte es sich stärker, daß die Christen, wenn sie ihren Glauben rein und auch wirksam erhalten wolten, sich vor nichts so sehr als vor den Reizungen eines blühenden und sichern Wohlstandes, vor der Neigung zu sinlichen Vorstellungen der Religionsbegriffe, und vor einer ungebundenen Herschaft ihrer Lehrer in Acht zu nehmen hätten. Der darauf folgende Zeitraum bewies es zum Schaden der christlichen Religion, und ihrer Anhänger, wie gros und wachsam diese ihre Besorgnis immer hätte sein sollen! ?" Seit. 45. 46.
 
 
  Ia-03-1779-0364
2) Von der Unächtheit der Apokalypsis.
 
 
  Ia-03-1779-0365
"Die Apokalypsis enthält Weissagungen von Begebenheiten in der äussern Menschenwelt, von Hunger, Pest, Krieg u. s. w. die wenig Zusammenhang mit dem Christenthum haben, daß also christliche Lehrer ehedem ganz recht daran gethan, wenn sie dies Historienbuch von den christlichen Lehrbüchern ausgeschlossen haben. ? Die Natur dieser Weissagungen ist, wie die der Parabeln,
 
 
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für Anfänger, für Kinder im Christenthum, welche nach Zeichen und Wundern in der sichtbaren Welt fragen. Geübte Christen brauchen dies A. B. C. x nicht mehr. Weder Christus noch Paullus noch Iohannes stimmen mit dem Inhalte dieser Apokalypse überein. Iene lehren uns selbst Geist und Leben, und eine ganz gewisse sanfte Ausbreitung des Reichs Gottes. Hier aber werden arme iüdische Ausdrükke Gemälde erneuert ? fleischliche Vorstellungen und geistlose Bilder von äusserlichen Übeln und leiblichen Freuden." Seit. 70. 71.
 
 
  Ia-03-1779-0366
3) Von der alten Geschichte.
 
 
  Ia-03-1779-0367
"Nach des V. Vorgeben sol Moses die alte Geschichte (von der Schöpfung an bis nach der Sündfluth) ganz unmittelbar aus götlicher Eingebung bekommen haben, ich weis nicht, warum er der iezt sonst wohl überal angenommenen Meinung nicht beitreten wil, daß sie aus alten Urkunden oder Volksliedern, die sich durch Tradition erhielten, geschöpft sei. ?" Seit. 106.
 
 
  Ia-03-1779-0368
4) Von der Schädlichkeit der Methode allenthalben in der h. Schrift Bilder zu finden.
 
 
  Ia-03-1779-0369
"Sie ist schädlich, weil sie gar keinen Grund hat. - Bei dieser Methode kan man alles, was man wil, selbst das Abgeschmakteste und Ungereimteste aus der Bibel herleiten. ? Wenn diese Erklärungsmethode gelten solte, so lassen sich aus einem ieden andern Werke die Geheimnisse des Christenthums herleiten. ? Nur wenige Theologen würden dieser Methode gewachsen sein, weil sie viel Scharfsin und Urtheilskraft voraussezt, selbst bei den kleinsten Umständen. - Die Bibel würde nicht nur an und vor sich schwer zu erklären sein, sondern man müste auch sagen, daß sie bis auf das 17 Iahrhundert ein dunkles, keinem Menschen verständliches Buch gewesen sei; denn da hat Kokzeius zuerst diese Hypothesen mit seinen Schülern erdacht. ? Man wird dabei zu ewigen Sophistereien, Spizfindigkeiten, zur Sektirerei pp. verführt. ? Ausleger die die h. Schrift nach diesen Regeln erklären, suchen und finden überal Geheimnisse, haschen Kleinigkeiten, und versäumen darüber die, gewissern, richtigern Regeln, die der gesunde Menschen
 
 
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verstand und der Sprachgebrauch an die Hand geben. - Es läuft bei den Liebhabern der allegorischen Methode am Ende doch auf weiter nichts hinaus, als wie sie die Prizipien ihrer Sekte durch dergleichen Zitationen und Bildererklärungen bestätigen wollen. Diese Religionsmethode ist selbst Gott unanständig, weil es mit seiner allerhöchsten Weisheit nicht bestehen kan, in einem ieden Buche nicht nur, sondern so gar in einem ieden Abschnitte Geheimnisse verschlossen zu haben, und zu den Kleinigkeiten sich herabzulassen, die iene Allegorien=Liebhaber in den Schriften des A. und N. T. finden wollen. ?" Seit. 148. 149. 150.
 
 
  Ia-03-1779-0370
"Wahre ächte Frömmigkeit und Tugend leidet bei dieser Methode ausserordentlich. Daher kömt es, daß auf Akademien bereits nicht Christenthum, christliche Religion, sondern Spizfindigkeiten, scholastische Terminologie, und lächerliche Minuzien in grossen Hörsaalen vorgetragen und dem Volk empfohlen werden. ?" Seit. 151.
 
 
  Ia-03-1779-0371
5) Von dem eigentlichen und uneigentlichen Sin der h. Schrift.
 
 
  Ia-03-1779-0372
"Hr. Teller zeigt aus verschiednen Beispielen, z. B. an dem 45. Psalm, den er für eine blosse Hochzeithymne hält, ? an dem hohen Liede, ? an der mosaischen Geschichte Hiobs von der Schöpfung und dem Fal der Menschen pp. an der Geschichte Hiobs, die er für ein dramatisches Gedicht ansieht, - wie man den eigentlichen und uneigentlichen Sin von einander unterscheiden könne. ? Man mus sich wirklich wundern, daß man diese wahre, vernünftige Auslegungsmethode eine geraume Zeit vergraben und so wenig geltend gemacht hat, da sie doch so ausgenscheinlich viel zur Hochachtung und Ehrerbietung für die Bibel beiträgt, iene hingegen dem vernünftigen Man, der zu furchtsam ist, aus der Karriere seines einmal gelernten Glaubens herauszutreten, ein Stein des Anstosses, und ein Gegenstand der Betrübnis, ? dem Wizling ein Süjet zum Lachen und Maulaufsperren, ? dem gröbern Freigeist ein Grund zum Hohngelächter und zur Verleumdung der ehrwürdigsten Dinge von der Welt ist. ?" Seit. 152. 153.
 
 
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XXVI.
 
 
  Ia-03-1779-0374
Algemeine deutsche Bibliothek. Des drei und dreissigsten Bandes zweites Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai. 1778.
 
 
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1) Von der Inspiration.
 
