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Faszikel Ib-08-1780
 

Transkription und digitale Edition von Jean Pauls Exzerptheften

Vorgelegt von: Sabine Straub, Monika Vince und Michael Will, unter Mitarbeit von Christian Ammon, Kai Büch und Barbara Krieger. Universität Würzburg. Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition (Leitung: Helmut Pfotenhauer)

Förderung: Fritz Thyssen Stiftung (11/1998-12/2000) und Deutsche Forschungsgemeinschaft (01/2001-12/2005)
Projektleitung: Michael Will
Gesamtleitung: Helmut Pfotenhauer

Transkriptionsgrundlage: Nachlass Jean Paul. Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Fasz. Ib, Band 8

Bearbeitungsschritte:
Herbst 2000 MIWI Transkription
Oktober 2000 MIWI Autopsie Berlin
11.03.2003 MIWI Konvertierung von WORD in XML/TEIXLITE
04.08.2005 ST Vervollständigung Konvertierung von WORD nach XML/TEIXLITE
05.09.2005 ST Zweitkorrektur am HTML-Ausdruck
12.09.2005 ST Zweitkorrektur Eingabe XML-Datei
06.04.2006 MIWI Zweite Autopsie Berlin
07.04.2010 CMC Zweites Online-Update

 

[Titelblatt]

Exzerpten.

Achter Band.

1780.

Verschiedenes aus den neuesten Schriften.

Achter Band.

Hof,- - 1780.

 

[Manuskriptseite 1.]

[Ib-08-1780-0001]
I.

 

[Ib-08-1780-0002]
Naturlehre für die Iugend. Herausgegeben von Iohann Iakob Ebert Prof. der Mathem. zu Wittenberg. Erster Band. Mit Kupfern. Leipzig, bei Weidmanns Erben und Reich. 1776.

 

[Ib-08-1780-0003]
1) Von der grossen Theilbarkeit der Körper.

 

[Ib-08-1780-0004]
"Der scharfsinnige Naturforscher, Hr. von Reaumür hat gefunden, daß ein Faden, an welchem sich die Spinnen herunter zu lassen pflegen, aus 60000 andern Fäden bestehe, woraus man auf die Theil' eines solchen Fadens schliessen kan.

 

[Ib-08-1780-0005]
Wenn man einen Gran Karmin in Wasser auflöset, so läst sich damit eine ganze Wand, die 8 Ellen lang, und eben so breit oder hoch ist, röthlich färben. Auf eine Länge von acht Ellen können Sie über 6000 solcher Punkte sezzen, wie die Öfnung ist, die sich mit einer mittelmässigen Steknadel machen läst. Folglich könten sie auf einer Wand, die nicht nur 8 Ellen lang, sondern auch acht Ellen hoch ist, die Reihe von 16000 solcher Punkte 16000 mal übereinandersezzen. Da nun 16000 mal 16000 die Zahl 256000000 giebt; so ist offenbar, daß man sich auf einer Wand, deren Läng' und Höh' acht Ellen beträgt, 256 Millionen solcher Punkte vorstellen kan, die sich noch sehr gut mit blossen, ia mit blöden Augen erkennen lassen. Weil nun die ganze Fläch' einer solchen Wand durch einen einzigen Gran Karmin röthlich gefärbt werden kan,

 

[Manuskriptseite 2.]

so mus wenigstens auf einen ieden sichtbaren Punkt derselben ein Theilchen von dem Karmin kommen, und folglich ein einziger Gran Karmin wenigstens 256 Millionen sichtbarer Theil' enthalten. – Seit. 10. 11.

 

[Ib-08-1780-0006]
2) Von der Reakzion oder Gegenwirkung der Körper.

 

[Ib-08-1780-0007]
"Ein Körper kan in einen andern Körper nur deswegen wirken, weil ihm der andre widersteht: denn wenn er ihm nicht widerstünde, sondern ihm auswiche, so würde alle Wirkung unmöglich sein. Würden Sie z. E. wol Ihr Petschaft in's Siegellak drükken können, wenn's Siegellak Fähigkeit hätte, dem Petschafter beständig auszuweichen? Der Widerstand eines Körpers ist also der Grund, warum ein andrer Körper in ihn wirken kan, und diese Wirkung kan daher nicht mehr betragen, als der Widerstand kan daher nicht mehr betragen, als der Widerstand desienigen Körpers, in welchen ein andrer wirkt. Ferner kan kein Körper stärker widerstehen, als in ihn gewirkt wird, weil sich sonst keine Kraft angeben liesse, welcher er widerstehen könte. Hieraus ist also klar, daß der Widerstand eines Körpers der Wirkung des andern Körpers gleich sein mus.–" Seit. 32.

 

[Ib-08-1780-0008]
3) Von den konspirirenden Kräften.

 

[Ib-08-1780-0009]
"Wenn die Kräfte nicht nach gerad' entgegengesezten Gegenden, sondern nach solchen Richtungen wirken, die einen gewissen Winkel einschliessen, z. E. wenn die eine

 

[Manuskriptseite 3.]

Kraft den Körper gegen Abend, die andre aber gegen Mittag zu treiben suchte; so würde sich der Körper weder gegen Abend, noch gegen Mittag, sondern nach einer andern Richtung bewegen, welche zwischen den Richtungen der beiden auf ihn wirkenden Kräfte liegt, und zwar mit einer Geschwindigeit, die kleiner ist, als die Summe der Geschwindigkeiten, womit diese konspirirende Kräft' auf ihn wirken, weil sie einander zum Theil in ihrer Wirkung verhindern, und dieses um desto mehr, ie grösser der Winkel ist, den ihre Richtungslinien mit einander machen. Wollen Sie die Richtung und die Geschwindigkeit eines solchen bewegten Körpers genauer bestimmen, so beschreiben Sie aus zwei Linien, welche die Richtung und die Geschwindigkeit der konspirirenden Kräft' ausdrükken, und aus dem Winkel, welchen diese Richtungslinien einschliessen, ein Parallelogram. Die Diagonale dieses Parallelograms wird nicht nur die Richtung, sondern auch die Geschwindigkeit des bewegten Körpers anzeigen. Ich wil's durch ein Exempel erläutern. Wir wollen sezzen, zwei konspirirende Kräfte wirkten auf einen Körper unter einem Winkel von 60 Grad, und wären von der Beschaffenheit, daß die eine davon den Körper, wenn sie allein auf ihn wirkte, binnen einer Sekunde durch 3 Schuh, und die andre binnen eben der Zeit ihn durch 5 Schuh treiben könte, so würde man die Geschwindigkeit dieses Körpers finden,

 

[Manuskriptseite 4.]

wenn man auf denienigen Schenkel eines Winkels von 60 Graden, welcher die Richtung der ersten Kraft anzeigt, eine Linie von drei Schuh, wodurch die Geschwindigkeit dieser Kraft ausgedrükt wird, und auf den andern Schenkel dieses Winkels, oder auf die Richtungslinie der andern Kraft eine Linie von 5 Schuh trüge, und alsdenn hieraus ein Parallelogram verzeichnete. Die Diagonale dieses Parallelograms würde durch ihre Lage die Richtung und durch ihre Länge die Geschwindigkeit des bewegten Körpers anzeigen; nämlich dieser Körper würde sich unter den angenommenen Bedingungen binnen einer Sekunde durch 7 Schuh, denn soviel beträgt ohngefähr in diesem Falle die Länge der Diagonallinie, nach der Richtung dieser Diagonale bewegen müssen. –" Seit. 36. 37.

 

[Ib-08-1780-0010]
"Wenn drei konspirirende Kräft' auf den Körper wirken, so verzeichnet man erstlich mit den Direkzionslinien zweier Kräft' und dem Winkel, welchen sie einschliessen, ein Parallelogram, und zieht die Diagonallinie. Mit der Diagonallinie, und mit der Direkzionslinie der dritten Kraft beschreibt man ein neues Parallelogram, und zieht die Diagonallinie, und mit der Direkzionslinie der dritten Kraft beschreibt man ein neues Parallelogramm, dessen Diagonale die Richtung und die Geschwindigkeit anzeigt, womit sich der Körper, wenn er von allen drei Kräften gestossen wird, bewegen mus. –" Seit. 39.

 

[Ib-08-1780-0011]
3) Vom Fallen der Körper.

 

[Ib-08-1780-0012]
"Ein fallender Körper, wenn er nicht alzuweit von der

 

[Manuskriptseite 5.]

Oberfläche der Erd' entfernt ist, durchläuft in einem solchen Raume, wo seiner Bewegung kein merklicher Widerstand geschieht, geschieht,] danach: Sonderzeichen (lange Striche) und Tabulatorenproblematik - MIWI- SCAN

 

[Ib-08-1780-0013]
in der 1sten Sekunde 15 Pariser Schuh

 

[Ib-08-1780-0014]
— 2ten — 45 —

 

[Ib-08-1780-0015]
— 3ten — 75 —

 

[Ib-08-1780-0016]
— 4ten — 105 —

 

[Ib-08-1780-0017]
— 5ten — 135 —

 

[Ib-08-1780-0018]
— 6ten — 165 —

 

[Ib-08-1780-0019]
— 7ten — 195 —

 

[Ib-08-1780-0020]
u. s. f. zu durchlaufen pflegt. Betrachten Sie nun die Zahlen 15, 45, 75, 105, u. s. f. welche die Anzahl von Schuhen anzeigen, durch welche ein fallender Körper sich in ieder Sekunde bewegt; so werden Sie finden, daß 45 dreimal grösser als 15; 75 fünfmal grösser, als 15; 105 siebenmal grösser als 15, u. s. f. ist; woraus erhelt, daß ein fallender Körper in der zweiten Sekund' einen dreimal grössern Raum, als in der ersten Sekunde; in der dritten einen fünfmal grössern Raum als in der ersten Sekunde durchläuft, und daß also die Geschwindigkeiten eben so zunehmen, wie die auf d einander folgenden ungraden Zahlen 1, 3, 5, 7, 9 u. s. f.

 

[Ib-08-1780-0021]
So wie nun vermöge der Schwere die Geschwindigkeit der fallenden Körper zunimt, so mus nach eben dem Verhältnisse die Geschwindigkeit der gerad' in die Höhe geworfenen Körper beständig abnehmen, weil die Schwere, welche der Bewegung eines in die Höhe geworfenen Körpers in iedem Augenblikk'

 

[Manuskriptseite 6.]

entgegen wirkt, die bewegende Kraft um einen eben so grossen Theil vermindert, als sie dieselbe bei den fallenden Körpern vermehrt. Wird also ein Körper gerad' in die Höhe geworfen, so braucht er eben soviel Zeit zum Steigen, als er zum Herabfallen von dieser Höhe nöthig hat. Würd' er z. B. mit einer solchen Gewalt geworfen, daß er in der ersten Sekunde durch 195 Schuh stiege, so würd' er in der andern durch 165, in der dritten durch 135, in der vierten durch 105, in der fünften durch 75, in der sechsten durch 45, und in der siebenten durch 15 Schuh steigen. Nunmehr würde seine Bewegung in die Höh' erschöpft sein; er würd' also umkehren, und in der achten Sekunde durch 15 Schuh, in der neunten durch 45 pp. und endlich in der vierzehnten durch 195 Schuh fallen, so daß er sieben Sekunden zum Steigen, und sieben zum Herabfallen nöthig hätte. –" Seit. 58. 59. 60.

 

[Ib-08-1780-0022]
4) Warum nicht alle Körper einander nicht gleich stark anziehen?

 

[Ib-08-1780-0023]
"Daß man bei solchen Körpern, deren Oberflächen uneben sind, keinen merklichen Zusammenhang wahrnimt, wenn sie gleich aneinander gedrükt wären, kömt blos daher, weil sie wegen ihrer unebnen Oberflächen einander nur in sehr wenigen Punkten berühren, und in allen übrigen Punkten noch um etwas von einander entfernt bleiben; daher sie einander nicht so stark anziehen können, als sie von der Erd' angezogen werden. – –" Seit. 70.

 

[Manuskriptseite 7.]

[Ib-08-1780-0024]
5) Vom Eis.

 

[Ib-08-1780-0025]
"Das Eis dünstet eben so, wie's Wasser, aus, welches man schon daraus sehen kan, weil die spizzigen Stükk' Eis, wenn sie einige Stunden an der Luft liegen, ihre scharfen Ekken und Ränder verlieren. Ie heftiger die Kälte wird, desto grösser wird diese Ausdünstung; denn wenn man ein Stük Eis in eine Wage legt, so nimt's Gewichte desselben um desto mehr ab, ie mehr die Kälte zunimt. Wenn die Kält' heftig ist, so verliert's Eis bisweilen binnen 24 Stunden fast den fünften Theil von seinem Gewichte, vornämlich wenn's dem Nordwind' ausgesezt ist." Seit. 174.

 

[Ib-08-1780-0026]
6) Der Grad der Elastizität der Luft.

 

[Ib-08-1780-0027]
"Die Luft kan bis auf den 1837sten Theil ihres Umfangs zusammengedrükt werden." S. 180.

 

[Ib-08-1780-0028]
7) Vom Echo.

 

[Ib-08-1780-0029]
"Ein Echo entsteht, wenn derienige Körper, welcher den Schal zurükwirft, so weit entfernt ist, daß man den zurükgeworfnen Schal von dem ursprünglichen deutlich unterscheiden kan. Diese Entfernung mus wenigstens 63 Schuh betragen, weil sonst der reflektirte Schal so schnel auf den ursprünglichen folgt, daß man nicht im Stand' ist, den ersten von dem andern zu unterscheiden. Aus dieser Ursache findet man niemals in den gewöhnlichen Sälen, aber wol in grossen Kirchen ein Echo. Denn die Wände der Säle werfen zwar ebenfals, wie alle festen Körper, den Schal zurück; allein wegen der geringen Entfernung kömt der ursprüngliche und reflektirte Schal zu gleicher Zeit in unser Ohr, daher man

 

[Manuskriptseite 8.]

nicht zweierlei Schal, sondern nur eine Verstärkung des Schals empfindet, welche man die Resonanz nent." Seit. 208.

 

[Ib-08-1780-0030]
8) Von der Feinheit der Lichtstralen.

 

[Ib-08-1780-0031]
"Durch eine Öfnung, welche man mit einer Steknadel in ein Blat Papier macht, und welche ohngefähr so gros ist, daß 20 Menschenhaar' auf einmal dadurch gezogen werden können, läst sich der halbe Himmel übersehen, wenn man sich auf den Rükken legt. Es mus also von iedem Punkte des halben Himmels wenigstens ein Lichtstral in unser Auge kommen. Nun läst sich durch eine Rechnung deren A zeigen, daß wenigstens tausend Billionen Stern' an dem halben Himmel neben einander stehen könten, ohn' einander zu bedekken, und daß also vom halben Himmel wenigstens tausend Billionen Stralen durch eine solche Öfnung, welche 20 Menschenhaar fast, auf einmal in's Auge kommen müsten. Hieraus erhelt, daß ein Lichtstral wenigstens funfzig Billionen mal feiner ist, als ein Menschenhaar. –" Seit. 215. 216.

 

[Ib-08-1780-0032]
9) Von der Gemse – und dem Kameel.

 

[Ib-08-1780-0033]
"Hinter den Hörnern der Gemse sollen sich zwei Öfnungen in der Hirnschale befinden, von welchen man vermuthet, daß sie zur Vermehrung des Athemholens dienen, wenn die Gems, ihrer Gewohnheit nach, mit der Nas' in der Erde wühlet, um Wurzeln zu ihrer Nahrung heraus zugraben." S. 294.

 

[Ib-08-1780-0034]
"Die Kameel' haben einen Beutel von ansehnlicher

 

[Manuskriptseite 9.]

Weite, darinnen sie eine Menge Wassers viel Tag' hindurch aufbewahren können. Dies ist der Grund, warum sie 8 bis 10 Tag', ohn' einen Tropfen Wasser lau zu sich zu nehmen, laufen können." Seit. 323.

 

[Ib-08-1780-0035]
II.

 

[Ib-08-1780-0036]
Kosmologische Unterhaltungen für die Iugend. Erster Band. Von den Weltkörpern. Mit 14 Kupfertafeln. Leipzig, verlegt von Ioh. Gotlieb Immanuel Breitkopf. (Von Christian Ernst Wünsch.) 1778.

 

[Ib-08-1780-0037]
1) Von der Gröss' und Weite der Fixsterne.

 

[Ib-08-1780-0038]
"Ob wir gleich alzeit nach 6 Monathen dort in iener Tiefe des Himmels sind, wo wir iezt die Sonne sehen; ia ob wir gleich uns sogar in einer Entfernung von 20 Millionen Meilen noch hinter derselben hinwegschwingen, und den Sternen, bei welchen sie iezt steht, um so viel Millionen Meilen näher sein, als ihnen iezt die Sonne selbst ist, so erscheinen sie doch nicht im geringsten grösser, als izt, ohngeachtet wir ihnen gleich einige 40 Millionen grosse Meilen näher sein werden. Wie weit mus ihr Abstand von uns sein und wie gros müssen sie sein, daß ihrer Weit' ohn erachtet, doch von ihnen zu uns noch Licht herüber schimmert." – – – Seit. 112. 113.

 

[Manuskriptseite 10.]

[Ib-08-1780-0039]
2) Ein iedes Feuer ist elektrisch.

 

[Ib-08-1780-0040]
"Der Feuerstein ist ein glasartiger elektrischer Körper, welcher seine Wirkungen augenbliklich äussert, sobald man ihn an den Feuerstahl schlägt, indem er kleine Schieferchen davon losreist und ihnen die Elektrizität ertheilt, um sie vermittelst dieser abgerisnen Theilchen auf den Zunder zu leiten, wo sie sich dan durch viel' andre Körper fortpflanzen. – Die Gleichartigkeit der Wirkungen des Feuers und der Elektrizität, erhelt aus den Wirkungen des sogenanten Wolfs, und eines Tropfen Wassers, der in einen Kessel schmelzenden Kupfer fält. –" Seit. 195. 196. 197.

 

[Ib-08-1780-0041]
3) Wärm' und Kälte.

 

[Ib-08-1780-0042]
"Die Wärm' ist blos eine verstärkte Bewegung der Atomen, indem sich diese wechselsweise von einander entfernen und all' Augenblikke vermög' ihrer anziehenden Kraft, wieder zusammenfahren. Kochendes Wasser und andre flüssige Materien schlagen ordentliche Wellen und werden in einen grössern Raume ausgedehnt, welches nicht geschehen könte, wenn ihre Atomen ruhten. – Aber die Kält' ist der Wärm' entgegengesezt und daher die verminderte Bewegung der Atomen eines Körpers. Also müssen alle Materien kalt sein, deren Atomen sich nicht merklich bewegen, sondern sich erst zusammenziehen und aneinander hängen. Daher kömt's,

 

[Manuskriptseite 11.]

daß alle Körper einen kleinern Raum einnehmen und härter werden, wenn man sie in die Kälte legt, als vorher, da sie warm waren, welches man besonders an dem Wasser wahrnimt. Denn dieses wird, wie all' andre Materien, durch die Kält' augenscheinlich in einen kleinern Raum zusammengezogen und endlich gar verhärtet oder in Eis verwandelt. werden Es dehnt sich zwar in dem Augenblikke, in welchem's gefriert, wieder etwas aus und zersprengt die Gefässe, worinnen's eingeschlossen ist; allein, dieses ist ein Zufal, der sich aus ganz andern Ursachen erklären läst. Das Eis wird während seiner Entstehung blos zersplittert, und mus daher kleine Rizzen zwischen sich bilden, die mit nichts angefült sind, und doch einen Theil des Raums, worinnen sich's Eis befindet, wegnehmen. Man weis, daß alle flüssige Sachen zuerst an ihren Oberflächen gefrieren, indem sie inwendig immer noch flüssig bleiben; wann sich aber die äusserste Eisrinde bildet, dann mus sie nothwendig kälter sein als das inwendige Wasser; daher mus sie auch in einen engern Raum zusammengezogen werden, als vorher, da sie noch flüssig war. Aber's inwendige Wasser giebt nicht nach, es läst sich nicht zusammen pressen: folglich mus die äusserste Rinde, wie die Reif' an einem Fasse zerplazzen und Millionen Rizz' erhalten, die aber's Auge wegen ihrer Feinheit nicht wahrnehmen kan. Unter dieser äussersten Eisrinde bildet sich alsdenn eine zwot' auf eben diese Art, unter der zwoten eine dritte u. s. w. bis endlich der ganze Klumpen Wasser durch und

 

[Manuskriptseite 12.]

durch gefroren ist, und durch und durch dergleichen leere Rizzen erhalten hat, deren Gegenwart man blos daran erkennet, weil sie's Eis etwas milchfarbig machen und seine Durchsichtigkeit vermindern, und's gleichsam in einen grössern Raum ausdehnen. Könte man's Wasser von inwendig heraus gefrieren lassen: so würde der Frost niemals Gefässe zersprengen und's Eis würd' iederzeit einen kleinern Raum, als das kälteste Wasser einnehmen. a) Der Grad der Bewegung der Atomen mus alzeit mit dem Grade der Bewegung der Atomen desienigen Wesens, welches eine Sach' anfühlt, verglichen werden. Denn eine und eben dieselbe heftige Bewegung der Atomen kan bei'm einen Wesen die Empfindung der Wärme verursachen, und eben dieselbe bei einem andren die Empfindung der Kälte. Allein im ersten Fall' ist die Ursache, weil die Atomen dieses Wesens durch die Atomen des Dinges verstärkt werden, weil sie {(At. des Wes.)} langsamer als seine Atomen {(des Dinges)} liefen; beim andern Fal aber giengen die Atomen des fühlenden Wesens hurtiger, und wurden also durch die langsame Bewegung de* At* der Atomen des gefühlten Dinges verhinderte, welches die Empfindung der Kälte erregte. – Iedes auf einen gewissen Punkt getrieben, zerstöhrt. – Die Unempfindlichkeit, die vom Erfrieren entsteht, läst sich daraus erklären. – Meine Anm. a)] am Seitenende, durch horizontale Linie vom Haupttext getrennt, angefügt. Erstreckt sich von S. 12-14.–" Seit. 218. 219. 220.

 

[Ib-08-1780-0043]
4) Gott – unendlich im Grossen und Kleinen.

 

[Ib-08-1780-0044]
"Vielleicht hat's Sonnenstäubchen auch seine Bewohner, die's für eine Welt ansehen, und die grosse Erd' eben sowenig überschauen, als wir die Fixsternwelt. Und diese kleinen Thierchen sind wahrscheinlich noch lange nicht die kleinsten; indem sie selbst der Wohnplaz andrer noch kleinerer sein können, die iene für ihre Welt halten. Wie fein müssen nicht erst die Muskeln und Nerven dieser leztern sein? Kurz wir erreichen die Gränzen der Kreatur weder im Grossen noch im Kleinen." Seit. 499. 500.

 

[Manuskriptseite 13.]

[Ib-08-1780-0045]
III.

 

[Ib-08-1780-0046]
Kosmologische Unterhaltungen für die Iugend. Zweiter Band. Von den auf der Erde sich ereignenden Phänomenen. Mit 14 Kupfertafeln. Leipzig, verlegt von Ioh. Gotlieb Immanuel Breitkopf. 1779.

 

[Ib-08-1780-0047]
1) Ursache, warum die Schlossen soviel Schaden thun.

 

[Ib-08-1780-0048]
"Die Schlossen fallen mit einer solchen Gewalt herunter, daß sie nicht nur Menschen tödten, sondern auch Dächer der Häuser zerschmettern. Diese ausserordentliche Wirkung der Schlossen ist in weiter nichts, als in der grossen Geschwindigkeit zu suchen, die sie blos deswegen erhalten, weil sie aus sehr hohen Wolken herabfallen. Wenn's Gewitter nur eine halbe gemeine Meil' hoch steht; so brauchen sie etwa 24 Sekunden um den Erdboden zu erreichen und dan fallen sie in der letzten Sekunde 700 Fus tief. Welches überaus viel ist, indem kaum eine abgeschossene Kanonenkugel so schnel fliegt. Es ist ein Glük, daß diese Geschwindigkeit durch die Luft noch in Etwas vermindert wird. – –" Seit. 162. 163.

 

[Manuskriptseite 14.]

[Ib-08-1780-0049]
2) Von der Entstehung der Materien.

 

[Ib-08-1780-0050]
"Einige Atomen lassen sich mit den Wandelsternen vergleichen, die sich um ihre Sonnen schwingen, und gegen sie schwer sind: andre hingegen führen gleichsam die Herschaft über die erstern, wie die Sonnen über ihre untergeordneten Planeten. Man kan also einen ieden Materienklumpen für eine ganze Fixsternwelt und die einzelnen Atomen desselben, für Sonnen und Wandelstern' ansehen, so, wie im Gegentheil' alle Sonnen und Wandelsterne, in Rüksicht auf ihre Wirkungen und Kräfte für Atomen des grossen Materienklumpens der Welt können angesehen werden. Denn gleichwie die Atomen des grossen Weltals, oder kürzer, die Weltkörper, vermög' ihrer Schwungkraft und Schwer' in einander wirken, um Sonnensystem' und Fixsternwelten zu bilden oder zu zerstören: eben so wirken auch die Atomen des Wassers, des Erdreichs, des Salzes, des Brenbaren pp. vermög' ihrer Schwungkraft und Schwere, die sie gegen sich selbst äussern, in einander, um Wassertropfen, Erdenklösse, Metall', und dergleichen mehr, zu zerstören oder zu bilden. – –" Seit. 184. 185.

 

[Manuskriptseite 15.]

[Ib-08-1780-0051]
"Diese wunderbare Bewegung der Atomen kan man zwar nicht an einzelnen wahrnehmen; allein wir sehen doch dergleichen an grössern Körperchen. – Man darf nur den Dampf des siedenden Wassers in dem hellen Sonnenlicht' aufmerksam betrachten: und man wird sogar mit blossen Augen wahrnehmen, daß er aus lauter kleinen Bläschen bestehe, die von der Oberfläche des Wassers in die Höhe steigen, und zugleich in kleinen Kreisen schnel um einander herumwirbeln, wie der Mond um die Erdkugel, woraus höchst wahrscheinlich folgt, daß sich die Atomen dieser Bläschen allerdings auch also bewegen. –" Seit. 187.

 

[Ib-08-1780-0052]
"Daß ein Atom gegen dem andern eine anziehende Kraft habe, sieht man an den Dochten brennender Lampen: denn Öl und geschmolzenes Wachs steigt hier ebenfals durch einen beträchtlichen Raum in die Höhe, welches aus keiner andern Ursache geschieht, als weil die Fibern des Dochtes gegen die Atomen des Öles eine anziehende Kraft besizzen. – Weingeist, Wasser und andre flüssige Materien stehen in allen hölzernen Gefässen pp. am Rand' ein wenig höher, als in der Mitte, und haben demnach eine ausgehöhlte Oberfläche; vorausgesezt, daß sie nicht ganz vol sind, denn ausserdem verwandeln sich diese Vertiefungen in wirkliche Haufen, weil man in der That ein Schälchen Kaffe gehauft einschenken kan, – der Grund liegt in der anziehenden Kraft des Gefässes und des Wassers." Seit. 189. 190. 191.

 

[Manuskriptseite 16.]

[Ib-08-1780-0053]
"Diese Versuche beweisen, daß die Atomen der Materien allerdings eine anziehende Kraft gegeneinander besizzen, welche versursacht, daß sie sich vereinigen und zusammenhängen, um ganze Materienklumpen von verschiedner Art zu bilden; denn eine Ursach' ihrer Vereinigung mus doch zugegen sein, weil sie fast all' einzeln in der Welt herumfliegen, oder wenigstens durch die allergeringste Erschütterung sogleich aus einander fallen müsten: und diese Ursach' ist's eben, welche man anziehende Kraft nent. – – Was solte den Verstand des Menschen abhalten, einen Wassertropfen mit einer ganzen Welt zu vergleichen, und eben die Kräfte darinnen zu bewundern, die er in iener findet und ausmist? Vielleicht befinden sich in einem Wassertropfen unzählig viel belebte Geschöpfe, welche die Atomen desselben in eben dem Abstand' und in eben der Ordnung erblikken, in welcher wir die unzählbaren Sonnen der Milchstrasse, die man eine Fixsternwelt nent, und wohin vermuthlich auch unsre Sonne mit ihren Wandelsternen gehört. –

 

[Ib-08-1780-0054]
Die wirbelförmige Bewegung in der Materie findet nur bei flüssigen Materien stat." – 200. 201.

 

[Ib-08-1780-0055]
"Ie heftiger die wirbelförmige Bewegung der Atomen ist, und ie grösser die Kreise sind, in welchen sie um einander herumlaufen: desto grösser mus auch der

 

[Manuskriptseite 17.]

Raum sein, den sie einnehmen, woraus man einsieht, warum alle Materien von der Wärm' ausgedehnt werden, indem der verschiedne Grad der Wärme blos in der heftigern oder sanftern Bewegung der Atomen besteht. Sonnenstralen und andre reibende Kräfte können diese Schwungbewegung der Atomen ganz ausserordentlich verstärken, daher sie sich auch oftmals unglaublich ausdehnen und weit auseinander gestreut werden, wie man an allen brennenden Materien, wie auch an siedendem Wasser und schmelzendem Eisen sehr deutlich wahrnimt. Wenn ein Körper kalt ist, so sind seine Atomen nicht sehr in Bewegung und daher nimt er auch keinen so grossen Raum ein. –" Seit. 204. 205.

 

[Ib-08-1780-0056]
"Wenn sich die Schwungbewegung der Atomen nach und nach gleichförmig vermindert: so müssen sie sich endlich alle dergestalt regelmässig zwischen einander legen, daß die kleinern in die leeren Räumchen zwischen den grössern zu liegen kommen, und dann wird ein solcher Materienklumpen fest und dichte sein. Leere Räume müssen zwar noch immer zwischen seinen Atomen übrig bleiben, die mit nichts erfült sein können; weil's unmöglich ist, einen Raum mit kugelförmigen Körperchen volkommen auszufüllen: allein diese hindern die Regelmässigkeit der Lage der Atomen dennoch

 

[Manuskriptseite 18.]

nicht im geringsten. Hingegen, wenn die äussersten Atomen eines flüssigen Materienklumpens eher ruhig werden, als die innern, so können sie sich auch nur parthienweise vereinigen und müssen grosse Lukken zwischen sich machen, weil die innern nicht so viel nachgeben, daß sich die äussern in gehörige Ordnung zusammenziehen nten. Dann verlieren auch die innern ihren Schwung und vereinigen sich ebenfals groupenweise, bis sie endlich all' unordentlich unter einander zusammen hangen, diese leztern nent man poröse Körper." Seit. 206. 207.

 

[Ib-08-1780-0057]
3) Vom Gehen des Menschen.

 

[Ib-08-1780-0058]
"Bei'm Körper des Menschen liegt der Schwerpunkt in der Gegend der Geschlechtstheile. Wenn man gerade steht: so fält die senkrechte Linie von diesem Punkt' in die Füsse, welche bekanter massen den Körper unterstüzzen. Aber sobald man mit einem Fus fortschreitet: dann wird der Schwerpunkt auch vorwärts gerükt, und daher nicht mehr unterstüzt. Folglich mus man auf den Fus fallen, welchen man fortgesezt hat. Dies geschieht wirklich bei iedem Schritte, indem's Gehen ein blosses Fallen ist, welches aber nur, durch's abwechselnde Fortsezzen der Füsse, all' Augenblik unterbrochen wird. – –" Seit. 231.

 

[Manuskriptseite 19.]

[Ib-08-1780-0059]
4) Der Druk der Luft auf unsre Erde.

 

[Ib-08-1780-0060]
"Die Luft drükt mit einer Gewalt gegen die Oberfläche der Erde, welche sechzig tausend Billionen Zentner gleich kömt. –" Seit. 326.

 

[Ib-08-1780-0061]
5) Vom Schalle.

 

[Ib-08-1780-0062]
"Die Seel' empfindet allemal einen Schal, so oft die sogenanten Gehörnerven erschüttert werden, diese Erschütterung mag nun gleich durch die Luft oder durch andre Materien in die Ohren gelangen, das ist alles einerlei. Gedachten Gehörnerven hat der gütige Schöpfer der Natur aus gewissen weissen Fasern, die von dem Gehirn heraus herausgewachsen, und den feinsten weisseidnen Fäden ähnlich sind, in Gestalt eines überaus zarten Schleiers zusammengewebt, und damit die tief verborgnen beinernen Höhlen in den innersten Gegenden des Ohres austapezirt, denn in diesen Höhlen hat's Gehör eigentlich seinen Siz. –" Seit. 385.

 

[Ib-08-1780-0063]
"Die Menschen würden bald alle betäubt werden, wenn der Laut der Glokken und andrer stark schallender Körper vermittelst fester Materien in unser Ohr müste geleitet werden. – Demnach hat die wolthätige Vorsehung die Erdkugel mit Luft umgossen, welche zwar überaus lokker, aber wegen ihrer grossen Elastizität dennoch geschwind genug ist, die Erschütterung

 

[Manuskriptseite 20.]

schallender Körper leichtlich anzunehmen, und nach allen Gegenden rings umher aus zu breiten, um sie ied vielen Menschen auf einmal hörbar zu machen. Während dieser Ausbreitung des Schalles mildet sie seine schädliche Stärke sehr beträchtlich, um die zarten Werkzeuge des Gehörs nur gelind zu rühren. – Gott hat dem Schalle zween verschiedne Wege zum Gehirn gebahnt: denn dieienigen schallenden Erschütterungen, welche durch feste Materien zu uns gelangen, dringen nicht durch's äussere Ohr in den Kopf, sondern pflanzen sich vielmehr durch andre beinerne Gegenden des Körpers bis in die innersten Höhlen des Gehörs fort, woraus erhelt, warum man sie zuweilen auch sogar durch die Ellenbogen und Schienbein' empfindet, wenn man nämlich schallende Körper damit berührt. Aber der weit schwächere Schal der Luft würde viel zu sanft an unsern Hirnschädel stossen, als daß er ihn erschüttern und den Sin des Gehörs erregen könte, wenn ihm nicht Gott einen andern Weg, den wir's Ohr nennen, angewiesen hätte. (Aber der viel schwächere Schal der Luft würde viel zu sanft an unsern H) Thiere, die blos im Wasser leben, sind dieses Gehörorgans, und der dahin gehörigen feinen Maschinen beraubt: daher sie denn auch niemals in der Luft, sondern blos im Wasser hören können. Aber in die

 

[Manuskriptseite 21.]

sem Elemente sind sie auch gleichsam ganz Ohr, weil sich der Schal bei ihnen ohnfehlbar durch alle Schuppen und Gräten bis zu den Gehörshöhlen, die sich ebenfalls in ihren Köpfen befinden, fortpflanzt: denn in Rüksicht auf die Fortpflanzung des Schals verhält sich's Wasser alzeit wie feste Materie. –" Seit. 391. 392. 393.

 

[Ib-08-1780-0064]
"Wann Kugeln durch die Luft fortfliegen, dann pfeifen sie blos, ohne zu knallen. Denn nunmehr bewegen sie sich nicht mehr so geschwind, daß sich die Luft vor ihnen zusammenpressen kan, wie anfangs, da sie aus'm Geschuz getrieben wurden: sie weicht ihnen vielmehr augenbliklich aus, und fährt neben ihnen vorbei, um den leeren Raum wieder zu erfüllen, welcher all' Augenblikk' hinter ihnen schnel entsteht. Da aber die Luftatomen sehr schnel in diesen leeren Raum eindringen, so stossen sie dennoch hinter den Kugeln aneinander, und pressen sich daher aus eigner Kraft näher zusammen, als ausserdem geschehen sein würde; folglich müssen sie sich wieder ausdehnen, und dadurch den gedehnten Laut, den man's Pfeifen oder Sausen nent, verursachen. –

 

[Ib-08-1780-0065]
Auf gleiche Art entsteht's Sausen der Sturmwinde: denn diese stämmen sich an Häuser, Wälder, Berge, Meerswogen und andre dichte Materien an und pressen

 

[Manuskriptseite 22]

sich ebenfals aus eigner Macht zusammen, um sich so fort auszubreiten und den bekanten s*h* sausenden Schal zu verursachen. –" Seit. 396. 397.

 

[Ib-08-1780-0066]
"Kleine und kurze Glokken müssen sich ferner in einer Sekund' öfter ausdehnen und zusammenziehen, als grosse, von eben dem Metall' und eben der Elastizität. Denn sie sind Pendulen ähnlich, welche auch desto mehrere Schwingungen vollenden, ie kürzer sie sind: aber dann sind auch diese Luftschwingungen alzeit desto schmäler, ie geschwinder sie auf einander erfolgen . – – –" Seit. .......

 

[Ib-08-1780-0067]
6) Von den Ausdünstungen.

 

[Ib-08-1780-0068]
"Ieder gesunde Mensch schikt täglich ohngefär vier Pfund wäsrige Aus Feuchtigkeit durch die Poren seiner Haut in die Atmosphäre. Wenn also in einem Orte 1000 Menschen wohnen, so steigen von diesen täglich 4000 Pfund oder 40 Zentner Feuchtigkeit in die Luft, ohne was Hunde, Esel, Pferd' und andre Thier' ausdünsten – die Gewächs' auch nicht ausgenommen. –" Seit. 466. 467.

 

[Manuskriptseite 23.]

[Ib-08-1780-0069]
IIII.

 

[Ib-08-1780-0070]
Wilhelm Abraham Teller's Wörterbuch des neuen Testaments zur Erklärung der christlichen Lehre. Zweite Auflage. Berlin, bei August Mylius. 1773.

 

[Ib-08-1780-0071]
1) Umschreibung der Stell' 2 Kor. 3, 6 pp.

 

[Ib-08-1780-0072]
"Welcher auch uns Diener der neuen Religionsverfassung tüchtig gemacht hat, die's nicht mit einem geschriebnen Gesez, wie Moses, sondern mit Anrichtung rechtschafner Gesinnungen in den Herzen der Menschen zu thun haben: denn's geschriebne Gesez richtete sogleich bei seiner Bekantmachung eine schrekliche Niederlag' an (es tödte 2 B. Mos. 32, 15. 19. 27. 28.) und sezt' alles in Furcht und Schrekken, aber herzlich fromme Gesinnungen erheben's Herz in Ruh' und Freude (der Geist macht lebendig). 7. Wenn nun aber's Amt, dem der Ausspruch des durch ienes geschriebne und im Stein eingegrabne Gesez veranlasten Todesurtheils übertragen war, dem Moses ein so helglänzendes Ansehen gab, daß die Israeliten ihn nicht ansehen konten, wegen des verzehrenden Glanzes seines Angesichts (2 B. Mos. 34, 29 f.): 8. Wie vielmehr mus das Amt, dessen Hauptgeschäft's ist, in dem Herzen der Menschen gute Gesinnungen auszubreiten, ein herliches Amt sein? 9. Wenn, sag' ich, das Amt, welches sogleich's Verdammungsurtheil spricht, diesen äusserlichen Glanz um sich warf; so

 

[Manuskriptseite 24.]

mus ia gewis das, welches durch gotgefälliges Wolverhalten solchen Urtheilen entgegen lehrt, um so weit vortreflicher sein. 10. Wie denn auch überhaupt in dieser Vergleichung das noch so sehr glänzende Angesicht Mosis, wegen der überschwänglichen Herlichkeit unsers Amts, nicht einmal für etwas so herliches anzusehen ist: 11. Wenn endlich ienes blos die Augen blendende Ansehen so herlich war; wie weit vortreflicher mus das sein, welches eine wesentliche Würd' hat. –" Seit. 6. 7.