 
  Ia-03-1779-0376
"Petrus und Iudas haben einen Brief das Christenthum betreffend, an die Christen geschrieben. Beide Briefe, sagt man, sind von Gott eingegeben, und deshalb von götlicher Autorität; aber ihre Verfasser haben die darin enthaltnen Sachen, der Inspiration des h. Geistes unbeschadet, nach ihren gewöhnlichen Vorstellungen, nach ihrer natürlichen Denkungsart und dem Geschmakke ihrer Zeiten geschrieben. Daß beides in dem seine Gedanken aufschreibenden Apostel, über eine und eben diesselbe Sache, in einem und eben demselben Moment, unmöglich zugleich habe geschehen können, sieht ein ieder. Denn wenn Gott ihm das unmittelbar einhauchte, was er schrieb, so waren es nicht natürliche, nach dem Geschmak seiner Zeiten in selbst erfundene, oder geborgte alte Erzählungen und Fabeln eingekleidete Gedanken. Und waren sie das leztere, so konte wiederum das erstere nicht stat finden, nemlich daß sie ihm wären von Gott übernatürlich eingehaucht worden. Solte also beides mit einander bestehen, so könte doch nicht beides von dem Ganzen des Briefs gelten, sondern eines oder das andere müste nur bei den einzelnen Theilen oder Abschnitten desselben stat gefunden haben. Einige einzelne Stellen, Lehren oder Ermahnungen des Briefs, sie möchten nun zu Anfange, oder in der Mitte, oder am Schlus des apostolischen Briefes stehen, müsten eingegeben, andre nicht eingegeben, einige natürlich und selbst gedacht, andre nicht natürlich und nicht selbst gedacht sein. Nun frage ich also, welche Stelle, welcher Ausspruch des oder Lehrsaz ist in des Petrus oder Iudas Briefe ihm inspirirt, oder welcher ist ihm nicht inspirirt. Aus was für Gründen, nach was für sichern Kenzeichen, kan ich mit Gewisheit bestimmen, die Stelle war es, und die war es nicht; der Saz hat götliche Autorität für sich, und der hat sie nicht für sich? ?" Seit. 339. 340.
 
 
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  Ia-03-1779-0377
"Solche Erzälungen, wie der Streit des Erzengels Mihael mit dem Teufel, sagt man, wenn sie gleich keine wahre Geschichte sind, "führen doch auf keine Irthümer." Gesezt, möchte ich antworten, es wäre so, wie doch noch nicht so ganz erwiesen ist, (weil manche praktische Irthümer unsers gemeinen Volks doch wohl ziemlich nahe mit der iüdischen Lehre vom Teufel zusammenhängen möchten,) so führen sie doch auch eben so wenig auf wichtige, nüzliche Wahrheit. Und wie gehören unerhebliche, unnüzze Erzälungen in ein Buch, das eine götliche Offenbarung sein sol? Sie sind ia ganz wider den von einem Apostel selbst angegebenen Zwek einer ????? ???????????. An ihrer Stelle hätte also lieber etwas besseres mögen geschrieben werden. "Aber wenn sies gleich nicht in unserm Geschmak sind, so waren sie es doch in dem Geschmakke der damaligen Zeiten, und nach dem hat sich Gott gerichtet." Dies heist doch wohl, wenn ichs recht verstehe, so viel: Gott hat den heiligen Schriftstellern frei gelassen, den algemeinen götlichen Religionslehren, auch besondere in dem Geschmak der Iuden erdichtete Fabeln und Träume beizumischen, frei gelassen, für ihr Volk und in dessen Geschmak mancherlei wundersame Dinge zu schreiben, an denen mehr erleuchtete, aufgeklärtere Menschen der folgenden spätern Zeiten keinen Geschmak mehr finden könten. Wohl! alsdenn sage man aber auch nicht, daß alles in der Bibel götliche, unumstösliche Wahrheit, alles darin für alle Menschen und für alle Zeiten, als nothwendig zum rechten Glauben und gotseeligen Leben geschrieben sei; behaupte nicht, daß die Götlichkeit der biblischen Religion auf dem so sehr verdächtigen und so viel wider sich habenden kanonischen Ansehen zweier oder dreier Bücher mehr oder weniger behxux...x beruhe; gebe sich nicht vergebliche Mühe die götliche Eingebung eines Briefs vom Petrus oder Iudas zu vertheidigen, dessen Hälfte ihren Verfassern so sichtbar von dem Geiste des fabelhaften Iudenthums eingehaucht worden. ?" Seit. 341. 342.
 
 
  Ia-03-1779-0378
"Nach dieser Äusserung würden denn also nur die eigentlichen Religionslehren in der Bibel von Gott eingegeben sein; die übrigen aber nicht. Da entsteht nun aber wieder die Frage: Welches sind eigentliche Religionslehren, und welches sind denn keine? Sind es dieienigen allein, welche das menschliche Geschlecht zur rich
 
 
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tigen Erkentnis und thätigen Verehrung des einzigen wahren und unsichtbaren Gottes führen; aller Herzen mit heiligen Gesinnungen, mit innerlicher Zufriedenheit, mit Vertrauen und Hoffnung zu ihm erfüllen; mithin ungeheuchelte Frömmigkeit, wahre Gemüthsruhe, rechtschaffene Tugend, kurz dauerhafte Glükseeligkeit unter die Menschen zu verbreiten, und sie zum Himmel geschikt zu machen fähig sind? Oder gehören noch mehrere dazu? Da so mancherlei Dinge in der h. Schrift stehen, und einige Leser dieses, andere ienes zur Religionslehre zu machen geneigt sein möchten: so dürfte die Beantwortung dieser Fragen wohl nicht anders, als von einer ohne Vorurtheile anzustellenden, auf Vernunft, Gewissen und Erfahrung gegründeten Untersuchung über den innerlichen Werth oder Unwerth, über die evidente Nüzlichkeit oder Unnüzlichkeit, algemeine oder besondere Brauchbarkeit oder Unbrauchbarkeit der in der Bibel enthaltnen Sachen abhängen. Eine solche Untersuchung würde uns freilich bald auf die sichere Spur der wahrhaften Götlichkeit oder Nichtgötlichkeit einer Lehre, Vorstellung, und Erzälung in der Bibel helfen. Was sich denn darin nur immer der erhabenen Gotheit anständiges, der vernünftigen Natur des Menschen gemässes, ihren Bedürfnissen abhelfendes, für alle Leser, auf alle Zeiten und unter allen Völkern zur Lehre, zur Widerlegung schändlicher Irthümer, zur Besserung und Unterweisung in der Gerechtigkeit, (???? ???????????, ???? ???????, ???? ???????????, ???? ???????? ??? ????????????) nüzliches fände, das würde auf unveränderlich eine ????? ??????????? sein, ein von Gott herrührender und zu Gott führender schriftlicher Unterricht frommer Menschen, für Menschen, die zu allem guten Werk geschikt werden sollen; das würden wir zu allen Zeiten als Gottes eigenes, Wort wahres und ewiges Wort ohne Ausnahme zu glauben und zu befolgen haben; das müste uns zum immerwährenden Danke gegen die Fürsehung Gottes erwekken, dessen wohlthätiges Werk es lediglich bliebe, daß er die rechtschaffenen Männer, die er zu Werkzeugen der auszubreitenden Religionswahrheit brauchen wolte, mit den dazu nöthigen Einsichten, Gaben, Kräften und Trieben ausgerüstet hätte, ihre für die Menschen so heilsamen Erkenntnisse von götlichen Dingen, zunächst ihren Zeitverwandten und dan auch der Nachwelt, in deren Hände ihre Schriften
 
 
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kommen würden, mitzutheilen; davon müsten wir dann auch in gleicher Absicht zu immer grössern Beförderung des Erkentnis Gottes unter den Menschen beständig den pflichtmässigen Gebrauch machen, der hauptsächlich darin mit bestehen würde, daß man sie von frühen Iahren an den unmittelbaren Einflus dieser götlichen Lehren in die Ausbesserung ihres Gemüths und in die Glükseeligkeit ihres Lebens einsehen lehrte, und ihr Herz dafür einzunehmen bemüht wäre.
 