 

[Ib-08-1780-0073]
"Da der Apostel auf die in der Übersezzung angeführte Erzählung aus der mosaischen Geschichte zielt, von einer Schrift redet, die in Stein eingegraben gewesen; so kan der Buchstabe nichts anders bedeuten, als nun eben dieses geschriebne Gesez, oder die sogenanten 10 Gebote, und Geist im Gegensaz die evangelischen Gesinnungen, das, was bildlich zu reden, in's Herz geschrieben wird. Die Frage wäre nun noch, wie von ienem Gesez gesagt worden, es tödte, und da dünkt mich, daß sie aus der Geschicht' am zuverlässigsten beantwortet werden könne. Der Inhalt selbst ist nämlich nichts weniger als tödtend, verdammend; er ist dem Menschen, der sich darnach richtet, zuträglich, obgleich nicht zureichend zu einer wahrhaftig beruhigenden Gemüthsverfassung, weil bei aller Enthaltung der darin verbotnen äusserlichen Ausbrüche des Lasters, das Herz noch von der Meng' unordentlicher Neigungen bestürmt werden kan. Dem Erfolg nach, sagt man

 

[Manuskriptseite 25.]

also, sind die Vorschriften des Gesezzes tödtend, wenn der Mensch gewahr wird, daß er sie nicht beobachtet habe; und das läst sich allerdings hören. Allein so kan selbst's Evangelium zufälligerweis' eben so gut tödtend werden, und da man doch einmal auch bei dieser Erklärung eine Figur der Red' annehmen mus, warum wolte man sie nicht lieber darin suchen, daß der Apostel auf die Todesstrafe, zu der nach der Geschichte so viele verurtheilt wurden, gesehen habe, die Vergleichung noch um diesen Zug erweitern, und also das dem Gesez der zwo Tafeln selbst zuschreibe, wozu's zufälligerweise nur den Anlas gab. So scheint mir selbst Röm. 4, 15. das Gesez richtet nur Zorn an, eine feine Anspielung auf die erwähnte Geschichte (2 B. Mos. 32, besonders V. 19. er ergrimmet' im Zorn) zu sein. –" Seit. 9. 10.

 

[Ib-08-1780-0074]
2) Umschreibung Phil. 2, 9. 10.

 

[Ib-08-1780-0075]
"Darum hat ihn Gott erhöhet, und ihm ein mit nichts zu vergleichendes Ansehen gegeben, so daß alle vom Höchsten bis zum Niedrigsten, sich demselben unterwerfen, und alle Menschen zur Verherlichung Gottes des Vaters bekennen solten, daß er der algemeine Lehrer des menschlichen Geschlechts sei. – Weil ich keine wahrscheinliche Erklärung für die Worte "die unter der Erden sind" weis, so wär' ich geneigt, unter'm ganzen Ausdruk – die im Himmel, und auf Erden, und unter der Erden sind – alle Menschen zu verstehen, (die Grossen der Erde, den Mittelman, und den Geringen) so wie's auch nachher der Ausdruk "alle Iungen" zu bestätigen scheint." S. 15

 

[Manuskriptseite 26.]

[Ib-08-1780-0076]
3) Das Haupt aufheben – was's heist?

 

[Ib-08-1780-0077]
"Es heist Luk. 21, 28. sich freuen, weil dies der natürliche Ausdruk eines vergnügten Herzens ist. Die Redensart ist zwar nicht gut griechisch, aber dem ebräischen Sprachgebrauch desto angenehmer, und kömt vor Ps. 24, 7. Denn machet die Thore weit, solt' eigentlich übersezt sein, erhebet eure Häupter, ihr Thore. –" Seit. 25.

 

[Ib-08-1780-0078]
4) Übersezzung der Stelle Matth. 20, 16. 22, 14.

 

[Ib-08-1780-0079]
"Unter der grossen Menge derer, die mein Evangelium äusserlich annehmen werden, werden doch nur wenige der Erleuchtungen desselben würdig sein, sich demselben gemäs verhalten." Seit. 27.

 

[Ib-08-1780-0080]
5) Römer 4, 11. 12.

 

[Ib-08-1780-0081]
"Diese Stell' ist in Ansehung der verworfnen Wortstellung dunkel: Ich denke nämlich, daß die Worte, auf daß er würde – – bis nicht allein denen V. 12. im Grundtext in Häkchen müssen eingeschlossen werden, und dann diese Worte so geordnet, daß das ganz hiesse: Das Zeichen aber der Beschneidung erhielt er zur Bestätigung der Gerechtigkeit des Glaubens, den er schon unbeschnitten hatte, nicht allein für die Iuden, sondern auch für die, welche wandeln pp., auf daß er wär' ein Vater aller gläubigen Heiden, welchen eine Gerechtigkeit auch zugerechnet werden solte, und ein Vater der Iuden. –" Seit. 38. 39.

 

[Manuskriptseite 27.]

[Ib-08-1780-0082]
6) Von 1 Joh. 1, 7.

 

[Ib-08-1780-0083]
"So wir als erleuchtete Christen leben, wie Gott selbst ein reines und heiliges Wesen ist; so stehen wir und er in dem genausten und erfreulichsten Verhältnis: Und wenn wir uns denn ehemals versündigt haben, da wir noch im Iudenthum lebten, so haben wir durch Christum den Trost, daß uns das bei unserm gegenwärtigen Zustand nicht weiter vor Gott zugerechnet wird. –" Seit. 55.

 

[Ib-08-1780-0084]
7) Von Ebr. 9, 22.

 

[Ib-08-1780-0085]
"Die Behauptung, daß keine Vergebung ohne Blutvergiessen geschehe, ist hier nicht so algemein zu verstehen, sondern mit der gleich vorhergehenden Einschränkung, nach dem Gesez, nämlich der mosaischen Gebräuche. –" Seit. 56.

 

[Ib-08-1780-0086]
8) Vom Ausdrukke "Buch des Lebens" .

 

[Ib-08-1780-0087]
"Es ist bekant, daß die Bürgerlisten bei den Iuden das Buch der Lebendigen (Ps. 69, 29) genant wurden, in welches die Namen aller Israeliten iedes Orts eingetragen waren, und daß daher die mit diesem Gebrauch bekanten Apostel, als ehemalige Iuden, Gott gleichfals ein Buch zueignen, in welches das neue Volk der Christen von ihm eingeschrieben werde. In gleicher Rüksicht nent sie Paullus (Eph. 2, 19) Bürger; und daher kömt endlich dieser Ausdruk mit den davon zusammengesezten Redensarten am häufigsten in der Offenbarung vor, in welcher Sprache, Bilder, Be

 

[Manuskriptseite 28.]

nennungen, alles aus der iüdischen Staatsverfassung übergetragen ist.

 

[Ib-08-1780-0088]
Geschrieben sein in diesem Buch, oder gegenseitig, aus demselben ausgelöscht werden, heist also soviel, als, im ersten Fal, ein wahres Glied der Kirche sein, im zweiten, aus der christlichen Kirch' ausgestossen werden. Was der Apostel sagt, deren Namen sind nicht im Buche des Lebens Phil. 4, 3. würden wir in unsrer gemeinen Sprach' ausdrükken: die rechtschaffene Christen sind. Dies überhebt uns denn auch der so oft aufgeworfnen Frage, wie man wieder aus dem Buche des Lebens könn' ausgestrichen werden? bei der man nämlich voraussezte, daß dies eigentlich so viel sei, als zum ewigen Leben erwählt sein. Es ist eben so deutlich, daß Moses 2 B. 32, 32. 33. sich nicht die Ausschliessung von ewiger Glükseligkeit, sondern die Abnehmung der Regierungslast unter s einem solchen Volke wünschte. Er stellet Gott vor, wie er sein Volk namentlich in ein Buch geschrieben hat, und ihn unter den Titel des Vorstehers derselben eingetragen. In diesem Verhältnisse wil er also lieber ausgestrichen sein, als es vor seinen Augen untergehen sehen. – " Seit. 64. 65.

 

[Ib-08-1780-0089]
9) Übersezzung 2 Kor. 5, 17.

 

[Ib-08-1780-0090]
"Ist iemand (einmal) ein Christ (hat er sich einmal zum Christenthum bekant), so ist er eine neue Kreatur (ein

 

[Manuskriptseite 29.]

neuer Religionsverwander, der weiter nichts mit'm Iudenthum zu thun hat): das Alt' ist vergangen (iener alte Gottesdienst aufgehoben), es ist alles neu worden (die äusserlichen Übungen, wie die innere Verfassung des Herzens.) –" Seit. 73.

 

[Ib-08-1780-0091]
10) Von Matth. 11, 27. – Erbr. 1, 3.

 

[Ib-08-1780-0092]
"Alle Dinge (die zur Belehrung, Beruhigung und Beglükkung der Menschen gehören) sind mir übergeben von meinem Vater: – darum komt zu mir – ich wil euch erquikken – lernt von mir ." Seit. 92.

 

[Ib-08-1780-0093]
"Und regiert alles (die ganze neue Religionsverfassung) durch sein kräftiges Wort {(Evangelium)}. " – Seit. 93.

 

[Ib-08-1780-0094]
11) Luk. 24, 21. – Luk. 21, 28.

 

[Ib-08-1780-0095]
"Die erste Stell' heist: wir hoften, daß er's israëlitische Volk wieder von fremder Bothmässigkeit befreien und die verfalne königliche Regierungsform wieder aufrichten solte, Apostelg. 1, 6. –

 

[Ib-08-1780-0096]
Die zweite: wenn das mit Ierusalem vorgehen wird, so freuet euch, weil eure Errettung nah' ist, und die Iuden vollends ausser Stand werden gesezt werden, euch bei der Verkündigung des Evangeliums zu drükken und zu verfolgen." Seit. 125. 126.

 

[Ib-08-1780-0097]
12) Matth. 9, 37. 38.

 

[Ib-08-1780-0098]
"Menschen sind genug da, denen meine Lehre zu verkündigen wär, aber's sind nur wenige, denen ich diese Verkündigung mit Zuversicht übertragen kan. –" Seit. 129.

 

[Manuskriptseite 30.]

[Ib-08-1780-0099]
13) Anmerkung über's Wort ?????.

 

[Ib-08-1780-0100]
"Das Wort ????? nehm' ich in der Bedeutung des mosaischen Rechts im ganzen Brief an die Römer, so lange der Apostel's nicht selbst auf einen Haupttheil oder einzelnes Gebot desselben einschränkt. Denn ohne zu gedenken, daß der Sprachgebrauch nicht dagegen ist, so berechtigt der Apostel die Leser selbst dazu, indem er den Iuden vorstelt, wie er stolz auf sein Gesez ist 2, 17. 23. und das war er allerdings, aber auch nicht nur auf einen Theil desselben, sondern auf's Ganze; denn wie ihm götliche geschriebene Anordnungen mitgetheilt werden, welches gleichfals durchaus und nicht nur von dem blossen Sitten= oder Kirchengesez gilt 3, 2., wie er's in seinen Schulen oft verlesen hören 2, 13. womit 's gleiche Bewandnis hat; endlich wie er nach der Absicht des Evangeliums gar nicht weiter daran gebunden sei, 7, 4 ff. Hiermit stimt nun auch der übrige Inhalt vortreflich überein, und's giebt sich von selbst, wie von dem Abraham und den übrigen Völkern nach ihm gesagt werden konte, sie wären ohne Gesez nicht unter dem Gesez gewesen 2, 12. 4, 13. 16. und hätten doch des Gesezzes Werk gethan oder's thun können 2, 14. 26. in sofern nämlich's mosaische Recht (corpus iuris) beide nicht verband, und doch das, was in demselben von algemeiner Verbindlichkeit war, durch die Belehrungen des Gewissens erkant werden konte. –" Seit. 203. 204.

 

[Manuskriptseite 31.]

[Ib-08-1780-0101]
14) Kol. 2, 14.

 

[Ib-08-1780-0102]
"Handschrift ist die Beobachtung der mosaischen gottesdienstlichen Gebräuche, durch welche sich der Iude Gott gleichsam schuldig erklärte: diese, sagt der Apostel, hat er ausgetilgt, nämlich durch Aufhebung iener Gebräuche. – –" Seit. 222.

 

[Ib-08-1780-0103]
15) Vom Namen Iesu "Herr".

 

[Ib-08-1780-0104]
"Dies ist der Name Iesu. Iosephus bezeugt in den iüdischen Alterthümern V. 2, 2. ausdrüklich, das Wort ?????? sei die Übersezzung des hebräischen $$$$$. Denn die Iuden sprachen niemals das Wort $$$$ aus. – Deswegen aber heist Christus so, weil er die Menschen durch sein Evangelium zu allen guten Einsichten und Fertigkeiten leitet, und der volkommenste Lehrer ist: Und das ist auch seine eigne Erklärung Matth. 7, 21. Luk. 6, 46. – –" Seit. 233. 234.

 

[Ib-08-1780-0105]
16) Vom Wort' "Himmel".

 

[Ib-08-1780-0106]
"Die Iuden nenten den Tempel, und besonders das Allerheiligste, den Himmel in Beziehung auf Ies. 63, 15., und daher wieder ihre ganze Kirche, all' andre Völker dagegen, vielleicht aus Verachtung, die Erde. So sagt Philo in der Abhandlung von der Einheit Gottes, der Himmel sei die eigentliche Wohnung Gottes, und 's Gegenbild davon im Tempel zu Ierusalem. Es ist also Eh Ephes. 1,

 

[Manuskriptseite 32.]

10. Kol. 1, 16. das, was im Himmel und auf Erden ist, eine auf den Sprachgebrauch der gegründete Beschreibung der Iuden und Heiden; Thronen und Herschaften sind die heidnischen Kaiser, und Fürstenthümer und Obrigkeiten die iüdischen Unterobrigkeiten (denn diese hatten keine Thronen mehr). und also der Sin So erklärt sich Paullus selbst darüber Ephes. 2, 13=16. Denn was er's einemal sagt, in ihm ist alles zusammengefast, beide, was im Himmel und auf Erden ist; das zweitemal, durch ihn ist alles geschaffen, das im Himmel und auf Erden ist; dafür sagt er's drittemal deutlicher – – Er hat Beide versöhnt mit Gott zu einem Leibe (Einer Gemeine) – Er hat aus Zweien Einen neuen Menschen durch sich selbst geschaffen – Er hat aus Beiden Eins gemacht. Ich zweifle daher nicht, daß auch Eph. 3, 15 und Ebr. 7, 26. und zwar in einem solchen Zusammenhang, wo Iesus offenbar dem Hohenpriester des A. T. entgegengesezt wird, Himmel den Tempel, oder die iüdische Kirche, und die ganze Redensart eben so viel bedeute, als wenn er selbst von sich sagt, er sei grösser als der Tempel, Matth. 12, 6. – Wie nun die Apostel (nach dem algemeinen Grundsaz, daß das Christenthum das alles in der Wahrheit enthalte, wovon's Iudenthum ein blosser Schatten gewesen) den Tempel, den Berg Sion, Ierusalem selbst; den Hohenpriester und die übrigen Priester, die Opfer und Gaben auf's Christenthum im höhern Sinne deuten; so ist auch Himmel, in Beziehung auf den iüdischen Sprachgebrauch, nicht selten die christliche Kirche, Gemeine : Und's

 

[Manuskriptseite 33.]

ist eine sehr reichhaltige Idee, daß nun weiter kein Unterscheid sei unter heiligen Zeiten, Örtern, Personen, Ländern; all' heilig, die Gott ehren, und ieder Ort, wo er geehrt wird, und also auch nicht mehr's Allerheiligste, dieser Iudenhimmel, an eine Stad gebunden, sondern allenthalben der Himmel, Gott und Glükseligkeit, wo ein Christ ist und dereinst hinkömt. Hieher rechn' ich nun folgende Stellen: Luk. 10, 20. Ebr. 12, 23. 1 Petr. 3, 22. Ebr. 8, 1. Ebr. 10, 34. 9, 24. Der Apostel sezt z. E. in der lezten Stelle dem mit Händen gemachten Allerheiligsten, als dem Bild des Himmels, den Himmel selbst entgegen: Wenn nun das den Ort des unsichtbaren Aufenthalts Iesu alzeit bedeuten solte, wo bliebe die Christenheit selbst im Gegenbilde? Wie könt' er von den Christen sagen, sie solten hinzutreten zum Gnadenstuhl, der nämlich im Allerheiligsten war, wenn sie nicht auch schon hienieden in dasselbe eingingen? Die Sach' ist also: Iesusist eingegangen in den Himmel, d. i. er hat die Kirche geöfnet, so daß nun alle von der Zeit seines Todes an in dieselbe gleichfals eingehen, die's Christenthum annehmen; da ist Er erschienen vor Gott für uns, hat uns durch seinen Tod den Weg dazu gebahnt; da sizt er zur Rechten Gottes, ist's Haupt der Gemeine; da treten wir alle mit Freudigkeit zum Gnadenstuhl, wir suchen Begnadigung und erhalten sie. – "Seit. 237. 238. 239. 240.

 

[Ib-08-1780-0107]
"Himmelreich ist aus vorhergehenden Gründen ebenfals die christliche Kirch' in den eignen Reden Iesu. Das was also Iesus Matth. 19, 23. von Reichen sagt, hat seine Beziehung auf die damaligen Angesehenen unter den Iuden, denen's freilich schwer fallen muste, den in Dürftigkeit einhergehenden Iesus zu ehren und seinem Unterricht zu folgen." – Seit. 242.

 

[Manuskriptseite 34.]

[Ib-08-1780-0108]
17) Vom Wort "Priester".

 

[Ib-08-1780-0109]
"Da's israëlitische Priesterthum dem Apostel Petrus, und besonders dem Verfasser des Briefs an die Hebräer Veranlassung zu einer besondern Vorstellung von Iesu gegeben hat; so mus man, um sie recht zu verstehen, sich von ienem rechte Begriffe machen. Man nent's das aaronitische, weil Aaron * nebst seinen Söhnen's zuerst verwaltete, und's levitische, weil's der Stam Levi gleichsam erblich erhielt. 2. B. Mos. 28. 29. 3. B. M. 3. 8. Diese ganze Anordnung desselben hatt' ihren Grund in der algemeinen mosaischen Einrichtung, nach welcher Gott als der unmittelbare Beherscher seines Volks betrachtet und ihm also nicht nur ein Pallast, eine Residenz, ein Land, sondern auch eine weitläuftige Bedienung zugeeignet wurde, die nun eben die Priester und Leviten ausmachten. Iene waren gleichsam die Staatsbedienten, diese 's Hofgesinde, die nur für die äussere Ordnung, Reinlichkeit, und Geräthschaften der Hütte des Stifts zu sorgen hatten, dagegen die Verrichtungen des eigentlichen Priesterthums durch Opfern, Räuchern ienen übertragen wurden 3 B. M. 4, 3 ff. 4 B. 18, 1. ff. So bedeutet's Wort, welches wir Priester übersezzen, ursprünglich einen Diener, besonders im Staat, und wird in dieser Bedeutung von den Söhnen David's gebraucht 2. B. Sam. 8, 18., wo's genauer

 

[Manuskriptseite 35.]

heissen solte, die Söhne Davids waren Räthe. Aber gleich so, wie's deutsche Priester seinen ersten algemeinen Gebrauch in der Sprache der Griechen, woraus es genommen ist, nach und nach verloren hat, und einem gewissen Stand eigenthümlich ist zugeeignet worden, ist's auch dem ebräischen Wort gegangen, welches Luther durchaus Priester übersezt. – Wie nun nach den orientalischen Sitten sich niemand, ausser denen, die am Hofe des Monarchen zu thun haben, in den Vorsal des Pallasts desselben wagen darf, so durft' auch niemand, als die Leviten sich der Hütte des Stifts nähern 4 B. M. 18, 21 ff; wie noch weniger iemand erlaubt ist, in den Pallast selbst zu gehen, ohne besondre Erlaubnis, so war dieses sogar den Leviten verboten 4 B. M. 4, 19. 20. 18, 3. 4. 5. 6. 7. und allen, ausser dem Hohenpriester, in's Innerste desselben; wie ferner einer der erst' und höchste Staatsbedient' in irdischen Regierungsformen ist, so war auch unter den Priestern einer, der der höchste Priester (Hoherpriester, ist zu wenig gesagt) oder Vozugsweise, der Priester, genant wurde, wie denn auch die erste Benennung im A. T. sehr selten vorkömt, als, 3 B. M. 21, 10. Iosua 20, 6.; wie endlich Staatsbediente die Angelegenheiten des Volks bei'm Monarchen zu besorgen haben, und die Befehle dieses dem Volk

 

[Manuskriptseite 36.]

bekant zu machen, und nach orientalischem Gebrauch nur der erste Minister den unmittelbaren Vortrag iener thun darf, und den eben so unmittelbaren Auftrag dieser enthält; so war's auch mit iener Dienerschaft Gottes. Die Priester waren die Lehrer des Volks, opferten, räucherten für dasselbe täglich im Tempel; aber der höchste Priester war's Orakel desselben, der ihm in ausserordentlichen Fällen Gottes Rath bekant machte, wegen ausserordentlicher Versündigungen es bei Gott vertrat, und all' Iahr einmal mit einem algemeinen Sündopfer vor Gott erschien. – – Hiervon ist nun die Anwendung auf's christliche Priesterthum, wie's in den Briefen Petri und an die Ebräer vorgestelt wird, leicht zu machen. Die Vorstellung selbst gieng eigentlich die Iuden an, die an eine solche Staatsverfassung gewöhnt waren, und an die auch, als nachmalige Christen, die gedachten apostolischen Brief' eigentlich gerichtet sind. Ihre Bedeutung kan aber auch nach dem Vorhergehenden keine andre sein, als daß Iesus der höchste Reichsbediente Gottes auf der Welt gewesen sei – aber eines ganz andern Reiches – denn eben er hab' iene sichtbare Regierungsform aufheben, den Dienst Gottes im Geist und in der Wahrheit einführen, seine Erkentnis und die freie kindliche Anbetung unter'n Menschen ausbreiten, und alle leibliche Opfer und Gaben in würdigere verwandeln sollen; das hab' er gethan und mit einmal durch seinen Tod vollendet. Nun sei er

 

[Manuskriptseite 37.]

gleichsam zum Reichsverweser erhoben worden (Ebr. 8, 1.); und ein Pfleger besserer Güter, der wahrhaftigen Güthe (v. 2); diese Hütte Gottes sei nun ieder Ort, wo Gott wahrhaftig angebetet werde, an iedem's Allerheiligste, ein ieder Verehrer Gottes hab's Recht in dasselbe mit aller Freudigkeit einzugehen, und der Opferdienst, den er thue, sei sein Lob, sein Dank, sein Gebet. Es ergiebt sich hieraus, wie diese Vorstellung im Grund' eben so viel sagen solle, als, er sei der Herr, das Haupt seiner Gemeine.

 

[Ib-08-1780-0110]
Wenn nun Petrus alle Christen ein heiliges, herliches, Priesterthum I Br. 2, 5. und v. 9. das königliche Priesterthum nent, so wil er damit anzeigen, daß nun alle Diener Gottes wären, nicht weiter der bessere Dienst Gottes an einen besondern Stand wie iener (2 Buch. M. 19, 6.) gebunden, im höhern Reich Gottes das Priesterthum und die königliche Würde nicht ferner von einander getrent wären. Und so ist auch der V. der Offenbarung 1, 6. 5, 10. zu verstehen. Nur mit'n Leviten konte die Vergleichung nicht angestelt werden, weil ihre Verrichtungen gar keine Beziehung auf die eigentlichen Erweisungen des Christenthums hatten, und zudem alle Christen, die's wirklich sind, vor Gott einander gleich geachtet werden. – –" Seit. 291. 292. 293. 294. 295. 296.

 

[Ib-08-1780-0111]
18) Übersezzung Matth. 16, 26. (vergl. v. 25 ) und Luk. 9, 25.)

 

[Ib-08-1780-0112]
"Was hülf's dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und sein Leben darüber verlöre? Denn wenn er auch alles besässe, was kan er geben, um's wieder zu erhalten." Seit. 339.

 

[Manuskriptseite 38]

[Ib-08-1780-0113]
V.

 

[Ib-08-1780-0114]
Der deutsche Merkur vom Iahr 1777. Drittes Vierteliahr. Weimar.

 

[Ib-08-1780-0115]
1) Was Algemeines vom Begrif eines Volks – und der Griechen besonders.

 

[Ib-08-1780-0116]
"Der Begrif von einem ganzen Volk' ist ein unendlich zusammengesezter, unendlich verwikkelter Begrif, wo man sich vor betrüglichen Abstrakzionen, falschen Indukzion, Verwirrungen der Zeiten und Orte, Schlüsse vom Einzelnen und Besondern auf's Algemeine, und zwanzig andern Wegen die Wahrheit zu verfehlen, nicht genug hüten kan. Ich sehe die überspante Meinung von der höhern körperlichen und sitlichen Volkommenheit der Griechen bei Vielen als die zusammengesezte Würkung ganz verschiedner Ursachen an. Unter diesen leztern ist freilich die Vortreflichkeit der grossen Männer, die dieses Volk einst gehabt, wiewol meistens verkant und übel belohnt hat, a) Und auch bei diesen mus man nicht vergessen, daß wir sie, wie verklärte Geister und höhere Wesen, in einer Art von Glorie sehen, und in der Nähe, zumal wenn wir in allerlei bürgerlichen Verhältnissen mit ihnen gestanden wären, ganz anders gesehen haben würden. a)] durch horizonale Linie getrennt am Seitenende angefügt. ST und die Herlichkeit der Genie= und Kunstwerke, die sie uns hinterlassen haben, auch Eine. –" Seit. 136.

 

[Manuskriptseite 39.]

[Ib-08-1780-0117]
2) Von den Bildern der Götter – und der Menschen – – in Rüksicht auf die grossen griechischen Bildhauer.

 

[Ib-08-1780-0118]
"Alle Abbildungen von Individuen sind immer unwahr, eine Art von Karrikatur, höchstens Approximazion . – Bilder der Götter und Halbgötter hingegen – deren Urbilder kein Mensch mit Augen gesehen hatte, musten nach einer ganz andern Regel gemacht und beurtheilt werden. Diese sind, in Rüksicht auf den Gegenstand, ihrer Natur nach unwahr, werden aber desto unwahrer, ie mehr sie sich der einzelnen Menschheit nähern. Bei ihnen hat keine Approximazion stat – weil keine Vergleichung des Bildes mit dem Urbild stat findet. Alles kömt blos auf den Eindruk an, den sie auf'n Menschen, der sie anschaut, besonders auf den, der sie mit religiösen Disposizionen anschaut, bei'm ersten Anblik machen. Wird dieser so dadurch getroffen, daß ihm ein heiliger Schauder befält, daß er unter der menschlichen Hülle – etwas mehr als menschliches, mehr als Heroisches – daß er den gegenwärtigen Gott zu fühlen glaubt - was kann die strengste Foderunge des Kunstliebhabers mehr verlangen? – –" Seit. 160.

 

[Ib-08-1780-0119]
3) Das Gewürke der Imaginazion – wie unerklärbar!!

 

[Ib-08-1780-0120]
"Die Imaginazion eines ieden Menschenkindes, und die Imaginazion der Dichter und Künstler insonderheit, ist eine dunkle Werkstat geheimer Kräfte, die man nicht so leicht

 

[Manuskriptseite 40.]

erklären kan. Wir sehen Erscheinungen – Veranlassungen – Mittel – aber die wahren Ursachen, die Kräfte selbst, und wie sie im Verborgnen würken, – über diesem allen hängt der heilige Schleier der Natur, den kein Sterblicher ie aufgedekt hat. Eine Veranlassung von innen oder aussen ist freilich immer da; aber in neunzig Fällen unter hundert möcht' ich den sehen, der mir erklärte, wie iust diese Wirkung aus dieser Veranlassung, dieser vermeinten Ursach' entstehen konte! – entstehen muste! –" Seit. 227. 228.

 

[Ib-08-1780-0121]
VI.

 

[Ib-08-1780-0122]
Der deutsche Merkur vom Iahr 1777. Viertes Vierteliahr. Weimar.

 

[Ib-08-1780-0123]
1) Von denen, die sich zu Physiognomisten schikken.

 

[Ib-08-1780-0124]
"Weder Mahler, noch Dichter, noch Schauspieler sind entscheidende Richter über Physiognomie. Eben darum, weil sie sich mit algemeinen karakteristischen Zügen beschäftigen, davon trunken sind als von der Seel' ihrer Kunst – vergessen sie so gern die Individualität. Ein Zug, den sie eben nöthig hatten und hier erhaschten, deutet ihnen den ganzen Karakter. – Wie all' Erkentnis ausser uns durch unsre individuelle Kentnis gemessen wird, so ist auch unser Gesicht 's Lineal, an dem all' Ähnlichkeiten

 

[Manuskriptseite 41.]

und Unähnlichkeiten ausser uns abgeglichen werden müssen. Kein Mensch ist im Stand, einen Karakter zu schäzzen, (am allerwenigsten aus äussern Zeichen) zu dem er nicht ein Verhältnis in sich spürt, sei's auch in Graden noch so verschieden. – – Ie gerechter und strenger die Selbsterkentnis ist, desto sichrer werden wir'n individuellen Karakter ausser uns finden, so sehr er in gewissen Punkten den unsrigen berühren mag. So wird die Physiognomik zugleich zur Erhöhung unsers Werths beitragen, wär' es auch nichts weiter, als daß wir aufhörten, die Menschen zu bessern, d. i. sie nach unserm Bilde zu formen. –" Seit. 114. 115.

 

[Ib-08-1780-0125]
2) Über die Biographie.

 

[Ib-08-1780-0126]
"Die Hauptlineament' eines Karakters sind gemeiniglich zu stark gezeichnet, als daß das algemeine Urtheil darüber nicht die mehreste Zeit richtig sein solte. Allein zu bestimmen, wie sehr diese Beschaffenheiten einem Subiekt beiwohnen, oder entstehen, durch welche Mischung, Modifikazion und Bildung sie einem Menschen so besonders eigenthümlich werden, daß wir all' Äusserungen derselben als Idiotismen seiner Seel anzusehen haben, das erfordert glükliches Studium. –

 

[Ib-08-1780-0127]
Der Man, von dem der Geschichtsschreiber reden sol, mus für oder wider's Interesse der Geselschaft gehandelt haben. *Diese Beziehung der Handlungen auf's Interesse der Geselschaft möcht' ich die Denkwürdigkeit des

 

[Manuskriptseite 42.]

Handelnden nennen. Die Merkwürdigkeit eines Menschen aber ist nur's Verhältnis, welches die eigenthümliche Beschaffenheit seines Geistes und Herzens zur Natur der menschlichen Seel' überhaupt hat. Der erst' ist für'n Historiker wichtig, der andre für'n Psychologen. Es giebt daher viele Merkwürdige, denen die Denkwürdigkeit nicht zukomt; aber's giebt auch mehr Denkwürdige, als man glaubt, die keine einzige merkwürdige Eigenschaft besizzen. –

 

[Ib-08-1780-0128]
Die Biographie sagt mir alles, was der Man, den ich ganz zu kennen wünsche, gethan hat, um zu verdienen, daß man ihn ganz kenne. Nicht blos die Grosthaten und die hohen Verdienste, welche unmittelbar ihn in die Geschichte gebracht haben, erzählt sie: nein, iede seiner interessirenden Handlungen, und nicht blos Handlungen, sondern was nur immer die Anlag' eigenthümlich zu handeln, in seiner iungen Seele schuf. Mit einem Wort, sie sagt zugleich, was mittelbar den Man in die Geschichte gebracht hat. Und so hätten die Biographie, und die höhere Geschichtschreibung ihre Gränzen. Die leztere spricht von dem Handelnden, um aus ihm seine Handlungen zu erklären. Die Erst' erzählt die Handlungen, um von dem Handelnden ein genaues und volständiges Bild zu geben. Hier liegt beider wesentlicher Unterschied, der Grad des iedem eigenthümlichen Tons. –

 

[Ib-08-1780-0129]
Die Hauptursache, welche die Biographie der Gelehrten so tief hat fallen lassen, war ihre Einrichtung nach fremder Form und Beschaffenheit. Man bedachte nicht 1) daß der Stand, in welchem der Gelehrte zu leben gepflegt, ihn wenig historischwichtigen Begebenheiten aussezze. 2) daß es blosse Geistesgeschäftigkeit ist, was wir im Leben eines Gelehrten erwarten können. Stat dessen dachte man an etwas ganz anders, nämlich die Lükke der Begebenheiten bestmöglich auszufüllen. – Die Aufklärung über'n Karakter eines Autors sind ist gegenseitig in seinen Schriften und in seinen Lebensumständen. Zwischen beiden durchkreuzen sich daher die mehresten Schlüsse zu diesem Behuf. –" Seit. 180. 181. 182.

 

[Ib-08-1780-0130]
VII.

 

[Ib-08-1780-0131]
Herrn Iohann Iakob Rousseaus, Bürgers zu Genf, Ämil, oder von der Erziehung. Aus dem Französischen übersezt, und mit einigen Anmerkungen versehen. Dritter Theil.

 

[Ib-08-1780-0132]
Sanabilibus aegrotamus malis; ipsaque nos in rectum genitos natura, si emendari velimus, juvat.SENECA, de ira, C. II. c. 13 .

 

[Ib-08-1780-0133]
Berlin, Frankfurt und Leipzig, 1762.

 

[Ib-08-1780-0134]
1) Die Seel' ist nicht blos leidend bei den sinlichen Eindrükken.

 

[Ib-08-1780-0135]
"Wenn wir bei'm Gebrauch' unsrer Sinnen blos leidend wären, und nicht verglichen, so würde keine Gemeinschaft unter ihnen sein; es würd' uns unmöglich sein, zu erkennen, daß der Körper, den wir anrühren, und der Gegenstand, den wir sehen, einerlei sind. Wir würden entweder niemals etwas ausser uns empfinden; oder's würde für uns fünf sinliche Substan

 

[Manuskriptseite 44.]

zen geben, deren Identität wahrzunehmen wir kein Mittel haben würden. –" Seit. 30. 31.

 

[Ib-08-1780-0136]
2) Wie ist Gott verständig? – –

 

[Ib-08-1780-0137]
"Der Mensch ist verständig, wenn er vernünftig urtheilt, und der höchste Verstand braucht nicht zu urtheilen. Es giebt für ihn weder Fordersäzze, noch Schlusfolgen; es giebt sogar nicht einmal einen Schlus Saz. Er ist blos anschauend; er sieht gleich alles, was ist, und alles, was sein kan; alle Wahrheiten sind für ihn nur eine einzige Idee, so wie all' Örter ein einziger Punkt, und alle Zeiten ein einziger Augenblik. – –" S. 68.

 

[Ib-08-1780-0138]
3) Der Mensch – niemals ganz böse.

 

[Ib-08-1780-0139]
"Der Räuber, welcher die Wandersleut' auszieht, bedekt doch noch die Blösse des Armen, und der wildeste Mörder hält einen Menschen, der in Ohnmacht fält." Seit. 76.

 

[Ib-08-1780-0140]
4) Sollen wir Gott um die Änderung seines unsers bösen Willens bitten? –

 

[Ib-08-1780-0141]
"Wenn ich's Böse thue, so hab' ich keine Entschuldigung, ich thu' es, weil ich's wil. Verlang' ich von Gott, er sol meinen Willen ändern: so verlang' ich das, was er von mir verlangt; so wil ich, er sol mein Werk thun, und ich wolle die Belohnung dafür einziehen." Seit. 91. 92.

 

[Ib-08-1780-0142]
5) Ob die Wunder 'was zur Bestätigung der Lehr' helfen? –

 

[Ib-08-1780-0143]
"Weil dieienigen, welche sagen, Gott thu' hier unten Wunder, vorgeben, der Teufel ahm' ihnen zuweilen nach: so sind

 

[Manuskriptseite 45]

wir mit den am besten bestätigten Wunderwerken noch nicht weiter gekommen, als vorher; und weil sich Pharao's Zauberer unterstanden, selbst in Moses Gegenwart eben die Zeichen zu thun, die er auf ausdrüklichen Befehl Gottes that; warum hätten sie nicht, in seiner Abwesenheit, aus eben dem Grunde eben das Ansehen begehren können? Nachdem man also die Lehre durch's Wunderwerk bewiesen hat: so mus man's Wunderwerk durch die Lehre beweise a) Dies erhellet aus vielen Stellen der h. Schrift und unter andern im 5 B. M. XIII, wo gesagt wird, wo gesagt wird wenn ein Prophet oder Träumer unter ihnen aufstünde, der ihnen andre Götter verkündigte, und seine Lehre durch Zeichen oder Wunder bestätigte, auch das, was er vorher sagte, wirklich geschähe: so solten sie ihm doch nicht glauben, sondern diesen Propheten hinrichten. Wenn also die Heiden die Apostel tödeten, welche ihnen einen andern Gott ankündigten, und ihre Sendung durch Weissagungen und Wunder bekräftigten: so seh' ich nicht, was man ihnen gründliches vorzuwerfen hätte, das sie uns nicht den Augenblik wieder zurükschieben könten. Was ist nun hierbei zu thun? Eine einzige Sache; man mus wieder zu den Vernunftgründen kommen, und die Wunder sein lassen. Es wäre besser, wenn man gar nicht seine Zuflucht darzu nähme. – – ..... a)] durch horizontale Linie vom Haupttext getrennt am Seitenende angefügt. ST, aus Furcht, man möchte das Werk des Teufels für's Werk Gottes annehmen. Was denken Sie von dieser Dialele? –" Seit. 111. 112. 113.

 

[Manuskriptseite 46.]

[Ib-08-1780-0144]
6) Wohlthäthige Wirkungen der Religion.

 

[Ib-08-1780-0145]
"Unsere heutigen Regierungsformen haben unstreitig dem Christenthum ihr gründlichstes Ansehen, und ihre nicht so häufigen Veränderungen zu danken. Es hat sie selbst weniger blutdürstig gemacht. Dies wird durch die That bewiesen, wenn man sie mit'n alten Regierungsformen vergleicht. Die besser erkante Religion entfernt den Fanatism, und hat den christlichen Sitten mehr Sanftmuth gegeben. Diese Veränderung ist nicht's Werk der Wissenschaften. Denn überal, wo sie geschimmert haben, ist die Leutseligkeit deswegen nicht mehr in Ehren gehalten worden. Die Grausamkeit der Athener, Ägypter, der römischen Kaiser, der Sinesen bewähren's: Wie viel Werke der Barmherzigkeit haben nicht ihren Ursprung dem Evangelium zu danken! Wie viel Ersezzungen, wie viel Vergütungen läst nicht die Beichte bei den Katholiken thun? Wie viel Versöhnungen und Almosen wirkt nicht bei uns die Annäherung der Kommunionszeit. Wie mässigte nicht's Iubeliahr der Hebräer die Habsucht der unrechtmässigen Besizzer? Wie vielem Elende beuget' es nicht vor? Die gesezmässige Brüderschaft vereinigte die ganze Nazion. Man sah keinen Betler unter ihnen; man sieht auch keinen bei den Türken, wo der gotseligen Stiftungen

 

[Manuskriptseite 47.]

unzählige sind. Sie sind nach Religionsgrundsäzzen gastfrei, und auch selbst gegen die Feind' ihres Gottesdienstes. –" Seit. 159.