 
  Ia-03-1779-0379
Was noch ausser solchem Worte oder Lehren Gottes in den Büchern der h. Schrift geschrieben stünde, was weder auf eine nahe noch entfernte Weise zu moralischen Endzwekken für denkende Menschen genuzt werden könte, aller innerlichen Kenzeichen eines götlichen Ursprungs ermangelte, und ganz das Gepräge menschlicher Fabeln und Erdichtungen aus alten iüdischen Büchern, oder sonst woher hätte, das stünde denn von den fromen Verfassern der Bibel, als für Iuden oder iüdische Christen, in dem Geschmakke der damaligen Zeiten geschrieben da; wer einen Werth darauf legte, und es brauchen könte, braucht, es so gut es ihm beliebte; aber als nothwendige Glaubensartikel, als wesentliche Religionslehre, weil es ia die Religion das ?????????? ??? ???? ?? ???????? ??? ??????? selbst nicht betrift, dürfte es niemanden aufgedrungen werden. ?" Seit. 343. 344.
 
 
  Ia-03-1779-0380
2) Falsche Vorstellung, daß Gott selbst in die Welt gekommen ist.
 
 
  Ia-03-1779-0381
"Gott hat sich durch seinen Menschgewordenen Sohn, Christum Iesum, geoffenbaret. Aber die Schrift sagt nirgends, daß Gott ein klein Kind geworden. Gott sande seinen Sohn, geboren von einem Weibe, schreibt Paullus. So patripassianisch beinahe, wie der V. wil, redeten die Apostel nicht. ?" Seit. 399. 400.
 
 
  Ia-03-1779-0382
3) Von Beschneidung, Opfer und Sabbathsfeier.
 
 
  Ia-03-1779-0383
"Die Beschneidung zeigt der V. in ihrem rechten Gesichtspunkte, nicht sowohl als Einweihung zur Religion, sondern vielmehr als Naturalisation. Man mus indessen nicht aus der Acht lassen, daß bei den Iuden beides sehr genau verbunden war. Staat und Kirche waren in einander verwebt. Die mosaische Religion solte nicht die Religion anderer Völker werden, sondern sie war genau für das Eine Volk, für seine Lage, Gränzen, übrige Umstände berechnet. Aber wer ein Glied dieses Staats werden wolte, der muste auch seine
 
 
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ganze äusserliche Religion annehmen, weil einmal seine bürgerlichen und kirchlichen Verordnungen so sehr in einander liefen. ?" Seit. 455.
 
 
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"Wenn manche Prediger ein wenig über den politischen Nuzzen den die Opfer hatten, nachdenken, wenn sie lernen, daß die Opfer ein Mittel waren, auch den Armen im Volke etliche Fleischmalzeiten zu sichern, die Israeliten an den Gebrauch des Weins und Öls zu gewöhnen, um ihnen dadurch ihr Vaterland werth zu machen: so werden sie doch wohl wenigstens zweifelhaft werden, ob denn auch nothwendig in allen diesen Dingen neutestamentische Geheimnisse liegen müssen. ?" Seit. 455.
 
 
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"Eine gleiche Aufmerksamkeit verdient die Abhandlung des H. Michaelis vom Sabbath und den Festen, insonderheit für dieienigen Asceten, die noch immer die christliche Sontagsfeier aus dem dritten Gebot herleiten. Die Erfahrung lehrt, daß manche, die ihre Zuhörer in diesem Stükke gern zu Iuden machen wollen, nicht einmal das mosaische Sabbathsrecht kennen. Hier können sie wenigstens lernen, daß Gemütharbeit, lesen, schreiben, rechnen, studiren, welches sie oft den Christen zur Sünde machen, den Iuden nirgends verboten war, daß Gastmale und andere geselschaftliche Ergözzungen, wider welche sie so oft eifern, recht eigentlich der Absicht des Sabbaths gemäs waren, und daß dagegen manche andre Dinge, die sie sich und andern am Sontage verstatten, z. B. Essen kochen, und zubereiten, ausfahren, selbst zur Kirche fahren, zu denienigen Arbeiten für Menschen und Vieh gehören, welche nach dem mosaischen Sabbathsgesezze untersagt sind. ?" Seit. 255. 256.
 
 
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4) Von abstrakten Begriffen.
 
 
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"Ähnliche Begriffe erwekken einander, wenn also mehrere besondere Begriffe mit einem gemeinschaftlichen symbolischen Zeichen versehen werden: so wird auch dieses Zeichen von iedem der besondern Begriffe wieder erneuert werden; und umgekehrt wird auch das Zeichen die besondern Ideen wiederhervorbringen; dies Zeichen dient also stat aller der besondern Ideen, und wenn nun die Seele etwas von ihnen prädiciren wil: so wird sie es von dem symbolischen Zeichen prädiciren. ?" Seit. 486.
 
 
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5) Von der Belohnung und Bestrafung.
 
 
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"Der V. (Ierusalem) betrachtet die künftigen Belohnungen und Strafen nicht als wilkürlich auferlegt, sondern als natürliche Folgen der Handlungen in diesem Leben. Gott kan keinen Menschen nach wilkürlichen Gesezzen unglüklich machen; alles in der ganzen Natur steigt von einer Stufe der Volkommenheit zur andern, und der Mensch allein solte unvolkomner werden? um seinen Abscheu an den unvolkomnen moralischen Zustand der Menschen zu bezeugen, sol Gott die Menschen noch unvolkomner machen? Und wo sol denn Gott die Grenzen zwischen dem Tugendhaften und Lasterhaften finden? Die Stufen zwischen der höchsten menschlichen Tugend, höx...x und dem höchsten menschlichen Laster hängen alle an einander, es giebt keinen volkommen Tugendhaften, und keinen volkommen Lasterhaften. Wer sol also belohnt, wer bestraft werden? Der ganz Tugendhafte? So kan kxix keiner belohnt: der ganz Lasterhafte? so kan keiner bestraft werden. Aber es giebt verschiedne Stuffen der Belohnungen und Strafen! Wohl, aber zwischen einem glüklichen und unglüklichen Zustand ist ein wesentlicher Unterschied, und dieser ist zwischen den Tugendhaften und Lasterhaften in Ansehung des Menschen nicht. Der Übergang zu ienem höhern Grade von Volkommenheit ienem Leben ist folglich nur ein algemeiner Übergang zu einem höhern Grade von Volkommenheit, der aber, weil nichts ohne zureichenden Grund geschieht, sich aus dem Grade von Volkommenheit, den ein ieder in diesem Leben gehabt, erklären lassen, und nach demselben verschieden sein mus. ?" Seit. 489.
 
 
  Ia-03-1779-0390
XXVII.
 
 
  Ia-03-1779-0391
Algemeine deutsche Bibliothek. Des fünf und dreissigsten Bandes erstes Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai. 1778.
 
 
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1) Von den Psalmen ? und ihrer Inspiration.
 