 

[Ib-08-1780-0146]
7) Leitungs Regeln bei'm Iüngling und andre Anmerkungen. –

 

[Ib-08-1780-0147]
"Weil mein Ämil seine Kindheit in aller Freiheit zugebracht hat, die sich verzogne Iüngling' in ihrer Iugend nehmen: so fängt er an, in seiner Iugend die Regel zu nehmen, der man andre als Kinder unterworfen hat. Andern würd diese Regel zum Abscheu, ist ihnen Geissel; sie sehen nur die lange Tyrannei der Lehrmeister dabei; sie glauben, nicht anders aus der Kindheit zu kommen, als wenn sie all' Arten des Ioches abschütteln; sie vergüten sich alsdan den langen Zwang, worinnen man sie gehalten hat. Ämil hingegen sucht eine Ehre darinnen, sich zum Manne zu machen, und sich dem Ioche der aufgehenden Vernunft zu unterwerfen. Sein schon gebildeter Leib bedarf nicht mehr eben der Bewegungen, und fängt an, sich von selbst aufzuhalten, unterdessen, daß sein halb entwikkelter Geist nun auch seiner Seits sucht, sich in die Höhe zu schwingen. Auf diese Art ist's Alter der Vernunft für'n einen nur's Alter der unbegundenen Frechheit, und für'n andern wird's das Alter des vernünftigen Urtheils. Eben so die Wilden. Man sieht sie während der Kindheit überaus thätig, und sich mit verschiednen Spielen beschäftigen, welche den Leib bewegen. Hingegen sind sie Iünglinge, so werden sie ruhig, träumerisch." S. 165. 166

 

[Manuskriptseite 48.]

[Ib-08-1780-0148]
"Wenn man einen Erwachsenen führen wil, so mus man's Gegentheil von allem dem thun, was man gethan hat, ein Kind zu führen. Stehen Sie nicht bei sich an, ihn von denen gefährlichen Geheimnissen zu unterrichten, welche Sie ihm so lange Zeit mit so vieler Sorgfalt verhehlt haben. Weil er sie endlich wissen mus: so ist viel dran gelegen, daß er sie von keinem andern, noch von sich selbst, sondern von Ihnen allein lerne; weil er doch von nun an gezwungen ist, zu streiten, und er also aus Furcht, er möcht' überfallen werden, seinen Feind kennen mus. –" Seit. 173.

 

[Ib-08-1780-0149]
"Um ihm dies Geheimnis zu eröfnen, komt's nicht auf eine von ohngefähr ergrifne Unterredung an. O! so wird's menschliche Herz nicht regiert! Was man sagt, heist nichts, wenn man nicht den Augenblik, es zu sagen, vorher zubereitet hat. Bevor man säet, mus man's Feld pflügen. – Es giebt darunter vielleicht nicht ihrer zwei, auf welche sich das schikken könne, was man zu allen sagt, und all' unsre Gemüthsbewegungen haben so wenig Beständigkeit, daß es vielleicht n* nicht zween Augenblikk' im Leben eines Menschen giebt, wo einerlei Red' einerlei Eindruk bei ihm machte. Urtheilen Sie, ob, wenn die entzündeten Sinnen den Verstand abwenden, und den Willen tyrannisiren, ob's da Zeit ist, die ernsthaften

 

[Manuskriptseite 49.]

Lehren der Weisheit anzuhören. Reden Sie niemals mit iungen Leuten, auch selbst im Alter der Vernunft nicht, aus vernünftigen Gründen, wenn sie solche nicht erst in den Stand gesezt haben, sie anzuhören. Die meisten Reden gehen mehr durch Schuld der Lehrmeister, als der Schüler verloren. Der Pedant und der Unterweiser sagen beinah' einerlei: der erst' aber sagt's zu aller Zeit; der andre sagt's nur, wenn er ihrer Wirkung gewis ist.

 

[Ib-08-1780-0150]
Wie ein Nachtwanderer, der in seinem Schlaf' herum irt, schlafend am Rand eines iähen Absturzes geht, in welchen er stürzen würde, wenn man ihn auf einmal aufwekte: also entrint auch mein Ämil im Schlafe der Unwissenheit Gefährlichkeiten, die er nicht wahrnimt. Wenn ich ihn plözlich aufwekke, so ist er verloren. Wir wollen uns zuerst bemühen, ihn vom iähen Absturze zu entfernen und darauf wollen wir ihn aufwekken, um ihm solchen mehr von ferne zu zeigen. – –" Seit. 175. 176. 177.

 

[Ib-08-1780-0151]
"Es giebt Denkzeiten im menschlichen Leben, die gemacht sind, damit sie niemals vergessen werden." Seit. 180.

 

[Ib-08-1780-0152]
"Die blosse Laulichkeit unsers Willens macht all' unsre Schwachheit, und man ist alzeit stark, dasienige zu thun, was man nachdrüklich wil. Volenti nihil difficile. O! wenn wir's Laster so sehr verabscheuten, als wir's Leben lieben: so würden wir uns eines angenehmen Verbrechens eben so leicht enthalten, als eines tödlichen Giftes in einer lekkerhaften Speise." Seit. 190. 191.

 

[Manuskriptseite 50.]

[Ib-08-1780-0153]
"Sieht man nicht, daß, wenn alle Lehren, die man einem iungen Menschen giebt, ohn' Erfolg sind, solches daher kömt, weil sie ohne vernünftigen Grund für sein Alter sind; und daß einem ieden Alter daran gelegen ist, die Vernunft in solche Gestalten einzukleiden, die sie liebenswürdig machen. –" Seit. 191.

 

[Ib-08-1780-0154]
"Man mus sehr kurzsichtig sein, wenn man in den aufwachsenden Begierden eines iungen Menschen nicht ein Hindernis bei den Lehren der Vernunft sieht. Ich seh' aber darinnen 's wahre Mittel, ihn zu eben diesem Leben gelehrig zu machen. Man kan die Leidenschaften nicht anders, als durch die Leidenschaften angreifen. Durch ihre Herschaft mus man ihre Tyrannei bestreiten, und man mus stets aus der Natur selbst die gehörigen Werkzeuge nehmen, sie einzurichten. –" Seit. 196. 197.

 

[Ib-08-1780-0155]
"Man kan an denen Orten denken lernen, wo der üble Geschmak herscht: man mus aber nicht wie dieienigen denken, welche diesen übeln Geschmak haben; und's ist sehr schwer, daß solches nicht geschehe, wenn man gar zu lange bei ihnen bleibt. Man mus durch ihre Sorgfalt 's Werkzeug volkomner machen, welches urtheilt, indem man vermeidet, es so wie sie anzuwenden." S. 236.

 

[Ib-08-1780-0156]
"Man hat Vergnügen, wenn man's haben wil. – Es ist hundertmal leichter, glüklich zu sein, als es zu scheinen. – –" Seit. 271.

 

[Manuskriptseite 51.]

[Ib-08-1780-0157]
VIII.

 

[Ib-08-1780-0158]
Herrn Iohann Iakob Rousseaus, Bürgers zu Genf, Ämil, oder von der Erziehung. Aus dem Französischen übersezt. Vierter Theil.

 

[Ib-08-1780-0159]
Sanabilibus aegrotamus malis; ipsaque nos in rectum genitos natura, si emendari velimus iuvat. SENECA, de ira , C. II. c. 13.

 

[Ib-08-1780-0160]
Berlin, Frankfurt und Leipzig, 1762.

 

[Ib-08-1780-0161]
1) Von der Erziehung des andern Geschlechts.

 

[Ib-08-1780-0162]
"Man redet iezt wenig mehr von Nothzüchtigungen, weil sie nämlich sowenig nöthig sind, und die Manspersonen solche nicht mehr glauben; da sie hingegen in den ältesten Zeiten der Griechen und Iuden sehr gemein sind, weil eben diese Meinungen in der Einfalt der Natur sind, und die blosse Erfahrung des freien ungebundenen Lebens sie nur hat ausrotten können. Wenn man in unsern Tagen weniger solcher Gewaltthätigkeiten anführt, so geschieht's gewis nicht daher, daß die Manspersonen mässiger geworden, sondern weil sie weniger Leichtgläubigkeit haben, und eine solche Klage, die sonst einfältige Völker überredet hätte, in unsern Tagen nichts weiter, als das Gelächter der Spötter nach sich ziehen würde; man gewint mehr, wenn man schweigt." – Seit. 11. 12.

 

[Manuskriptseite 52.]

[Ib-08-1780-0163]
"Alles, was das Geschlecht kentlich macht, mus, als von der Natur festgesezt, in Ehren gehalten werden. Man sagt ohn' Aufhören, die Weiber haben den und den Fehler, den wir nicht haben: unser Stolz betriegt uns; es würden Fehler für uns sein, für sie sind's Eigenschaften. Alles würde nicht so gut gehen, wenn sie solche nicht hätten. Man verhindere diese vermeinten Fehler, auszuarten: man hüte sich aber, sie auszurotten. – –" Seit. 19.

 

[Ib-08-1780-0164]
"Alle die Seelenkräfte, welche beiden Geschlechtern gemein sind, sind ihnen nicht auf gleiche Art mitgetheilt; zusammen aber genommen heben sie gegen einander auf. Die Frau gilt mehr als Frau, und weniger als Man. Überal, wo sie ihre Gerechtsamen gültig machen läst, hat sie den Vorzug; überal, wo sie sich der unsrigen anmassen wil, bleibt sie unter uns. –" Seit. 20.

 

[Ib-08-1780-0165]
"Wenn man bei den Frauenspersonen die Eigenschaften des Mannes anbauet und dieienigen vernachlässigt, die ihnen eigen sind: so ist's augenscheinlich, daß man zu ihrem Nachtheil' arbeitet. –" S. 21.

 

[Ib-08-1780-0166]
"Der Himmel machte die Weiber nicht darum zum einschmeicheln und überreden geschikt, damit sie störrisch werden solten; er machte sie nicht schwach, damit sie herschsüchtig sein solten; er gab ihnen keine so sanfte Stimme, Schmäh

 

[Manuskriptseite 53.]

worte zu sagen; er macht' ihnen keine so zarten Züge, um damit sie solche durch'n Zorn verstellen solten. –" Seit. 37. 38.

 

[Ib-08-1780-0167]
2) Eine Leidenschaft – in ihren Schranken – ist erlaubt.

 

[Ib-08-1780-0168]
"Es ist ein Irthum, daß man die Leidenschaften in erlaubte und verbothene eintheilt, um sich den erstern zu überlassen, und den andern zu entziehen. Alle sind gut, wenn man Herr darüber bleibt, alle sind böse, wenn man sich davon unterthänig machen läst. Es ist uns von der Natur verbothen, unsre Ergebenheiten weiter zu erstrekken, als unsre Kräfte: von der Vernunft ist uns verbothen, dasienige zu wollen, was wir nicht erlangen können: von dem Gewissen ist uns verbothen, nicht eben, versucht zu werden, sondern uns von den Versuchungen überwinden zu lassen. Es kömt nicht auf uns an, Leidenschaften zu haben, oder nicht zu haben: aber 's kömt auf uns an, über sie zu regieren. All' Empfindungen, die wir beherschen, sind rechtmässig; alle dieienigen, die uns beherschen, sind strafbar. – –" Seit. 232. 233.

 

[Manuskriptseite 54.]

[Ib-08-1780-0169]
3) Ursachen, warum die heutigen Völker ihre Nazionalunterschiede nicht mehr wie sonst haben.

 

[Ib-08-1780-0170]
"So wie sich die Geschlechter vermischen, und die Völker untereinander vermengen, so sieht man auch nach und nach die Nazionalunterschiede verschwinden, welche sonst bei'm ersten Anblikk' in 's Auge fielen. Vordem bliebe iede Nazion mehr in sich selbst eingeschlossen; es gab wenigere Gemeinschaften, wenigere Reisen, wenigere gemeinschaftliche oder einander zu widerlaufende Angelegenheiten, wenigere politische und bürgerliche Geschäfte, die man Unterhandlungen nent, keine ordentliche Abgesanden oder beständige Residenten; die grossen Schiffahrten waren selten; es gab wenig auswärtigen Handel, und der wenige, der noch geführt wurde, geschah vom Fürsten selbst, welcher sich Ausländer dazu bediente, oder wurde von verachteten Leuten getrieben, welche niemanden den Ton angaben, und die Nazionen nicht zusammen brachten. Es ist iezt hundertmal mehr Verbindungen zwischen Europa und Asia, als vordem zwischen Gallien und Spanien gewesen. Europa lag damals zerstreuter aus einander, als iezt die ganze Erde. – Man sezz' hinzu, daß die alten Völker, die sich meistentheils für Einheimische oder für Leut' hielten, die in ihrem Land' aus der Erd' entsprungen waren, solches mit so langer Zeit besassen, daß sie's Andenken der verflosnen Iahrhunderte verloren hatten, da sich ihre Vorfahren zuerst darinnen niedergelassen, und daß die Himmelsgegend Zeit gehabt hatte, dauerhafte Eindrükke bei ihnen

 

[Manuskriptseite 55.]

zu machen; da hingegen unter uns nach den Einfällen der Römer, die neuen Völkerzüge der Barbaren alles vermengt haben. Die Franzosen heutiges Tages sind nicht mehr die grossen weishaarichten, und weissen Leute, wie vorher. Die Gestalt der Römer selbst hat's Kenzeichen geändert, so wie ihr Naturel. Die Perser, welche ursprünglich Tartarn sind, verlieren täglich durch die Vermischung mit dem zirkassischen Blut' ihre erste Häslichkeit. Die Europäer sind keine Gallier, Germanier, Iberier, Allobrogen mehr; sie sind alle auf verschiedne Weis' ausgeartete Szythen." Seit. 251. 252. 253.

 

[Ib-08-1780-0171]
"Wenn wir alle Menschen, die gewesen sind, auf einmal betrachten könten; kan man wol zweifeln, daß wir sie nicht von einem Iahrhunderte zum andern viel mannichfaltiger finden würden, als man sie heutiges Tages von einer Nazion zur andern findet." S. 253.

 

[Ib-08-1780-0172]
VIIII.

 

[Ib-08-1780-0173]
Deutsches Museum. Zweiter Band. Julius bis Dezember 1778. Leipzig in der Weigandschen Buchhandlung.

 

[Ib-08-1780-0174]
1) Bemerkung über'n Stolz der Menschen.

 

[Ib-08-1780-0175]
"Die menschliche Eitelkeit ist immer mit einer Art von Bescheidenheit verbunden. Denn meistens ist ieder damit zufrieden, daß er sich unter Menschen von seinem Stande, so gering er auch ist auszeichne. Es befriedigt insgemein den Bedienten, wenn er für einen Bedienten vom ersten Rang angesehen wird. Der Handwerksman wil sich nur über andre seines Standes, der Kaufman über andre Kaufleute, der Gelehrt' über andre Gelehrte u. s. f. etwas erheben. Selten geht die

 

[Manuskriptseite 56.]

Eitelkeit soweit, daß sich einer um mehr als Eine Stuf' über seinen Stand empor zu heben suchte. Also kan man doch einigermassen sagen, daß überhaupt ieder mit seinem Stand zufrieden sei, wenn er nur so weit komt, daß er an den nächst darüberstehenden gränzet. Auf diese Weise geniest auch der geringste Stand der Menschen das, was Ehr' und Rang schmeichelndes haben, so gut als der erste." Seit. 12.

 

[Ib-08-1780-0176]
2) Vom Nuzzen der Gebirge.

 

[Ib-08-1780-0177]
"Iedes hohe Gebirg ist ein Magazin, aus welchem der weise Schöpfer der Welt, durch einfache, aber nie genug bewunderte Anstalten, nahen und fernen Ländern, Thieren und Pflanzen das wichtigste Bedürfnis, das Wasser, austheilt. Nichts müste den Bewohnern der Ebenen unbegreiflicher sein, wenn sie nachdächten, als das immerwährende Fliessen der Wasserquellen, und das beständige Fortströmen der Flüsse. Sie müsten bemerken, daß irgendwo ein unerschöpfliches Behältnis von Wassern sein müste, aus dem Quellen, Bäch' und Flüsse, die's Wasser in so ungeheurer Menge wegführen, empfangen.

 

[Ib-08-1780-0178]
Wer über hohe Gebirge gekommen ist, hat diese unerschöpfliche Wassermagazin' angesehen, und auch wahrgenommen, daß sie deswegen unerschöpflich sind, weil sie selbst täglich aus der Luft mit neuem Vorrath angefült werden; und dan begreift er den immerwährenden Lauf' der Flüsse leicht.

 

[Manuskriptseite 57.]

[Ib-08-1780-0179]
Auf den höchsten Gebirgen regnet's das ganze Iahr hindurch selten. Die Dünste fallen, wegen der auf diesen Höhen herschenden Kälte, als Schnee herunter. Daher sind diese Gebirge das ganze Iahr hindurch mit einer unglaublichen Menge Schnee bedekt. Den Winter über vermag die innere Wärme der Berge, von welcher Ursache sie herkomme, soviel, daß immer vom Schnee, da wo er auf wärmere Stellen aufliegt, etwas schmilzt und an den Felsen heraus rint. Im Sommer hat die Sonne soviel Kraft, daß sie täglich so viel, als es nöthig ist, schmelzen macht. Tausend kleine unter'm Schnee hervorrinnende Wasseradern sammeln sich almählig in Bäche; und diese vereinigen sich von vielen Seiten her in Ströme, deren etliche endlich in einen grossen Flus zusammenstossen. Man begreift leicht, daß dieses Schneemagazin nie erschöpft wird. So viel die Wärme täglich daran zerfliessen und herabrinnen macht, so viel ungefähr wird auch durch den aus der Luft herunterfallenden Schnee ersezt. Dieses allein wäre zum immerwährenden Fliessen der Bäch' und Quellen schon hinlänglich; aber im Sommer kömt noch Eine Ursach' hinzu: Auf den hohen Bergen fält ein sehr reicher Tau, und selbst die Wolken, welche an den Bergen hangen, triefen beständig Wasser herab. Etwas von der Nässe sammelt sich in kleine Wasseräderchen und fliest gleich ab, um die kleinsten Bächelchen zu vergrössern; ein andrer Theil zieht sich in die Erd' und rint in kleine Felsenhöhlen zusammen, woraus hernach beständige

 

[Manuskriptseite 58.]

Quellen entspringen. Darum sind die Felsenberg' überal gespalten, um's einrinnende Wasser durchzulassen.

 

[Ib-08-1780-0180]
Aus diesen sieht man den Grund und die Absicht von der erstaunlichen Höhe der Alpengebirge. Sie musten so hoch sein, um die obere kalte Gegend der Luft zu erreichen, damit der Schnee darauf dauern konte. Man sieht, warum diese Berg' in ihrer ursprünglichen Anlage von hartem Felsen sind; denn wären sie von Erde, oder weichem Gestein, so würden sie von den herunterströmenden Bächen almählig abgespielt werden, und endlich in niedrige Klumpen zusammensinken, und dieses müst' eine algemeine Verwüstung der Natur anrichten, weil alsdann auch erwähnte Wassermagazin' aufhören müsten. – – –" Seit. 110. 111. 112.

 

[Ib-08-1780-0181]
3)

 

[Ib-08-1780-0182]
Hymn' an die Erde – von F. L. Graf zu Stolberg.
"Erde, du Mutter zahlloser Kinder, Mutter und Amme!
Sei mir gegrüst! sei mir gesegnet, im Feiergesange!
Sieh, o Mutter, hier lieg' ich an deinen schwellenden Brüsten,
Lieg', o Grüngelokte, von deinem wallenden Haupthaar
Sanft umsäuselt, und sanft gekühlt von thauenden Lüften!
Ach, du säuselst Wonne mir zu, und thauest mir Wehmuth
In das Herz, das Wehmuth und Wonn', aus schmelzender Seele,
Sich in Thränen und Dank und heiligen Liedern ergiessen.

 

[Manuskriptseite 59.]

Erde, du Mutter zahlloser Kinder, Mutter und Amme!
Schwester der allerfreuenden Sonne, des freundlichen Mondes,
Und der stralenden Stern', und des flammenbeschweiften Kometen,
Eine der iüngsten Töchter der algebärenden Schöpfung,
Immer blühendes Weib des seegenträufelnden Himmels,
Sprich, ode o Erde! wir war dir , als du am ersten der Tage
Deinen heiligen Schoos dem bulenden Himmel enthültest?
Dein Erröthen war die erste der Morgenröthen,
Als er, im blendenden Bette von weichen schwellenden Wolken,
Deine gürtende Binde mit siegender Stärke dir löste!
Schauer durchbebten die stille Natur, und tausendmal tausend
Leben keimten empor aus der mächtigen Liebesumarmung.
Freudig begrüsten die Fluten des Meers neuer Bewohner
Mannigfaltige Schaaren; es staunteder werdende Walfisch
Über die steigenden Ströme, die seiner Nasen entbrausten;
Iunges Leben durchbrülte die Auen, die Wälder, die Berge,
Irte blökkend im Thal, und sang in blühenden Stauden,
Wiegte sich spielend am Quel auf wankenden Blümchen,
und girte
Auf den Gipfeln der Ulme, die liebende Reben umschlangen;
Denn der edle Wieh'rer nicht nur, und der mächtige Löwe,
Nicht nur Vögel des Hains, und summende goldene Fliegen
Tranken aus der Quelle des Lebens, Libanons Zedern
Tranken auch, es tranken die Haine, die Blumen und Gräschen,
Iedes nach seinem Masse, vom lebentrunkneren Menschen

 

[Manuskriptseite 60.]

Bis zum Gräschen im Thal und bebenden Sprösling des Berges.
Alle sterben, und werden geführt von Stufe zu Stufe,
Durch unendliche Reihen bestimter Äonen, sie schleichen
Oder sie fliegen, von Kraft zu Kraft, von Schöne zu Schöne!
Erde, dich liebt die Sonne, dich lieben die heiligen Sterne,
Dich der himmelwandelnde Mond! Sobald du vom Schlummer
Dich erhebst, und Thau aus duftenden Lokken dir träufelt,
Sendet die Sonne dir Purpur und Gold und glänzenden Safran,
Daß du bräutlich geschmükt erscheinst im Morgengewande:
O, wie schimmerst du dann im rosigen Schleier! mit tausend
Iungen Blumen umkränzt, von silbernen Tropfen umträufelt,
Und mit glänzender Binde des blauen Meeres umgürtet!
Aber wenn dein Haupt zum süssen Schlummer sich neiget,
Und in schattender Halle die Nacht die Glieder dir kühlet,
Siehe, dann lächelt der Mond, von seinem einsamen Pfade,
Sanfte Freuden dir zu, gesäugt am Busen der Stille,
Und dan singen die Sterne dir zu. In heiliger Stunde
Hört' ich gestern ihr Lied, im Wehen wölbender Buchen,
Einigen deiner Kinder, o Mutter! wil ich erzählen,
Was im goldnen Reihentanze die Sterne dir sangen.
Also sangen sie; lauscht ihr Lieblingskinder der Mutter!
"Schlumre sanft, o Schwester, im kühlen duftenden Bette,
Schlumre, Geliebte, sanft, auf daß du rosig erwachest!
Wilde Stürme müssen dir nicht die Lokken zerwehen,

 

[Manuskriptseite 61.]

Müssen deine Ströme nicht über die Ufer empören,
Nicht den Wiegengesang des rauschenden Meeres verstimmen!
Hekla müsse dich nicht, dich müsse der Ätna nicht wekken,
Ruhen müsse der Bliz in schwarzen Gürteln der Alpen,
Keine Wolke verbergen vor uns dein liebliches Antliz,
Müsse dir keine den Blik des freundlichen Mondes umschleiern!
Leichtes Fusses müssen vorbei die Stunden dir tanzen,
Bis mit rosigem Finger die Morgenröthe dich wekket!
Deine Kinder müssen dich nicht im Schlummer bekümmern,
Denn sie schlummern mit dir; die wenigen, welche der Kummer
Von der Ruhe Lager verscheuchte, tröstet mit milden
Blikken der sanfte Mond, der mit den Weinenden weinet,
Sich mit Freuenden freut, und liebend Liebenden lächelt!
Deine Kinder, welche das Meer auf Schiffen umtanzen,
Wollen wir während der Nacht am stralenden Gängelband leiten,
Daß die Gleitenden nicht ein kreisender Strudel erhasche!
Daß kein tükkischer Fels die eilenden Kiele verlezze!
Schlumre sanft, o Schwester, im kühlen duftenden Bette,
Schlumre, Geliebte, sanft, auf daß du rosig erwachest!"
Also sangen die Stern', und schimmerten freundlich; die Lüfte
Bebten, wie mitertönende Saiten der ruhenden Leier,
Wenn ein preisender Chor den gewölbten Tempel durchhallet!
Erde, wie bist du schön, mit Gottes Strömen gewässert!
Wer vermag sie zu singen? die Zwillingshelden, den Ganges
Und den Indus? Wer die rauschenden Wasser des Euphrats?
Wer den segnenden Nil, der aus ungesehener Urne

 

[Manuskriptseite 62.]

Seine schwellenden Fluthen durch sieben Mündungen ausströmt?
Wer die herschende Tiber? den heldenberühmten Eurotas?
Welcher früh die nervige Iugend Lakoniens stählte?
Ach, wer bringt mich hinüber auf Adlersflügeln, zu deinen
Rollenden Meeren, du mächtigster Orellana! du Riese
Unter den Flüssen! Dir staunen die heiligen Fluten des Weltmeeres
Wenn du, stark wie ein Gott, in den Ozean dich ergiessest!
Aber vor allen seid mir gegrüst im feiernden Liede,
Vaterländische Ströme! du edle Donau! dem Morgen
Strömst du erröthend entgegen, und grüssest die kommende Sonne,
Wenn sie ihr flammendes Haupt aus purpurnen Wolken erhebet,
Wankende Saaten umrauschen dich iährlich, und freudiges Landvolk
Tanzet, mit blauen Blumen umwunden, an deinem Gestade,
Wenn der Abend auf dir mit falben Fittigen ruhet,
Und die glänzenden Sicheln dem winkenden Abendstern weichen!
Dir gebürt ein eigner Gesang, o Rheinstrom! vor allen
Flüssen Deutschlands bist du mir werth! Dich sah ich als Knaben,
Wo, mit umwölkkter Hand, die Natur, am gängelnden Bande,
Über Nebel, und stürmenden Winden, und zukkenden Blizzen,
Deinen wankenden Trit auf zakkiger Felsenbahn leitet!
Muthiger rauschet der Iüngling einher, und seiner Umarmung
Stürzet die brünstige Reus mit schäumenden Wogen entgegen;
Züchtig folgt ihm die Aar in langsam schlängelnder Krümmung.
O! wie stürzt er donnernd herab bei'm fallenden Laufen.

 

[Manuskriptseite 63.]

Unter ihm beben die Felsen; die grünlichen Wogen verhüllen
Sich in glänzenden Schaum; der staunende Waller vernimt nicht
Seiner eignen Bewunderung Geschrei, und heilige Schauer
Fassen ihn, wie sie die Felsen und zitternden Tannen ergreifen.
Ernst, mit mänlicher Kraft, theilst du die Kostnizer Fluthen,
Eilest Städten vorbei, und trägst auf mächtigem Rükken
Schwimmenden Reichtum, schüzest die Gränzen des heiligen Reiches,
Und beschenkst die Ufer mit hangenden goldnen Trauben!
O, wie glänzet die Freud' in Hochheims Bechern! sie wandelt
Sich zum Lied' im Munde des Dichters! Bringet mir, Freunde,
Schnel des goldnen Weins, auf daß ich würdig euch singe,
Wie die Nymphe des Mains den götlichen Buhlen umarmt!
Siehe, sie fleust ihm entgegen in sanfter Wallung, und bringt ihm
Edle Geschenke, den Reichthum der fruchtbaren fränkischen Fluren,
Bringt ihm silberne Tropfen des albezähmenden Steinweins,
Den an Würzburgs Felsen die heissere Sonne gereift hat.
Solche Gaben bringt ihm die Nymphe mit bebender Liebe;
Aber er fast sie mächtigem Arm, und führt sie hinunter
Durch kristallene Hallen in seine stille Behausung;
Glänzender rollen die feiernden Wogen; die schönen Gestade
Hallen weit umher vom Brautgesange der Fluthen!
Erde, wie bist du schön, mit wechselnden Bergen und Thälern,
Mit sanftrieselnden Quellen geschmükt und ruhenden Seen,
Mit gethürmten Gebirgen, wo überhangenden Felsen
Hohe Tannen entwachsen und Ströme reissend entstürzen,
Mit geweihten Einsiedleien, wo unter dem Schatten

 

[Manuskriptseite 64.]

Freundlicher Buchen und dichtrischer Eichen die hohe Begeistrung
Schwebet und weht in Säuseln und Brausen des heiligen Haines,
Oder im Morgengeräusch des geisterhebenden Weltmeers!
Sanfte Ruhe wandelt in deinen friedsamen Thalen;
Steile Gebirge sind reicher an kühnen Thaten und Freiheit.
Sie, des Weisen Wunsch, der Spot des klügelnden Sklaven,
Wählte die schneeigen Alpen, um Muth und Einfalt zu seegnen.
Heiliges Land, dich grüss' ich aus überwallender Fülle
Meines schwellenden Herzens! Wie ward mir auf deinen Gebirgen,
Wie in deinen Thälern so wol! Ach, werd ich dich nimmer
Wiedersehn? Nicht mehr in deinen Seen mich baden?
Noch im schmelzenden Schnee, an der Wiege mächtiger Flüsse?
Gothard, seh ich nimmer dich wieder? Dein felsiger Rükken
Trieft von hundert Strömen, die deinem Scheitel entstürzen;
Auf dir hauset Entsezen und Graun in Wolken gehüllet;
Deine Pfade besucht der bleiche starrende Schwindel!
Sanfter bist du, Natur, in Seelands blühenden Fluren;
Goldne Saaten krönen deas Haupt des lächelnden Eilands.
Seeland, ich liebe dich auch! in deiner Wälder Umschattung
Wohnet freundliche Ruh! sie wohnt in grünenden Auen,
Und in spiegelnden Seen von hangenden Buchen umkränzet.
Dich umfleust das heilige Meer, und waldige Hügel
Drängen kühn sich hervor von schäumenden Wogen umrauscht

 

[Manuskriptseite 65.]

Zahllos sind, o Erd', und edel deine Geschenke!
Deinen Kindern geben sie Kraft und Nahrung und Freude!
Lächelnd blüht die Verheissung des iungen Iahres am Zweige,
Und der sinkende Ast erfült sie mit schwellenden Früchten.
Siehe, bald lokt mich am Gipfel des Baums die glänzende Kirsche,
Und bald ladet mich ein die labsalduftende Erdbeer.
O, wie schmükt der Sommer dein Haupt mit farbigen Blumen,
Deren Balsam die Luft mir mit leisen Fittigen zuweht !
Gleich der Erdbeer, verbirgt sich bescheiden das Veilchen; ein sanftes
Mädchen suchet es auf, und wiegt es am wallenden Busen.
O, wer nennet sie alle, die duftenden, farbigen Freuden,
Die dem gewässerten Thal' und umwölkten Bergen entblühen?
Sprich, Natur, wo tauchtest du ein den schaffenden Pinsel,
Als du den Teppich der Alpen mit Enzianen bemahltest,
Deren glänzendes Haupt mit dem Blau des Himmels sich kleidet?
Wen entzükt nicht die Lilie? o, wie seelig verweil' ich
Unter den lieblichen Schaaren der tausendfaltigen Nelken!
Siehe, dort koset mit mir das duftende hangende Geisblat,
Und es winket mir hier die kaum geöfnete Rose!
Rose, wer dich nicht liebt, dem ward im Leib der Mutter
Schon sein Urtheil gesprochen, der sanftesten Freuden zu mangeln!
Ihn wird Philomelens Gesang zur Quelle nicht lokken,
Ihn kein liebender Blik des süssen Mädchens entzükken!

 

[Manuskriptseite ohne Zählung]


Rose, dein Leben ist kurz! ach, klagt im weinenden Liede,
Mädchen, klaget den Tod der schnelverblühenden

 

[Manuskriptseite 66.]

Rose!
Sieh, ich hoff' es zu dem, aus dessen seegnendem Fustrit
Sonnen stralen und Rosen blüh'n, erlöschenden Sonnen
Und hinwelkenden Rosen verleiht er ewige Iugend,
Wenn dereinst die Ströme des Lebens dem himlischen Urborn
Werden entfliessen, in Flüss' und Bäch' und Quellen vertheilet,
Und die ganze Schöpfung, verklärt, ein Himmel, ihm lächelt!
Erde, harre ruhig der Stunde des besseren Lebens,
Saml' indessen in deinem Schoosse die harrenden Kinder!
Siehe, noch werden dich oft die wechselnden Stunden umfangen,
Dich mit blendendem Schnee und blühendem Grase noch kleiden!
Nimmer wirst du veralten! im lächelnden Reize der Iugend
Werden plözlich erbleichen die Sonnen, die Monde, die Erden,
Wenn die Sichel der Zeit in der Rechte
des Ewigen schimmert,
Und hinsinken wird, in einem rauschenden Schwunge,
Diese Garbe der Schöpfungen Gottes, die Wölbung des Himmels,
Den wir seh'n, mit tausendmal tausend leuchtenden Sternen.

– –" Seit. 193. 194. 195. 196. 197. 198. 199. 200.

 

[Manuskriptseite 67.]

[Ib-08-1780-0183]
4) Über die Sprache der Vorwelt – von Anton.

 

[Ib-08-1780-0184]
"Ie kleiner die Familie ist, ie mehr sie aus Eingebornen – nicht Gesinde – besteht, ie mehr Sprachharmonie. Hier war Man und Männin, dann durch Kinder in Vater und Mutter umgeformt, ohn' alles Hausgesinde, mit wenigen Bedürfnissen umringt. Iedes kante des andern Ton. – Aber sie bereicherten auch ihre Sprache. Bald erfand dieser, bald iener neue Töne, und theilte sie andern mit. Iubal erfand Pfeifen und Tubalkain Eisenarbeit! Welche Bereicherung für die Sprache muste dies sein! –

 

[Ib-08-1780-0185]
Es war also nur Eine Sprache.

 

[Ib-08-1780-0186]
Die Schiksale derselben:

 

[Ib-08-1780-0187]
1) Kindesalter. Gott gab dem Menschen herliche Organe, Kraft deren sich dieser Töne bildete, und alle Mitgeschöpfe mit Namen belegte. Bedürfnisse der Natur, Man und Frau, kurz alles, was nothwendig zur Familie gehört, und gleich in der Natur aufstöst, waren die ersten Laute.

 

[Ib-08-1780-0188]
2) Knabenalter , oder Fortgang der Sprache. Zu Enos Zeihen Zeiten fing man an vom Namen des Herrn zu predigen, oder nach andern, sich Namen der Kinder Gottes beizulegen.

 

[Ib-08-1780-0189]
Immer mehr Bedürfnisse bis zum Thurmbau in Babel.

 

[Ib-08-1780-0190]
Hier ist schon Ende der Urtöne. Die Ideen wikkelten sich aus, die Sprache ward wortreich und zusammengesezt.

 

[Manuskriptseite 68.]

[Ib-08-1780-0191]
3) Iünglingsalter, oder Entfernung der Sprachen.

 

[Ib-08-1780-0192]
Hier machte Babel Epoche. Allein nur in den Wörtern, die Luxus, oder die neuerfundne Bedürfnisse bei'm Bau hervorbrachte, kam die erste Abweichung vor, nicht in Urtönen. Diese blieben nach, denn Abraham redete mit Abimelech und Melchisedech und andern Personen ohne Dolmetscher.

 

[Ib-08-1780-0193]
Sein Urenkel Ioseph braucht' in Ägypten schon einen Dolmetscher. Ganz natürlich, da iede Sprache sich immer mehr und mehr entfernt, von der andern bildete.

 

[Ib-08-1780-0194]
Ein rauheres oder sanfteres Klima änderte die Sprach' in rauhere oder sanftere Töne.

 

[Ib-08-1780-0195]
Manche Familie breitet' ihre Kentniss' aus, studirte die Geschichte der vergangnen Zeiten, beobachtete die Gestirne, gab sich Gesezze, erfand Künste;

 

[Ib-08-1780-0196]
Eine andre blieb in ihrer Hord' und dachte mehr auf körperliche als geistige Nahrung. Muste nicht beider Sprache sich himmelweit entfernen?

 

[Ib-08-1780-0197]
Andre handelten mit ihren Nachbarn, erfanden Schiffarth, und vervielfältigten ihre Produkte pp.

 

[Ib-08-1780-0198]
Die Nachbarn blieben einander gleich, im Mittelpunkt Abstand – immer entfernter.

 

[Ib-08-1780-0199]
Welche verschiedne Sprache müssen die Einwohner der beiden Pol' haben!

 

[Manuskriptseite 69.]

[Ib-08-1780-0200]
4) Mansalter, oder Zusammensezzung entfernter Sprachen.

 

[Ib-08-1780-0201]
Dies that die Handlung, z. B. Phönizien mit Irland.

 

[Ib-08-1780-0202]
Aber dann die grosse Völkerwanderung!

 

[Ib-08-1780-0203]
Diese volführte das Werk.

 

[Ib-08-1780-0204]
Hier sieht nun die in ihrer Reinigkeit gebliebne Sprache mit *...* ernstem Mansblik auf alle die Bastart' hin, die aus dieser Vermischung hervorsprangen.

 

[Ib-08-1780-0205]
Schwelgerei, mehrere Bedürfnisse; durch Völkerwanderungen eingeführte Sklaverei, brauchen neue Namen.

 

[Ib-08-1780-0206]
5) Greisenalter oder Stilstand.

 

[Ib-08-1780-0207]
Eine Sprache, die so weit gestiegen ist, daß sie nichts mehr thun kan, als zusammengesezte Wörter, wieder zusammensezzen, und ausländischen Wörtern 's Indigenat ertheilen, ist ihrem Zeitpunkt nahe!

 

[Ib-08-1780-0208]
Ich kehre zurük.

 

[Ib-08-1780-0209]
Es war nur Eine Sprache, welche erst nach der grossen Erdüberschwemmung – wieder eine algemeine mit der Bibel harmonirende Tradizion – sich abänderte.

 

[Ib-08-1780-0210]
Ist dieses, so stammen unsre iezzigen Sprachen, wenigstens die mehresten von ihr ab – Ich sage, die mehresten, denn auch ein besondrer Zufal, auch eine Beredung kont' eine neue Sprache schaffen. –

 

[Ib-08-1780-0211]
Ist auch dieses, so müssen sich noch Züge des mütterlichen

 

[Manuskriptseite 70.]