 
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"Die Dichter selbst haben ursprünglich ihre Namen den Liedern vorgesezt: denn dies ist die Gewohnheit morgenländischer Dichter. Aber die Musik, unter deren Begleitung ein Psalm solte abgesungen werden, wurde erst alsdenn hinzugefügt, wenn ein Psalm zu
 
 
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einem Kirchenlied bestimt wurde. Natürlicher Weise war hierzu keine Inspiration nöthig. - Zu drei verschiednen Zeiten wurden die Psalmen gesamlet; David veranstaltet die erste Samlung, als er die Gottesdienstliche Musik einrichtete; die zweite ward zu Biskias Zeit gemacht, und die dritte nach dem babylonischen Exilio von Efras und Nehemias. - In unsern Ausgaben sind theils einzelne Psalmen falsch getrent, theils die Verse unrichtig abgetheilt. Sehr frei, und doch mit einer lobenswerthen Bescheidenheit, urtheilt der V. von der Inspiration dieser Lieder. Er begreift nicht, daß man Ursache habe anzunehmen, daß der Geist der Inspiration auf allen Dichtern ? bei allen Liedern der Psalmen geruht habe! Zwar heist es von David 1 Sam. XVI. 13. seit seiner Salbung durch Samuel habe der Geist Gottes auf ihm geruht. Aber das brauche man nicht auf die Inspiration zu ziehen; auch vom Saul werde dasselbe nach seiner Salbung zum König, und zwar mit noch auffallendern Worten 1 Sam. X. 10. gesagt. Aber Niemand lasse deswegen den Geist der Weissagung auf ihn ruhen. Blos bei den Psalmen habe über den Dichter die Inspiration gewaltet, welche vom Messias, und der von ihm zu stiftenden Religion handeln. ? So heillos diese Vorstellungen scheinen; so wissen wir in der That nicht, was wir gegründetes dagegen einwenden könten. Denn welcher Dichter des Altherthums rühmte sich nicht des Beistands einer Gottheit bei seinen Liedern? und konte David in seinem Exilio vor dem rebellischen Absalom nicht in die Klagen über sein Elend ausbrechen, daß er als Exulant und Vater des Rebellen doppelt fühlen muste, ohne inspirirt zu sein. ? ?" Seit. 80. 81.
 
 
  Ia-03-1779-0394
"Sind wirklich die Psalmen auf die Weise inspirirt, wie die gewöhnliche Dogmatik angiebt: wie wil man die grobe Rachsucht erklären, die in unzähligen Stellen vorkomt! Der V. nimt keine andre weissagende Psalmen, als die Messianischen an; und unter sie sezt er nur dieienigen, welche sich nicht ohne Rüksicht auf den Messias erklären lassen. Ihrer sind nach ihm 5, nämlich Ps. II. XVI. XXII. XL. und CX. (vielleicht möchte noch mancher den 22sten ausstreichen.) ? Darin hat er gewis recht, daß unter den Psalmen kein einziger vorkomt, der den politischen Zustand des iüdischen Volks in einer Weissagung enthielte. ?" Seit. 82.
 
 
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2) Von der Dreieinigkeit.
 
 
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"Die Schrift offenbart nichts vom Geheimnis der Dreieinigkeit, sie
 
 
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weis nichts von derselben. Von Gott dem Vater, und dem Sohne, den er gesand hat, und dem h. Geiste, der vom Vater ausgeht, schreibt sie, und ich glaube was sie von ihnen schreibt, aber das ist nicht die Dreieinigkeit, wie sie von den Nicänischen Vätern angenommen und durch das Athanasianische Symbolum festgelegt worden ist. Weder Christus noch seine Apostel haben ie an eine solche Dreieinigkeit gedacht. ?" Seit. 84.
 
 
  Ia-03-1779-0397
"Alle vernünftige Religion beruht auf den ersten Prinzipium von der Einheit Gottes. Aber eben weil Christus selbst sie darauf gebauet hat, Ioh. 17, 3. so wird seine ganze Lehre ohne Dreieinigkeit viel lichtvoller, als mit der Dreieinigkeit, die gerade vielerlei darin dunkel, verwirt und räthselhaft macht, was sonst so ganz verständlich und klar sein würde. ?" Seit. 87.
 
 
  Ia-03-1779-0398
3) Wir können ohne Geheimnisse eben so from leben.
 
 
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"Es wäre wahrhaftig ein grosser Beweis für den Glauben an die Mysterien der Kirche, wenn man ohne diesen Glauben schlechterdings nicht um Christus Willen seinen Beleidigern von Herzen vergeben könte. Als Iesus Liebe gegen seine Feinde predigte, und vor Rachgier warnte, und die Menschen beten lehrte: Unser Vater, vergieb uns unsre Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern, hatten doch, die ihn hörten, weis es Gott, noch keine Idee von unsern kirchlichen Glaubensgeheimnissen ? und die gepredigte Tugend, eine der besten und Gott gefälligsten des Lebens, muste ihnen doch möglich zu üben sein, weil der götliche Lehrer sie sonst nicht würde verlangt haben. Wenn also ein frommer Arianisch oder Socinianisch gesinter Christ H. Münters Erfahrung seiner Erfahrung entgegen sezte, und eben so gewis versicherte, daß er aus dem Grunde, weil Iesus den Sündern und seinen Feinden verziehen hätte, auch seinem ärgsten Feinde gerne und willig vergeben habe: so würde weiter nichts daraus folgen, als daß beide aus christlichen Bewegungsgründen gehandelt hätten; der eine durch die Kraft geglaubter Geheimnisse, und der eine ohne die Kraft derselben. ? ?" Seit. 88. 89.
 
 
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  Ia-03-1779-0400
XXVIII.
 
 
  Ia-03-1779-0401
Algemeine deutsche Bibliothek. Des sechs und dreissigsten Bandes zweites Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai, 1778.
 
 
  Ia-03-1779-0402
1) Erklärung der Stelle Ioh. 20, 22. 23. ? die man zum Beweise für die Macht der Geistlichen gebraucht.
 
 
  Ia-03-1779-0403
"Dem V. ist nicht beigefallen, daß die Stelle Ioh. 20, 22. 23., (wie Matth. 16, 19. 18, 18.) einen ganz andern Sin haben könne, und wirklich habe. Sehr einsichtvolle, und mitunter orthodoxe Theologen, als Klerikus, Olearius, Heilmann, Zachariä, Leß u. a. haben sich von der geweihten Erklärung derselben entfernt, eine ganz verschiedene angenommen, und mit den stärksten Gründen diese unterbauet; ? ??????? ??? ?????. nämlich und ????? von der wunderthätigen Macht, Krankheiten den Menschen abzunehmen, selbst von dem Tode sie zu befreien, ? ??????? ?. ?????. und ???? von der, Krankheiten, ia den Tod, aufzulegen, oder zu verhängen, ausgelegt. Bekantlich haben Seldenus, Lightfoot, Morinus, I. B. Karyzow, Ioach. Lange, Zach. Pearce, u. a. m. eine Auslegung der vorhin angeführten zwo Stellen im Matthäus vorgetragen, die ebenfals nichts weniger, als ohne Schein ist, ? von der den Aposteln ertheilten Freiheit zu bestimmen, welche mosaischen Gesezze für Christen verbindlich seien oder nicht, sie erklärt. ? Zugegeben aber, die gangbare Auslegung sei die richtige: so kan immer gesagt werden, und ist schon mehrere male gesagt worden: Unter den Aposteln, und den übrigen Lehrern der christlichen Kirche, ist ein grosser Unterschied. Eph. 4, 11. u. a. O.; diese können also die Vorrechte und Kräfte iener nicht auf sich ziehen, auf solche keinen Anspruch machen; werden iene Stellen auf alle Lehrer ausgedehnt: so mus auch die Mark. 16, 17. 18. von Iesu seinen Aposteln ertheilte Verheissung für eine algemeine erklärt; dasienige, was wir 1 Kor. 7, 38. 40. Kor. 11, 6. 10. lehren, algemein befolgt werden, u. s. f. Der V. schreibt zwar, nachdem er die Worte Iesu Ioh. 20, 22. 23. hergesezt hatte: " Auf gleiche Weise konten also auch die Apostel zu denen sagen, die von ihnen zum Lehramte waren eingeweihet worden: Gleichwie uns unser Herr und Meister gesanft hat; so senden wir euch. Welchen
 
 
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ihr die Sünden vergebet, denen sollen sie vergeben sein. pp." Ob die Apostel dieses konten, (eingestanden nämlich, daß sie selbst diese Macht besessen haben.) ? liesse sich vielleicht noch fragen. Angenommen aber! Haben sie es wirklich gethan? Haben sie die Macht, Sünden zu vergeben, denienigen, welche von ihnen zum Lehramte waren eingeweiht, wirklich übertragen? Wo steht im N. T. auch nur ein Wort zum Beweise der geschehenen Übergebung? Und die, von den Meisten zur Bestätigung gewisser Dogmen so schnel aufgebotene Kirchengeschichte, - was lehrt uns diese? Daß in mehr als der Hälfte der christlichen Iahrhunderte, auch in der abendländischen Kirche, die Geistlichen nicht für thätige Austheiler der Vergebung der Sünden sind gehalten worden. Der deutlichen Zeugnisse eines Ambrosius, Hieronymus, u. a. nicht zu gedenken, sind die formulae absolvendi bis in das 13te Iahrhundert deprecatoriæ gewesen, remittat tibi Deus, absolvat te Deus, absolutionem et remissionem tribuat tibi omnipotens Deus, Deus te dignetur absolvere, u. dgl. wie unter andern Dalläus in seinem bekanten Buche de confessione bewiesen, auch der Dominikaner Goarus (not. in Eucholog. p. 676.) bezeugt haben. Wie iene aus den Meinungen und Gebräuchen des catholicorum Folgerungen ziehen: so liesse sich auch hier schliessen: Wenn die Apostel die von ihnen bestelten Lehrer mit der Macht, Sünden zu vergeben, wirklich ausgerüstet hätten, diese wieder andere u. s. f.: so würde man nicht so lange der angeführten Formeln, absolvat te Deus etc. sich bedient, sondern die (in der Mitte des x...x 13ten Iahrhunderts ungefehr, aus bekanten Gründen, eingeführte, und bis iezt gewöhnliche) so genante verba iudicativa, ego te absolvo, remitto tibi, u. dgl. so fort gebraucht haben u. s. w. ?" Seit. 352. 353. 354. 355.
 
 
  Ia-03-1779-0404
2) Erklärung der Stelle 1 Tim. 5, 24. ?
 
 
  Ia-03-1779-0405
"Paullus wil im 22 V. des 5 Kap. dieses Schreibens an den Evangelisten Timotheus, dem ganzen Zusammenhange nach, (er hatte im 19 V. angefangen, demselben Vorschriften wegen der Ältesten zu ertheilen) so wie dem Sprachgebrauche gemäs, sagen: bestelle Niemand (so geradehin, keinen) zu voreilig, (oder unbedachtsamer Weise.) zum Lehrer oder Ältesten (?????? ?????? ?????? ????????). Warum? Damit du dich, wofern ein solcher hernach untauglich,
 
 
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ia für die Gemeine schädlich, befunden wurde, durch solche Unbedachtsamkeit nicht fremder Sünden theilhaftig machest; halte dich vielmehr von dergleichen Tadel rein. Wenn ich dich aber ermahne, nicht ohne vorhergegangene sorgsame Prüfung bei ienem Geschäfte zu Werke zu gehen: so thue ich es deswegen, weil der wahre Gehalt mancher Menschen nicht so leicht zu erforschen ist; denn (so fährt der Apostel V. 24 fort) die Vergebungen Mancher sind zwar so fort ganz offenbar, bereits vorher, ehe von ihrer Bestellung zu einem Kirchenamte die Frage ist, bekant, so daß es keiner Untersuchung bedarf, ob sie dazu untüchtig sind, oder nicht; aber die Sünden Andrer bleiben eine Zeitlang verborgen, verrathen sich erst nach einiger Zeit. Eben so sind auch mancher Menschen gute Werke vorher bekant, fallen so in die Augen, daß du ohne Bedenken sie zu einer Kirchenstelle wählen und einsezzen kanst; und da, wo ienes nicht sogleich offenbar ist, kan und wird es doch nicht lange verborgen bleiben. Verschiebe du also diese Verrichtung so lange, bis du durch sorgfältige Erforschungen zureichende Gewisheit von dem Werthe selbiger erhalten hast. So erklären diese Stelle, - wir wollen nicht den Kastalio, Benson, Vernet, Polier pp. nennen, ? Glassius, Schöttgen, Graf Eynar u. a. Kein Wort von der Macht, die Sünden wirklich zu vergeben, als einem bei der Bestellung zum Lehramte zugleich ertheilten Vorrechte. Angenommen aber mit dem V., Paullus verstehe unter ?????? ???. ?????? ???????? das Vergeben der Sünde: so hilft ihm dieses gleichwohl nichts; es ist vielmehr die ganze Stelle (V. 22. 24.) iener Äusserung gerade entgegen. Offenbar ist, nach dieser Auslegung, der Sin des Apostels, kein andrer, als folgender: eile nicht, von deiner Macht, die Sünden wirklich zu vergeben, Gebrauch zu machen, iedem, auf sein blosses Mundbekentnis hin, die Thore des Himmels sofort aufzuschliessen: sondern warte, bis du überzeugende Proben von der Aufrichtigkeit ihrer Busse hast, damit du durch Lossprechung Unwürdiger, nicht Lasterhaftigkeit beförderst, und so fremder Sünde dich theilhaftig machest (V. 22.) denn u. s. f. (V. 24)." Seit. 357. 358. 359.
 
 
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3) Von der Fürbitte Iesu.
 
 
  Ia-03-1779-0407
"Die hohepriesterliche Fürbitte Iesu, ist, wie noch neuerlich der seel. Zachariä bemerkt hat, nicht als ein beständig fortgehendes Gebet zu denken, (dieses erregte eine Vorstellung von Gott, welche sich mit seinen übrigen Begriffen gar nicht vereinigen liesse;) sie drükt vielmehr nichts anders aus: als das beständig fortgehende Verhältnis Christi gegen die Menschen, daß er die Ursache der Vergebung der Sünden ist. ?" Seit. 366.
 
 
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  Ia-03-1779-0408
4) Vom Geheimvollen des Leidens Iesu.
 