Geschlechts Gesichts finden, troz den Schminkpflästerchen und Muttermälern, welche manche von ihren Töchtern trägt.

 

[Ib-08-1780-0212]
Diese Übereinstimmung aber kan sich nur in Wörtern und Redensarten des kindlichen oder vielleicht auch des Knabenalters befinden, da, wo dieses an ienes anstöst.

 

[Ib-08-1780-0213]
Es müssen also dieienigen Sachen und Dinge, welche 's Kind zuerst sieht, die zur Familie gehören, Grundstoffe der Natur, oder blosse ungeschminkte Erfindungen derselben sind, Ähnlichkeiten haben, z. B. Vater, Himmel, Erde pp.

 

[Ib-08-1780-0214]
Desgleichen die Empfindung von gut und böse, so wie auch die Selbständigkeit, Ich und mein Mitgeschöpf Du.

 

[Ib-08-1780-0215]
Alle gekünstelte Sachen, vom Knabenalter an, bis iezt, müssen nur in der Erfinderin und ihren Spröslingen Ähnlichkeit haben.

 

[Ib-08-1780-0216]
Wäre man nun im Stand' aus diesen Überbleibseln und ehrwürdigen Ruinen einen fixen, überal zu findenden Ton herauszuziehn, und ihn zur Basis zu machen, so würd' uns die Aufsuchung mehrerer Wörter in den Stand sezzen, ein Lexikon der Vorwelt zu schreiben.

 

[Ib-08-1780-0217]
Ihrer würden wenig und sie all' einsylbig sein.

 

[Ib-08-1780-0218]
Könte man aber in ganzen Redensarten, in ganzen Wendungen, Übereinstimmung finden, so wäre man noch glüklicher, denn dann hätte man eine algemeine Grammatik.] S. 71 scannen!

 

[Manuskriptseite 71.]

[Ib-08-1780-0219]
Folgende Bemerkungen kan man auch zu einer algemeinen Grammatik machen brauchen:

 

[Ib-08-1780-0220]
1) In allen Sprachen ist gut, und in den mehresten auch böse, unregelmässig im Komparativ und Superlativ.

 

[Ib-08-1780-0221]
Dieses sind auch überdieses noch Töne des ersten Alters.

 

[Ib-08-1780-0222]
2) Das Fürwort Ich ändert sich in mein ab, das ist, die folgenden Kasus erhalten überal m. welches ohne Zweifel der uralte Artikel ist, und sich noch im Sinesischen als Artikel befindet.

 

[Ib-08-1780-0223]
3) Das Zeitwort sein, esse, ist fast überal anomalisch.

 

[Ib-08-1780-0224]
4) Die Präposizion in ist vermutlich die ursprüngliche unter ihren Schwestern, da sie überal so gleichlautet pp.

 

[Ib-08-1780-0225]
Prob' eines algemeinen Wörterbuchs:

 

[Ib-08-1780-0226]
Be – Gut.

 

[Ib-08-1780-0227]
Beh Pers. Ba Irl.

 

[Ib-08-1780-0228]
B–onus Lat. Io–oh. Hebr.

 

[Ib-08-1780-0229]
Do–b–ri Slav. u. s. f.

 

[Ib-08-1780-0230]
Diese Sprachen haben den Urton noch im Positiv. Andre verloren ihn und nahmen ein Wort an, welches etwa folgende Abstammung haben könte.

 

[Ib-08-1780-0231]
Hao. Sines. Gut.

 

[Ib-08-1780-0232]
Hea. Esthisch –

 

[Ib-08-1780-0233]
Io. Ungar. –

 

[Ib-08-1780-0234]
Cuat. Altd. – Gad. Dän. Gut. Deutsch. ] S. 72 scannen!

 

[Manuskriptseite 72.]

[Ib-08-1780-0235]
Im Komparativ findet sich dann 's Stamwort wieder.

 

[Ib-08-1780-0236]
parrem. Esthisch. Besser. Deutsch.

 

[Ib-08-1780-0237]
Im Sinesischen und Ungarischen gieng es ganz verloren.

 

[Ib-08-1780-0238]
Ba – Vater

 

[Ib-08-1780-0239]
Ba (Mandinga) Ba–b. Ba–ba. Ba–bu. Pater. Pater. (Griech.) Fa. Fater. Vater etc. Phater. (Pers.) Um–Fa. Fé–dré (Zend.) Fu. Sines.

 

[Ib-08-1780-0240]
Ab–h. Ab–ba. Ab–ider. (Pehlvi) At. At–hair. (Irländ.) At–ja. At–teh. At–zo. Ot–ez. Ot–je. Ait–a. Hait–e. Eit–es. Samin–etun. Tat. Ta–ta. Te–htin. Te–latis. Tai. Ta–ttu. Ta–te. Tatume.

 

[Ib-08-1780-0241]
Ma. Mutter.

 

[Ib-08-1780-0242]
Ma–m. Irl. Mama. Alt. Wolach. Mamma. Maltes. Ma–der Pers. Madeh. und Aa–mider. Pehlvi. Mater. Ma–thair Irl. Ma–ez. Wend. Ma–tka. Poln. Ma–tke Böhm. Mäté und Mediché Zend. Ma–tj . Russ. Me–ter. Griech. Mu Sines. Mu–tter. Deutsch pp.

 

[Ib-08-1780-0243]
Gar,

 

[Ib-08-1780-0244]
ein umschlosner, abgetheilter Ort.

 

[Ib-08-1780-0245]
1) Thurm.

 

[Ib-08-1780-0246]
Car. Szit. Kaer. Brit. Kar–th. Kald. Phöniz. –

 

[Manuskriptseite 73.]

daher Kartha–goKar–itita. Sir. Kar–iah. Hebr. Kar–at. Griech. Car–ia. Zibrit. Ca–thai–r. Irländ.

 

[Ib-08-1780-0247]
2) Haus. Gards. Ulfil. Caer–ten. A. S. Ew–harre Otah.

 

[Ib-08-1780-0248]
3) Garten. Garten. D. garden – – Engl. jardin. Fränz. Giardino . Ital. Car–tin, (Kero). hor–tus. lat. Etwas verändert:

 

[Ib-08-1780-0249]
Tar–ha. Finn. Tar–ra. Esth. Dahrs. lett. dar–zas. Preuss. Tar–oda. Wend. Zar–ada. Böhm.

 

[Ib-08-1780-0250]
Daher 's böhmische Hrad und wendische Hrod ein Schlos.

 

[Ib-08-1780-0251]
5) Dorf. Choara. Walach. Ka–turt. Alban." – Seit. 245. 246. 247. 248. 249. 250.

 

[Ib-08-1780-0252]
5)

 

[Ib-08-1780-0253]
Lambert und Segner.
"Architektonik des Verstandes! der Wahrheit Organon! –
Er stirbt! – zu früh, zu früh ist Lambert uns entfloh'n!
Der dampfenden Kometen Lauf, des Lichtes Bahn und Stärke,
Des Feuers Kraft, der Töne Temp'ratur,
Was er, der Architekt erhabner, kühner Werke,
Der ächte Säugling der Natur.
Vielleicht, daß irgend ein Komet, in dunkler Ferne,
Ihn durch der Almacht Schöpfung schift,
Dort, wo sein Geist ein Heer ihm namenloser Sterne
Nachdenkend schaut, und nichts als neue Wunder trift;
Vielleicht, daß iezt sein Ohr – von kühnerm Flug' beschwingt –

 

[Manuskriptseite 74.]

Die hohe Harmonie der äussern Sphären trinkt.
Vielleicht – doch welch ein Schrekken fast den Geist!
Der das Bewustsein schwindelnd mir entreist –
Auch Segner schwingt sich schon im Adlersflug ihm nach? –
Welch ein doppelter Verlust! – Wer's fühlt, der klag' es nach!
Mir start die Zung' und alle Glieder beben –
O Vorsicht! las uns Kästnern leben. –"

Seit. 251.

 

[Ib-08-1780-0254]

 

[Ib-08-1780-0255]
6) Linne.
"Hingeblüht ist nun sein Leben –
Ruhe sanft in deiner Gruft!
Reife, bis zu ienem Tage,
Wenn der Herr der Ernte ruft!
Wie der Wurm in dem Gespinste,
Schlummernd, halbvollendet liegt:
Bis er dann, das Grab durchbrechend –
Froh der Sonn' entgegen fliegt.
Keiner hat der ird'schen Schöpfung
Gränzen in so weit umschift;
Keiner las, wie er, so fertig,
Der Natur geheimste Schrift.

 

[Manuskriptseite 75.]

Adlers blik im Schau'n und Ordnen
Folgt ihm in die Ewigkeit:
Er klassifizirt die Geister
Himlischer Erhabenheit. – –"

Seit. 252. 253.

 

[Ib-08-1780-0256]
7) Über'n Stil – nach dem Grafen von Büffon.

 

[Ib-08-1780-0257]
"Der Stil ist nichts, als die Ordnung und Bewegung, die man seinen Gedanken mitzutheilen weis. Wenn man selbige fest in einander kettet und gleichsam in einander drängt, so wird der Stil mänlich, nervig und kräftig. Läst man sie langsam auf einander folgen, und geschieht die Verbindung vermittelst blosser Worte, sie mögen noch so zierlich sein, so wird der Stil weitschweifig, schleppend und schal.

 

[Ib-08-1780-0258]
Dieser Ordnung, in welche man seine Gedanken zu stellen sucht, mus eine noch algemeinere Anordnung der Grundideen und Hauptbegriffe vorhergehen und durch ihre Stellung in dieser ursprünglichen Anlage wird der Gegenstand, nach seinem wahren Umfange, mit allen seinen Gränzen bestimt. Durch eine unermüdete Aufmerksamkeit auf diese ersten Züge müssen die richtigen Zwischenräume zur Absonderung der vornehmsten Ideen, und die zur Ausfüllung nöthiger Mittel und Hülfsbegriffe gefunden werden; durch die Kraft des Genies lassen sich sämtliche algemeine und be

 

[Manuskriptseite 76.]

sondre Begriff' unter ihren rechten Gesichtspunkt bringen; durch den Scharfsin der Urtheilskraft müssige Gedanken von fruchtbaren Ideen unterscheiden, und durch eine witternde Ahndungsfähigkeit (Sagazität) welche sich durch eine grosse Übung im Schreiben erwirbt, das Produkt von allen diesen Geschäften des Geistes zum voraus wahrnehmen. –

 

[Ib-08-1780-0259]
Ein ieder Gegenstand hat seine Einheit, und kan, wer mag noch so ungeheuer sein, in einer einzigen Abhandlung oder Red' eingeschlossen werden. Die Unterbrechungen, die Ruhstellen, die Abschnitte sollen keine Stat finden, als wenn man von so grossen, verwikkelten und unähnlichen Sachen zu reden hat, daß der Gang des Genies durch die Mannigfaltigkeit der Hinderniss' unterbrochen, und durch die Nothwendigkeit der Umstände dazu gezwungen ist. Weit gefehlt, daß ein Werk durch eine Meng' Eintheilungen gründlicher werden solte, wird vielmehr der Zusammenhang des Ganzen aufgelöst. Dem Anschein nach ist 's Buch klar; aber Dunkelheit schwebt über'n Entwurf des Verfassers. Es kan auf den Geist des Lesers nicht wirken; weil alle diese Wirkung von der Folge des Fadens, von der harmonischen Verbindung Ideen, von einer fortschreitenden Entwikkelung, einer aushaltenden Gradazion, einer einförmigen Bewegung abhängt, welche durch iede Unterbrechung gestört oder geschwächt wird. –" Seit. 255. 256. 257. 258.

 

[Manuskriptseite 77.]

[Ib-08-1780-0260]
"Gut zu schreiben erfordert zugleich gut zu denken, gut zu empfinden und sich gut auszudrükken, d. h. man mus Geist, Seel' und Geschmak besizzen. Der Stil begreift eine Vereinigung und Übung aller intellektualischen Kräft' in sich. Ideen geben allein den Grundstof des Stils. –

 

[Ib-08-1780-0261]
Das Leben des Stils hängt f* von der Individualität unsrer Begriff' und Leidenschaften ab, und von derselben geschikten Anwendung zur Erkentnis und Offenbarung der Gegenstände durch gleichartige Mittel. Die einheimische Selbstkentnis scheint die Einheit zu sein, welche das Maas und den Gehalt aller äusserlicher Erkentnis bestimt. – –" Seit. 264. 265.

 

[Ib-08-1780-0262]
8) Vom Gefühl der Identität.

 

[Ib-08-1780-0263]
"Das Gefühl der Identität, ist dasienige Gefühl, nach welchem wir empfinden, (mit oder ohne Wahrheit, das thut hier nichts zur Sache,) daß wir eben dieienigen Menschen oder Wesen sind, die wir vor zehn, funfzehn, zwanzig Iahren, kurz von der Zeit her, da wir uns überhaupt etwas besinnen können, waren. Trotz aller Veränderungen, die in uns vorgegangen sind, die wir zum Theil wissen und bemerken, als das Wachsen, das Dikwerden u. d., zum Theil aber auch nicht bemerken, als die Abänderung der innern Theile, sind wir fest überzeugt, daß wir noch dieselben Wesen sind, und 's würd' uns iemand lächerlich vorkommen, der uns das Gegentheil einreden wolte. Von diesem Gefühl sag ich, es sei genau mit dem Selbstgefühl verbunden, und das ist sichtbar.

 

[Manuskriptseite 78.]

Denn wenn wir gar nicht empfänden, daß wir existirten, so könten wir gar nicht empfinden, daß wir existirt hätten, vielweniger daß wir dieselben wären, die zu der und der Zeit existirten. So nothwendig ist aber die Verbindung dieser beiden Gefühle nicht, daß das Selbstgefühl gar ohne Gefühl der Identität nicht bestehen könte. Es wäre möglich, daß die Menschen bei ieder Empfindung sich selbst fühlten, ohne zu fühlen, daß sie ie vorher existirt und empfunden hätten. Also könte 's Selbstgefühl wol ohne Gefühl der Identität, dies aber nicht ohne Selbstgefühl existiren.

 

[Ib-08-1780-0264]
Das Gefühl der Identität ist eine natürliche und unausbleibliche Folge, eine blosse Bestimmung des Erinnerungsvermögens. Was das Erinnerungsvermögen sei, läst sich so wenig beschreiben, und dessen Ursprung und Ursach' im menschlichen Geiste so wenig angeben, als bei'm Empfindungsvermögen. Wir haben Empfindungen, und wenn diese vorbei sind, so stellen sie sich uns wieder vor. Wie diese gehabten Empfindungen sich uns wieder im Geiste bilden, kan man nicht sagen; man kan nicht beschreiben, was als dann in unserm Wesen vorgeht. Wir können nicht bestimmen: ist's blos eine schwächere Wiederempfindung, oder ist's eine ganz andre Art von Empfindungen und Vorstellungen? Ienes scheint deshalb wahrscheinlich, weil bei erhöhten, verstärkten Erinnerungen, die Gegenständ' uns oft gegenwärtig zu sein scheinen. Wenn ich aber hierin meiner eignen Empfindung trauen sol, so ist die Erinnerung ganz

 

[Manuskriptseite 79.]

etwas von dem Eindrukke des Gegenstandes verschiednes, und die Erinnerung an den Geschmak einer Pomeranz' hat nichts ähnliches mit dem allerschwächsten ersinlichen Grade des wahren Geschmaks derselben. Ich werde dadurch in dieser Meinung bestärkt: weil die zum wahren Gefühl' erhöhte Erinnerung immer aus einem zerrütteten und kranken Zustand des Wesens, das sie erfährt, entspringt, der mehr eine Verrüttung des Gebrauchs der innern Organen, als eine blosse Verstärkung desselben anzudeuten scheint. Dem sei wie ihm wolle, so bleibt's allemal gewis, daß sich die Erinnerungen eben so verhalten wie die Empfindungen; so daß ich die Erinnerung des Bildes einer Pomeranze, mit der vom Bild' eines Zukkerhuts, so wenig vermengen werde, wie die Empfindung der Sachen selbst; und daß ich allemal, wenn ich mich einer Sach' erinnere, und ich habe Gegenständ' um mich, erkennen werde, ob der Gegenstand, dessen ich mich erinnere, dabei ist oder nicht. So wie sich die Empfindung mir eingeprägt hat, so ist die Erinnerung beschaffen, und ich kan sie von ieder andern Erinnerung und Empfindung unterscheiden. Und das war in der That nothwendig, wenn der Mensch den allergeringsten Nuzen vom Erinnerungsvermögen haben solte: wär' es anders, so würd' es blos darzu dienen, uns wie Unsinnige von einem Irthum in den andern zu führen. –

 

[Ib-08-1780-0265]
Was sind nun alle Dinge in der Welt für uns? Nichts anders als Empfindungen, als Eindrükk' auf unser Ich. Wenn nun iede Erinnerung alle Verhältnisse der Empfindung behält, und iede Empfindung aus zwei oder drei

 

[Manuskriptseite 80.]

Theilen besteht, nämlich aus der Vorstellung des Eindruks, der auf uns gemacht wird; aus der Vorstellung oder dem Gefühle des Ichs, worauf der Eindruk geschieht; und endlich aus der Vorstellung des Gegenstandes der den Eindruk macht, so mus auch iede erinnernde Vorstellung aus dreien Theilen bestehen. Nun aber ist zu bemerken, daß das Gefühl des Ichs von allen andern Gefühlen ganz wesentlich unterschieden ist; es ist eine ganz andre Art von Eindruk, denn iedes andre Gefühl ist blos das Gefühl eines Eindruks auf's Ich. So mus sich's also auch bei ieder Erinnerung verhalten; die Erinnerung des Selbstgefühls mus von der Erinnerung eines ieden auf dieses Ich geschehenen Eindruks wesentlich unterschieden sein.

 

[Ib-08-1780-0266]
Bei diesem meinem Ausdrukke, mus ich in eine Schwierigkeit fallen: ich mus von den Theilen, die eigentlich eine einzige Empfindung ausmachen, als von so vielen abgesonderten Gefühlen reden, um mich zu erklären. Das Gefühl, die Wahrnehmung des Ichs, des Eindruks, und des Gegenstandes, sind nur drei Theil' einer einzigen bei uns durch einen äussern Gegenstand erregten Empfindung, und nicht drei Empfindungen; ob ich mich schon so ausdrükken habe müssen, als wären's drei Empfindungen. Aus diesem wird leicht einzusehen sein, warum 's Gefühl der Identität von ieder Erinnerung ganz unzertrenlich ist, und stat haben mus, sobald als iene stat findet. Denn bei der

 

[Manuskriptseite 81.]

Erinnerung einer gehabten Empfindung stelt sich der Theil des Gegenstands, der Theil des Eindruks der den Eindruk machte, als Erinnerung des Gegenstandes, der Theil des Eindrukkes, als Erinnerung des Eindrukkes, und der Theil des Selbstgefühls als Erinnerung des Selbstgefühls, vor. Von dieser Vorstellungsart der Theile, woraus iede Empfindung besteht, bei der Erinnerung derselben hängt's Gefühl der Identität ganz allein ab. Denn so bald als ich mich des damals gehabten Selbstgefühls als Selbstgefühls erinre, so mus ich mich mir auch als dasselbe Wesen denken, das damals den Eindruk empfing, ich mag's sein, oder nicht; denn wie könt' ich mich mir bei'm Selbstgefühl als ein andres Wesen denken? Es ist eine wahre contradictio in adiecto. –

 

[Ib-08-1780-0267]
Daß das Gefühl der Identität mit der Erinnerung wesentlich verbunden ist, wird dadurch noch augenscheinlicher, daß es ohne dieselbe gar nicht existiren kan würde. Wenn wir uns nicht erinnerten, vor 10 Iahren die und die Empfindungen gehabt zu haben, so würden wir gar nicht wissen, ob wir damals existirten, und noch viel weniger, ob wir dieselben sind, die wir ehemals waren. Zum Beweise sei die Zeit unsrer allerersten Kindheit. Ich bin 34 Iahr alt. Ich habe das Andenken von keiner einzigen Empfindung in den allerersten vier bis fünf Iahren meines Lebens behalten, und weis also nicht, oder besser zu sagen, habe nicht das geringste inre Gefühl, gar keine inre Überzeugung, daß ich

 

[Manuskriptseite 82.]

dasselbe Wesen bin, was ich damals war, oder überhaupt, daß ich damals ein lebendiges Wesen war. Wenn ich's weis, so haben mir's blos andre gesagt. –

 

[Ib-08-1780-0268]
Ich bemerke noch mehr. Es giebt unter ieder tausend Handlungen, die wir in unserm Leben thun, unter ieder tausend Empfindungen, die wir haben, vielleicht ein halb Duzend, die in unserm Andenken bleiben, weil ihr Eindruk entweder stark, oder langwierig gewesen ist. Von 94 andern bleibt uns ein dunkles Andenken zurük, wodurch, wenn sich dieselbe Empfindung einstelt, wir sie für eine schon gehabte erkennen. Die 900 übrigen unwiederbringlich verloschen und verloren. Ist's Ihnen nicht hundert mal passiert, daß Ihnen Iemand von einer der 900 ganz erloschnen Empfindungen und Handlungen erzählt? Man sagt Ihnen, Sie haben das und das gethan oder gesagt. Es mag auch wahr sein, oder nicht und ist gemeiniglich wol wahr. Wenn Sie Sich's aber nicht erinnern können, so kriegen Sie auch in ihrem Leben kein Gefühl der Identität von der Handlung und Empfindung, und können also mit innerer Überzeugung nimmermehr sagen, ob Sie dasselbe Wesen sind, das that und empfand oder nicht; sie haben davon gerade die Empfindung, die sie von dem haben, was ein ander Wesen gethan hat, und Ihnen berichtet wird. -

 

[Manuskriptseite 83.]

[Ib-08-1780-0269]
Ich wil hier bemerken, daß wir eine gedoppelte Identität, oder Personalität haben, eine für uns, eine für andre, die beide auf ganz andern Gründen beruhen, ganz verschiednen Gesezzen folgen, und endlich ganz unabhängig von einander sind, wenn sie schon oft eine auf die andre Einflus haben, und in ihren Wirkungen auf einander sich vermischen.

 

[Ib-08-1780-0270]
Die Personalität für uns selbst gründet sich lediglich auf's Erinnerungsvermögen. Weil bei der Erinnerung einer Empfindung, der äussere Gegenstand, der Eindruk desselben, und 's Gefühl des Ichs, alles sich wieder an seiner Stelle, und in seinem Verhältnisse meinem Geiste darstelt, und ich 's Gefühl des Ichs nicht als das Gefühl eines andern Menschen oder Dinges empfinden kan, denn sonst wär' es nicht mehr Selbstgefühl, so mus ich mich bei der Erinnerung für dasselbe Wesen halten, das ich war, als ich die erinnerte Empfindung hatte, ich mag's sein oder nicht. –

 

[Ib-08-1780-0271]
Die Personalität für andre, gründet sich auf die Kontinuität der Erscheinungen und Eindrükke, die ein Mensch von seiner Geburt an bis auf seinen Tod auf uns machen kan, verbunden mit der Kentnis der Veränderungen, die ein solches Wesen im ganzen Zeitraum erfahren kan. – –

 

[Ib-08-1780-0272]
Wenn sich 's Gefühl der Identität auf etwas reelles in unserm Wesen gründete, so müst' es nie betrüglich sein, so wenig als das Gefühl un

 

[Manuskriptseite 84.]

sers Ichs. Und das ist's doch ganz sonder Zweifel. Ich habe das Gefühl der Identität von verschiednen Begebenheiten, zumal meiner Kindheit, von denen ich weis, daß sie meine Ältern oft in meiner Gegenwart erzählt haben. Erzählung von Begebenheiten gebiert nie 's Identitätsgefühl davon; allein die gänzliche Erlöschung aller Ideen aus der damaligen Zeit, macht, daß ich glaube, durch das viele Erzählenhören und daraus entsprungene Erinnern, und gelegentliche Selbsterzählen, hab' ich in Ansehung dieser Begebenheiten ein erkünsteltes Identitätgefühl gemacht, ohn' es zu wissen. –

 

[Ib-08-1780-0273]
Ich habe * gesagt, das Gefühl unsers Ichs sei ganz eigenthümlich und wesentlich mit unsrer Natur vereint, und 's betrüg' uns nicht. Dies verdient eine Erläuterung. Wenn sich Narren eingebildet haben, sie wären ein Hahn u. s. w., so möchte man wol fragen, ist das ein Verirren des Selbstgefühls? Ich sage nein. Das Selbstgefühl ist ganz unterschieden von der Vorstellung, die wir von unserm Körper haben und ganzen Wesen, Figur, Beschaffenheiten, Fähigkeiten haben. Die Kentnisse dieser Umständ' unsers Ichs erhalten wir gröstentheils durch unsre Sinne, durch Versuch' und Erfahrungen, auf eben die Art wie wir die Kentnis äusserer Gegenständ' erhalten. Es liegt zwar ein Gefühl von ihren Organen und deren G*ge**

 

[Manuskriptseite 85.]

Gebrauch bei Menschen und Thieren zum Grunde, aber auch dies Gefühl bleibt bei den Thoren dieser Art. Wenn einer sich schon einbildet, ein Hahn, ia ein Gerstenkorn zu sein, so wird er doch nicht vergessen die Zähne zum Beissen, und die Hände zum Greifen zu gebrauchen. Da man nun aber die Figur und äussere Beschaffenheiten seines Ichs, so wie äussere Gegenstände kennen lernt, so kan man die Begriffe davon so wol verwirren, als iede Begriffe, die man durch die Sinn' empfängt. Wenn aber eine Verwirrung des Selbstgefühls vorgehen solte, so müste iemand meinen, daß die Eindrükke, die auf ihn geschehen, nicht auf ihn, sondern auf andre geschehn, hingegen, wenn andre Wesen Eindrükk' empfangen, müst' er meinen, er empfange sie. Wenn sich iemand mit Verwirrung des Selbstgefühls für einen Hund z. B. hielt, so müst' er, wenn er geschlagen würde, glauben, ein andrer Hund würde geschlagen; hingegen wenn er einen Hund etwas fressen sähe, müst' er meinen, er äss' es, und sich davon gesättigt fühlen. Und das ist noch nie erhört worden. Ich halte mich also berechtigt, hieraus zu schliessen, daß das Gefühl des Ichs auf etwas dem Menschen Wesentlichem beruhe; das Gefühl der Identität hingegen nicht, sondern nur auf einer Vorstellungsart.

 

[Ib-08-1780-0274]

Wenn ein Mensch gar keine Erinnerung einer zu einer gewissen Zeit gehabten Empfindung behält, so bleibt ihm auch

 

[Manuskriptseite 86.]

nicht's geringste Bewustsein von seiner Existenz in der bemeldeten Zeit, er hat kein Gefühl seiner damaligen und izzigen Identität. Das ist der erste Fal. Allein es giebt der Fälle mehrere, als der benante. Man behält auch gar kein Gefühl der Identität von Zeiten, wo 's Gefühl des Ichs in seiner ganzen Thätigeit war. Und zwar nach diesen Gesezzen. Wir verlieren's bei Begebenheiten, die wir vergessen. Wenn man stark betrunken wird, so giebt's eine Periode zwischen dem Punkt, wo die Vorstellungen noch ziemlich ordentlich sind, und dem, wo man in den Todesschlaf der Trunkenheit verfält, deren Andenken bei'm Erwachen ganz erloschen ist; und von alle dem, was man da empfunden oder gethan hat, bleibt nicht 's geringste Identitätsgefühl. Eben so bei Rasenden, bei wilden Menschen, deren Verstand ausgebildet worden. Was alle diese Personen in so verschiednen Umständen unter sich gemein haben, ist dieses, daß auf einmal eine ganze Menge ganz neuer und von den ehmaligen ganz heterogener Ideen in ihr Sensorium eindringt. Aus diesen schliess' ich, daß, wo plözlich eine ganz neue Reihe von Ideen in's Sensorium eintrit, geht 's Andenken aller vorhergehenden verloren. Allein bei einer blos totalen Unterbrechung aller Ideen, als bei'm Schlafe, oder bei tiefen Ohnmachten, Katalepsien und dergleichen, geht die vorige Reihe wieder an. Wenn ein Wahnsinniger

 

[Manuskriptseite 87.]

gute Intervallen hat, so trit gemeiniglich eine gedoppelte Ideenreihe, ein doppeltes Identitätsgefühl ein; die Rasereien fängt er wieder an, wo er sie gelassen hat, und hat kein Gefühl seiner Identität in den guten Augenblikken. Und wenn er wieder vernünftig ist, so weis er nichts von dem, was er im Wahnsinne gethan hat, weis gar nicht, ob er während der Zeit existirt habe; allein 's stellen sich die Ideen aus'm vernünftigen Zustande wieder ein. – –

 

[Ib-08-1780-0275]
Die Thier' haben auch ein Identitätsgefühl, weil sie Erinnerungskraft haben. –

 

[Ib-08-1780-0276]
Man behält Ding' in seinem Gedächtnis und die Erinnerungskraft ist dann im Stande sie uns darzustellen, entweder weil sie einen starken, oder weil sie einen oft wiederholten langwierigen Eindruk gemacht haben. Den starken Eindruk machen Ding' auf uns, aus einer doppelten Ursache; entweder ohn' unser Zuthun, durch ihre eigne Kraft, mächtig in unser Sensorium zu wirken; oder durch unser Zuthun, wenn wir eine starke Aufmerksamkeit darauf verwenden. Die Erinnerungskraft folgt dem gemeinschaftlichen Gesezz' aller Kräft' empfindender Wesen, daß sie nämlich durch die Übung verstärkt werden: daß also bei einer sehr geübten Erinnerungskraft der Eindruk weder sehr stark noch oft wiederholt sein darf, um im Gedächtnisse zu bleiben. Die Stärke des Eindruks oder die Wiederholung desselben, steht die nöthig ist, um ihn im Sensorium eines ieden

 

[Manuskriptseite 88.]

Wesen zu erhalten, wird folglich mit der Stärke der Erinnerungskraft, und diese mit der Übung derselben im Verhältnis stehen.

 

[Ib-08-1780-0277]
All' Eindrükke, die einzeln sehr schwach gewesen, und nur durch eine öftere Wiederholung im Sensorium geblieben sind, haben's natürlicher Weis' an sich, daß das Wesen sie zwar für alle schon gehabte Eindrükk' erkent, und sie sich ihm als solche im Gedächtnis darstellen, wenn ihm etwa verwandte Eindrükke die wirkliche Erneuerung derselben erwarten läst, oder 's sie aus irgend einem Bedürfniss' erneuert zu sehn wünscht. Allein's weis nicht, wenn's dieselben zuerst empfangen, wie oft 's sie gehabt hat, es kent auch, wenn 's Eindrükk' in seinem Gedächtnisse mehrere besizt, ihre Folge nicht, weis nicht, welches älter oder iünger ist, welchen 's zuerst und öftrer empfangen hat, als den andern. Nun bemerke man, daß bei den Thieren fast all' Eindrükke, die sie in ihrem Gedächtnisse behalten haben, von der lezten Art sind, solche, die durch die öftere Wiederholung hinein drangen. Solcher aber, die sich durch die Stärk' ihrer Wirkung auf 's Sensorium demselben imprimirt haben, sind bei ihnen sehr selten. Die Ursachen davon sind sichtbar. Erstlich rulirt die inre Aufmerksamkeit der Thiere blos auf ihre sich immer wiederholende Bedürfnisse: also kan selbst ihre innre Aufmerksamkeit nur öfters wiederholte Eindrükk' in ihr Ge

 

[Manuskriptseite 89.]

dächtnis bringen. Die Begebenheiten, die aber vermög' einer eignen Kraft auf sie wirken könten, sind in dem einförmigen Thierleben sehr selten. Die Aufmerksamkeit von Seiten der Thier' oder die Stärke von Seiten des Eindruks müsten auch beide ganz unendlich stärker bei einem Thiere sein, wenn der Eindruk in dessen Sensorium bleiben solte, als es bei'm Menschen nöthig ist, weil's Gedächtnis bei ienem fast gar nicht geübt ist, und also unendlich schwächer ist, als bei diesem.

 

[Ib-08-1780-0278]
Bei'm Menschen ist das alles ganz anders. 1) Da die Aufmerksamkeit blos durch ein Bedürfnis erregt werden kan, und 's Bedürfnis sie nur dan auf Gegenstände lenken kan, wenn die Organisazion das Wesen in Stand sezt, sich die Gegenstände zu seinen Bedürfnissen zu appropriiren, so bedenke man einmal hier des Menschen Vorzüge. Seine Bedürfnisse sind gros, und seine Organen sezzen ihn in Stand, fast alle Gegenstände zur Befriedigung derselben zu vermeiden. Was hülf' es einem Pferde, wenn's schon so wie der Mensch 's Bedürfnis der Kleidung hätte? Dies könte doch seine Aufmerksamkei*t auf die Thierhäute, und von da auf 's Gespinst des Seidenwurms, auf die Pflanze, die der Lein und Hanfsamen hervorbringt, nicht lenken, um dies Bedürfnis dadurch zu befriedigen; denn sein Horn an den Füssen, seine Unfähigkeit aufrecht zu gehen, sezten's

 

[Manuskriptseite 90.]

ausser Stand diese Dinge seinem Bedürfnisse zu appropiiren . Der Aff' hat schon die Erinnerung von viel mehr Dingen in seinem Sensorium, weil ihn seine Organisazion mit weit mehrern Dingen in Verhältnis sezt. 2) Welche Gedächtniskraft erzeugen nicht zwei Umstände bei den Menschen? Erstlich die Organisazion seiner Gehör= und Sprachwerkzeuge, vermöge welcher er mit ieder Idee einen Schal verbinden kan: die da macht, daß er eine ganz ungeheure Menge von Schallen, und mit denselben eine eben so grosse Menge von Ideen behalten kan; daß er endlich im Stand' ist, die inre Empfindung dieser Schall' in seinem Sensorium auf's genauste deutlichste zu erregen, welches seine Fähigkeit, sich dergleichen Schall' und die damit verknüpften Ideen besser, leichter und in grösrer Meng' im Gedächtnis zu imprimiren, noch verstärkt. Zweitens die Wiederholung des Andenkens ieder Sache durch's tägliche Gespräch. Wir finden auch, daß das Andenken einer einmal gehabten Empfindung, sie mag noch so stark gewesen sein, wenn sie gar nicht erneuert wird, am End' erlischt, und dazu gehört gemeiniglich weniger Zeit, als man gemeiniglich glaubt. Allein in dem Falle sind wir fast gar nicht; denn iede nur einigermassen merkwürdige Sache wird im Gespräch, nicht Einmal, wol hundertmal wieder

 

[Manuskriptseite 91.]

holt. Wie gering braucht nun bei einer so geübten Gedächtniskraft, die Aufmerksamkeit, wie schwach der Eindruk zu sein, um im Gedächtnis zu bleiben! Nun betrachte man, daß der Mensch durch die Sprachfähigkeit im Stand' ist, das ganze Ideensystem andrer Menschen zu empfangen; von demselben auszugehen, um Fortschritte zu thun, daß er diese Sprachfähigkeit hat gewust mit der Sehkraft in Verbindung zu sezzen, durch die Schreib= und Lesekraft; und also Mittel gefunden hat, die Ideen aus den ältesten Zeiten zu fixiren, und die von einer ganzen Menge Menschen im Gehirn eines einzigen zu vereinigen. Hiedurch hat er nun Mittel gefunden, seine Gedächtniskraft so zu verstärken, die empfangenen Eindrükke so zu fixiren, daß von der Zeit an, da's Gedächtnis diese Übung erlangt hat, nur die allerunbedeutendsten Eindrükke verschwinden. – –

 

[Ib-08-1780-0279]
Das Thier hat nicht die Stifte der Sprache, um iede einzelne Idee damit fest zu schlagen und von andern abzusondern. Es hat keine Sprache, und kan also nicht abstrahiren. Aber deswegen vermengt's das Vergangene und nicht mit'm Gegenwärtigen, da in der Vorstellung beider ein Grundunterschied ist, den wir mit Worten ausdrükken, ob ihn gleich die Worte nicht machen, und der von der Kentnis des Zeitraums nicht abhängt. Dieser Unterschied

 

[Manuskriptseite 92.]

existirt gewis in der Vorstellung des Thiers, und wenn man das nicht annehmen wolte, so müste man selbst vielen Menschen die Unterscheidungskraft des Vergangnen und Gegenwärtigen absprechen, wenigstens in den allermeisten Fällen. Denn der geübteste Metaphysiker denkt sich nicht bei ieder Erinnerung deutlich die Zeit, da er die Empfindung bekam, und daß er noch dasselbe Wesen ist, das sie bekam; und vielleicht haben unter hundert Menschen 99 ihr ganz Leben zugebracht, ohne sich dies ie deutlich zu denken, zumal's leztere.

 

[Ib-08-1780-0280]
Was den Begrif von einer gewissen Zeit, von einer gewissen Anzahl verstrichener Epochen oder überhaupt von einer gewissen Anzahl Dinge betrift, so ist's ein künstlicher Begrif, davon wir eigentlich nie eine wahre Vorstellung haben; sondern wir lernen uns gewisse Merkmale machen, daran wir erkennen, wenn die Anzahl Dinge vorhanden ist, wenn die Zeit verstrichen ist oder sein wird, die wir deshalb in kleinere Epochen theilen, und deren Übergang wir eher gewahr werden können. Es giebt viele Menschen auf diesem Erdbal, die nicht wissen, daß sie zehn Finger an beiden Händen haben. Der Kamtschadale, der nur bis auf wenige hat zählen lernen, besizt oft 1000 Renthiere, die er zwar all' individualiter kent, und also gleich weis, wenn ihm eines fehlt

 

[Manuskriptseite 93.]

ohn' aber ihre Anzahl im geringsten zu wissen. Zwar macht die Abwechslung der Iahrszeiten die Revoluzion eines Iahrs merklich, und der Mensch kent sie in den ersten Zeiten, auch wie wir wissen, bezeichnet er sie alsdann mit dem Namen derselben. Der rohe Mensch sagt, es sind so und so viel Sommer oder Winter seit der Begebenheit verstrichen. Allein die Anzahl Iahre, wenn deren mehrere sind, die seit einer Begebenheit verstrichen sind, weis der Mensch nicht eher, als bis er künstliche Mittel erfunden hat, um sie zu bestimmen. Noch schwerer, und fast unmöglich ist's, eine ziemliche Anzahl Tag' ohne Künsteln zu bestimmen.* – – –" Seit. 396. bis. 417.

 

[Ib-08-1780-0281]
X.

 

[Ib-08-1780-0282]
Wilhelm Abraham Tellers Zusäzze zu seinem Wörterbuch des Neuen Testaments. Berlin, bei August Mylius. 1773.

 

[Ib-08-1780-0283]
1) Von Kol. 2, 9. – was "Fülle" heist.

 

[Ib-08-1780-0284]
"Die Gründe, warum ich Kol. 2, 9. die Kirche verstehe, wil ich kurz angeben.

 

[Ib-08-1780-0285]
1) Eph. 1, 23 sezt der Apostel umschreibungsweise dem Wort Kirche das Wort Fülle bei, und das ist nun das eigne Zeugnis des Apostels für diesen ihm eignen Sprachgebrauch, wenn die Anwendung davon auf andere Stellen gemacht wird. So weis ich aus einem ähnlichen Zeugnis, daß ich unter

 

[Manuskriptseite 94.]