 
  Ia-03-1779-0409
"Von manchem Geheimnisvollen, so sich in den Leiden unsers Erlösers finden sol, weis nun freilich das N. T. nichts. Die h. Geschichtschreiber geben in ihren simpeln Erzählungen auch keine Spur davon an. Aber alte und neue Kirchenlehrer haben es darin entdekken wollen. Und als man erst ein, zwei, drei Geheimnisse in dem und dem Umstande aufgefunden hatte, fand man auch das vierte, fünfte u. s. w. Nun nahm man endlich die darin liegen sollenden Geheimnisse in den kirchlichen Lehrbegrif auf, und so wurden sie bis auf uns fortgepflanzt, daß man wenig Passionsbetrachtungen höret und lieset, in denen nicht ein grosser Werth darauf gelegt würde. Uns dünkt, man kan den Deisten immer zugeben, und mus es zugeben, daß es mit der Verfolgung und Hinrichtung des unschuldigen Iesu von Seiten des iüdischen Volks ganz natürlich zugegangen sei, ohne daß sie damit das allergeringste wider seine götliche Sendung und Lehre gewönnen. Es ist hier nur nicht der Ort solches zu beweisen. Die Menschen bleiben sich immer gleich. Welt ist Welt. Viele Christen denken gerade so, wie die Iuden dachten. Der sitliche Zustand des Volks, unter welchem der Christus Gottes mit seiner Lehre auftrat, war von der Beschaffenheit, daß es ein Wunder hätte sein müssen, wenn er mit dem Leben davon gekommen wäre. Man sezze den Fal, Iesus erschiene jezt in der Welt, griffe christliche Priester und Laien in ihren Irthümern, Vorurtheilen und Lastern so freimüthig an, wie er die Oberpriester seiner Nation angrif, sagte denen dies und das, so sie nicht leiden können, widerspräche über diesen und ienen Punkt ihrer Orthodoxie, wie er der iüdischen widersprach ? was meinen wir? würde er wohl unverkezzert und unverfolgt durchkommen? Sicherlich dürfte es an allen Orten, wo Christen sind, nicht an Leuten fehlen, die ihn für den schreklichsten Irlehrer und Verführer des Volks erklärten, welcher die Menschen von der wahren Religion, von dem Gesezze Mosis und der Propheten, und der heiligen Kirchenväter abführte, und im blinden Eifer das Kreuzige über ihn ausriefen. Die götliche Vorsehung lies die vorhergesehne und mit höchster Weisheit beschlossene Hinrichtung Iesu Christi zu, wie sie viel Böses zuläst, und beförderte dadurch die Glükseeligkeit aller derienigen, welche sich durch den Glauben an sein götliches Evangelium von Irthum und Sünde frei machen lassen. Weiter ist in den einzelnen Leidensumständen und Mishandlungen, die der Erlöser von seinen Feinden hat erdulten müssen, nach der evangelischen Geschichte an sich nichts Geheimvolles. ?" Seit. 386. 387.
 
 
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  Ia-03-1779-0410
5) Eine Vorrede.
 
 
  Ia-03-1779-0411
"Schau Leser! Hier Freuden und Wonnen! Wonnen für dich und für mich, und für alle unsre Brüder im Sterbthal! Ich bald nicht mehr Iüngling Iüngling, schrieb sie ? noch aber als Iüngling vol Leben und Muth; vol Flamme für Menschengeschlecht, Tugend und Gott. Da waren ihrer freilich tausendmal tausend; aber mein Auge mocht sie nicht alle umfassen. Sonnenstral in der Mittagsstunde, starker brennender Sonnenstral, blendete mich. Ich grif zu ? kans selbst nicht sagen, wo ich hin grif, und grif nur eine Handvol. Als ich sie hernach betrachtete, siehe, da sagte mir mein Herz algewaltig: Danks Gott! Danks tausendmal Gott! Du geniessest viel davon. ? Blik auf mich her, Freund, wenn du mich kenst, und kenst du mich nicht, so denke dir einen Menschen, der ? mit dem frölichen sich freut, und mit dem Weinenden weint, blikke mir star ins Auge ? ich wünsche dir sie alle. Besizze sie! Behalt sie ungestört, unbetrübt! Ich wünsche dir sie alle! Geniesse sie alle! Besizze, behalt, geniesse ihrer noch tausendmal mehr! Ha! ists schon im Sterbethale so schön; wie wirds sein aufs Lebens glorienvoller Höh! ? Mag doch schreiben Menschenelend, wer wil! ? zerstaucht ihm die Feder!! ? ?" Seit. 615. so wie dem mans tun solte, der Menschenfreuden schreibt
 
 
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  Ia-03-1779-0412
Verzeichnis der neuen Schriften, die in diesem Bande enthalten sind.
 
 
  Ia-03-1779-0413
I. Algemeine deutsche Bibliothek. Des siebenten Bandes zweites Stük. Seit. 1.
 
 
  Ia-03-1779-0414
II. Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irthum und Schein durch I. H. Lambert. Erster Band. Seit. 4.
 
 
  Ia-03-1779-0415
III. Des Abtes Trublet, der preuss. Akademie der Wissenschaften Mitglieds, Archidiak. und Korherrn zu St. Malo, Versuche über verschiedene Gegenstände der Sittenlehre und Gelehrsamkeit. Aus dem Französischen übersezt. Erster Theil. Seit. 14.
 
 
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  Ia-03-1779-0416
IV. Philosophische Werke des Herrn Diderot. Erster Theil. Aus dem Französischen. Seit. 17.
 
 
  Ia-03-1779-0417
V. Neue Mannigfaltigkeiten. Eine gemeinnüzzige Wochenschrift. Des ersten Iahrganges drittes Vierteliahr. Seit. 19.
 
 
  Ia-03-1779-0418
VI. Neue Mannigfaltigkeiten. Eine gemeinnüzzige Wochenschrift. Des ersten Iahrganges viertes Vierteliahr Seit. 22.
 
 
  Ia-03-1779-0419
VII. Algemeine deutsche Bibliothek. Des achten Bandes erstes Stük. Seit. 33.
 
 
  Ia-03-1779-0420
VIII. Algemeine deutsche Bibliothek. Des achten Bandes zweites Stük. Seit. 38.
 
 
Manuskriptseite 122.
 
  Ia-03-1779-0421
IX. Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irthum und Schein. Durch I. H. Lambert. Zweiter Band. Seit. 41.
 
 
  Ia-03-1779-0422
X. Die Schönheit der deutschen Sprache in auserlesenen prosaischen Stükken aus den besten Schriftstellern der Nation. Zur Bildung der Sitten und des Geschmaks. Seit. 45.
 
 
  Ia-03-1779-0423
XI. Auserlesene kleinere Gedichte aus den besten deutschen Dichtern zur Bildung iugendlicher Herzen und des Geschmaks. Seit. 52.
 
 
Manuskriptseite 123.
 
  Ia-03-1779-0424
XII. Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Dritter und lezter Band. Seit. 61.
 
 
  Ia-03-1779-0425
XIII. Lehrbuch zur Bildung des Verstandes und des Geschmaks. Zum Behufe des öffentlichen Schul= und Privatunterrichts verfasset von Christian Gottfried Schüz Prof. der Philosophie auf der Friedrichsuniversität zu Halle. Erster Band. Seit. 63.
 
 
  Ia-03-1779-0426
XIV. Handbuch für Kinder von reiferem Alter, zur Bildung des Verstandes und Herzens. Seit. 68.
 
 
Manuskriptseite 124.
 
  Ia-03-1779-0427
XV. Briefe zur Bildung des Geschmaks an einen iungen Herrn von Stande. Zweit Erster Theil. Seit. 73.
 
 
  Ia-03-1779-0428
XVI. Die Leiden des iungen Werthers. Erster Theil. Zweite ächte Auflage. Seit. 79.
 
 
  Ia-03-1779-0429
XVII. Briefe zur Bildung des Geschmaks an einen iungen Herrn von Stande. Dritter Theil. Seit. 81.
 
 
Manuskriptseite 125.
 