Leib Christi Kol. 1, 18. gleichfals die Kirche verstehen mus, weil er eben in iener Stelle dieses Wort dahin erklärt, welche da ist sein Leib, und ich sehe nicht, wie das zu einer Gegeneinwendung gebraucht werden kan, daß Eph. 1. von der Kirche zwar behauptet werde, sie sei die Fülle des pp. aber sie doch nicht schlechtweg so genant wird. Dies würde wenigstens eben so gut 's Wort Leib treffen.

 

[Ib-08-1780-0286]
2) Läst sich gar nichts dagegen sagen, daß Kol 1, 19 Fülle die Kirch' ist, und die ganze Redensart "in Christo wohnt sie" von derselben vorkömt, wie ich annehme, daß sie auch Kol. 2, 9 vor ihr zu ihr zu verstehen sei. Es sind zwar nicht gleichlautende, aber doch im Grunde gleichgeltende Ausdrükke, V. 18. Christus ist das Haupt des Leibes, und V. 19. in ihm wohnt die ganze Fülle. Das in Christo wohnen ist auch ohnedem zu wörtlich übersezt. Es liesse sich zwar hören; denn obgleich nirgends dieser Ausdruk von dem Verhältnis der Christen gegen I. C. anderswo gebraucht wird (wie denn auch gegenseitig nur einmal Eph. 3, 17. von Christo gesagt wird, daß er in uns wohne, mit'm hier vorkommenden griechischen Wort,) so würde doch auch hier nicht gesagt werden, daß die Christen in Christo wohnten, sondern daß die Füll' in ihm wohne. –

 

[Ib-08-1780-0287]
Aber der Apostel sagt gar hier nichts von einwohnen. Die Sach' ist kurz diese. Das griechische Wort, welches Luther

 

[Manuskriptseite 95.]

wohnen übersezt, wird von den griechischen Übersetzern des A. T. mit einem hebräischen Wort verwechselt, welches auch sizzen bedeutet, und daher auch anderswo mit dem eigentlichen griechischen Wort in der Bedeutung des Sizzens ausgedrukt. Nun hatte der Apostel gesagt: Er ist 's Haupt des Leibes. Bei'm Haupt fiel ihm die Fortsezzung der Vergleichung der Gemeine mit dem übrigen Körper, der am Haupt sizt, ein. – Er führt also fort, wie ich nun übersezzen würde: und's ist der Wille Gottes gewesen, daß die ganze Gemein' an ihm (als dem Haupt) sizzen, an ihm befestigt sein, ihm anhängen solte; was er V. 19. sagt: sich an's Haupt halten.

 

[Ib-08-1780-0288]
3) Wie die Gemeine die Fülle Gottes genant wird, Eph. 3, 19. so heist sie Kol. 2, 9. die Fülle der Gotheit. Füll' ist nämlich nicht, was eine Sach' anfült, sondern, die Sache selbst, die mit etwas angefült ist: So übersezzen die Griechen im hohen Lied 5, 12. Fülle der Wasser, wo's hebräische Wasserbäche bedeutet, also deutscher Wasserbehälter; so steht dasselbe Wort Mark. 8, 20. in der Verbindung mit Körbe, welches Luther schlechtweg sezt, und solte Fülkörbe, oder, "volle Körbe" übersezt werden; so steht Matth. 9, 16. wo Luther unrecht auch 's zweitemal "Lappe" übersezt, eben dieses Wort in der Bedeutung des Inbegrifs, oder des Theils, der 's neueingesezte Stük enthält, und solte die Übersezzung sein:

 

[Manuskriptseite 96.]

[Ib-08-1780-0289]
Denn der Theil, wo's Neu' eingesezt ist, reist doch immer weiter vom Kleide los, und der Riss wird noch schadhafter. –

 

[Ib-08-1780-0290]
Warum heissen also die Christen die Fülle Christi, Gottes, der Gotheit? Nämlich, weil Christus, Gotheit, nach bekanten richtigen Erklärungen, in ihnen wohnen, Christi Sin in ihnen ist, wenigstens sein sol. Wie natürlich und ungezwungen!

 

[Ib-08-1780-0291]
5) Sagt der Apostel leibhaftig; an welchem die ganze Fülle (als dem Haupt) hängt leibhaftig, oder, wie er anderswo sagt, zu einem Leibe. Eph. 2, 16. Man würde mich unrecht verstehen, wenn man mir aus den gemeinen griechischen Wörterbüchern zu Gemüthe führen wolte, daß die griechischen Beiwörter nach der Ähnlichkeit dessen, was Luther hier "leibhaftig" übersezt, nicht die Bestimmung zu etwas, sondern, die Gleichartigkeit mit etwas bedeuteten. Denn eben das leztere bedeutet ia ganz die griechische Wortfügung, die Luth. "zu einem Leibe", übersezt. Ziehet man den reinen Sin heraus, so ist der Verstand, nach Art des menschlichen Leibes, ist er 's Haupt, ihr die Glieder, und seid ihr dazu versöhnt. Dies wird noch einleuchtender, und werden, wenn ich eine kurze Vergleichung der beiden Briefe des Apostels, an die Epheser und Kolosser, die einander selbst durch die Beibehaltung der Hauptausdrükk' erklären, hersezze.

 

[Manuskriptseite 97.]

[Ib-08-1780-0292]
Im Brief' an die Epheser. Im Brief' an die Kolosser.

 

[Ib-08-1780-0293]
Gedankenstriche evtl. vereinheitlichen1, 4. - - - - - - 1, 22.

 

[Ib-08-1780-0294]
– 7. – - - - - 14.

 

[Ib-08-1780-0295]
– 10. – - - - - - 16.

 

[Ib-08-1780-0296]
I. 8. - - - - - - - I. 9.

 

[Ib-08-1780-0297]
– 15. 16. 17. – - - - - - - - 3. 4. 9.

 

[Ib-08-1780-0298]
– 22. 23. – 17. 18. 19.

 

[Ib-08-1780-0299]
II. 1. 5. - - - - - - - II. 13.

 

[Ib-08-1780-0300]
– 14 – - - - 14.

 

[Ib-08-1780-0301]
– 15 - - - - - - - - - - I. 16.

 

[Ib-08-1780-0302]
– 16 – - - - - - - - 14.

 

[Ib-08-1780-0303]
– 21. – - - - - - - - 19.

 

[Ib-08-1780-0304]
III. 2. 3. 4. 5. 7. - - - - I. 25. 26. 27.

 

[Ib-08-1780-0305]
– 9. – - - - 16.

 

[Ib-08-1780-0306]
IIII. 20. 21.- - - - - II. 6. 7.

 

[Ib-08-1780-0307]
– 22. III. 10.

 

[Ib-08-1780-0308]
– 24. ff. – - - - - 8. ff.

 

[Ib-08-1780-0309]
V. 6. – - - - - - - - - - 6.

 

[Ib-08-1780-0310]
VI. 19. 20.- - - - - IIII. 2. 3.

 

[Ib-08-1780-0311]
IIII., 32. - - - - - - - III. 12. 13. – –" Seit. 35. 36. 37. 38. 39. 40.

 

[Ib-08-1780-0312]
2) Beantwortung des Einwurfs "wenn Glauben blos in Annehmung und Befolgung der Lehre Iesu heist, warum werden wir nicht eben so gut angewiesen, an den Petrus, Paullus pp. zu glauben? –"

 

[Ib-08-1780-0313]
"Die Antwort darauf hat Iesus selbst seinen Bekennern in den

 

[Manuskriptseite 98.]

Mund gelegt! Einer ist euer Meister, Matth. 23, 8. Also, weil 's Evangelium die Lehr' Iesu ist, die die Apostel nur sie verkündigen solten, nicht sich selbst und ihren Einbildungen, werden wir nur zum Glauben an ihn verpflichtet und aus gleichem Grund' ist's einerlei an ihn oder an sein Evangelium glauben. –" Seit. 62.

 

[Ib-08-1780-0314]
XI.

 

[Ib-08-1780-0315]
Deutsches Museum. Erster Band. Iänner bis Iunius 1779. Leipzig, in der Weigandschen Buchhandlung.

 

[Ib-08-1780-0316]
1) Der alte Deutsche unter einer Eiche! –

 

[Ib-08-1780-0317]
"Der German liebte seine dichten Wälder, sie waren mit der Nazion herangewachsen, iezt gaben sie ihm Nahrung und einen undurchdringlichen Schuz gegen die Feinde. Ihre Wohnungen waren fast überal mit Waldungen umgeben. Ihre Eichen hatten's ehrwürdigste Ansehen. Die ältesten Väter erzählten ihren Enkeln, wie einst schon ihre Vorfahren hier unter der nämlichen Eiche sassen. Ein heiliger Schauer durchlief sie. Die Eichen dauern so lang' und wir müssen so bald dahin, dachte der Iüngling. Dann drang eine Thrän' aus dem noch heitern Auge des Greises – eine Thräne des Dankes war's. Hier waren wir sicher vor unsern Feinden! Hier mus Gott sein, sagt' ieder. Man trat mit Ehrfurcht in demselben, man kniete nieder und glaubte, hier sei Gott vorzüglich gegenwärtig. Dann säuselte der

 

[Manuskriptseite 99.]

Wind durch's Eichenlaub, und Gottes Gegenwart ward ihnen kund – nun ward der Hain heilig, man betete darinnen." Seit. 30. 31.

 

[Ib-08-1780-0318]
2) Von unserm Begriffe von Gott.

 

[Ib-08-1780-0319]
"Iede Nazion bildete sich ihre Götter, wie sie selbst ist. Ihre eingebildete Schönheit ist auch die Schönheit ihrer Götter. Grausame Nazionen haben grausame Götter, die sie mit schröklichen Menschenopfern versöhnen. Nazionen, die vom Akkerbau lebten, opfern von ihren Früchten, und andre, deren Gewerbe die Viehzucht ist, von ihrem Vieh. –" Seit. 31.

 

[Ib-08-1780-0320]
3)

 

[Ib-08-1780-0321]
Lied von Gökingk – in seiner Augenkrankheit.
"Schon liegt der Landman da auf seiner Bank von Tannen,
im weichen Arm der schmeichelhaften Rast,
und denkt nicht mehr an seines Dorfs Tyrannen,
der seinen Schweis verprast.
Mit einem Abendlied und hartem Brod, besieget
der Betler schnel des ganzen Tages Leid,
sinkt mit dem Kinn' auf seinen Stab, und wieget
sich in Vergessenheit.
Ia selbst der Sklave rodet sich seine Qualen
in wenig Stroh, noch nas von seinem Blut,
und schnarcht so süs, als in Imperialen
sein Grossultan nicht ruht.
Ich aber ruhe nicht. Ich sizze hier verlassen,
wie die Geduld an einem Grabmal sizt,

 

[Manuskriptseite 100.]

und, diese Hand vor Augen, sich gelassen
den Kopf mit iener stüzt.
Doch, warum solt' ich dich mit meiner Hand verstekken?
Quil nur hervor, du kleine Thräne, du!
Dann fallen wol vielleicht die rothen Dekken
von meinen Augen zu.
Was hilft's? sie ist entschlüpft! die leichte Hand des Schlummers:
strekt sich nach euch, ihr Augen, doch {mers} nicht hin.
Schlaflosigkeit, dies erste Kind des Kummers,
ist eure Wärterin. – –"

Seit. 108. 109.

 

[Ib-08-1780-0322]
4)

 

[Ib-08-1780-0323]
Lied einer Gefallenen.
"O was sol ich dir wünschen,
Kind unter'm Herzen mein?
Mus wünschen, du bliktest nimmer
in's Iammerthal hinein!
Sei Söhnchen, oder Tochter,
du wirst doch elend sein. –
Kömst du hervor als Knabe
mit Augen noch so mild,
an Stirne, Wang' und Mündchen
ganz Vaters Ebenbild;

 

[Manuskriptseite 101.]

dein Herz ist doch mit Tükke,
wie seines, angefült.
Wärst du – o weh! – ein Mädchen,
mit Liebreiz schön geschmükt;
mehr, als man sonst mich rühmte,
eh' Untreu mich geknikt;
sei sanft, sei mild und herzig, –
und bald bist du gepflükt.
Dir wird ein süsser Iüngling schmeicheln,
mit süsser Lokkung viel;
wird schwören falsche Schwüre,
denn Schwur ist Männerspiel;
und dann – ach! wirst du fallen,
wie deine Mutter fiel.
Ha! denk' ich mir die Stunde,
wo Albert bei mir sas;
wo ich bei seiner Stimme,
der Tugend Ruf vergas,
die Brust heis von Umarmung,
die Wange küssenas.

 

[Manuskriptseite 102.]

Ha! denk' ich mir den Trunknen
in meinem ofnen Schoos;
wie auf der Winde Flügel
die Nacht vorüberflos;
dann stürzen tausend Höllen
auf meine Seele los.
So kom, so kom denn, Würmchen!
Mit Thränen tränk' ich dich.
Nicht Milch aus Mutterbrüsten
nur Thränen sind für dich.
Doch schlägt in dir Erbarmen
so kom und tödte mich.
Nur bringe nicht die Züge
des Vaters mit zur Welt!
Weil mich sonst leicht Verzweiflung
almächtig überfält;
und sich mein Durst nach Blute
an deinem schadlos hält. –"

Seit. 379. 380.

 

[Manuskriptseite 103.]

[Ib-08-1780-0324]
5) Ursache, warum so viel Menschen von geringem Stande das Leben verwürken.

 

[Ib-08-1780-0325]
"Der getretene Wurm krümt sich und sucht den Fus zu stechen, der ihn unterdrükt, oder wenigstens ihm zu entfliehn. Der Mensch hat gleiche Empfindungen, gleiche Triebe. Der Klug' überdenkt, vergleicht Ursachen mit'm Erfolge, wählt, räumt Hindernisse weg und ist glüklich, der Eingeschränkte, der Blöd' und Furchtsam' hat bei gleichem Gefühle nicht gleichen Verstand, greift zu den ersten sichtlichen Mitteln, und wird unglüklich. Eine gewisse Ursache, warum unter hundert Personen, die den weltlichen Gerichten zur Bestrafung in die Hände fallen, gewis siebzig Menschen von eingeschränkter Einsicht, schwacher Beurtheilungskraft, weniger Erfahrung, und besonders vom niedrigen Stande sind. – –" Seit. 504.

 

[Ib-08-1780-0326]
XII.

 

[Ib-08-1780-0327]
Deutsches Museum. Zweiter Band. Iulius bis Dezember. 1779. Leipzig, in der Weigandschen Buchhandlung.

 

[Ib-08-1780-0328]
1)

 

[Ib-08-1780-0329]
Ode – von Blum.
Es ist ein Gott, in dessen schaffendem Verstande
der Wesen kleinster Keim gebar,
eh' an des Sternenchors verschlungenen Stralenbande
der Erdenbal gereihet war!
Ihm standen schon vor aller Folgezeit Äonen
der Dinge Wandelungen vor;

 

[Manuskriptseite 104.]

da flamten Hütten, da versanken Nazionen,
und besre drängten sich hervor. –
Ohn' ihn ward nichts; kein Sonnenstaub trift auf den andern,
den nicht sein sichrer Blik ersah;
auf Einer Tafel standen mit den Alexandern
die Friedriche der Nachwelt da,
und Rom im Streite mit der Tochterstadt
der Tyrer,
der rauhen Nebenbulerin
und Deutschlands erster Man, der hohe Brennenführer ,
und mit Deutschlands einz'ger Königin.
Da bog der Siegeskranz sich schon dem bessern Rechte,
da fiel dem Trozigen der Muth,
da tranken Czechus Berg' im rasenden Gefechte
der sterbenden Beschüzzer Blut.
Da wurden schon die Millionen Feuerbälle
zu ihren Punkten hingelenkt,
ein ieder Dolch, an seiner ihm bestimten Stelle,
mit seines Gegners Blut getränkt.
Da wurden deines Lieblings thatenvollem Leben
gemesne Schranken festgesezt,
da ward er deinem frommen Wunsch zurükgegeben,
an Geist und Tugend unverlezt.

 

[Manuskriptseite 105.]

Was zagst du Lieber? hängen nicht an Gottes Willen
Die Freuden iedes Augenbliks?
ist er nicht Vater? treibt er selber nicht im Stillen
die goldne Sphäre deines Glüks?
Und wenn er, was du fliehtest, dir den auch versagte;
wär' er darum auf dich ergrimt? –
Hat er dich nicht, bevor dein erster Morgen tagte,
zur Welt der Himlischen bestimt,
wo That den sichern Lohn in seinem Beifal findet,
und Liebe wohnt, nicht Kriegeszwist
Verlobte scheidet, Freund' aus Freundes Armen windet,
und ieder Tag ein Festtag ist? – –"

Seit. 156. 157.

 

[Ib-08-1780-0330]
2)

 

[Ib-08-1780-0331]
Lied bei'm Untergang der Sonne, von einer Mutter – vom Blum.
"Wie herlich naht sie ihrem Ziele,
des Lichtes Schöpferin!
Auf, meine Kleinen! auf vom Spiele,
zu ihrem trunknen Anschaun hin!
Wie lachen unter ihr die Matten,
der Bäche grüner Rand!
wie dekt der Hügel Riesenschatten,
den nahen Busch, das Ährenland!
Hier rolt in seinem Purpurbette
Der Strom gemächlich fort,

 

[Manuskriptseite 106.]

und eine breite Blumenkette
umschlinget den gekrümten Bord,
Hier scheinen stille Schäfersizze
aus Erlen kaum hervor;
dort strebet mit besonter Spizze
ein ferner, stolzer Thurm h empor !
O! wie die Götliche, die Holde
den Himmel überstralt!
wie sie mit Ophirs reinstem Golde
den Saum der braunen Wolke malt!
Ihr wirbeln Lerchen, brüllen Heerden,
die tief in Blumen geh'n –
Wie ist am Himmel, wie auf Erden
die Schöpfung doch so wunderschön!
Erkent hier, meine süssen Kleinen!
der Gotheit lichte Spur;
seht ihn hier sichtbarlich erscheinen,
den grossen Vater der Natur!
Und euren Busen fülle Wonne,
im Vorschmak iener Welt,
wo eine noch viel besre Sonne
des Himmels sel'gen Raum erhelt. – –"
Seit. 320. 321.

 

[Manuskriptseite 107.]

[Ib-08-1780-0332]
3) Gedanken über Purism und Sprachbereicherung – von F. Gedike.

 

[Ib-08-1780-0333]
"Die Quellen ieder Sprache sind wie die Quellen des Nils, tief verstekt vor dem forschenden Auge, und schmal und seicht bei ihrem Anfange. Erst müssen sie durch weite äthiopische Sandwüsten sich schlängeln, eh sie für ein erfindsames Ägypten zum befruchtenden Strom anschwellen. Keine Sprach' entstand auf einmal, weder durch übernatürliche Anschaffung – denn wo ist die Sprache, der nicht der Stempel des menschlichen Ursprungs sichtbar aufgeprägt wäre? – noch durch wilkürliche Volksverabredung. Einzelne Menschen und durch sie weiter einzelne Familien schufen sich ihre eigne Sprache. Aber ie nachdem mehrere Familien zu Völkern zusammenschmolzen, flossen auch ihre Sprachen, durch die sie sich anfänglich nur im kleinern Zirkel ihre wenigen Ideen mitgetheilt hatten, in einander. Die Quelle ward Strom. – Eben daher die vielen Synonymen in den ältesten und ärmsten Sprachen, und eben daher die zwei unzähligen vieldeutigen Ausdrükke, deren verschiedne Bedeutungen zwar mehrentheils, durch einen Tropus zusammenhängen, oft aber auch sich schlechterdings durch kein Loth an einander schmelzen lassen.

 

[Ib-08-1780-0334]
Nothwendig must' iede Sprache bei ihrem ersten Entstehen äusserst arm sein. Aber almählig erweiterte sich die Sinnensphäre des Menschen, er lernt' immer mehr Gegen

 

[Manuskriptseite 108.]

ständ' ausser sich, immer mehr Beziehungen derselben auf sich kennen; und mit diesem erweiterten Ideenkreis erweiterte sich zugleich seine Sprache. Doch blieb sie lange blos sinlich. Eben darum entstand die Poesie eher als die Prose. Eben darum finden wir iene bei den ältesten Völkern gerade zu der Zeit schon in der schönsten Iünglingblüthe, da diese noch in der Wiege lag. Homer – um wieviel älter als Herodot! Und dennoch wie stark und rasch die Sprache des erstern, und wie schleppend und mat die Sprache des leztern. Man vergleiche die älteste Poesie und Prose der Hebräer – derselbe auffallende Unterschied. Kein Wunder daher, daß auch bei den wildesten Völkern und in den rohesten Sprachen die Dichtkunst wurzelt. Ossian's Gesänge blühten empor auf den umnebelten Hügeln und Morästen der Kaledonier, und noch iezt reift die Dichtkunst selbst bei'm Lapländer unter Schnee und Eis nicht minder als beim wilden, von der Sonn' gedörten Küstenbewohner Guinea's.

 

[Ib-08-1780-0335]
Ie mehr ein Volk kultivirt wird, um desto mehr wird's auch seine Sprache. Sie wird reicher und bestimter. Die Sprach' eines Ichthyophagen ist vergleichungsweis' äusserst arm gegen die Sprache des schon mehr gebildeten Nomaden. Eben in dem nomadischen Zustande fängt ein Volk an, sich almählig von sinlichen Ideen zu Nazionen des reinen Verstandes zu erheben und damit erhalten

 

[Manuskriptseite 109.]

seine vorigen Ausdrükke, die ursprünglich nur Merkstäbe sinlicher Ideen sein solten, neue Bedeutungen. Sie werden übergetragen auf unsinliche intellektuelle Gegenstände.

 

[Ib-08-1780-0336]
Stamwörter hat iede, auch die reichste Sprache, immer nur wenige. Sie zusammen genommen geben 's Abc der ersten menschlichen Erkentnis. Ihrer sind um desto mehrere, ie reicher und fruchtbarer's Land war, worin ein Volk seinen ersten Wohnsiz hatte. Ie ärmer hingegen und todter 's Klima und der Boden dieses ersten Wohnsizzes ist, desto ärmer an Stamwörtern die Sprache. Eben darum hat die hebräische Sprache bei aller ihrer Armuth dennoch genau gerechnet mehr Stamwörter, als unsre reiche Muttersprache. Ie länger ferner die Kultur eines Volks dauerte, ie stufenweiser sie fortschrit, um desto reicher ist seine Sprach' an abgeleiteten Wörtern und an analogischen Ableitungsregeln. Die Kultur der Griechen und der Deutschen schlich im Schnekkengang, und desto sichrer kam sie zum Ziel. Die Kultur der Römer gieng schnellen Schrittes. Lange waren sie ein rohes, blos soldatisches Volk. Aber kaum hatten sie, bisher nur Sieger über Barbaren, auch Griechenland unteriocht, als Aufklärung und Liebe zu Wissenschaften und Künsten, wie ein Bliz, in ihre bisherige

 

[Manuskriptseite 110.]

Nacht hineinfuhr. Daher die auffallende Verschiedenheit in dem Wesen der lateinischen Sprach' auf der einen, und der griechischen und deutschen auf der andern Seite. Iene arm an Biegungen und Zusammensezzungen, diese beiden – wie reich! Der Baum im Treibhause kan nicht soviel Zweige treiben, kan nicht auf alle Seiten hin sich so ausbreiten, wie der Baum des Waldes, der nur langsam – und fester sproste, wuchs und blühte. – – –

 

[Ib-08-1780-0337]
Ieder wirklich verschiedne Begrif mus, wenn die Sprache nicht äusserst arm sein sol, sein eignes Wort haben! Nicht genug! viele Begriffe müssen mehr als Ein Wort haben, d. i. die Sprache mus einen Vorrath an Synonymen besizzen. Und wirklich besizt ihn iede, auch die ärmste Sprache, und eben das ist ein auffallender Beweis, daß die Sprachen nicht durch Volksverabredung, sondern durch Zusammenfliessung mehrerer einzelnen Familiensprachen entstanden. Zwar der Philosoph entbehrte lieber der Sprache Synonymen, desto weniger aber der Dichter. Fast möcht' ich behaupten, daß ohne sie gar keine Poesie möglich sei. Wenigstens läst sich's durch Indukzion zeigen, daß gerade die dichterischsten Sprachen die reichsten an Synonymen sind. Ohne sie

 

[Manuskriptseite 111.]

wird die Sprache des Dichters eintöniges Schellengeklapper. Zu grosser Überflus an Synonymen taugt freilich auch nichts. Wenn die Huronen zu Bezeichnung ieder sinlichen Handlung ein doppeltes Verbum haben, ie nachdem von einem beseelten oder unbeseelten Dinge die Red' ist; w wenn's in Siam achterlei Arten Ich und Wir zu sagen giebt; wenn der Ab Araber an 50 Wörter für'n Löwen, 80 für'n Honig, 200 für die Schlang' und mehr als 1000 für's Schwerd hat, wer hält das nicht für mehr erdrükkenden als erleichternden Sprachgebrauch? Aber dennoch, wer der Sprach' ihre Synonymen raubt, raubt ihr einen Hauptschmuk, und zwingt sie Werkeltag' und Festtag' immer und immer in einem und demselben Kleide zu gehen. In unsrer Sprache giebt's viele ganze Synonymen. Frühling, Lenz; Angesicht, Antliz; Zähren, Thränen; Kampf, Streit; Glänzen, Stralen; Fittig, Flügel; u. s. w. – –

 

[Ib-08-1780-0338]
Er lassen sich zwei Quellen der Sprachbereicherung denken. Entweder geschieht sie durch auswärtigen Handel, oder durch inländischen Betrieb.

 

[Ib-08-1780-0339]
Eine gewisse Sprachmengerei – die erste Quelle, die Sprache zu bereichern – ist nothwendig und unvermeidlich. Man

 

[Manuskriptseite 112.]

nenne mir die Sprache, die ganz rein ist. Doch wol keine von den andern europäischen Sprachen, die fast alle sogar in ihren ersten Stamwörtern ein zusammengeraftes Gemengsel sind. Die Französische Sprach' hat ausser den unzähligen Wörtern, die sie mit der deutschen aus einer Quelle nämlich der keltischen Sprach' hat, sehr viele geradezu aus'm Deutschen aufgenommene Wörter, z. E. bierre, birambrot (Bier am Brod) Halte, Canif (Kneif), Planche (Planke) Lansquenet (Landsknecht) u. s. w. Und wie viel' aus'm Italiänischen! Die englische Sprach' hat wieder eine Menge französischer Wörter, nicht nur solche, die zugleich mit Wilhelm dem Eroberer hinüberstürmten, sondern auch sehr viele späterhin aufgenommene, z. B. grandeur, flambeau und viel' andre, für die sie sogar eigne gute Wörter (greatness, torch) haben. – –

 

[Ib-08-1780-0340]
Warlich, völlige Reinheit irgend einer Sprach' ist – Traum. Erst müste man ein Volk ausser aller Verbindung mit andern Völkern sezzen. Nicht einmal bei den Völkern der Südsee dürfen wir iezt noch durchgängige Sprachreinigkeit suchen, wir müsten denn glauben, daß die Otahiter von den neuesten Weltumseglern zwar viele neue Begriffe, aber keine neue Worte

 

[Manuskriptseite 113.]

dafür bekommen hätten. Handel, Krieg, Unterweisung und Bildung eines Volks vom andern, Studium eines fremden Volks und seiner Sprache, siehe da! lauter Quellen unvermeidlicher Sprachmengung. Die Holländer der alten Welt, die Phönizier, brachten durch ihren ausgebreiteten Handel eine Menge von ihren Wörtern unter entlegne Völker, und daher vornämlich erkläre man's, warum man so viel' hebräische Stamwörter im Griechischen und Lateinischen und andern Sprachen wiederfindet, wiewol's sich bei der Lateinischen auch zum Theil aus den punischen Kriegen erklären läst. Denn eben der Krieg ist eine Quel= Hauptquelle der Sprachenmischung. Durch ihn theilen sich Völker gegenseitig Begriff' und Wörter mit. Die unzähligen deutschen Wörter in der griechischen Sprache rühren freilich gröstentheils daher, weil beide Sprachen Schwestern sind, Töchter der alten skythischen Sprache. Aber sicherlich sind auch viele derselben erst durch die Heerzüge der Kelten gegen Griechenland, unter dem Belgius und Brennus, zu den Griechen hinübergekommen, wie sich leicht mit Exempeln zeigen liesse. Se Die Sprache des Siegers verdrängt nur selten die Sprache des Besiegten ganz. Aber unfehlbar mischt sie sich mehr oder weniger mit ihr, wiewol doch auch zuweilen umgekehrt die Sprache

 

[Manuskriptseite 114.]

des Besiegten sich hie und da, wenn gleich nicht immer zu ihrer Ehre, in die Sprache des Siegers einschlich. Aber auf keinem Wege kommen mehr ausländische Wörter zu einem Volk, als wenn's von einer andern Nazion Bildung und Unterricht erhielt, sei's in der Religion, oder in Wissenschaften und Künsten. Daher so manches Wort von ägyptischem Stam bei den Griechen! Daher so v unzählige griechische Wörter in der lateinischen Sprache! Daher die lateinischen Kunstwörter der gelehrten Wissenschaften in allen iezzigen Sprachen Europa's, die wir nun auch schon aus Dankbarkeit behalten müssen. Und woher kömt's, daß die Religionssprache der Russen mehrentheils griechisch, hingegen die bei den andern Völkern vom sklavonischen Stam lateinisch ist? Woher anders, als weil iene von Griechen, diese von Rom aus zum Christenthum bekehrt wurden. Woher kömt's, daß all' europäische Sprachen ein unserm Meil' ähnliches Wort zur Bezeichnung ihres weitesten Längenmasses haben? Nur daher, weil all' europäische Völker von den Römern lernten, ihre Entfernungen nach tausend Schritten zu berechnen. Und wie w viel lateinische Wörter hat nicht die Einführung des

 

[Manuskriptseite 115.]

römischen Rechts so gemein bei uns gemacht, daß es unmöglich sein würde, sie zu verdrängen! In den schönen Künsten blieben die Deutschen ein lange Zeit zurük, und lernten darin besonders von den Italiänern und Franzosen. Kein Wunder also, daß ihre mehresten Kunstausdrükk' in der Musik, Malerei u. s. w. aus den Sprachen dieser beiden Völker, vörnämlich aus der Italiänischen, entlehnt sind. –

 

[Ib-08-1780-0341]
Alle fremde Wörter, auch die seit undenklichen Zeiten einsässigen, ganz ausrotten wollen, ist nicht möglich. Um nichts von den Wörtern zu sagen, die die lateinische Sprach' eben so gut aus der deutschen entlehnt haben kan, oder besser, die beide aus einer gemeinschaftlichen Quell' haben, als z. E. Wind, Nase, Lippen, Kohl (caulis) Rad u. s. w. wer wird's wagen, diese und viel' hundert andre offenbar von den Lateinern zu uns gekommenen Wörter zu verdrängen: Prinz, Person, Natur, Religion, Schule, Kanzel, Materie, Pulver, Protestanten pp. Selbst in die ganz gemeine Sprache sind lateinische Wörter eingedrungen, wie man dies an dem, in so vielen Gegenden so gewöhnlichen Ausruf: O Jemini! zeigen

 

[Manuskriptseite 116.]

kan, der sich wol sehr augenscheinlich auf dem Kastor und Pollux bezieht. a) Selbst ursprünglig griechische Wörter sind auch in die gemeinste Volkssprache gekommen. Von vielen Beispielen führ' ich nur die Wörter Kirche und Martern an. Ienes komt unstreitig von ??????? her. Und das leztere hat von ?????? in der kirchlichen Bedeutung seinen Ursprung genommen, durch'n Sprung von der Idee des wegen der Religion Gequälten auf die vom Gequälten überhaupt. a)] Durch horizontale Linie vom Haupttext getrennt am Seitenende angefügt. STDie Länge der Zeit, seit der ein fremdes Wort in Gang gekommen, macht keinen wirklichen Unterschied. In der Sprache findet kein Recht der Veriährung Stat. Ein fremdes Wort bleibt fremd, und wenn's auch schon Kero und Otfried gebraucht hätten. Nur darauf kömt's an, ob wir zur Bezeichnug des Begrifs, den's fremde Wort ausdrükt, ein eignes, nicht halb und ohngefähr entsprechendes, sondern ein völlig erschöpfendes Wort haben; nur darauf, ob wir ohn's fremde Wort uns nicht anders als höchst unbestimt, oder dunkel, oder mit einem umschreibenden Geschlep ausdrükken können. –

 

[Ib-08-1780-0342]
Dieienigen fremden Wörter, die wir mit dem Indigenatrecht beschenken, müssen auch ihr fremdes Kleid ver

 

[Manuskriptseite 117.]

lieren. Aber wir lassen ihnen's zu sehr. Dahin gehört das noch bei so vielen Schriftstellern gebräuchliche lateinische Dekliniren vieler (sie widersprechen sich selbst, da sie's nicht bei allen thun) aus'm Griechischen und Lateinischen entlehnten Wörter und lateinischen Namen, welches wirklich undeutscher ist, als unnöthige Aufnahm' irgend eines fremden Worts. Welches andre Volk that und thut's? Sagten die Lateiner selbst wol iemals Carmen Homeru, Dialogus Platonos, Oratio Demosthenus ) u. s. w. Wozu ferner die Beibehaltungen verschiedner blos lateinischen Endungen der Adiektiven z. B. der Volks= und Stadtendung enser, da doch keine einzige Sprach' einen solchen Überflus an eignen Endungen der Adiektiven hat, als die unsrige. Warum sagen wir also nicht lieber die Athener, die Karthager u. s. w. eben so gut als wir die Römer und nicht die Romaner sagen. Wozu endlich sogar manche wildfremde Buchstaben, für die wir noch dazu eigne weit bequemere haben. Also z. E. das Ph, und C. Ienes ist durch und durch griechisch. Freilich haben's viel unsrer Mitvölker angenommen, manche aber auch nicht, z. E. die

 

[Manuskriptseite 118.]

Italiäner, Filosofia, metafisico u. s. w. schreiben. Ist's nicht wirklich sonderbar, daß wir zur Ausdrükkung eines und desselben Lauts, nur eine Öfnung des Mundes, aber drei verschiedne Zeichen (Ph, F, V), ia vier, weil nur noch in einigen Gegenden Oberdeutschlands, die gern den Mund so vol als möglich nehmen, das Ph zu Anfang' eines Worts so ausgesprochen wird, wie geschrieben dasteht. Das C ist wenigstens iezt, und seinem iezzigen Gebrauch nach nichts weniger als deutsch. Denn's Ch, welches freilich ein deutscher Buchstab' ist, wird doch wol niemand der unrichtigen Bezeichnung zu folge für zwei Buchstaben halten, da's offenbar nur ein einziger einfacher Laut (Xi) ist. Ich sagte: das C nach seinem iezzigen Gebrauch. ) Denn sonst ist's freilich schon uralt in unsrer Sprache, indem sie's nebst den übrigen Schriftzeichen des Alphabeths von den Lateinern haben. Aber eben daher galt's auch eh'mals völlig eben soviel als das lateinische C, d. i. es ward überal wie ein K ausgesprochen. Denn daß die Lateiner ihr C vor'm e und i eben so wol als vor'm a, o und u durchgängig wie K ausgespro

 

[Manuskriptseite 119.]

chen, ist eine längst ausgemachte Sache. Daher schrieben denn z. B. die Angelsachsen Cinne und Citelan und lasen Kinne (das Kin) und kiteln (kizeln). Später kam's griechische K zu den Deutschen. Und nun ward nach und nach's C zum Zwitter, bald mit dem mänlichen K=Ton, bald mit dem weibischen zischenden Z=Laut. Was sol der Zwitter länger in unsrer Sprache? – –

 

[Ib-08-1780-0343]
Wir Deutsche haben zu wenig Partizipien. – Hier bleiben wir hinter den Griechen zurük. Und doch könten wir mehrere haben, haben sie auch ursprünglich gehabt. Ich mein' ein thätiges Partizipium der vergangnen Zeit, ein dem französischen aiant aimé ähnliches: geliebt habend. Daß dies ein ursprünglich deutsches Partizipium ist, erhelt schon daraus, weil's noch iezt die Töchter unsrer Sprache, die holländische und englische, haben und mit sehr grossem Vortheil gebrauchen. Warum wollen wir's nicht einführen? Halfen doch d auch die Lateiner ihrem ursprünglichen Mangel an Partizipien durch eine gewisse Nachbildung derselben nach den Griechen ab. Die Griechen gebrauchen ihre passiven Partizipien, obwol gegen alle philosophische

 

[Manuskriptseite 120.]

Grammatik und ohn' alles Bedürfnis, auch sehr oft in aktiver Bedeutung, so daß ihnen ??????????? zwar mehrentheils gethan bedeutete, oft aber den, der gethan hat. Dies ahmten die Lateiner nach, durch wirkliches Bedürfnis berechtigt. Um ein thätiges Partizipium der vergangnen Zeit zu gewinnen, pfropften sie den passiven Partizipien aktive Bedeutung auf. Dies ist die der wahre, von ältern und neuern lateinischen Grammatikern verkante und verwirte Ursprung der sogenanten deponenten Zeitwörter, deren grösten Theil wir eben daher bei den Ältesten, noch nicht so mit Griechenlands Sprache bekanten, lateinischen Schriftstellern fast immer in aktiver Form finden. Doch mit der Zeit verschwand der alte Gebrauch immer mehr und mehr, lies nur hie und da durch'n Gebrauch einer doppelten Form und Bedeutung Spuren zurük, und was anfänglich nur in Ansehung des Partizipiums geschehen, geschah nun, wieder nach dem Vorgang der Griechen, auch in den übrigen Formen und Abwandlungen. – Wollen wir weniger kühn als die Römer sein, zumal da diese ein fremdes Gebiet plünderten, wir hingegen nur

 

[Manuskriptseite 121.]

ein verlornes Land wieder erobern dürfen. – –

 

[Ib-08-1780-0344]
Wir können von den Komparativen der einsylbigen Adiektiven neue Abstrakta bilden, nach der Analogie von Kälte, Wärme, Stärke, Gröss' und tausend andern. Diese analogische Wortquelle kan vornämlich für'n Dichter sehr wichtig werden, dem die auf keit oder heit ausgehenden Abstrakta öfters zu schleppend sind. –

 

[Ib-08-1780-0345]
Dialekt' hat iede Sprache, mus iede haben, wenn's gleich besser wäre, sie hätte sie nicht. Unsre Muttersprach' hat deren eine ganze Menge. Aber sie lassen sich all' auf drei Hauptdialekte bringen, das Oberdeutsche, Niederdeutsche, und das Hochdeutsche oder Obersächsische, das zwischen beiden in der Mitte liegt, wie's sich auch wirklich aus beiden, wenn gleich vornämlich aus'm Oberdeutschen, gebildet hat. Eben so hatte die griechische Sprach', auch nur drei Hauptdialekte, den Ionischen, Dorischen, und Attischen. Denn der gewöhnlich als der vierte gezählte Äolische ist, genau untersucht, einerlei mit'm Dorischen, nur der asiatische Äolismus ist's weniger, als der in vielen Kolonien Grosgriechenlands. Ich find' eine

 

[Manuskriptseite 122.]

bewundernswürdige Ähnlichkeit zwischen diesen drei Hauptdialekten des Griechen und Deutschen, die man aus der Ähnlichkeit des Klima's und Bodens erläutern kan. Der ionische Dialekt ist unser niederdeutscher oder platdeutscher, ein Feind, wenigstens kein Freund der Aspirazionen, der rauhen Doppellauter, des vollen Mundes u. s. w. Er ist der sanfteste, und weichste. Gerade so der niederdeutsche Dialekt. Wir finden bei ihm all' angeführte Eigenheiten des Ionism und daß er der weicheste, sanfteste Dialekt in unsrer Sprache sei, kan nur dem paradox klingen, der entweder gar kein Ohr hat, oder nie Platdeutsch und Oberdeutsch, oder auch nur Hochdeutsch gegen einander gehört und verglichen hat. Eben so entsprechen sich der dorische und oberdeutsche Dialekt. Beide kommen in dem vollen und breiten Munde, mit dem sie sprechen, in den vielen zischenden und rasselnden Lauten, in der Liebe zu Aspirazionen und vielen zum Theil rauhen Diphthongen u. s. w. sehr auffallend überein. Beide sind daher die feierlichsten, prunkvolsten. Endlich der attische Dialekt stand, wie unser Hochdeutscher, in der Mitte, doch nicht völlig in der Mitte, sondern mehr zu dem

 

[Manuskriptseite 123.]

Dorischen hingeneigt, wie unser Hochdeutsch auch mehr zum Oberdeutschen, als zum Niedersächsischen hinneigt. Auch war er eben so wie der Hochdeutsche viel iünger, als seine beiden Brüder, und hatte sich nach ihnen gebildet. Der Unterschied zwischen den griechischen und deutschen Dialekten, daß iene alle miteinander als Schriftstellersprache gebraucht wurden, von diesen aber nur einer ist, ist kein – Unterschied. Denn wirklich waren eh'mals alle drei deutsche Dialekt' eben so gut Büchersprache, als die griechischen. Ieder deutsche Schriftsteller schrieb eh'mals im Dialekte seines Vaterlands. Dies geschah bis in's 16te Iahrhundert hinein, als die aus Obersachsen kommende Reformazion auch 'n Dialekt dieses Landes zur gemeinschaftlichen Büchersprach' erhob, und die beiden ältern desselben verdrängte. Und verdrängte nicht auch endlich der attische Dialekt seine Brüder ganz aus der Büchersprache? Also auch hier Ähnlichkeit. –

 

[Ib-08-1780-0346]
Ohne Grund verlacht man die nachdruksvolle Wendung des Platdeutschen: Regnen thut's nicht. In Preussen spricht man dafür sehr unphilosophisch: regnen regnet's nicht, und wir Hochdeutschen, ohne zu fühlen, daß es ein ganz andrer schwächerer Sin ist, sagen 's regnet nicht. Der Engländer würde kein Thor sein, und sein do bei Formung der Zeitwörter weggeben. –" Seit. 385 bis. 416.

 

[Manuskriptseite 124.]

[Ib-08-1780-0347]
XIII.

 

[Ib-08-1780-0348]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des sieben und dreissigsten Bandes erstes Stük. Berlin und Stettin, verlegt's Friedrich Nikolai. 1779.

 

[Ib-08-1780-0349]
1) Vom Blizze.

 

[Ib-08-1780-0350]
"Eine Wolke zieht die andre an, oder 's geschieht die Anziehung von der Wolke zur Erde, und das verursacht bald einen heftigen Oberwind, bald einen Sturm und Wirbelwind über der Erde, und dabei Regen, Wettersäulen, und auf der See Wasserhosen. – Der Bliz ist eigentlich ein Feuerbal. Nur durch die schnelle Bewegung erscheint er als ein Streich um Zigzag. –" Seit. 49. 50.

 

[Ib-08-1780-0351]
"Sehr anlokkend ist Wasser und alle Feuchtigkeit, daher sich der Stral so gern zwischen Rind' und Holz, wo die meiste Feuchtigkeit ist, und über der vom Regen benezten Bemörtelung der Mauern verbreitet. Auch folgt er dem fortschreitenden Zuge der Feuchtigkeit zur Erd' hinab. Der Rauch lokt ihn auch, wenn gleich nicht so sehr, als die Hervorragung der Schorsteine, daher der Stral auch mehr in's Gemäuer, oder neben ins Dach, als in den Schlund des Schorsteins dringt: indessen scheint zuweilen ein Theil des Strals nach dem Heerde zu fahren, und selbst durch den Rauch zerstreut, und also seine Gewalt ge

 

[Manuskriptseite 125.]

schwächt zu werden. – Selbst im Regen lösen sich Wetterwolken auf, und zerstreuen die Gewittermaterie. Doch giebt auch wiederum der Regen, der die ganze Luft erfült, einen Wetterleiter nach Gegenden ab, wohin sich die Wolke sonst nicht entladen hätte. –" Seit. 53. 54.

 

[Ib-08-1780-0352]
"Am meisten widerstehend ist die, nicht erhizte und feuchte Luft, durch die er unwillig und nur mit Gewalt sich drängt drängt, eher, als er durch die Luft einen weiten Sprung thut, wenn ihn nicht sehr lokkende Körper dazu reizen, fährt er lieber durch Umweg' an iedem andern festen Körper herab. Zugluft zieht ihn nicht an, und giebt ihm auch keine andre Richtung, so wenig als der Wind. Ofne Fenster werden ihn also nicht lokken, so wenig als ihn's Läuten der Glokken anzieht, oder verscheucht." Seit. 60.

 

[Ib-08-1780-0353]
2) Wie Horaz dichtet?

 

[Ib-08-1780-0354]
"Horaz macht durch lokale Zusäzze, abstrakte Begriffe zu konkreten und das algemeine Bild einem individuellen immer ähnlicher, und das aus dem Grunde, weil sich der Dichter im Fall' eines Malers befand, der nichts algemeines, sondern nur Individuen malen kan, so wie er aus gleicher Ursache stat des Meeres, mare Myrtoum, Creticum, Icarium, pelagus Cartpathium, u. s. f. stat des Baums, pinum, ornum

 

[Manuskriptseite 126.]

platanum, populum, u. dgl. sagt. Eine andre Regel wäre diese: Horaz pflegt gewisse Begriffe, Handlungen, oder Naturbegebenheiten, z. E. schiffen, akkern, Sturm, Frühling pp. zu nicht mit einem Worte zu benennen, sondern zu beschreiben, und das, um malerischer und sinlicher zu sein. –" Seit. 94. 95.

 

[Ib-08-1780-0355]
XIIII.

 

[Ib-08-1780-0356]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des sieben und dreissigsten Bandes zweites Stük. Berlin und Stettin, verlegt's Friedrich Nikolai. 1779.

 

[Ib-08-1780-0357]
1) Von der Lesart ????????? 2 Kor. 5, 3.

 

[Ib-08-1780-0358]
"Das Folgend' und die alten Übersezzer bestätigen ???????????. "Denn wir seufzen, mit dieser Hülle beschwert, nicht weil wir wünschen entkleidet, sondern überkleidet zu werden, (???????????, ein ander Kleid überwerfen) damit's Sterbliche vom Leben verschlungen würde." Es erhelt deutlich aus dieser Stelle, daß Paullus das Ende der Welt nicht für sehr entfernt gehalten. Er erwartete dasselbe, nach der Meinung der Iuden, bei der Zerstörung Ierusalems: und weil's nicht eintraf, änderten ihn nachher Abschreiber, und sezten ??????????? für ???????????." Seit. 429.

 

[Manuskriptseite 127.]

[Ib-08-1780-0359]
2) Von den Fischen.

 

[Ib-08-1780-0360]
"Es gibt 1200 Arten oder Gattungen der Fische nach Frisch; nach Klein und Linne aber kaum 500 Arten. Ihre Fruchtbarkeit ist erstaunlich. Petit hat im Karpfen 342144, und Leuwenhök im Kabalian 938400. Eier gezählt. Hammer fand in keinem einzigen Hering' unter 2000 Eier. In einem Stint fand er 38272. Die Fische leben lange. Es giebt Karpfen mit bemoosten Köpfen, die 150, und Hechte, die über 200 Iahre leben." Seit. 616. 617.

 

[Ib-08-1780-0361]
XV.

 

[Ib-08-1780-0362]
Anlage zur Architektonik, oder Theorie des Einfachen und des Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkentnis, durch I. H. Lambert. Erster Band. Riga, bei Iohann Friedrich Hartknoch. 1771.

 

[Ib-08-1780-0363]
1) Von der Wolfischen Definizion des Raums und der Zeit.

 

[Ib-08-1780-0364]
"Wolf erklärt den Raum durch die Ordnung ausser oder neben einander liegender Dinge, die Zeit aber durch die Ordnung auf einander folgender Dinge. Diese beiden Definizionen enthalten aber keine innere Merkmale, sondern nur Verhältnisbegriffe von Raum und Zeit zu den Dingen, die ausgedehnt sind und dauern, oder auf einander folgen, und die Wörter ausser, neben, aufeinander pp. enthalten die Begriffe von Zeit und Raum schon ganz in sich." Seit. 11. 12.

 

[Manuskriptseite 128.]

[Ib-08-1780-0365]
2) Von der Dichtigkeit und Dünnigkeit.

 

[Ib-08-1780-0366]
"Dichtigkeit, an sich betrachtet, ist eine Einheit von derienigen Art, die nicht grösser sein kan, aber Brüche zuläst, so klein man wil. Hingegen ist die Dünnigkeit (raritas) eine Einheit, die keine Brüche zuläst, dagegen aber vielfach genommen werden kan, so viel mal man wil. –" Seit. 69.

 

[Ib-08-1780-0367]
3) Vom Wahren und Guten.

 

[Ib-08-1780-0368]
"Das Wahre ist eine absolute Einheit, und unter allen Wahrheiten ist keine mehr oder minder wahr, als die andre. Hingegen geht's Gute nach seinen drei Dimensionen stuffenweise bis von 0 bis in's Unendliche. Daher kan der Will' immer noch auf bessers gelenkt werden, da hingegen der Verstand bei'm Wahren einen absoluten Ruheplaz findet, und seinen Beifal schlechthin giebt, versagt, oder aufschiebt, und die Gründe zum Beifalle nur bei'm Wahrscheinlichen ausmist, und zusammenrechnet, bis ihre Summe = 1 ist, oder der absoluten Einheit gleich wird, bei welcher sich der Verstand beruhigt. –" Seit. 82.

 

[Ib-08-1780-0369]
4) Von der Identität.

 

[Ib-08-1780-0370]
"Die Identität ist eine Einheit von derienigen Art, daß sie Brüche zuläst, die von 0 bis auf 1 gehen, aber nicht

 

[Manuskriptseite 129.]

weiter. Zwei Dinge können mehr oder minder verschieden, aber nicht mehr als einerlei sein, und wird dieses nach aller Schärfe genommen, so sind's nicht z mehr zwei Dinge, sondern ein und eben dasselbe Ding (Numero idem), diese Identität ist absolut, oder die völlige Einheit, die der Identität nach nicht grösser werden kan." Seit. 91.

 

[Ib-08-1780-0371]
"Die einfachen Begriff' und die Sachen, die sie vorstellen, sind an sich verschieden, und zwar weil sie einfach, und nicht ein und derselbe Begrif sind. Denn da sie einfach sind, so haben sie nicht mehrere und von einander verschiedne innere Merkmale, daher kan man auch nichts agen, sie möchten einige gemeinsam innere Merkmal' haben, wodurch sie nicht durchaus verschieden wären. Da sie demnach sich selbst ihr einiges inneres Merkmal sind, so müsten sie, dafern sie nicht darin ganz verschieden wären, ein und eben derselbe Begrif sein. Und dieses geht nicht an; denn die Existenz ist nicht der Raum, dieser nicht die Dauer pp." Seit. 95.

 

[Ib-08-1780-0372]
"Die Verschiedenheit der Ding' hat mit der Ähnlichkeit derselben einerlei Stufen, soch so, daß sich die Stufen der Verschiedenheit vermindern, wenn die Stufen der Ähnlichkeit zunehmen, und

 

[Manuskriptseite 130.]

hinwiederum nehmen iene zu, wenn diese geringer werden, und die Summ' ist = 1. Die äussersten Grade der Vergleichung sind, wo die Verschiedenheit = 0, und wo sie = 1 ist, und beide Fälle sind schlechthin ideal. Denn ist die Verschiedenheit durchaus = 0, so vergleicht man nicht zwei Dinge, sondern eine und eben dieselbe Sache mit sich selbst, und so stellet man sie sich in Gedanken gedoppelt vor. Ist aber die Verschiedenheit durchaus = 1, so vergleicht man wiederum nicht zwei Dinge, sondern etwas mit nichts. Dieses ist dadurch offenbar, daß wenn's in zwei in allen Stükken und in allen Absichten durchaus verschiedne Dinge geben solte, von dem einen alles positive des andern verneint werden müste, und so wär es z. E. nicht möglich, nicht gedenkbar pp. das wil sagen, es wäre nichts. Da's demnach nicht durchaus und in allen Absichten verschiedne Dinge giebt, so ist der Fal, wo die Verschiedenheit = 1 gesezt wird, schlechthin nur ideal, weil sich etwas mit nichts nur auf eine ideale und blos symbolische Art vergleichen läst. – –" Seit. 105. 106.

 

[Manuskriptseite 131.]

[Ib-08-1780-0373]
5) Von Gattung und Art.

 

[Ib-08-1780-0374]
"Um die untersten Arten, oder auch aus diesen ihre nächst höhere Gattung zu finden, wird erfordert, daß man auf die gröste Ähnlichkeiten sehen müsste, damit man nämlich die Individuen, oder die Arten nach solchen Ähnlichkeiten in besondre Klassen bringen könne. Hiezu aber haben wir allerdings noch den Maasstab nicht, daß wir damit die Grösse des Unterschiedes bestimmen, und den kleinsten Unterschied finden solten. Und 's mus nothwendig dabei etwas wilkürliches bleiben, so bald diese Unterschiede den Stuffen nach von 0 bis auf 1 gehen, weil man bei den Graden Abtheilungen machen kan so viel man wil. Auf diese Art aber müssen wir uns nach der Sprache und deren Wörtern richten, die sie uns zur Benennung solcher Ähnlichkeiten und Unterschiede darbeut. Und ie nachdem diese Wörter in ihrer Bedeutung mehr oder minder Merkmale zusammenfassen, erhalten wir auch Arten und Gattungen, die nicht so fast stufenweise, als vielmehr sprungsweis' einander subordinirt werden. Auf diese Art z. E. sehen wir's Prädikat eines ieden algemein beiahenden Sazzes, wenn er nicht identisch ist, als eine Gattung, und's Subiekt desselben, als eine Art dieser Gattung an, ohne dabei bestimmen zu können,

 

[Manuskriptseite 132.]

um wie viele Stufen diese Gattung höher ist, als die nächst höhere Gattung des Subiekts. Auf eine ähnliche Art sehen wir Subiekt und Prädikat eines algemein verneinenden Sazzes als Arten an, die unter verschiedne Gattungen gehören, weil wir nicht dabei sogleich bestimmen können, ob sie nicht unter eine * nächst höhere Gattung gehören. –" Seit. 145. 6) *...* *...* *...*

 

[Ib-08-1780-0375]
XVI.

 

[Ib-08-1780-0376]
Anlage zur Architektonik, oder Theorie des Ersten und Einfachen in der philosophischen und mathematischen Erkentnis, durch I. H. Lambert. Zweiter Band. Riga, bei Iohann Friedrich Hartknoch. 1771.

 

[Ib-08-1780-0377]
1) Von der Verschiedenheit zwischen dem Abstrahiren und Auflösen der Begriffe.

 

[Ib-08-1780-0378]
"Bei'm Abstrahiren sieht man's Algemeine nach den Ähnlichkeiten, bei'm Auflösen aber's Einfache. Und da trift's nicht so zusammen, daß das Algemeinste zugleich auch's Einfachste wäre, wenn man anders das Algemeine volständig beibehalten wil. Und überdies ist's Einfach' auf eine ganz andre Art algemein. – Ferner bei'm Auflösen läst man den Begrif, wie er

 

[Manuskriptseite 133.]

ist und betrachtet ihn an sich, bei'm Abstrahiren hingegen nimt man's algemeinere besonders, und vergleicht eben dadurch den Begrif mit andern. Man sieht leicht, daß wenn ein algemeiner Begrif auf diese Art in seine einfachen Merkmal' aufgelöst wird, das Abstrahiren bereits schon vorgegangen sei, und daß man folglich nimmer alle Merkmale darin so bestimt finde, wie sie in den unter demselben, als ihre Art oder Gattung gehörenden Individuen waren. – –" Seit. 134. 135.

 

[Ib-08-1780-0379]
"Es ist ferner's Abstrahiren vom Auflösen darin verschieden, daß man bei'm Abstrahiren die Merkmal' herausnimt, die in mehreren Dingen gemeinsam sind, und in so fern sieht man auf die Gleichartigkeit mehrere Dinge, und sezt sich dabei auf eine sehr misliche Art vor, stufenweise zu gehen, und bei der grösten Gleichartigkeit oder kleinsten Unterschied' anzufangen. Hingegen bei'm Auflösen eines Begrifs in seine Merkmale bleibt man bei'm Begriffe selbst, und sieht darin, nicht's Gleichartige oder Ähnliche mit andern Begriffen, sondern's Ungleichartige im Begriffe selbst, und die Möglichkeit auf, wie dasselbe beisammen sein kan, und damit geht man schlechthin nur so weit, bis man auf einfache Ungleichartigkeiten komt. Diese einfachen Bestimmungen und Begriffe

 

[Manuskriptseite 134.]

sind die Grundlage zu ieden Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten. All' andre Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten auch bei den zusammengeseztesten Dingen sind nur Modifikazionen von diesen einfachen Ungleichartigkeiten, und solche Modifikazionen waren eigentlich aufzusuchen, wenn man zu recht brauchbaren und bestimten algemeinen Säzzen gelangen wil. –" Seit. 144. 145.

 

[Ib-08-1780-0380]
2) Von den Kräften der Dinge.

 

[Ib-08-1780-0381]
"Es scheint mir sehr erweisbar, wenn man die Kräft' als Substanzen ansieht, ( die, (von dem Soliden verschieden sind, ) und) denken, wollen und wirken können, und in solchen Substanzen die Geisterwelt aufsucht. –" Seit. 160. a) Diese Meinung führt weit und erklärt viel. Es ist dies die Leibnizzische Monadenlehre. Man braucht den unerklärbaren Saz nicht anzunehmen, daß Kräft' an dem Soliden existiren. Da's sich durch unwidersprechliche Gründe darthun läst, daß eine Substanz ohne Kraft ein Nichts sei; so mus man die Kräfte selbst für ein Substanzen erklären, ohn' ein sogenantes Substratum, wo die Kraft ist. – Wie viel leichter läst sich nicht die Einwirkung der Seel' in den Körper erklären, wenn man annimt, daß Geist in Geist wirkt, und daß nur die Stufen ihrer Volkommenheit verschieden sind. – Wer weis entwikkelt sich nicht der Geist, der in dem Kiesel wirkt, durch Stufen hinauf zur Höhe der Pflanzenseele, von dieser zur Thierseele, dann zur Menschenseel' und zum Engel. Dies seien Winke für den Forscher. – Anm. a)] Durch horizontale Linie vom Haupttext getrennt am Seitende angefügt. ST.

 

[Manuskriptseite 135.]

[Ib-08-1780-0382]
XVII.

 

[Ib-08-1780-0383]
Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Siebzehnter Band. Lemgo, in der Meier'schen Buchhandlung. 1780.

 

[Ib-08-1780-0384]
1) Psychologische Bemerkungen über den Willen, die Sympathie, und Trägheit des Menschen u. s. w.

 

[Ib-08-1780-0385]
"Daß die Verschiedenheit in der ursprünglichen Disposizion der Verstandeskräft' eine ausserordentliche Verschiedenheit im Wollen und Handeln verursachen müsse, ist unstreitig. Der Wille des erstern, dessen Verstand sogleich in ieder Vorstellungsart Harmonie wahrnimt, und mit ieder Theorie eines ieden Schriftstellers sympathisirt, ist auch im handelnden Leben thätiger, seine Willensäusserungen und Entschliessungen sind plözlicher und sein Begehrungsvermögen überhaupt reizbarer. Der Leztere hingegen handelt bedachtsamer, läst * sich schwerer zum Wirken anregen, ist mistrauischer, fester, und unbeweglicher. Die Mannigfaltigkeit, die diese verschiedne Stimmung der Denkkraft in den thätigen mo

 

[Manuskriptseite 136.]

ralischen Gemüthsbewegungen, in Freundschaft, Menschenliebe, Geselligkeit, kurz im ganzen moralischen Karakter und in der Summe des Genusses von Vergnügen und Glükseeligkeit (und wie verschieden formet nicht schon dieser Umstand den handelnden Menschen?) der mehrern Individuen bewirkt, läst sich kaum in ihrem ganzen Umfang' übersehen. – –" Seit. 7. 8.

 

[Ib-08-1780-0386]
"Der Umstand ist in der That merkwürdig, daß die Sympathie bei'm Thier nur auf Gegenstände seiner Art beschränkt ist. Es nimt nur am Leiden und an den Freuden von Geschöpfen seiner Art Theil. Der Mensch hingegen sympathisirt mit der ganzen lebenden und leblosen Natur. –" Seit. 11.

 

[Ib-08-1780-0387]
"Wir freuen uns mit dem partikulären Glük eines Individuum's mit; aber ganz anders ist unsre Mitfreude beschaffen, wenn wir z. B. uns über den glüklichen Ausgang eines gemeinnüzzigen Unternehmens unsers Regenten mitfreuen. Diese Mitfreude wird durch die unvermerkte Hinzukunft anderer Gemüthsbewegungen nuanziert, so daß man auch eine eigne Art aus ihr machen könte. Ähnliche Schattirungen der Sympathie finden sich auch bei ihren unangenehmen Empfindungen; und sie scheinen auch offenbar einige Verschiedenheiten im Karakter mehrerer

 

[Manuskriptseite 137.]

Menschen zu erzeugen. Besonders ist die Erfahrung sehr gemein, daß einige Menschen, und dies ist der gröste Theil, weit mehr zum Mitleiden, als zur Mitfreud' aufgelegt sind; vielleicht weil die Mitfreud' eine Empfindung von feinerer Art ist, als das Mitleiden. Der sympathetische Schmerz fült auch die stumpferen Empfindungswerkzeuge mit Heftigkeit an; aber's sympathetische Vergnügen rührt nur die feinern ausgebildetern Seelen; wahrscheinlich aus dem Grunde, weil's Vergnügen überhaupt Einheit, zusammengedrängte Innigkeit, der Schmerz hingegen Zusammengeseztheit und Mannigfaltigkeit ist .– –" Seit. 13. 14.

 

[Ib-08-1780-0388]
"Der Mensch hat Kräft' und Anlagen. Diese können ihm von der Natur nicht deswegen mitgegeben worden sein, daß sie entstokken, verrosten und in Unthätigkeit wegdünsten sollen. Sie müsten aber nothwendig vorher angeregt werden, weil sie sonst bei'm Menschen würden eingewikkelt gelegen haben, ohne daß dieser gewust hätte, daß Kräfte bei und in ihm schlummern. Es must' also dafür gesorgt werden, daß diese schlummernden Kräft' aufgewekt würden. Und 's ist dafür gesorgt worden. Denn durch die angenehmen und unan

 

[Manuskriptseite 138.]

genehmen Empfindungen werden die Kräfte gereizt, in Thätigkeit überzugehen. Das ist der Fal nicht nur bei allen denkenden, sondern auch bei den blos fühlenden Wesen in der Natur. Daraus folgt nun, daß das Ursprüngliche vor der Hinzukunft der Anregungen und Reize, die Unthätigkeit sei, und daß diese Unthätigkeit als einfacher, der Trieb hingegen zur Thätigkeit, da er vorher herausgelokt werden mus, wegen der hinzukommenden Reize, nothwendig als zusammengesezter und als weniger ursprünglich zu betrachten sei. –" Seit. 14. 15.

 

[Ib-08-1780-0389]
"In dem algemeinen Grunde, dem Verlangen nach Lust und Zufriedenheit, kommen nach allen Untersuchungen, alle Neigungen und Triebe des Willens zusammen; mittelst desselben kan man ihnen allen beikommen und die einen durch die andern regieren; ob sie gleich aus sehr verschiednen Gründen entspringen, und auf die verschiedensten Gegenstände sich beziehn. Die Veränderlichkeit der Vorstellungen, von welchen der Will' abhängt, so wohl was ihre Beurtheilung im Verstande, als ihre Belebung in der Einbildungskraft anbelangt, ist so gros, daß sich, den Menschen überhaupt betrachtet, keiner der dieser algemeinen Absicht untergeordneten Triebe namhaft machen läst, der nicht die andern überwinden

 

[Manuskriptseite 139.]

oder von ihnen überwunden werden könte. Die Geschichte der Kinderliebe, Elternliebe, Vaterlandsliebe, Eheliebe, der Religion, der Liebe zum Leben, zum Spiel, zur Wissenschaft beweiset beides zur Genüge. Vermög' ienes gemeinschaftlichen Grundes, aus dem sie entspringen, oder, wenn man lieber wil, vermöge des gemeinschaftlichen Zwekkes, nach dem sie all' hingerichtet sind, und der mannigfaltigen Beziehungen der Ding' in der Welt und unsrer Handlungen, haben die Neigungen auch natürlicher Weis' eine solche Gemeinschaft unter sich, und einen solchen Einflus auf einander, daß das Wirken eines einzigen Triebes ohn' alle M mittelbare oder unmittelbare Mitwirkung der übrigen bezweifelt werden müste; wenn auch nicht die Erfahrung, so oft als ein Mensch sich genauer untersucht, das Gegentheil iedesmal zur Genüg' offenbar machte. Diese Bemerkung ist oft genug dazu angewandt worden, den Werth edler, uneigennüzzig scheinender Handlungen, wegen der vermuthlich wenigstens mitwirkenden unedlem, eigennüzzigen Triebfedern herabzusezzen. Wenn man ihr aber, unter Anleitung der Erfahrung, unpartheiisch nachgeht: so wird sie gewis auch oftmals Anlas geben, sich zu überzeugen, daß die Bewegungsgründe des menschlichen Willens im Grund

 

[Manuskriptseite 140.]

nicht immer so verächtlich und unedel sind, als sie nach den Kollisionen und andern äusserlichen Verhältnissen der Handlungen es scheinen, ia bisweilen selbst nach den ersten unvolständigen Erklärungen und Geständnis der Handelnden scheinen musten. Überhaupt wird, bei der volständigen Erwegung des ganzen Systems der menschlichen Neigungen und ihrer Gründe, das Urtheil über den Menschen doch immer das am wenigsten einseitige scheinen, daß er nicht so wol im Grunde seines Willens ein bösartiges oder verächtliches, als ein schwaches, durch Irthum sich täuschendes Geschöpf sei; welches, sobald's aus der Sphäre der Instinkt' und der instinktmässigen Gewohnheitstrieb' heraus ist, und durch einen seinen Empfindungen und Verhältnissen entsprechenden Grad richtiger Erkentnis innerlich gut, liebenswürdig und glükselig gemacht werden kan. –" Seit. 23. 24. 25.

 

[Ib-08-1780-0390]
2) Schilderung des rohen Wilden.

 

[Ib-08-1780-0391]
"So lange der Mensch seine eignen Vortheile nicht kent, bekümmert er sich ohne Noth um Nichts. Er erträgt auch den drükkendsten und beschwerlichsten Zustand, so lang' ihm die Reiz' eines bessern nicht bekant sind. Sein Verstand denkt eben deswegen auch auf keine Mittel, ihrer theilhaftig zu werden. Das mühsame Bestreben Andrer nach dergleichen ihm unbekanten

 

[Manuskriptseite 141.]

Gütern mus ihm Thorheit zu sein dünken. Nur was zur Befriedigung der im Kreise seiner Bedürfnisse liegenden Dinge gehört, interessirt ihn. So lang die Bedürfnisse, die sonst seine Thätigkeit und Kräfte seiner Seel' in Bewegung bringen, ihm noch entfernt zu sein dünken, fühlt er auch bei weitem die Reiz' und Antriebe nicht, die sonst seinen Verstand, so bald 's Bedürfnis gegenwärtig ist, geschäftig machen, und er sint daher auch nicht auf Mittel, ihnen abzuhelfen. Das Vergangene, so wie's Zukünftige, hat für sein Gefühl einen zu stumpfen Stachel. Um die Folgen seiner Handlungen bekümmert er sich wenig; er lebt blos für's Gegenwärtige, und schränkt den frohen Genus des Gegenwärtigen nicht um künftiger Bedürfniss' ein.

 

[Ib-08-1780-0392]
Diese ganze Schilderung des unausgebildeten Natursohns fliest schon aus den Quellen, woraus Denkungsart und Karakter entspringen. Ein solcher Mensch kan in seinem ursprünglichen Zustand keine Erkentnis anders, als durch die Erfahrung bekommen. Wie viel Zeit und Umstände gehören nun nicht dazu, eh' er in die mancherlei Lagen und Beziehungen, auch nur mit einem etwas beträchtlichen

 

[Manuskriptseite 142.]

Theil der Welt kommen kan? Dieser Mangel an so vielen und mancherlei Gefühlen mus in gleichem Verhältnis seine Phantasie in Absicht der mehresten Dinge kalt und gleichgültig lassen. So lang diese Gleichgültigkeit währt, so lang ihn nur wenige Gegenständ interessiren; so lang kan auch seine Theilnehmung nicht anders, als sehr eingeschränkt sein. Daher sein Mangel an Wolwollen und Menschenliebe. Da ihm die Befriedigung seiner Bedürfnisse fast gar keine Mühe macht; so gewöhnt er sich, von den Kräften seines Verstandes und Körpers keinen Gebrauch zu machen. Diese Gewohnheit f*...* flöst ihm den Hang zur Trägheit ein. Ein Hauptgrund, warum die Zukunft auf ihn keinen tiefen Eindruk macht, liegt darinnen: der Mensch wird vom Anfang seines Daseins an Begebenheiten gewöhnt, die erst zukünftig waren. Ieder Tag hat seinen Morgen und seinen Abend, seine Bedürfnisse, Geschäft' und Befriedungen. Sie gehn alle mit mehr oder weniger Beschwerde vorüber, und der schlimmern sind immer die wenigsten. Bei dieser täglichen Erfahrung wird's Unbekümmertsein um die Zukunft, wenn nur die gegenwärtigen Bedürfnisse befriedigt sind, sehr bald zur Gewohnheit.

 

[Manuskriptseite 143.]

Diese Gewohnheit in Verbindung mit der Neigung zur Ruhe lenkt die Denkungsart des Menschen von allen weiten Voraussehungen in die Zukunft ab. –" Seit. 339. 340. 341.

 

[Ib-08-1780-0393]
3) Verschiedne Bemerkungen über den Geschmak u. a. m.

 

[Ib-08-1780-0394]
"Grosse Bosheit und ausserordentliche Geistesgaben mögen in derselben Person vereinigt gewesen sein; aber daran kan vielleicht gezweifelt werden, ob ein verdorbenes Herz und ein feiner Geschmak iemals mit einander verbunden gewesen sind. –" Seit. 467.

 

[Ib-08-1780-0395]
"In der menschlichen Seele kan nicht leicht irgend ein angenehmer oder unangenehmer Eindruk fortdauern, ohne sich mit moralischen Gefühlen zu vermischen, oder assimilirt zu werden. – –" S. 468.

 

[Ib-08-1780-0396]
"Nur die Betrachtung des Natürlichen gewährt Vergnügen, d. h. daß ein Ding so beschaffen sei, als es sein mus, übereinstimmend mit unserm eignen Geschmak und der Einrichtung unsers ganzen Wesens. Monströse Dinge gefallen nur einen Augenblik, wofern sie überhaupt gefallen, denn sie borgen ihren Reiz vom Staunen des Zuschauers, das geschwind vorüber geht. Da unsre inneren Kräfte doch nur so viele Äusserungen ein und eben derselbigen Seele sind, und daher gar nicht angenommen werden kan, daß etwas, was einer her

 

[Manuskriptseite 144.]

schenden Kraft widerspricht, den übrigen daurendes Vergnügen solte geben können: so kan etwas der Vernunft widersprechendes der Einbildungskraft unmöglich gefallen. Folglich kan nur dasienige ein algemeines und solides Vergnügen gewähren, was einige Wahrscheinlichkeit in und für sich hat. –" Seit. 469. 470.

 

[Ib-08-1780-0397]
"Der Dichter mus gleich im Anfang seines Werks seine Leser interessiren; und zwar dadurch, daß er ihnen sogleich einen Vorfal oder eine Begebenheit vorlegt, die wichtig genug ist, um die Neugierde sowol wegen ihrer Ursachen als Folgen zu reizen. Es mus daher seine Geschichte nicht von ihrem Anfange, sondern in der Mitt' anheben oder aufnehmen, oder, um der gar zu grossen Länge des Werks vorzubeugen, so nah' am End' als möglich, und nachher eine günstige Gelegenheit ergreifen, um uns entweder durch den Weg der Erzählung, oder durch die Unterredungen der eingeführten Personen, oder endlich durch kurze und natürliche Digressionen die vorhergegangenen Begebenheiten bekant zu machen. Denn der Ursprung der Völker, und die Anfäng' oder ersten Ursachen der Begebenheiten sind wenig bekant und selten interessant. So macht's auch der Homer, mit der Iliade und Odyssee, desgleichen der Virgel mit der Äneide, und Milton mit dem verlornen Paradies. –" Seit. 475. 476.

 

[Manuskriptseite 145.]

[Ib-08-1780-0398]
4) Der Delinquententod.

 

[Ib-08-1780-0399]
"Ein reisender Affe sah einer Kazze zu, welche eine Maus gefangen hatte. Die Kazze lies das Mäuschen unzähligemal laufen, fing's wieder, warf's in die Luft, und hascht's zwischen ihre stachlichten Klauen auf. So muste die Maus tausend Märtyrertod' erfahren, bis sie ihr endlich den lezten Druk gab. Barbar, rief der Af; das Schiksal wolte, daß dies schwächere Thier in deine Gewalt kommen solte. Aber must du's peinigen? Warum tödtest du's nicht mit einem Streich? Sie ist ein Opfer der Iustiz, antwortete die studirte Kazze. Ich bin hier auf diesem Speicher Polizeikommissar. Wer von diesen zweimalhunderttausend Mezzen Korn, die hier aufgeschüttet liegen, ein Keimchen entwendet, den verdamt 's Gesez zum Tod. Die Art, wie ich sie hinrichte, sind die Formalitäten. Vol Verachtung über die spizfündige Iurisprudenz der Kazze verlies sie der Affe. Indem er seinen Weg fortsezte; so begegnet' ihm die Natur in Gestalt einer Harpie. Der Af warf ihr auf's bitterste ihre Grausamkeit vor, und erzählt' ihr, was die Kazze gethan. Tröste dich, mein Sohn, sprach die Natur: "Es ist wahr, das Gesez des Todes rührt von mir her, aber die Formalitäten haben die Kazzen hinzugefügt." – –. Seit. 548. 549.

 

[Manuskriptseite 146.]

[Ib-08-1780-0400]
XVIII.

 

[Ib-08-1780-0401]
Des Herrn Christian Ewald von Kleist sämtliche Werke. Erster Theil. Berlin, bei Christian Friedrich Vos, 1761.

 

[Ib-08-1780-0402]
1)

 

[Ib-08-1780-0403]
Gedanken eines betrunknen Sternsehers.
"Mich wundert nicht, dass sich
Ihr Freunde, wie ihr seht,
Die Erde dreht;
Kopernik hat fürwahr kein falsch System ersonnen.
Doch – – – dort seh ich
Am Himmel gar zwo Sonnen!
Ei! Ei! das wundert mich." – Seit. 49.

2)

 

[Ib-08-1780-0404]
Über's Bildnis Raphael's, von ihm selbst gemalt.
"Der Tod, der Raphael'n dem Erdkreis rauben wolte,
Von dem Verhängnis abgeschikt,
Stuzt, als er dessen Bild erblikt,
Unschlüssig, welchen er von beiden nehmen solte.
Nim ienen nicht, sprach Raphael; nim mich!
Der ist unsterblicher als ich. –"Seit. 104.

3) .

 

[Ib-08-1780-0405]
Der Krieg
"Wie, wenn der Sturm aus Äols Höhle fährt,
Und heulend Staub in finstre Wirbel drehet,
Den Himmel schwärzt, dem Sonnenstrale wehrt,
Die grüne Flur mit Stein und Kies besäet.
So tobt der Feind, so wütend fült sein Heer
Die Luft mit Dampf, die Felder mit Gewehr.
Die Saaten sind zerwühlt, der Fruchtbaum weint
Der Weinstok stirbt vom mörderischen Streichen,
Die schöne Braut sieht ihren iungen Freund,
Den Blumen gleich, durch kalten Stahl erbleichen,
Ein Thränengus, indem sie ihn umschliest,
Nezt ihr Gesicht, wie Thau von Rosen fliest.
Dort flieht ein Kind, Sein Vater, der es führt,
Fält schnel dahin, durchlöchert vom Geschüzze:
Er nent es noch, eh' er den Geist verliert;
Der Knabe wankt und stürzet ohne Stüzze,
Wie Boreas, wenn er die Schwingen regt,
Gepfropftes Reis, das stablos zer niederschlägt.
Die Felder hat ein Feuermeer erfült,
Das um sich reist, von keiner Macht gehemmet,
Wie, wenn die See aus ihren Ufern schwilt,
Durch Dämme fährt, und Länder überschwemmet,

 

[Manuskriptseite 148.]

Die Thiere flieh'n, das Feu'r ergreift den Wald,
Der Stämme hegt, wie seine Mutter, alt.
Was Kunst und Wiz durch Müh und Schweis erbaut,
Korinth und Rom mit stolzer Pracht gezieret,
Der Städte Schmuk wird schnel entflamt geschaut
Wie mancher Thurm von Marmor aufgeführet,
Der Stolz sein Haupt hoch in die Wolken hebt,
Stürzt von der Glut! Des Bodens Veste bebt.
Das blasse Volk, das löschen wil, erstikt;
Die Gassen dekt ein Pflaster schwarzer Leichen:
Und dem es noch das Feu'r zu fliehen glükt,
Der kan dem Grim der Kugeln nicht entweichen.
Stat Wasser, trinkt der Pallast Menschenblut,
Das raucht und zischt auf Steinen voller Glut.
Wann Phoebus weicht, weicht doch die Klarheit nicht,
Die Nacht wird Tag vom Leuchten wilder Flammen;
Den Himmel färbt ein wallend Purpurlicht,
Von Dächern schmilzt ein Kupferflus zusammen;
Der Kugeln Saat pfeift, da die Flamme heult,
Mond und Gestirn erschrikt, erblast und eilt.
Wie, wenn ein Heer Kometen aus der Kluft
Des Äthers, tief in's Chaos niederfiele ;

 

[Manuskriptseite 149.]