  Ia-03-1779-0430
XVIII. Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion an Se. Durchlaucht den Erbprinzen von Braunschweig und Lünneburg. Von Ierusalem. Zweiter Theil. Seit. 84.
 
 
  Ia-03-1779-0431
XIX. Die Leiden iugex des iungen Werthers. Zweiter Theil. Seit. 93.
 
 
  Ia-03-1779-0432
XX. Auserlesene Gedichte von Anna Louisa Karx Karschin. Seit. 95.
 
 
Manuskriptseite 126.
 
  Ia-03-1779-0433
XXI. Der goldene Spiegel, oder die Könige von Scheschian, eine W wahre Geschichte. Aus dem Scheschianischen übersezt. Erster Theil Theil. Seit. 97.
 
 
  Ia-03-1779-0434
XXII. Der goldene Spiegel, oder die Könige von Scheschian, eine wahre Geschichte. Aus dem Scheschianischen Über übersezt. Zweiter Theil. Seit. 100.
 
 
Manuskriptseite 127.
 
  Ia-03-1779-0435
XXIII. Der goldene Spiegel, oder die Könige von Scheschian, eine wahre Geschichte. Aus dem Scheschianischen übersezt. Dritter Theil. Seit. 101.
 
 
  Ia-03-1779-0436
XXIV. Der goldene Spiegel, oder die Könige von Scheschian, eine wahre Geschichte. Aus dem Scheschianischen übersezt. Dritt Vierter Theil. Seit. 102.
 
 
Manuskriptseite 128.
 
  Ia-03-1779-0437
XXV. Algemeine theologische Bibliothek. Eilfter Band. Seit. 104.
 
 
  Ia-03-1779-0438
XXVI. Algemeine deutsche Bibliothek. Des drei und dreissigsten Bandes zweites Stük. Seit. 107.
 
 
  Ia-03-1779-0439
XXVII. Algemeine deutsche Bibliothek. Des fünf und dreissigsten Bandes erstes Stük. Seit. 112.
 
 
Manuskriptseite 129
 
  Ia-03-1779-0440
XXVIII. Algemeine deutsche Bibliothek. Des sechs und dreissigsten Bandes zweites Stük. Seit. 115.
 
 
Manuskriptseite 130.
 
  Ia-03-1779-0441
Register der in diesem Bande enthaltnen Sachen.
 
 
  Ia-03-1779-0442
1) Von der Genugthuung Seit. 1.
 
 
  Ia-03-1779-0443
2) Die Unbilligkeit des falschen Religionseifers 2.
 
 
  Ia-03-1779-0444
3) Eine Bemerkung für die Dichter 3.
 
 
  Ia-03-1779-0445
4) Mittel, iede Sache leicht von andern zu unterscheiden 4.
 
 
  Ia-03-1779-0446
5) Wie der Begrif , von einer Sache, wenn sie sich ändert, bestimt wird 5.
 
 
  Ia-03-1779-0447
6) Anmerkungen 6.
 
 
  Ia-03-1779-0448
7) Von einfachen Begriffen 7.
 
 
  Ia-03-1779-0449
8) Verschiedne einfache Begriffe 9.
 
 
Manuskriptseite 131.
 
  Ia-03-1779-0450
9) Von mehrern Sinnen Seit. 10.
 
 
  Ia-03-1779-0451
10) Von der Dauer Seit. 11.
 
 
  Ia-03-1779-0452
11) Vom Irrigen 11.
 
 
  Ia-03-1779-0453
12) Der Ursprung des Wahren 12.
 
 
  Ia-03-1779-0454
13) Von der Lebhaftigkeit. 14.
 
 
  Ia-03-1779-0455
14) Von neuen Gedanken 14.
 
 
  Ia-03-1779-0456
15) Von der Art durch abgesonderte Gedanken zu schreiben 15.
 
 
  Ia-03-1779-0457
16) Eine Anmerkung 15.
 
 
  Ia-03-1779-0458
17) Von der Gabe zu reden, bei erfinderischen Geistern 16.
 
 
  Ia-03-1779-0459
18) Von der Geschwindigkeit zu reden 16.
 
 
  Ia-03-1779-0460
19) Von Leidenschaften 17.
 
 
  Ia-03-1779-0461
20) Der Unterschied zwischen dem absoluten und dem relativen Schönen 18.
 
 
Manuskriptseite 132.
 
  Ia-03-1779-0462
21) Die unzälbare Menge der Geschöpfe Seit. 19.
 
 
  Ia-03-1779-0463
22) Klagen bei dem Abschiede eines Freundes 20.
 
 
  Ia-03-1779-0464
23) Grabschriften 21.
 
 
  Ia-03-1779-0465
24) Von der abergläubigen Furcht vor einer grossen Menge von Insekten 22.
 
 
  Ia-03-1779-0466
25) Gedanken über die Befruchtung der Pflanzen 22.
 
 
  Ia-03-1779-0467
26) Algemeine Betrachtung der Insekten 24.
 
 
  Ia-03-1779-0468
27) Moralische Gedanken 32.
 
 
  Ia-03-1779-0469
28) Eine Fabel 32.
 
 
  Ia-03-1779-0470
29) Von dem Lobgesange und der Religion der Maria 33.
 
 
  Ia-03-1779-0471
30) Vom Baume des Erkentnisses 38.
 
 
  Ia-03-1779-0472
31) Vom iüdischen Volke 38.
 
 
Manuskriptseite 133.
 
  Ia-03-1779-0473
32) Von der ersten Kirche u. s. w. Seit. 39.
 
 
  Ia-03-1779-0474
33) Was die Trägheit sei 40
 
 
  Ia-03-1779-0475
34) Von dem Drukke 40.
 
 
  Ia-03-1779-0476
35) Wizzige Vergleichung eines Schmetterlings mit dem Menschen 41.
 
 
  Ia-03-1779-0477
36) Von Vokalen 41.
 
 
  Ia-03-1779-0478
37) Von den Konsonanten 43.
 
 
  Ia-03-1779-0479
38) Von einfachen Begriffen, wie sie ausgedrukt werden, müssen 44.
 
 
  Ia-03-1779-0480
39) Von den Koniunktionen 44.
 
 
  Ia-03-1779-0481
40) Was Andacht heist 45.
 
 
  Ia-03-1779-0482
41) Vom Glük eines Geistes 46.
 
 
  Ia-03-1779-0483
42) Die Erkentnis Gottes ? die herlichste Erkentnis 47.
 
 
  Ia-03-1779-0484
43) Die Glükseeligkeit derer, die Gott zu kennen suchen 49.
 
 
  Ia-03-1779-0485
44) Über die Absichten im Pflanzenreiche 50.
 
 
Manuskriptseite 134.
 
  Ia-03-1779-0486
45) Aus Gesners Idyllen: Myrtil 52.
 
 
  Ia-03-1779-0487
46) Glükliches Leben ? sanfter Tod ? und Entzükkung 53.
 
 
  Ia-03-1779-0488
47) Die Menschenliebe 54.
 
 
  Ia-03-1779-0489
48) Von höhern Wesen ? und von Sterblichen 55.
 
 
  Ia-03-1779-0490
49) Die Endlichkeit der Höllenstrafen!!!! 57.
 
 
  Ia-03-1779-0491
50) Der Vorwiz das Zukünftige zu wissen zu wollen 59.
 
 
  Ia-03-1779-0492
51) Der Morgen 59.
 
 
  Ia-03-1779-0493
52) Von Orthodoxen ? Bibelauslegen ? und Theopnevstie 61.
 