So zieht die Last der Bomben durch die Luft,
Mit Feu'r beschweift. Vom reissenden Gewühle
Fliest hier Gehirn, liegt dort ein Rumpf gestrekt,
Hier raucht Gedärm; so ist der Grund bedekt.
Der Erde Bauch, mit Pulver angefült,
Wirft selber oft sein felsicht Eingeweide
Den Wolken zu. Die ferne Klippe brült,
Des Himmels Veste bebt; Thal, Feld und Heide
Sind um und um mit Leichen überschneit,
Als wenn Vesuv und Hekla Steine speit. –"

Seit. 132. 133. 134.

 

[Ib-08-1780-0406]
4)

 

[Ib-08-1780-0407]
Gemäld' einer grossen Überschwemmung.
"Schnel glitten Berge von Schnee die drohenden Klippen herunter,
Die Quellen empfiengen Sie, blähten sich auf; die geborstenen Ströme
Vol schwimmender Inseln, die sich mit hohlem Getöse zerschelten,
Durchrissen wühlend den Dam, verschlangen gefrässig ihr Ufer:
Thal, Wald und Wiese ward Meer. Kaum sah'n die wankenden Wipfel
Zerstreuter Ulmen hervor. geflekte Täucher und Enten
Verschwanden, schossen herauf, und irreten unter den Zweigen,
Wo sonst vor Schmerzen der Lieb' im Laube die Nachtigal seufzte.
Der Hirsch von Wellen verfolgt, strich über unwirthbare Felsen,

 

[Manuskriptseite 150.]

Die traurig die Flut übersah'n. Ergrifne Bären durchstürzten
Das anfangs seichte Gewässer vol Wut: sie schüttelten
brummend
Die giessenden Zoten; bald sank der falsche Boden: sie schwammen
Zum nahen Walde mit Schnauben, umklammerten Tannen und Eichen,
Und huben sich träufelnd empor. Der Büsche versammelte Sänger
Betrachteten traurig und stum, vom dürren Arm der Linde
Das vormals glükliche Thal, alwo sie den flehenden Iungen
Im Dornstrauch Speise vertheilt. Die Früh' gereifete Lerche,
Sich aufwärts schwingend, beschaute die Wasserwüste von oben,
Un kehrete wieder zurük. Es flossen Hekken und Hütten,
Und Dächer und Scheuren umher. Aus Giebeln und gleitenden Kähnen
Versah der bekümmerte Hirt sich einer Sündflut, die vormals
Die Welt umrolte, dass Gemsen in schlagenden Wellen versanken.-"

Seit. 153. 154.

 

[Manuskriptseite 151.]

[Ib-08-1780-0408]
XVIIII.

 

[Ib-08-1780-0409]
Des Herrn Christian Ewald von Kleist sämtliche Werke. Zweiter Theil. Berlin, beiChristian Friedrich Voss, 1761.

 

[Ib-08-1780-0410]
1) Gedanken über verschiedne Vorwürfe.

 

[Ib-08-1780-0411]
"Der Schmerz macht, daß wir die Freude fühlen, so wie's Böse macht, daß wir's Gut' erkennen. Ist denn für uns ein Zustand von immerwährendem Vergnügen möglich, den wir immer wünschen und immer hoffen? –

 

[Ib-08-1780-0412]
Oft ertragen wir grosses Unglük, und mässigen uns im heftigen Zorn; bald darauf reist uns ein kleiner Unglüksfal, eine geringe Beleidigung, aus allen Schranken. Die Seel' ist schon vorher vol von Schmerz gewesen, der, nur um ein weniges vermehrt, wie ein Strom aus seinen Ufern schwilt, und die Schleussen durchbricht. –

 

[Ib-08-1780-0413]
Woher kömt's doch, daß wir eh' eine schiefe Seel' ungetadelt lassen, als eine schiefe Verbeugung? –

 

[Ib-08-1780-0414]
Das blosse Aufhören des Schmerzens ist die gröste Wollust. Aller Schmerz ist leichter zu ertragen, als man's glaubt. Ist er zu heftig, so kan er nicht lange dauern: ist er's nicht, so kan man ihn schon aushalten, ob er gleich lange dauert. –

 

[Ib-08-1780-0415]
Veränderung ist angenehm und der menschlichen Natur nothwendig, wenn sie auch zum schlimmern ist.

 

[Manuskriptseite 152.]

[Ib-08-1780-0416]
Wer verlangt, daß man ihn seines Reichthums wegen verehre, der hat auch Recht zu verlangen, daß man einen Berg verehre, der Gold in sich hat. –

 

[Ib-08-1780-0417]
Iunge Leute, von übler Gemüthsart, solten sich immer einem Stande widmen, der sie nöthigt, tugendhaft zu sein. –

 

[Ib-08-1780-0418]
Grosse Männer werden von Niemand mehr verachtet, als von sich selbst. –

 

[Ib-08-1780-0419]
Lustige Leute begehen mehr Thorheiten, als traurige; aber traurige begehen grössere. –

 

[Ib-08-1780-0420]
Viele haben die Schwachheiten und Fehler grosser Männer nicht an sich; das macht, sie haben den Verstand derselben gemieden.

 

[Ib-08-1780-0421]
Wer in Geselschaft seiner Freund' immer Worte wiegt, ist selten ein wahrer Freund, und selten der Freundschaft fähig; er denkt nur immer an sich und liebt sich zu viel. Man mus gros genug sein, sich seinen Freunden zu zeigen, wie man ist. Verliert man sie, um seiner Schwachheit willen, so ist's ein glüklicher Verlust, so sind sie niemals Freunde gewest. –" Seit. 161 bis 174.

 

[Ib-08-1780-0422]
XX.

 

[Ib-08-1780-0423]
Kleine Kinderbibliothek, herausgegeben von I. H. Kampe. Erstes Bändchen. Hamburg, in der Heroldschen Buchhandlung. 1779.

 

[Ib-08-1780-0424]
1)

 

[Ib-08-1780-0425]
Die Liebe Gottes.
Das Kind.
"Woher denn das, daß Sie so lieb mich haben?
Der Vater.
Gott hat die Liebe mir in's Herz gegraben,
Daß ich beständig für dich sorgen sol.
Das Kind.
So mus der gute Gott ia wol
So lieb, als Sie, wol lieber noch, mich haben? –"

Seit. 13. 14.

 

[Ib-08-1780-0426]
2) Der wolthätige Knabe.

 

[Ib-08-1780-0427]
"Vor einer Stunde, da ich (sagte der Knabe) hin zu meinem Bruder nach der Heerde gieng, um ihm's Abendbrod zu bringen, hört' ich im Gebüsch' iemand reden, und schlich leis' hinzu, um zu sehen, wer's sei. Es war ein armer alter Greis; der lag auf der Erd' und neben ihm ein grosses Bündel Holz, worauf er sich mit dem Arme gestüzt hatte. Sein Gesicht war blas und abgezehrt, und seine Augen waren trübe von Thränen. Ich hörte, indem ich hinter'm Busche stand, ihn traurig mit sich selber sprechen: "Guter Gott, sagt' er, erbarme dich des Iammers! – Mein armes Weib! Meine armen Kleinen! – Aber ich kan nicht mehr vor Mattigkeit." Indem er das sagte, sank er mit'm Kopf' auf sein Bündel. Ich blieb noch eine Weile stehen, und da ich sahe, daß er eingeschlaffen war; schlich ich hin zu ihm und legte 's Abendbrod, das ich meinem Bruder bringen solte, neben seinen Kopf' auf'm Holze nieder. Dann lief ich her zur Mutter, bat sie um mein eignes Abendbrod und bracht' es hin zu meinem Bruder.

 

[Ib-08-1780-0428]
Indem ich nun iezt zurük kam und wieder an den Busch trat, hinter dem der Alte lag, wekt' ihn mein Geräusch.

 

[Manuskriptseite 154.]

Was seh' ich? rief er aus, da er's Butterbrod und die Flasche Milch erblikte! Ist ein Engel Gottes hier gewesen, der mich und meine Kleinen vom Tode retten wolte? Aber wer du auch gewesen bist, liebe Seele, die du dieses Labsal für uns hergelegt hast; Gott segne, Gott belohne dich! – Die Thränen flossen ihm dabei über die Wangen. Aber, fuhr er fort, ich Unglüklicher! Wo werd' ich den Weg aus diesem Walde finden? – Doch, Gott wird mich leiten, daß ich meinen armen Kleinen diese Erquikkung bringe. Er stand, indem er dieses sagte, mit vieler Müh' auf, belud sich wieder mit seinem Bündel Holz, und schlich gedrükt und ächzend fort. Ich selbst nahm einen Umweg, lief ihm eine Strekke vor, und kehrte wieder um, ihm zu begegnen. Gott grüss' euch, lieber Vater, sagt' ich, indem ich bei ihm war. Es wird euch wol recht sauer, so viel zu tragen? Gebt die Flasche mit der Milch und's Brod mir her; ich wil's tragen für euch und wil euch führen, wenn ihr eure Hand auf meine Schulter legen wolt. Der Greis sah mir mit freudiger Verwunderung in's Gesicht und sagte, indem er seine Hand auf meine Schulter legte: Gott hat dich gesandt, mein Sohn, um mich aus diesem Walde zu führen, worin ich mich verirt hatte. Ich fragt' ihn, wohin er wolte; und so führt' ich ihn zum Wald hinaus. Er erzählte mir mit nassen Augen, wie unverhoft der liebe Gott für ihn gesorgt habe, während seines Schlafs, und bedauerte nichts mehr, als daß sein Wolthäter ihm unbekant geblieben sei. Alle Morgen, sagt' er, und all' Abend sollen meine Kleinen mit mir für ihn zu

 

[Manuskriptseite 155.]

Gott beten, denn er hat vom Tod' uns errettet. Auch du, mein Sohn, sagt er hinzu, solst gesegnet werden von uns, daß du mich führst zu meinen Kindern, ehe sie vor Hunger sterben. Ich bracht ihn bis nahe zu seiner Hütte.

 

[Ib-08-1780-0429]
Iezt stell' ich mir nun vor, wie die armen Kinder sich mögen gefreuet haben, da ihr Vater zu Hause kam und ihnen etwas zu Essen mitbrachte; und darüber kamen mir die Thränen in die Augen. –" Seit. 56. 57. 58.

 

[Ib-08-1780-0430]
3)

 

[Ib-08-1780-0431]
Der Thau auf Rosenblättern.
"Sieh doch, Kleiner, diese Perle,
O wie hel und rein
Glänzt sie auf dem Purpurblätchen
Hier im Sonnenschein!
Als ich gestern nach dem Donner
Diese Rose sah,
Ach! da hiengen grosse Tropfen
Trüben Regens da.
Stürme wolten sie entblättern;
Aber sieh! wie iezt
Iener Morgensonne Schimmer
Sie so kosend lezt.

 

[Manuskriptseite 156.]

Oft wird heut' ein Sturm des Leides
Über dich ergeh'n:
Ach! dann werden trübe Thränen
Dir im Auge steh'n.
Aber Morgen, frommer Knabe,
Morgen, – freue dich!
Drängen Freudenthränen wieder
Aus dem Auge sich.
Bild der Unschuld ist die Rose;
Sei ihr gleich; sei gut!
Tugend nur schenkt wahre Freuden
Und im Unglük Muth. –"
Seit. 69. 70.

4) Der possierliche Affenfang.

 

[Ib-08-1780-0432]
"Am Oronoko–Flus in Amerika bedient man sich eines sonderbaren Mittels, die Affen zu fangen.

 

[Ib-08-1780-0433]
Die Affen finden all' einen sonderlichen Geschmak an dem indianischen Korn, welches Maiz genant wird. Davon thut man nun etwas in ein Gefäs, welches einen langen und zugleich sehr engen Hals hat, so daß sie nur eben die eine Pfot' hineinbringen können. Und dieses Gefäs stelt man dan unter einen Baum, worauf man den Affen sizzen sieht, und geht davon. Kaum hat der Aff' es bemerkt, so steigt er

 

[Manuskriptseite 157.]

herab, stekt sein Pfötchen in den engen Hals und nimt eine Handvol Maiz vom Boden auf. Nun kan er aber die geschlossene Pfote nicht wieder zurükziehen; und sie aufzumachen und den Maiz, dessen er sich einmal bemächtigt hat, wiederfahren zu lassen, dazu kan er sich auch nicht entschliessen, es koste, was es wolle. Er fängt also ein klägliches Geschrei an, als wenn er in grossen Nöthen wäre, ohngeachtet's lediglich nur bei ihm steht, sich wieder frei zu machen. Aber seine Begierde nach dem Maiz ist so gros, daß er sich lieber tödten läst, als daß er ihn fahren liesse. Die Iäger versichern, niemals erlebt zu haben, daß auch nur ein Einziger die Pfot' aufgemacht hätte, um sich durch die Flucht zu retten.

 

[Ib-08-1780-0434]
Diese sonderbare Thorheit der Affen hat zu folgendem erdichteten Gespräch Anlas gegeben:

 

[Ib-08-1780-0435]
Der Sklav und der Affe.
Sklav.
Mich zu erwarten? O des Thoren!
Affe.
Was wilst du denn?
Sklav.
Du bist verloren;
Dich tödten wil ich!
Affe.
Mich? Um eine Handvol Maiz?
Fi! Bruder Mensch, stinkst ia von Geiz!

 

[Manuskriptseite 158.]

Sklav.
's ist nicht für mich; bin nur stat meines Herren hier.
Affe.
So ist dein Herr ein wildes Thier
Und du, sein Sklav, bis eine feige Memme!
Sklav.
Wart, Unthier! –
Affe.
Mus ich ia wol; bin leider! in der Klemme.
Gesteh nur, daß es schimpflich sei,
Aus blossem Zwang, als Sklav zu handeln.
Bin nur ein Af, doch bin ich frei!
Sklav.
Das wäre! – Sei's dann, magst diesmal wandeln
Wohin du wilst. Fort, fort nur, säume nicht!
Affe.
Ach, siehst ia wol, woran's gebricht!
Sklav.
Mach' auf die Hand!
Affe.
Das kan ich nicht;
Da würd' ich ia den schönen Maiz verlieren!
Sklav.
So giebt's der Sklaven dann auch unter Thieren!
Ein Bischen Maiz ist dein Tyran,
Der Meinige ein weiser Man.

 

[Manuskriptseite 159.]

Stirb, Sklav! Mus meines Herren Willen
Wie du des deinigen erfüllen. –"

Seit. 75. 76. 77.

 

[Ib-08-1780-0436]
5)

 

[Ib-08-1780-0437]
Über den Werth des Lebens.
"Leben ist des Himmels gröste Gabe,
Ist des tiefsten, wärmsten Wunsches werth;
Sagt das nicht der schwache Greis am Stabe,
Der den Tod mit Zittern kommen hört?
Sagt das nicht der Säugling in der Wiege,
Wenn der kalte Schauer in befält,
Und der Todeskrampf die kleinen Züge,
Ieden kleinen Reiz an ihm entseelt?
Sagt das nicht mit bangem Girr'n die Taube,
Wenn des Geiers Mordsucht sie bedroht?
Sagt das nicht der kleinste Wurm im Staube?
Ach! sich windend leidet er den Tod.
Selbst das Dasein – nur des Lebens Schatten –
Ist dem Kranken immer noch ein Gut
Selbst die Gräserhalmen auf den Matten
Sterben traurig unter Sonnengluth.
Und aus Gräbern zwischen dichtem Mose
Drängen Frühlingsblümchen sich hervor;
Zwischen Dornen hebt die iunge Rose
Froh ihr glühendes Gesicht empor.

 

[Manuskriptseite 160.]

Zwar uns Armen drohen tausend Plagen
Von der Wiege bis zum frühen Grab;
Aber tausend, tausend Freuden sagen,
Daß ein guter Gott das Leben gab.
Und gerührt im mütterlichen Herzen
Sizt am Wege die Glükseligkeit,
Trauert, wenn wir wählen bitre Schmerzen,
Stat des Seegens, den sie hold uns beut.
Beut dem Hirten hinter seiner Heerde,
Wie dem Fürsten, ihre Freuden dar;
Liebt noch immer ihre kleine Erde,
Die ihr Siz in goldnen Zeiten war. –
Ia, das Leben ist des Himmels Gabe,
Werth, daß Dank in unsern Adern schlägt;
Fühlt, das nicht, auch bei der kleinsten Habe
Wer ein reines Herz im Busen trägt. –"
Seit. 152. 153. 154.

XXI.

 

[Manuskriptseite 161.]

[Ib-08-1780-0438]
Die Erziehung des Menschengeschlechts.

 

[Ib-08-1780-0439]
Huc omnia inde esse in quibusdam vera, unde in quibusdam falsa sunt.Augustinus

Herausgegeben von Gotthold Ephraim Lessing. Berlin, 1780. Bei Christian Friedrich Vos und Sohn.

 

[Ib-08-1780-0440]
1) Aus Vorrede – von Religion überhaupt.

 

[Ib-08-1780-0441]
"Warum wollen wir in allen positiven Religionen nicht lieber weiter nichts, als den Gang erblikken, nach welchem sich der menschliche Verstand iedes Orts einzig und allein entwikkeln können, und noch ferner entwikkeln sol; als über eine derselben entweder lächeln, oder zürnen? Diesen unsern Hohn, diesen unsern Unwillen, verdient' in der besten Welt nichts: und nur die Religionen solten ihn verdienen? Gott hätte bei allem seine Hand im Spiele: nur bei unsern Irthümern nicht? – –" Seit. 5. 6.

 

[Ib-08-1780-0442]
2) Von A. und N. und zukünftigen Testament.

 

[Ib-08-1780-0443]
"Was die Erziehung bei'm einzelnen Menschen ist, ist die Offenbarung bei'm ganzen Menschengeschlechte . Erziehung ist Offenbarung, die dem einzelnen Menschen geschieht: und Offenbarung ist Erziehung, die dem Menschengeschlecht geschehen ist, und noch geschieht. Erziehung gibt dem Menschen nichts, was er nicht auch aus sich haben könte: sie giebt ihm das, was er aus sich selber haben könte, nur geschwinder und leichter. Also gibt auch die Offen

 

[Manuskriptseite 162.]

barung dem Menschengeschlechte nichts, worauf die menschliche Vernunft, sich selbst überlassen, nicht auch kommen würde: sondern sie gab und giebt ihm die wichtigsten dieser Dinge nur früher. Und so wie's der Erziehung nicht gleichgültig ist, in welcher Ordnung sie die Kräfte des Menschen entwikkelt; wie sie dem Menschen nicht alles auf einmal beibringen kan: eben so hat auch Gott bei seiner Offenbarung eine gewisse Ordnung, ein gewisses Maas halten müssen. Wenn auch der erste Mensch mit einem Begriffe von dem einem Einigen Gott sofort ausgestattet wurde: so konte doch dieser mitgetheilte, und nicht erworbene Begrif, unmöglich lang' in seiner Lauterkeit bestehen. Sobald ihn die sich selbst überlasne menschliche Vernunft zu bearbeiten anfieng, zerlegte sie den Einzigen Unermeßlichen in mehrere Ermeßliche, und gab iedem dieser Teil' ein Merkzeichen. So entstand natürlicher Weise Vielgötterei und Abgötterei. Und wer weis, wie viele Millionen Iahre sich die menschliche Vernunft noch in diesen Irrwegen würd' herumgetrieben haben; ohngeachtet überall und zu allen Zeiten einzelne Menschen erkanten, daß es Irwege waren: wenn's Gott nicht gefallen hätte, ihr durch einen neuen Stos eine bessere Richtung zu geben.

 

[Manuskriptseite 163.]

[Ib-08-1780-0444]
Da er abereinem ieden einzelnen Menschen sich nicht mehr offenbaren konnte, noch wolte: so wählt' er sich ein einzelnes Volk zu seiner besondern Erziehung; und eben 's ungeschliffendste, das verwildertste, um mit ihm ganz von vorn' anfangen zu können. Dies war's israëlitische Volk. Durch die Wunder, mit welchen er's aus Ägypten führte, und in Kanaan einsezte, bezeugt' er sich ihm gleich darauf als einen Gott, der mächtiger sei, als irgend ein andrer Gott. Und indem er fortfuhr, sich ihm als den Mächtigsten von allen zu bezeugen, – welches doch nur einer sein kann, – gewöhnt er's almählig zum Begriffe des Einigen. Weil sich aber dieses Volk zum wahren Begriffe des Einigen nicht erheben konte, so glaubt' s so oft, den Einzigen, d. i. Mächtigen in irgend einem andern Gott' eines andern Volks zu finden. Dieses Volk in seiner Kindheit war keiner andern moralischen Erziehung fähig als der, durch unmittelbare sinliche Strafen und Belohnungen. –

 

[Ib-08-1780-0445]
Allein wozu, wird man fragen, diese Erziehung eines so rohen Volks, eines Volkes, mit welchem Gott so ganz von vorn' anfangen muste? Ich antworte: um in der Folge der Zeit einzelne Glieder desselben so viel sicherer zu Erziehern aller übrigen Völker brauchen zu können. Er erzog in ihm die künftigen Erzieher des Menschengeschlechts. Das wurden

 

[Manuskriptseite 164.]

Iuden, das konnten nur Iuden werden, nur Männer aus einem so erzognen Volke. Denn weiter. Als das Kind unter Schlägen und Liebkosungen aufgewachsen und nun zu Iahren des Verstandes gekommen war, stieß es der Vater auf einmal in die Fremde; und hier erkant' es auf einmal 's Gute, das es in seines Vaters Hause gehabt und nicht erkant hatte. Während daß Gott sein erwähltes Volk durch alle Staffeln einer kindischen Erziehung führte: waren die andern Völker des Erdbodens bei'm Lichte der Vernunft ihren Weg fortgegangen. Die meisten derselben waren weit hinter dem erwählten Volke zurükgeblieben: nur einige waren ihm zuvorgekommen. Und auch das geschieht bei Kindern, die man für sich aufwachsen läßt; viele bleiben ganz roh; einige bilden sich zum Erstaunen selbst. – –

 

[Ib-08-1780-0446]
Anstat daß das israelitische Volk Gott bisher nur gegen die armseligen Gözzen der kleinen benachbarten rohen Völkerschaften geschäzt hatte, mit welchen's in beständiger Eifersucht lebt unter dem weisen Perser an, ihn gegen's Wesen aller Wesen zu messen, wie's eine geübtere und Vernunft erkant' und verehrte.

 

[Manuskriptseite 165.]

Die Offenbarung hatte seine Vernunft geleitet, und nun erhelte die Vernunft auf einmal seine Offenbarung.

 

[Ib-08-1780-0447]
Das in die Fremde geschikte Kind sah' andre Kinder, die mehr wußten, die anständiger lebten, und fragte sich beschämt: warum weis ich das nicht auch? warum leb' ich nicht auch so? Hätt' ich in meines Vaters Hause man mir das nicht auch beibringen; dazu mich nicht auch anhalten sollen? Da sucht es seine Elementarbücher wieder vor, die ihm längst zum Ekel geworden, um die Schuld auf die Elementarbücher zu schieben. Aber siehe! es erkent, daß die Schuld nicht an den Büchern liege, daß die Schuld ledig sein eigen sei, warum's nicht längst eben das wisse, eben so lebe. –

 

[Ib-08-1780-0448]
Durch die Weisheit der Perser belehrt, kamen sie iezt zurük mit viel bessern Begriffen von Gott. Sie fielen auch niemals mehr von ihm ab. Denn man kann einem Nazionalgott wohl untreu werden, aber nie Gott, so bald man ihn einmal erkant hat.

 

[Ib-08-1780-0449]
Die Gottesgelehrten haben diese Veränderung verschiedentlich zu erklären gesucht; und Einer vorzüglich so: er gab die augenscheinliche Erfüllung der über die Babylonische Gefangenschaft und die Wiederherstellung aus derselben ausgesprochnen Weissagungen zur Ursach' an.

 

[Manuskriptseite 166.]

Aber auch diese Ursache kan nur in sofern die wahre sein, als sie die nun erst veredelten Begriffe von Gott voraus sezt. Die Iuden musten nun erst erkant haben, daß Wunderthun und's Künftige vorhersagen, nur Gott zukomme; welches beides sie sonst auch den falschen Gözzen beigelegt hatten, wodurch eben Wunder und Weissagungen bisher nur einen so schwachen, vergänglichen Eindruk auf sie gemacht hatten. –

 

[Ib-08-1780-0450]
In Vorübungen, Anspielungen, Fingerzeigen besteht die positive Volkommenheit eines Elementarbuchs; so wie die Eigenschaft, daß es den Weg zu den noch zurükgehaltenen Wahrheiten nicht erschwer', oder versperre, die negative Volkommenheit desselben war. Sezt hierzu noch die Einkleidung und den Stil – 1) die Einkleidung der nicht wol zu übergehenden abstrakten Wahrheiten in Allegorien und lehrreiche einzelne Fälle, die als wirklich geschehen erzählt werden. Dergleichen sind die Schöpfung, unter dem Bilde des werdenden Tages; die Quelle des moralischen Bösen, in der Erzählung vom verbotnen Baume; der Ursprung der mancherlei Sprachen, in der

 

[Manuskriptseite 167.]

Geschichte vom Turmbaue zu Babel, u. s. w. 2) den Stil – bald plan und einfältig, bald poetisch, durchaus vol Tavtologien, aber solchen, die den Scharfsinn üben, indem sie bald etwas anders zu sagen scheinen, und doch 's nämliche sagen, bald 's nämliche zu sagen scheinen, und im Grund' etwas anders bedeuten oder bedeuten können: – Und ihr habt alle gute Eigenschaften eines Elementarbuchs sowol für Kinder, als für ein kindisches Volk. Aber iedes Elementarbuch ist nur für ein gewisses Alter. Das ihm entwachsene Kind länger, als die Meinung gewesen, dabei zu verweilen, ist schädlich. Denn um dieses auf eine nur einigermassen nüzliche Art thun zu können, mus man mehr hineinlegen, als darin liegt; mehr hineintragen, als es fassen kann. Man mus der Anspielungen und Fingerzeige zu viel suchen und machen, die Allegorien zu genau ausschütteln, die Beispiele zu umständlich deuten, die Worte zu stark pressen. Das gibt dem Kind' einen kleinlichen, schiefen, spizfündigen Verstand; das macht's geheimnisreich, abergläubisch, vol Verachtung gegen alles Fasliche und Leichte. Die nämliche Weise, wie die Rabinen ihre heiligen Bücher be

 

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handelten! Der nämliche Karakter, den sie dem Geist' ihres Volks dadurch ertheilten! Ein besserer Pädagog muß kommen, und dem Kind' s erschöpfte Elementarbuch aus den Händen reissen. – Christus kam. Der Theil des Menschengeschlechts, den Gott in Einen Erziehungsplan hatte fassen wollen – er hatt' aber nur denienigen in Einen fassen wollen, der durch Sprache, durch Handlung, durch Regierung, durch andere natürliche und politische Verhältniss' in sich bereits verbunden war – war zu dem zweiten großen Schritte der Erziehung reif. Das ist: dieser Theil des Menschengeschlechts war in der Ausübung seiner Vernunft so weit gekommen, daß er zu seinen moralischen Handlungen edlere, würdigere Bewegungsgründe bedurft' und brauchen konte, als zeitliche Belohnung und Strafen waren, die ihn bisher geleitet hatten. Das Kind ward Knabe. Schon längst waren die Bessern von ienem Theile des Menschengeschlechts gewohnt, sich durch einen Schatten solcher edlern Bewegungsgründe regieren zu lassen. Um nach diesem Leben auch nur in dem Andenken seiner Mitbürger fortzuleben, that der Griech' und Römer alles. Es war Zeit, daß ein andres wahres nach diesem

 

[Manuskriptseite 169.]

Leben zu gewärtigendes Leben Einflus auf seine Handlungen gewönne. Und so ward Christus der erste zuverlässige, praktische Lehrer der Unsterblichkeit der Seele.

 

[Ib-08-1780-0451]
Durch seine Apostel entstand dann 's zweite bessere Elementarbuch für's Menschengeschlecht. Es hat seit 1700 Iahren den menschlichen Verstand mehr als all' andere Bücher beschäftigt; mehr als all' andre Bücher erleuchtet, sollt' es auch nur durch das Licht sein, welches der menschliche Verstand selbst hineintrug. Unmöglich hätt' irgend ein ander Buch unter so verschiednen Völkern so algemein bekant werden können; und unstreitig hat das, daß so ganz ungleiche Denkungsarten sich mit diesem nämlichen Buche beschäftigten, den menschlichen Verstand mehr fortgeholfen, als wenn iedes Volk für sich besonders sein eignes Elementarbuch gehabt hätte. Auch war's höchst nöthig, daß iedes Volk dieses Buch eine Zeit lang für's Non plus ultra seiner Erkenntniss' halten muste. Denn dafür mus auch der Knabe sein Elementarbuch vor's erste ansehen; damit die Ungeduld, nur fertig zu werden, ihn nicht zu Dingen fortreist, zu welchen er noch keinen Grund gelegt hat. –

 

[Ib-08-1780-0452]
So wie wir zur Lehre von der Einheit Gottes nunmehr des A. T. entbehren können; so wie wir almählig, zur Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, auch des N. T. entbehren zu können anfangen: könten in diesem nicht noch mehr dergleichen Wahrheiten vorgespiegelt werden,

 

[Manuskriptseite 170.]

die wir als Offenbarungen so lang' anstaunen sollen, bis sie die Vernunft aus ihren andern ausgemachten Wahrheiten herleiten und mit ihnen verbinden lernen? Z. E. In der Lehre von der Einheit Gottes. – Wie, wenn Gott in dem Verstande, in welchem endliche Dinge eins sind, unmöglich eins sein könte; wie, wenn seine Einheit eine transzendentale Einheit sein mus, welche eine Art von Mehrheit nicht ausschliest? – Mus Gott wenigstens nicht die volständigste Vorstellung von sich selbst haben? d. i. eine Vorstellung, in der sich alles befindet, was in ihm selbst ist. Würde sich aber alles in ihr finden, was in ihm selbst ist, wenn auch von seiner nothwendigen Wirklichkeit, so wie von seinen übrigen Eigenschaften, sich blos eine Möglichkeit fände? Diese Möglichkeit erschöpft 's Wesen seiner übrigen Eigenschaften: aber auch seiner Wirklichkeit? Mich dünkt nicht. – Folglich kan entweder Gott gar keine volständige Vorstellung von sich selbst haben: oder diese volständige Vorstellung ist eben so nothwendig wirklich, als er es selbst ist pp. – Freilich ist's Bild von mir im Spiegel nichts als eine leere Vorstellung von mir, weil es nur das von mir hat, wovon Lichtstralen auf seine Fläche fallen. Aber wenn denn nun dieses Bild alles,

 

[Manuskriptseite 171.]

alles ohn' Ausnahm' hätte, was ich habe: würd' es sodann auch noch eine leere Vorstellung, oder nicht vielmehr eine wahre Verdopplung meines Selbst sein? –

 

[Ib-08-1780-0453]
Das Wort Geheimnis bedeutete, in den ersten Zeiten des Christenthums, ganz etwas anders, als wir iezt darunter verstehen; und die Ausbildung geoffenbarter Wahrheiten in Vernunftwahrheiten ist schlechterdings nothwendig, wenn dem menschlichen Geschlechte damit sol geholfen sein. Als sie geoffenbart wurden, waren sie freilich noch keine Vernunftwahrheiten; aber sie wurden geoffenbart, um 's zu werden. Sie waren gleichsam 's Facit, welches der Rechenmeister seinen Schülern voraus sagt, damit sie sich im Rechnen einigermassen darnach richten können. Wolten sich die Schüler an dem voraus gesagten Facit begnügen: so würden sie nie rechnen lernen, und die Absicht, in welcher der gute Meister ihnen bei ihrer Arbeit einen Leitfaden gab, schlecht erfüllen. – – –

 

[Ib-08-1780-0454]
Sie wird kommen, sie wird gewis kommen, die Zeit der Vollendung, da der Mensch, ie überzeugter sein Verstand einer immer bessern Zukunft sich fühlt, von dieser Zukunft gleichwol Bewegungsgründe zu seinen Handlungen zu erborgen, nicht nöthig haben wird; da er 's Gute thun wird, weil 's das Gut' ist,

 

[Manuskriptseite 172.]

nicht weil wilkürliche Belohnungen darauf gesezt sind, die seinen flatterhaften Blik ehedem blos heften und stärken solten, die innern bessern Belohnungen desselben zu erkennen.

 

[Ib-08-1780-0455]
Sie wird gewis kommen, die Zeit eines neuen ewigen Evangeliums, die uns selbst in den Elementarbüchern des neuen Bundes versprochen wird. Vielleicht, daß selbst gewisse Schwärmer des 13. und 14. Iahrhunderts einen Stral dieses neuen ewigen Evangeliums aufgefangen hatten; und nur darin irten, daß sie den Ausbruch desselben so nahe verkündigten. Vielleicht war ihr dreifaches Alter der Welt keine so leere Grille; und gewis hatten sie keine schlimme Absichten, wenn sie lehrten, daß der N. B. eben sowol antiquiret werden müsse, als es das der Alte geworden. Es blieb der nämliche Plan Gottes der algemeinen Erziehung des Menschengeschlechts. Nur daß sie ihn übereilten; nur daß sie ihre Zeitgenossen, die noch kaum der Kindheit entweder entwachsen, ohn' Aufklärung, ohne Vorbereitung, mit Eins zu Männern machen zu können glaubten, die ihres dritten Zeitalters würdig wären. Und eben das machte sie zu Schwärmern. Der Schwärmer thut oft sehr richtige Blikk' in die Zukunft: aber er kan diese Zukunft nur nicht erwarten. Er wünscht

 

[Manuskriptseite 173.]

diese Zukunft beschleunigt; und wünscht, daß sie durch ihn beschleunigt werde. Wozu sich die Natur Iahrtausende Zeit nimt, sol in dem Augenblikke seines Daseins reifen. Denn was hat er davon, wenn das, was er für's Bessere erkent, nicht noch bei seinen Lebzeiten 's Bessere wird? – –

 

[Ib-08-1780-0456]
Kan ich Zeit verlieren? verlieren? – was hab' ich denn zu versäumen? Ist nicht die ganze Ewigkeit mein? – – –" Seit. 9. bis 90.

 

[Ib-08-1780-0457]
XXII.

 

[Ib-08-1780-0458]
Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion in zehn Abhandlungen auf eine begreifliche Art gerettet und erklärt von Hermann Samuel Reimarus Professor in Hamburg . Zweite verbesserte Auflage. Hamburg, bei Iohann Karl Bohn. 1755.

 

[Ib-08-1780-0459]
1) Unterschied zwischen in's Unendliche fortlaufen, und unendlich sein.

 

[Ib-08-1780-0460]
"In's Unendliche fortlaufen und unendlich sein sind nicht einerlei, sondern ganz entgegengesezte Dinge. Dasienige, was in's Unendliche vermehrt werden kan, erreicht eben daher 's Ziel der wahren Unendlichkeit nimmer; sondern 's ist und bleibt immer einer Vermehrung fähig, und also endlich, es mag noch soviel vermehrt sein, als es wil. Es kan also dem Unendlichen nimmer gleich kommen, noch ein Maasstab davon werden, sondern ist durchaus andrer

 

[Manuskriptseite 174.]

Art. Last nun Zahlen, Linien, Grössen, Raum, Zeit u. d. gl. in's Unendliche wachsen können: das geb' ich zu. Aber eben darum ist keine wirklich unendliche Zahl, Linie pp. möglich. –" Seit. 20.

 

[Ib-08-1780-0461]
2) Der Ursprung der lateinischen Sprache.

 

[Ib-08-1780-0462]
"Die lateinische Sprach' hat ihren Ursprung vom Äolischen und Dorischen Dialekt. Dieses ist aus der ersten Ekloge des g* Virgils deutlich. Tityre , tu, a Dorico ?? , pro ??, patulae, a ?????, pando , recubans, a ?????, incurvo me, sub, ab ???, ut super ab ???? tegmine, a ???? vel ?????, tego, fagi, a ????? dorice, ?????. Sylvestrem, ab ???, sylva, tenui, a ????? tendo, unde tenuis, Musam, a ?????, meditaris a ???????, meditor, ut a sedeo, sella, avena, ab ????, siccus, aridus . Nos a ???, patriae a ??????, scil. ??, fines a ??????, funis mensorius, agri portis, unde finis, nos dulcia , a ??????, ?????? dulcis, ut ??????, ??????, tenebrae, linquimus, a ?????, unde liquo, linquo, arva, ab ??? aro etc. – –" Seit. 62. 63.

 

[Manuskriptseite 175.]

[Ib-08-1780-0463]
3) Bemerkungen von der Haut unter den Füssen der Thiere.

 

[Ib-08-1780-0464]
"Warum hat 's Thier und nicht der Mensch, unter den vier Füssen, die's tragen sollen, schon im Mutterleibe Verhärtungen; da diesem nur unter den längern Füssen, weil nur diese ihn tragen sollen, eine harte Überhaut anerschaffen ist? – –" Seit. 240.

 

[Ib-08-1780-0465]
4) Weisheit Gottes bei'n Bewegungen der Thiere.

 

[Ib-08-1780-0466]
"Der Frosch behülft sich mit blossem Hüpfen: er kan auch damit zurecht kommen, sein Leib ist darnach in den Hinterkeulen eingerichtet. Manche Frösche können so schnel und weit damit springen, daß sie die Vögel im Sizzen oder Flug' erhaschen." S. 349.

 

[Ib-08-1780-0467]
"Was wollen wir von den Gemsen und Steinbökken sagen? denen keine Felsenspizze zu hoch oder zu schrof ist, die sie nicht besteigen, und von welcher sie nicht die verwegensten Sprüng' auf di andere in den Abgrund hangende Spizzen thun. Wer hat ihnen 's Augenmaas von der Weite gegeben, daß sie nicht zu kurz oder zu weit springen? Wer hat sie gelehrt, einen tiefen Sprung in gewisse Absäzze zu theilen, und ihre Hörner mit zum Abstossen zu gebrauchen? Wer hat sie unterrichtet, daß sie sich, mit einer unnatürlichen scheinenden Wendung, rüklings überwerfen und 's Gleichgewicht des Leibes,

 

[Manuskriptseite 176.]

mitten in solchen verkehrten Sprüngen, in ihrer Macht behalten? Wer hat sie so muthig und kek gemacht, daß sie sich vor keiner Tiefe, vor keinem Sturze fürchten, sondern sich gleich anfangs auf ihre noch nie versuchte Kunst getrost verlassen? –" Seit. 351.

 

[Ib-08-1780-0468]
"Eine gewisse Wassermad' holet durch den Hintern Luft, und mus desfals oft über's Wasser kommen. Sie hat aber um den Hintern viel Härlein oder Fäserchen; diese breitet sie, mit hängendem Kopfe, über dem Wasser aus, und so treibt und athmet sie, stöst sich auch mit einer Krümmung und Schnellung des Leibes weiter fort; wil sie aber wieder hinunter fahren, so legt sie ihre Fäserchen am Hintern wieder zusammen. Andre Würmer von den Wassernymphen schieben sich ohne Fittig' oder Drehung dadurch im Wasser fort, daß sie 's Wasser fort, daß sie's Wasser aus dem Hintern mit Gewalt aussprüzzen, da denn der Widerstand des äussern Wassers sie weiter stöst. –" Seit. 360.