 
  Ia-03-1779-0494
53) Ob der Körper oder die Seele empfindet 63.
 
 
  Ia-03-1779-0495
54) Aus Physiologie 64.
 
 
  Ia-03-1779-0496
55) Von der Ähnlichkeit der Empfindungen 64.
 
 
  Ia-03-1779-0497
56) Von unserm innern Gefühl 65
 
 
Manuskriptseite 135.
 
  Ia-03-1779-0498
57) Von verschiednen Vergnügungen Seit. 66.
 
 
  Ia-03-1779-0499
58) Vorzüge der Musik die für das Herz arbeitet, vor der blos gekünstelten ? von Wieland 66.
 
 
  Ia-03-1779-0500
59) Der Mensch!!! 61.
 
 
  Ia-03-1779-0501
60) Von der Grösse der Welt 68.
 
 
  Ia-03-1779-0502
61) Von der Undurchdringlichkeit der Körper 69
 
 
  Ia-03-1779-0503
62) Von Blumen 69.
 
 
  Ia-03-1779-0504
63) Von Polypen 69.
 
 
  Ia-03-1779-0505
64) Von Augen der Insekten 71.
 
 
  Ia-03-1779-0506
65) Von der verschiednen Speise der Thiere 71.
 
 
  Ia-03-1779-0507
66) Vom Instinkte der Thiere 71.
 
 
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67) Der Morgen 72.
 
 
  Ia-03-1779-0509
68) Alles in der physischen Welt ist recht ? und zum Besten des Ganzen abgezwekt. 73.
 
 
Manuskriptseite 136.
 
  Ia-03-1779-0510
69) Rechtfertigung der Vorsehung ? aus Popens Versuch vom Menschen Seit. 73.
 
 
  Ia-03-1779-0511
70) Feinere Sinnen wären dem Menschen schädlich 75.
 
 
  Ia-03-1779-0512
71) Die unzählbare Menge der erschafnen Wesen ? und ihre Verbindung 76.
 
 
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72) Von der Algegenwart Gottes 76.
 
 
  Ia-03-1779-0514
73) Das Bild des Menschen 77.
 
 
  Ia-03-1779-0515
74) Der vergnügte Morgen 77.
 
 
  Ia-03-1779-0516
75) Vom Gefühle 79.
 
 
  Ia-03-1779-0517
76) Wenn doch alle Menschen andre glüklich machen wolten!!!! ? 80.
 
 
  Ia-03-1779-0518
77) Entzükkung! ? Empfindung! ? Gefühl! ? 80.
 
 
  Ia-03-1779-0519
78) Pathetische Züge 81
 
 
  Ia-03-1779-0520
79) Von den vielen prächtigen Weltkörpern 81.
 
 
  Ia-03-1779-0521
80) Die Sonne! 82.
 
 
  Ia-03-1779-0522
81) Das Samenkorn! 82.
 
 
Manuskriptseite 137.
 
  Ia-03-1779-0523
82) Die grosse Kette der Wesen. Seit. 82.
 
 
  Ia-03-1779-0524
83) Die Leiter der Empfindung bis zur Vernunft 83.
 
 
  Ia-03-1779-0525
84) Was Tod ist? 83.
 
 
  Ia-03-1779-0526
85) Die grosse Welt 84.
 
 
  Ia-03-1779-0527
86) Von der Gescichte der ersten Welt 84.
 
 
  Ia-03-1779-0528
87) Die Erde bekam durch die Sündfluth nicht die Beschaffenheit, die sie izt hat 86.
 
 
  Ia-03-1779-0529
88) Die Sündfluth war nicht algemein 87.
 
 
  Ia-03-1779-0530
89) Von dem Regenbogen 88.
 
 
  Ia-03-1779-0531
90) Wie man sich in allerältesten Zeiten Gott vorstelte 89.
 
 
  Ia-03-1779-0532
91) Von der Verwirrung der Sprachen 89.
 
 
  Ia-03-1779-0533
92) Süsse Schwärmereien 93.
 
 
  Ia-03-1779-0534
93) Werthers Empfindungen bei nächtlichen starken Überschwemmungen 94.
 
 
  Ia-03-1779-0535
94) Empfindungen beim Grab 94.
 
 
  Ia-03-1779-0536
95) Morgengedanken 95.
 
 
Manuskriptseite 138.
 
  Ia-03-1779-0537
96) Die menschliche Seele Seit. 95.
 
 
  Ia-03-1779-0538
97) Klagen beim Grab 96.
 
 
  Ia-03-1779-0539
98) Der Freund! 96.
 
 
  Ia-03-1779-0540
99) Vorbitte wegen eines Nusbaums an Palemon 97.
 
 
  Ia-03-1779-0541
100) Die Gesezze des Psammis an die Kinder der Natur 97.
 
 
  Ia-03-1779-0542
101) Von Gewohnheiten 100.
 
 
  Ia-03-1779-0543
102) Vom Nuzzen der Geschichte 100.
 
 
  Ia-03-1779-0544
103) Von Gott im Verhältnis gegen die Menschen. 101.
 
 
  Ia-03-1779-0545
104) Die Rede des Dschengis, an den Tifan, der derselbe König x...x wurde 102.
 
 
  Ia-03-1779-0546
105) Von dem Christenthum in den nächsten Iahrhunderten nach den Aposteln 104.
 
 
  Ia-03-1779-0547
106) Von der Unächtheit der Apokalypsis 104.
 
 
Manuskriptseite 139.
 
  Ia-03-1779-0548
107) Von der alten Geschichte Seit. 105.
 
 
  Ia-03-1779-0549
108) Von der Schädlichkeit der Methode allenthalben in der h. Schrift Bilder zu finden 106.
 
 
  Ia-03-1779-0550
109) Von dem eigentlichen und uneigentlichen Sin der h. Schrift 105.
 
 
  Ia-03-1779-0551
110) Von der Inspiration 107.
 
 
  Ia-03-1779-0552
111) Falsche Vorstellung, daß Gott selbst in die Welt gekommen sei 110.
 
 
  Ia-03-1779-0553
112) Von Beschneidung, Opfer und Sabbathsfeier 110.
 
 
  Ia-03-1779-0554
113) Von abstrakten Begriffen 111.
 
 
  Ia-03-1779-0555
114) Von der künftigen Belohnung und Bestrafung 112.
 
 
  Ia-03-1779-0556
115) Von den Psalmen ? und ihrer Inspiration 112.
 
 
  Ia-03-1779-0557
116) Von der Dreieinigkeit 113.
 
 
  Ia-03-1779-0558
117) Wir können ohne Geheimnisse eben so from leben 114.
 
 
Manuskriptseite 140.
 
  Ia-03-1779-0559
118) Erklärung der Stelle Ioh. 20, 22. 23. ? die man zum Beweise für die Macht der Geistlichen gebraucht Seit. 115.
 
 
  Ia-03-1779-0560
119) Erklärung der Stelle 1 Tim. 5, 24. 116.
 
 
  Ia-03-1779-0561
120) Von der Fürbitte Iesu 117.
 
 
  Ia-03-1779-0562
121) Vom Geheimnisvollen des Leidens Iesu 118.
 
 
  Ia-03-1779-0563
122) Und zu lezt? ? eine Vorrede. ? 119.
 
 
  Ia-03-1779-0564
Ende des dritten Bandes.