 

[Ib-08-1780-0469]
5) Vom Gewebe der Spinnen.

 

[Ib-08-1780-0470]
"Das Gewebe der Spinnen ist völlig ihrer Absicht gemäs. Sol's etwa lieber horizontal sein? Das wäre vielleicht der Spinne leichter. Allein die Insekten fliegen ia nicht so viel auf und niederwärts, als hin

 

[Manuskriptseite 177.]

und her. Sie würden also gröstentheils d'rüber hinfahren, oder unten wegfliegen, wenn's Geweb' horizontal wäre. Auch eine schiefe Lage wird so viel nicht in's Nez bringen, als die senkrechte, welche die Spinn' erwählt." Seit. 382. 383.

 

[Ib-08-1780-0471]
"Von der mänlichen Spinn hab ich selbst bemerkt, daß sie ihr Gewebe gern auf der Nachbarschaft des Weibchens macht. Da versucht iene dann erst mit vieler Behutsamkeit und Furcht, ob's Weibchen Lust hat. Wenn dieses ist, so nähern sie sich einander, hängen beid' an ihren Fäden, drükken Brust an Brust, woselbst die Zeugungsglieder sind, und stöst eins das andre von sich, und 's Mänlein eilt wieder zu seinem Gewebe. –" Seit. 407.

 

[Ib-08-1780-0472]
6) Vom Wechsel unsrer körperlichen Theile.

 

[Ib-08-1780-0473]
"Aus Sanktor's zwanzigiährigen Beobachtungen erhellet, daß ein gesunder Mensch täglich von 8 Pfund Nahrung den funfzigsten Theil, das ist 5 3/25 Loth in seine Substanz verwandle, dagegen alles übrige durch die Ausdünstung und den Auswurf wieder weggehet. Aber wenn so viel weggehet, könt' einer schliessen, so müssen wir in etlichen Iahren einen ganz neuen Körper haben. Allein so ist die Sache nicht. Denn was täglich abgeht, geht nicht allein von der alten Materie unsers Leibes, sondern auch von der neuen ab. Man stelle sich ein Gefäs mit 150 Pfund Wasser vor, davon

 

[Manuskriptseite 178.]

den ersten Tag 5 3/25 Loth Wasser abgezaft, aber stat dessen auch 5 3/25 Loth Wein wieder zugegossen werden. Da wird denn, was in den zweiten, dritten, vierten, und folgenden Tagen in gleichem Gewicht' abgenommen wird, nicht mehr reines Wasser, sondern immer mehr und mehr mit Wein vermischt sein. Nach einem Iahr' aber wird von 150 Pfund, das ist 4800 Loth Wasser, wie die logarithmische Berechnung weiset, nur 3251 1/5 Loth Wasser übrig sein, das übrige, was an 4800 Loth mangelt, nämlich 1548 4/5 Loth, mus Wein sein. Man sezze denn stat des Wassers die alte Materie unsers Körpers, und stat des Weins die neue Materie desselben: so wird nach einem Iahre von den 150 Pfunden oder 4800 Lothen eines menschlichen Körpers die alte Materie auf 3251 1/5 Loth, oder 101 Pfund 19 1/5 Loth, verschmolzen sein; das übrige, nämlich 1548 4/5 Loth, oder 48. Pfund 12 4/5 Loth, das ist fast 1/3 Theil, wird eine neue Substanz sein. Demnach wird, über zwei Iahr, ein wenig mehr als 2/3 von den 2/3 Theilen, etwa 4/9 nachbleiben. Weil nun 1/2 etwas mehr ist als 4/9, so kan man lieber sagen, daß die alte Materie unsers Körpers in zwei Iahren beinah' halb verschlagen, die andre Hälfte wird

 

[Manuskriptseite 179.]

von der Hälfte, wenn ich wieder 1/3 Theil der Hälfte, das ist 1/6 davon abnehme, nur 2/6 oder 1/3 Theil des Ganzen mehr noch sein, und nach 10 Iahren kaum der funfzigste Theil des alten Körpers.

 

[Ib-08-1780-0474]
Wil man den Abgang auf die verschiedne Materien unsers Körpers auch verschieden berechnet haben: so nehme man an, flüssige Theile 20 Pfund, weiche 70, Knochen 60 Pfund. Las denn 's flüssige zweimal so geschwinde verfliegen, als das weiche, und das weiche zehnmal so geschwind' als die Knochen: so kan man die Materie 20, 70, 60 oder 2, 7, 6, mit der Geschwindigkeit 20, 10, 1 verbinden, daraus das Verhältnis 40, 70, 6, oder 20, 35, 3, entsteht. Wenn also von unsrer flüssigen Materie 20 Loth abgehen, so würde die weiche 35, und die Knochen 3 Loth verlieren. Also wären die in einem Iahre abgehende 1548 4/5 Loth nach folgendem Verhältnis zu vertheilen, 534 2/29 Loth flüssige Materie, 934 18/29 Loth weiche, 80 16/145 Loth Knochen.

 

[Ib-08-1780-0475]
Sezt nun 's Gegentheil, daß stat des täglichen Anwachses nichts abgeht, so wird der tägliche Zuwachs von 5 3/25 Loth bei einem Manne von 80 Iahren einen Körper von 3650 Pfund, und folglich die vorige Masse von 150 Pfund auf 24 1/3 mal vermehrt sein müssen: welches höchst ungereimt ist.

 

[Ib-08-1780-0476]
Diese Berechnung aber wird auch durch Klima, Alter u. s. w. modifizirt. –" Seit. 418. 419. 420. 421.

 

[Manuskriptseite 180.]

[Ib-08-1780-0477]
XXIII.

 

[Ib-08-1780-0478]
Algemeine Betrachtungen über die Triebe der Thiere, hauptsächlich über ihre Kunsttriebe. Zum Erkentnis des Zusammenhangs der Welt, des Schöpfers und Unser selbst, vorgestelt von Hermann Samuel Reimarus, Profess. in Hamburg und Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Dritte Ausgabe. Hamburg, bei Iohann Karl Bohn. 1773.

 

[Ib-08-1780-0479]
1) Von den Fähigkeiten der Thiere, in Rüksicht auf ihre Denkkräfte.

 

[Ib-08-1780-0480]
"Wir haben von einzelnen Dingen keinen Begrif, als vermittelst der eingesehenen Ähnlichkeit mit andern, und also vermittelst des algemeinen Erkentnisses. Diese gegenwärtigen deutschen Buchstaben sind ia einzelne Dinge. Wenn nun der Leser einen Begrif von diesen einzelnen Buchstaben hat, und sich also deutlich bewust ist, was ein iedes sei, das er vor sich sieht, so wird er merken, daß er einen ieden einzelnen Buchstaben, und daß es deutsche Buchstaben sind, nicht anders, als aus der eingesehenen Ähnlichkeit mit andern kenne. Man darf sich nur bei iedem andern einzelnen Dinge, es sei Papier, Buch, weis, schwarz, rund, vierekt u. s. w. fragen, ob man sich anders bewust sei, was ein iedes ist, oder einen Begrif von diesen Dingen habe, als wenn man's durch Vergleichung zu einer gewissen Art hinzubringen weis, und also die al

 

[Manuskriptseite 181.]

gemeine Ähnlichkeit der Art auch in dem einzelnen Dinge wahrnimt. Daher währt's bei den Kindern so lange, ehe sie zu Begriffen gelangen: sie müssen erst viele einzelne Dinge mit einander vergleichen, und ihre Ähnlichkeit beobachten, folglich sich ein algemeines Erkentnis erwerben, ehe man sagen kan, daß sie einen Begrif von den vorkommenden einzelnen Dingen haben. Nun sind die Thiere, wegen ihrer verworrenen Vorstellung des Gegenwärtigen und des Vergangenen unter einander, nicht fähig, Vergleichungen zwischen den Dingen in ihrer Vorstellung zu machen, und ihre algemeine Ähnlichkeit einzusehen a) Es ist richtig, die Thier' haben keine Begriffe, weil sie nicht vergleichen können. Allein 's leztere scheint mir aus dem, weil sie Vergangenes und Gegenwärtiges nicht deutlich unterscheiden, nicht zu folgen. * Weil dies gar nichts darzu thut. Gesezt, dieThiere verwirren 's Vergangene mit dem Gegenwärtigen, gesezt, es macht beides bei ihnen Eine Vorstellung aus, so folgt nichts weiter als, das Gegenwärtige und Vergangne können sie nicht vergleichen. Allein können sie nicht zwei gegenwärtige Dinge, in dem Moment' ihres *...* Eindruks auf dasselbe {sich} vergleichen? Sie können's nicht. Aber dies folgt nur daraus, weil sie keine Sprach' haben. Und könte man ihre ganze Beschaffenheit so umändern, daß sie reden könten – dazu werden nicht blos Sprachorgane, sondern auch eine ganz andre Organisazion, Wirkungssphär' erfordert – so würden sie so gut urtheilen als wir. Warum kan's Kind nicht urtheilen? Etwan weil 's Gegenwärtige mit'n Vergangnen verwirt? Aber warum verwirt 's nicht immer d mit einander? Weil's Sprache bekomt. Ich glaube, so lange das Kind nicht reden kan, so lange wird's wenig urtheilen. Es ist also der Grund in der Sprachfähigkeit zu suchen. Überhaupt hat man die Sprachfähigkeit in der Vergleichung der Menschen mit'n Thieren zu lang' aus der Acht gelassen – und dies ist doch das deutlichste, sicherste Kenzeichen unserer Unterscheidung. – M. Anm. a)] Durch horizontale Linie vom Haupttext abgetrennt, am unteren Seitenende angefügt. STFolglich können sie auch die algemeine Ähnlichkeit der Ding' einer Art in den einzelnen Dingen nicht erkennen; folglich nicht einmal von einzelnen Dingen, und also gar keine eigentliche Begriff' haben. Kan man wol sagen, daß eine Schmeisflieg' einen Begrif vom Fleisch' habe, die ihre Eier auch an eine Blume legt, welche einerlei Geruch mit'm faulenden Fleisch' hat? Nein, sie geht nicht nach Begriffen, sondern nach Empfindungen zu Werke. Unterdessen, da die thierische Empfindung in den meisten Fällen zureicht, die einzelnen Dinge sowol als ihre Arten sinlich zu kennen: so hat ihre Vorstellung der Ding' eine Analogie mit menschlichen Begriffen." Seit. 35. 36. 37.

 

[Manuskriptseite 182.]

[Ib-08-1780-0481]
"Die Thiere können nicht urtheilen. Denn sie haben keine eigentliche Begriffe, und was in unsern Urtheilen zween verglichene Begriffe sind, das ist bei den Thieren eine einzige vermischte und verknüpfte Empfindung. Z. B. wenn wir urtheilen, die Bäume werden grün; so hat ein Thier weder vom Baume noch vom Grünen eine besondre Vorstellung, und kan also beide Vorstellungen nicht miteinander vergleichen, oder eins dem andern zuschreiben oder absprechen; sondern 's fliest beides Baum und seine Grünigkeit in eine einzige sinliche Vorstellung zusammen, und vielleicht werden noch manche vorige mit darunter gemengt. Allein, da sie doch verschiedne Dinge mit einander zugleich vorstellen: so hat ihre verknüpfte Vorstellung verschiedner Ding' eine Analogie mit unsern Urtheilen. –" Seit. 38.

 

[Manuskriptseite 183.]

[Ib-08-1780-0482]
"Da die Thiere weder Begriffe, noch Urtheile fähig sind, so können sie noch weniger schliessen. Man mus sich nur vor dem Irthum' hüten, daß man den Thieren nicht des wegen Urtheil' und Schlüss' andichte, weil wir Menschen, nach unsrer Art zu denken, ihre Vorstellungen durch entwikkelte Begriffe, Urtheil und Schlüss' erklären können; vielweniger müssen wir eine blosse Folg' ihrer Vorstellungen gleich als an einander hangende Schlüss' auslegen, weil wir etwa durch Vernunft eine Verbindung darinnen sehen. Wenn ein Hund wegen des aufgehobnen Stokkes sich verkriecht, winselt, oder seinem Herrn demüthig schmeichelt: so macht er nicht die Schlüsse, die wir daraus machen können. Er hat nur eine einzige vermischte Vorstellung des Herrn mit seinem Stokke, und der vorigen Schläge, welche er ihm sonst mit seinem Stokke gegeben hat, nebst dem Schmerze, der daraus entstand, und dem Abscheue vor demselben. – Eben diese verworrene Vorstellung von Dingen, die einer Verknüpfung auf einander gefolgt sind, bringt die Erwartung ähnlicher Fälle, ohn' alles Schliessen, hervor. Denn indem

 

[Manuskriptseite 184.]

[Ib-08-1780-0483]
sie alles, was ehedem auf einander gefolgt ist, zusammen vorstelt, wenn nur 's erste iezt wieder kömt: so macht die Vorstellung des ersten, auch's künftige zweite, dritte u. s. w. gegenwärtig. –" Seit. 39. 40. 41.

 

[Ib-08-1780-0484]
2) Ob Thiere wählen?

 

[Ib-08-1780-0485]
"Mannigmal scheint's, als wenn die Thier' aus zwoen möglichen Handlungen freiwillig wählten. Allein, in der That hat 's wilkürliche Betragen der Thier' in dem Falle nur eine entfernte Ähnlichkeit mit unsrer freien Wahl, in der Wirkung: weil der stärkere sinliche Eindruk und Reiz ihrem wankenden Triebe, nach undeutlicher Vorstellung eben sowol einen Ausschlag giebt, als die deutliche Einsicht des überwiegenden Guten und Bösen, bei unsrer vernünftigen Wahl. Ein Hund, z. B. der für sich allein läuft, kömt an einen Scheidweg. Er stuzt erstlich; aber endlich entschliest er sich, den Weg zur Rechten zu nehmen. Hier überliegt er nicht. Sondern ein ähnlicher Fal komt ihm ins Gemüth, dieser wir deutlicher und bewegt ihn endlich, den Weg zur Rechten zu nehmen. Hier überliegt er nicht. Sondern ein ähnlicher Fal komt ihm in's Gemüth, dieser wird deutlicher, und bewegt ihn endlich, den Weg zur Rechten zu nehmen. – Auch die actiones mixtae, oder halbwilkürlichen Handlungen der Thiere, da sie aus Noth oder Furcht ungern thun, was sie sonsten nicht gethan hätten, sind nicht anders zu erklären. Wenn man dem Hunde, mit Bedrohung, ein Stük Brod auf die Schnauze legt: so frist er's nicht eher, als bis man ihm ein gewisses Zeichen giebt. Er hemt also seine sinliche Begierde durch die sinliche Furcht der Schläge. – –" Seit. 55. 56. 57.

 

[Manuskriptseite 185.]

[Ib-08-1780-0486]
3) Von den Affekten der Thiere.

 

[Ib-08-1780-0487]
"Sie haben auch Begierd' und Abscheu, Furcht und Hofnung, Freud' und Angst, Lieb und Has, Neid und Eifersucht, Zorn und Rache; nur daß eine Thierart zu diesem, eine andre zu ienem Affekte geneigt ist, und daß ieder Affekt wiederum, nach Beschaffenheit der Thierart, von verschiednen Gegenständen kan erregt werden. Ihre stärksten Begierden aber, welche auch allen gemein sind, gehen wol auf den Fras und die Brunst. Daß auch in allen diesen, wie bei den Menschen, die Vorstellung des Vergangenen, ohn' ihr Wissen oft einen grossen Einflus habe, ist klar. –" Seit. 71. 72.

 

[Ib-08-1780-0488]
4) Kunst eines gewissen Adlers, und des Baumhakkers.

 

[Ib-08-1780-0489]
"Es ist eine grosse Kunst, daß ein gewisser Adler, der sich nicht selbst zu fischen getrauet, dem geflügelten Fischer seinen Fang in der Luft abiagt, und wenn dieser vor Angst deinen Raub fallen läst, den fallenden Fisch, noch eh' er wieder in's Wasser kömt, erhascht, den Kopf in seinem Schnabel zerknirscht, und dann den Fisch in der Luft in die Höhe wirft, damit er ihn mit dem Kopfe voran in seinen Rachen fange, und so verschlinge, daß er von den scharfen Fittigen des Fisches nicht verlezt werden könne. –

 

[Ib-08-1780-0490]
Der Baumhakker nährt sich von den Samenkörnern aus den Tannenzapfen. Nun liegen diese in den Hülsen sehr

 

[Manuskriptseite 186.]

fest verschlossen. Der Baumhakker aber hat genug zu thun, daß er sich selbst mit beiden Füssen senkrecht an den Baum anklammert, und mit'm Schwanz' unterstüzt. Um also den Samen herauszubringen, verfährt er so. Er hakket erst mit seinem keilförmigen harten Schnabel ein Loch in den Baum; in dasselbe befestigt er'n Stiel des Zapfens, daß der Zapfe nun nicht mehr wanken kan. Auf solche Weis' ist er im Stande, die Schuppen des Zapfens mit'm blossen Schnabel aus einander zu biegen und den Samen herauszuholen: wie er denn, wenn er mit'm erstern Zapfen fertig ist, mehrere nach einander in dasselbe Loch stekt und ausleert. –" Seit. 132. 133.

 

[Ib-08-1780-0491]
5) Von den Moosen und ihren Nuzzen.

 

[Ib-08-1780-0492]
"Kein Felsen ist so kahl und glat, auf dessen Oberfläche sich nicht in einiger Zeit Steinmoosse, anlegen und zwar zuerst Lichenes leprosi und crustacei, anlegen solten. Diese überziehen den Stein, und hängen ohne merkliche Wurzeln, dennoch so fest mit ihm zusammen, daß man sie nicht davon absondern kan, ohne solche zu zerbrechen, oder einen Theil des Steins selbst mitzunehmen. Wenn nun diese rindenartige Steinmoosse durch die Länge der Zeit, durch Näss' und Fäulnis, in eine zarte Erde verkehrt worden sind, so legen sich alsdenn auf dieser wenigen Erde Lichenes imbricati

 

[Manuskriptseite 187.]

an, die bei ihrem Untergange mehr Erde, als die vorigen zurüklassen, und hierauf den grünen Gattungen von Moossen oder eigentlichen muscis, als Hypnis, Bryis, Meiis, bequeme Gelegenheit zu wurzeln geben. Der Felsen wird hiedurch nach und nach immer mehr mit Erde bedekt, es wachsen auf derselben erstlich Grasarten, hernach grössere Pflanzen, und endlich wol gar Sträuch' und Bäume. –" Seit. 153. 154.

 

[Ib-08-1780-0493]
6) Von Werkzeugen der Thiere.

 

[Ib-08-1780-0494]
"Die Hamster und verschiedne Arten von Affen haben im Maul an dem untern Kinbakken eine Tasche, worinnen sie die gefundnen Früchte stopfen und mit nach Hause tragen. – Der Pelikan ist mit einem Beutelkropfe begabt, womit er fischet und Wasser schöpft, um beides zu seinem Neste zu schleppen. Die Täucherenten haben einen ähnlichen Kropf, worinnen sie die gehaschten Fische so lange verbergen, bis sie zu Lande kommen. Die Siebbien' hat am Vorderbein' eine durchlöcherte Scheibe, als ein Sieb gestaltet, wodurch sie's Feinste des Blumenstaubes sichtet, vermuthlich, um dieses feinste Mahl nochmals zu geniessen. – Seit. 292.

 

[Ib-08-1780-0495]
"Die Fussehnen der Vögel, die auf Bäumen schlafen, sind so eingelenkt, daß, wenn sie die Füsse zu ihrer Ruhe biegen, die Zehen und Klauen dadurch von selbst zusammengezogen werden, und sich um den Ast herumschlagen, folglich den Vogel vor dem Herabfallen im Schlafe behüten. –" S. 295.

 

[Manuskriptseite 188.]

[Ib-08-1780-0496]
7) Vom algemeinen Sin, dem Gefühl.

 

[Ib-08-1780-0497]
"Man mus bemerken, daß in den besondern Werkzeugen der Sinne, in Augen, Ohren, Nas' und Mund, der algemeine Sin des Gefühls nicht mangelt; sondern daß darinnen der besondere Sin zugleich mit dem algemeinen Stat findet. Wenn nun 's Gefühl durch einen stärkern Eindruk erregt wird, so verdunkelt's die Vorstellung des besondern Sinnes. Wenn einer sich die Zung' an einer heissen Speise verbrennet, so schmekket er sie nicht. Folglich erregt 's ungewohnte Licht, in zarten Augen erstlich nur ein Gefühl; wie wir 's auch erfahren, wenn wir aus einem finstern Ort' in 's helle Licht kommen; und dann ist 's unmöglich, auf die besondre Vorstellung der sichtbaren Dinge zu achten. Hergegen ist 's Gefühl gesunder und geübter Augen vom Lichte so schwach. daß wir uns kaum bewust sind, daß wir dasselbe, und wo wir's fühlen; dann aber auf den Gegenstand, von welchem das Licht in die Augen gefallen ist, ausnehmend und einzig achten. – – –" Seit. 474.

 

[Manuskriptseite 189.]

[Ib-08-1780-0498]
XXIIII.

 

[Ib-08-1780-0499]
Aussichten in die Ewigkeit, in Briefen an Herrn Ioh. Georg Zimmermann, königlich Grosbrittannischen Leibarzt in Hannover. Zürich, bei Diel, Gessner und Kompt. 1768.

 

[Ib-08-1780-0500]
1) Vermuthungen – aus der Analogie.

 

[Ib-08-1780-0501]
"Es giebt organische Körper, die sich Gröss' halber zu dem unsrigen verhalten, wie eins zu Billionen; es kan also in der uns izzo noch unsichtbaren Welt organische Körper geben, gegen welche die unsrigen sich verhalten, wie eins zu Billionen. Es giebt Kräfte physischer Wesen, die gegen die unsrigen so gering sind, daß diesen Wesen, wenn sie Verstand hätten, die unsrigen beinah' als Almacht vorkommen müsten. Es kan also eben so wol physische Kräft' endlicher Wesen geben, die in Vergeichung mit'n unsrigen, beinah' Almacht scheinen würden; Wesen, für welche die Verrükkung eines Menschen eben so leicht wäre, als leicht 's uns ist, eine hölzerne Kugel mit einer solchen Macht fortzurollen, daß sie in einer gewisen Entfernung ein paar Kegel umwirft; der Abstand der hierzu erforderlichen Kraft von der physischen Bewegungskraft des Menschen, ist nicht grösser, als der Abstand der menschlichen Kraft von der Bewegungskraft einer neugebornen Milbe. Die zusammengesezte Kraft von zehntausend Billlionen Milben würde vielleicht noch

 

[Manuskriptseite 190.]

nicht hinreichend sein, eine Kugel also fortzurollen; man werf' aber die Kraft von zehntausend Billionen Menschen in einen einzigen zusammen, und 's wird ihm, wenn er den rechten Anlauf nehmen kan, nicht schwer sein, einen Erdbal eine Million deutscher Meilen weit fortzurollen. –" Seit. 35. 36. 37.

 

[Ib-08-1780-0502]
2) Von der Seele.

 

[Ib-08-1780-0503]
"Eine eben nicht scharfe Beobachtung lehrt uns, daß ieder Gedanke, iede Vorstellung, deren wir uns deutlich bewust sind, wenn ich so dagen darf, einen besondern Plaz in der Seel' einnimt, sich ihrer Substanz gleichsam impregnirt, daß sie natürlicher Weise nicht mehr überal ausgetilgt werden kan. In's dunkle kan sie sich zurükziehen, wenn eine lebhaftere von unserm Geiste Besiz nimt. Ganz unmerkbar kan sie für immer werden, wenn andre lebhaftere beständig in der Seele gegenwärtig sind. So bald aber diese abtreten, und keine neue alsobald die Stell' einnehmen, so wird die alte wieder wach; sie dehnt sich wieder aus; sie erfült die Seele. Es verhält sich mit'n Ideen, wie mit'n elastischen Körpern, die gegen einander drükken. Die grössere elastische Kraft drükt die geringere zurük, tödtet sie aber nicht durchaus.

 

[Manuskriptseite 191.]

Sobald die grössere weicht, erhebt sich die geringere. Alle Kräfte der Seele sind immer in einer verhältnismässigen Thätigkeit gegen einander. Wo keine lebhaftere Ideen den schwächern, keine deutlichen den undeutlichen im Wege stehen; da breitet sich Dämmerung und Dunkelheit in derselben aus. Die Seel hat ihre Statik wie die Körper. Der iedesmalige Zustand derselben ist die Summe, das Resultat aller ihrer vorhergehenden, so und so bestimten, Zustände. Und dieser iedesmalige Zustand bestimt ihre iedesmalige, in Absicht auf die Zeit individuelle Rezeptivität. Grösser und kleiner kan diese Rezeptivität nicht sein, als sie wirklich ist. –" Seit. 128. 129. 130.

 

[Ib-08-1780-0504]
3) Von der Schwächung der Leidenschaften.

 

[Ib-08-1780-0505]
"Die Ertödtung einer herschend gewordnen Leidenschaft erfordert auch nicht eben so viel einzelne entgegengesezte Handlungen der Seele, als einzelne Handlungen vorgegangen sind, die diesen Grad der Leidenschaft bestimt haben. Eine siegende Reakzion kan leicht zehn vormaligen Handlungen und Bestrebungen 's völlige {Gegen}Gleichgewicht halten. Aber eine solche erfordert denn auch ganz natürlich eine Intension, die der Summe der Intension von

 

[Manuskriptseite 192.]

zehn vormaligen Bestrebungen gleich ist. Dieser Grad von Intension kan entweder durch Anschauung und lebhafte Empfindung von der Schädlichkeit der bekämpften Leidenschaft, oder durch andre dergleichen Mittel erhalten werden. –" Seit. 132. 133.

 

[Ib-08-1780-0506]
4) Bemerkung über'n Christen.

 

[Ib-08-1780-0507]
"Eben das Maas der Zerrüttung, die wir in unserer Seele wahrnehmen, kan auch 's Maas des Zurükstrebens bestimmen. Ehrliche Christen sind daher nie heiliger, als nach einem Fal; eben ihre Vergehung ist oft, wenn sie recht empfunden wird, eine unmittelbare psychologische Ursach' einer neuen höhern moralischen Einsicht. –" Seit. 134.

 

[Ib-08-1780-0508]
5) Der Himmel – so viel der Sterbliche muthmassen kan!

 

[Ib-08-1780-0509]
"In allen Werken Gottes ist eine unendliche Mannigfaltigkeit, – – wenn gleich ie eines an's andre, nach einer durchgängigen Ähnlichkeit, gränzet. Nichts ist, dazu sich etwas volkommen gleiches finden liesse. Alles ist sich in der Natur ähnlich, und alles verschieden. Die Übergänge von einer Art Geschöpfe zur andern, die am nächsten an sie gränzt, sind so unbestimbar, wie die Gränzen eines

 

[Manuskriptseite 193.]

weichen Schattens, und eines sanft darin zerfliessenden Lichts. Aber sehr verschieden sind Licht und Finsternis. Sehr verschieden der kaum befruchtete Keim eines Stupiden – – von dem erhabnen Karakter eines verklärten Esaias; indessen, wenn man all' Arten von Menschen zwischen diese äu zwei äussersten Punkt' hineinschieben würde; so würde der Unterschied von einem zum andern allemal kaum bemerkbar sein. Die Stuffen, die wir unter'n Menschen, die wir bei allen gleichförmigen Geschöpfen bemerken, die lassen sich auch in den grössern Weltkörpern theils wahrnehmen, theils vermuthen.

 

[Ib-08-1780-0510]
Ieder Weltkörper, so viel deren sind, ist in seiner Art das, was er sein sol; und, als ein Ring in der grossen Kette des Weltganzen betrachtet, volkommen; ieder vol der augenscheinlichsten Beweis' einer unendlichen Macht und Weisheit; aber ieder auf eine andre Weise; ieder zeigt, wenn ich mich so ausdrükken darf, eine besondre Seite der Gotheit; ieder hat seinen eignen Standpunkt, seine eigne Laufbahn, seine eignen Bewohner, deren Natur und Körper nach allen seinen Verhältnissen eingerichtet sind.

 

[Manuskriptseite 194.]

[Ib-08-1780-0511]
Der Bal, den wir bewohnen, wälzt sich in einer gewissen Entfernung um einen festen weitleuchtenden Feuerbal, als um seinen Zielpunkt herum. In ungleicher Entfernung, ähnliche, grössere und kleinere Weltkörper. Ie entfernter diese von der Sonne sind, ie grösser, dunkler, sind sie, – – und vermuthlich auch kälter, roher, dichter. Dies könt' uns auf die Vermuthung führen, daß sich die feinsten, lichtesten Theil' in einem bestimten ungeheuren, und durch entgegenwirkende Anziehungskräfte beschränkten Raume, um einen festen Anziehungspunkt gesamlet, zu einer flammenden Sonne gebalt; und hingegen die dichtern, festern und rohern Stoffe, in einer der Dichtigkeit und der Feuerkraft der Sonne gemässen Entfernung ebenfals um andere Punkte, die ich izzo Weltenkeime nennen wil, auf ähnliche Weise gesammelt, und zu Planeten gebildet. – –

 

[Ib-08-1780-0512]
Vielleicht giebt's unter dem Meere von Sonnen, die izt schwach zu uns herüberschimmern, solche, gegen die sich die unsrige eben so verhält wie ein Funke, den wir mit'n Füssen zertreten; das Licht einer solchen Sonn' ist vielleicht so fein, daß das

 

[Manuskriptseite 195.]

reinste Licht unsrer Sonne, nur eine Terra damnata dagegen ist; und diese Sonnen sind vielleicht noch lange nicht die feinsten und volkommensten. –

 

[Ib-08-1780-0513]
Alle Weltsystem' haben vermuthlich einen gemeinschaftlichen grossen Mittelpunkt, um den sie sich wälzen, wie die Planeten um unsre Sonne. Dieser Zielpunkt des unermeslichen, vielleicht unendlichen Weltganzen, würde dann die Quintessenz aller körperlichen Stoffe sein, an Grösse, Schönheit, und Wirksamkeit unaussprechlich über alles erhaben, was wir uns in der Nacht unsers Staubes, Grosses, Schönes, Thätiges vorstellen können. Wir würden z. B. einen paradiesischen Erdbal, so schön wir uns denselben vorstellen könten, sehr viel Ehr' einräumen, wenn wir ihn zu einem Sandkorn in dieser Welt erhüben; oder einen Leibniz, in Absicht auf die Einsicht seiner Bewohner, zum unbeträchtlichsten Insekte. – – – –

 

[Ib-08-1780-0514]
Dieser Weltkörper wäre der Himmel der Himmel; derienige Ort, wo der Unendliche den Reichthum seiner Maiestät in der höchstmöglichen Füll' ausströmt; und den uns der unsterbliche Sänger der Messiade so würdig – doch für'n Sterblichen nur – – – beschreibt.

 

[Manuskriptseite 196.]

[Ib-08-1780-0515]
– – – – – – "Kein dämmernder Erdkreis
Naht sich des Himmels verderbendem Blik. Entfliehend und ferne
Geht die bewölkte Natur vorüber. Da eilen die Erden
Klein, unmerkbar dahin, wie unter dem Fusse des Wandrers
Niedriger Staub, von Gewürmen bewohnt, aufwallet und hinsinkt.
Um den Himmel herum sind tausend eröfnete Wege,
Lange, nicht auszusehende Wege, von Sonnen umgeben.
– – – – –
Mitten in der Versamlung der Sonnen erhebt sich der Himmel,
Rund, unermeslich, das Urbild der Welten, die Fülle
Ieder sichtbaren Schönheit, die sich gleich flüchtigen Bächen,
Rings um, durch den unendlichen Raum, nachahmend ergiesset. – –"
–" Seit. 251. 252. 253. 254. 255. 256. 257.

6) Ob unser Erdbal, Sonne pp. organisirt sind? – –

 

[Ib-08-1780-0516]
"Ich wil's nicht entscheiden; aber sehr unwahrscheinlich dünkt mich's nicht. Der Mensch, das Thier, das Insekt, die Pflanze, das Sämgen, und sogar einige steinartige Körper sind organisirt. – – Es giebt organisirte Körper, die sich von einem Orte zum

 

[Manuskriptseite 197.]

andern nach Belieben begeben; andere, die nur auf einem festen Ruhepunkt stehen, und nur gewisse Theil' oder Äst' hin und her bewegen können; wieder andre; die überal zu ruhen scheinen: – – Solt' es dann ungereimt sein, solche zu vermuthen, die sich um ihre Achse – – und dann noch um einen entferntern Mittelpunkt bewegen? – – Ich finde dieses so wenig ungereimt, als zu vermuthen, daß iedes Thier auf unsrer Erd' eine bevölkerte Welt sei. Daß wir das, bei den wenigsten bemerken, dürft' uns nicht befremden. Die Höhe des grösten Riesen, die iemals auf unserm Erdbal gelebt haben mag, verhält sich gegen den Durchmeser desselben, wie 1 zu 180,000. und Wenn also eine ähnliche Proporzion der Grösse der Bewohner eines Thieres zu der Grösse des Thieres selbst stat haben solte, so wär' es sehr leicht begreiflich, warum wir sie nicht bemerken können. Ich weis nicht, ob ich die Thiergen, die ich, vermittelst eines Vergrösserungsglases, das einen festen Körper 24000 mal vergrössert, in dem Borst eines Fliegenbeins kaum in der Gröss' einer Milbe, wie sie ohne das Vergrösserungsglas gesehen wird, bemerkt habe, zu den eigentlichen Einwohnern,

 

[Manuskriptseite 198.]

oder zu den Riesen rechnen sol, die eine Fliege zu tragen und zu ernähren bestimt ist; weil sie nach der obenbemerkten Proporzion, noch viel zu ungeheuer für den kleinen Weltkörper scheinen, den sie bewohnen. – –" Seit. 264. 265. 266. 267.

 

[Ib-08-1780-0517]
XXV.

 

[Ib-08-1780-0518]
ASMUS omnia sua SECUM protans, oder sämtliche Werke des Wandsbekker Bothen, I. und II. Theil. 1775. Bei'm Verfass., und in Kommission bei Gottlieb Löwe, in Breslau.

 

[Ib-08-1780-0519]
1)

 

[Ib-08-1780-0520]
Neuiahrslied.
"Es war erst frühe Dämmerung
Mit leisem Tagverkünden,
Und nur noch eben hel genung,
Sich durch den Wald zu finden.
Der Morgenstern stand linker Hand,
Ich aber gieng und dachte
Im Eichthal an mein Vaterland,
Dem er ein Neuiahr brachte.
Auch dacht' ich weiter: "so und so,
Das Iahr ist nun vergangen,

 

[Manuskriptseite 199.]

Und du siehst noch gesund und froh
Den schönen Stern dort prangen.
Der ihm dort so zu steh'n gebot
Mus doch gern geben mögen.
Sein Stern, sein Thal, sein Morgenroth,
Und um mich her sein Seegen!
Und bald wird seine Sonne hier
Zum erstenmal aufgehen! –"
Das Herz im Leibe brante mir,
Ich muste stille stehen
Und wankte, wie ein Mensch im Traum,
Wenn ihn Gesichte drängen,
Umarmte einen Eichenbaum
Und blieb so an ihm hängen. –"

Seit. 1. 2.

 

[Ib-08-1780-0521]
2) "Was ich wol mag."

 

[Ib-08-1780-0522]
"Ich mag wol Begraben mit ansehen, wenn so ein rothgeweintes Auge noch einmal in die Gruft hinabblikt, oder sich so kurz umwendet, und so bleich und star sieht und nicht zum Weinen kommen kan. 's pflegt mir denn wol selbst nicht richtig in 'n Augen zu werden, aber eigentlich bin ich doch frölich. Und warum solt' ich auch nicht frölich sein; liegt er doch nun und hat Ruhe! und bin darin 'n närrischer Kerl, wenn ich Waizen säen sehe, so denk' ich schon an die Stoppeln und 'n

 

[Manuskriptseite 200.]

Erndtetanz. Die Leute fürchten sich so vor einem Todten, weis nicht warum. Es ist ein rührender, heiliger, schöner Anblik einer Leich' in's Gesicht zu sehen; aber sie mus ohne Flitterstat sein. Die stille blasse Todesgestalt ist ihr Schmuk und die Spuren der Verwesung ihr Halsgeschmeide, und's erste Hahnengeschrei zur Auferstehung." Seit. 10. 11.

 

[Ib-08-1780-0523]
3)

 

[Ib-08-1780-0524]
Die Henne.
"Es war 'mal eine Henne fein,
Die legte fleissig Eier,
Und pflegte dann ganz ungemein,
Wenn sie ein Ei gelegt, zu schrei'n,
Als wär' im Hause Feuer.
Ein alter Truthahn in dem Stal,
Der Fait vom Denken machte,
Ward bös darob, und Knal und Fal
Trat er zur Henn' und sagte:
Das Schrein Frau Nachbarin, war eben nicht vonnöthen;
Und weil es doch zum Ei nichts thut,
So legt das Ei und damit gut!
Hört, seid darum gebeten!
Ihr wist nicht, wie's durch den Kopf mir geht.
Hm! sprach die Nachbarin, und thät

 

[Manuskriptseite 201.]

Mit einem Fus vortreten,
"Ihr wist wohl schön, was heuer
Die Mode mit sich bringt, ihr ungezogen Vieh!
"Erst leg' ich meine Eier,
Denn rezensir' ich sie." – –"

Seit. 13. 14.

 

[Ib-08-1780-0525]
4)

 

[Ib-08-1780-0526]
Die frühen Gräber – von Klopstok.
"Wilkommen, o silberner Mond,
Schöner, stiller Gefährt der Nacht!
Du entfliehst? Eile nicht, bleib, Gedankenfreund!
Sehet, er bleibt, das Gewölk walt nur hin.
Des Maies Erwachen ist nur
Schöner noch, wie die Sommernacht,
Wenn ihm Thau, hel wie Licht, aus der Lokke träuft,
Und zu dem Himmel herauf röthlich er kömt.
Ihr Edleren, ach es bewächst
Eure Maale schon ernstes Moos.
O, wie war glüklich ich, als ich noch mit euch.
Sahe, sich röthen denTag, schimmern die Nacht."

Seit. 105. 106.

 

[Ib-08-1780-0527]
5)

 

[Ib-08-1780-0528]
Fuchs und Bär.
"Kam einst der Fuchs vom Dorfe her
Früh in der Morgenstunde,
Und trug ein Huhn im Munde;
Und es begegnet' ihm ein Bär.

 

[Manuskriptseite 202.]

"Ach! guten Morgen gnäd'ger Herr!
Ich bringe hier ein Huhn für Sie;
Ihr Gnaden promeniren ziemlich früh,
Wo geht die Reise hin?"
"Was heissest du mich gnädig, Vieh!
Wer sagt dir, daß ich's bin?"
"Sah Dero Zahn, wenn ich's sagen darf,
Und Dero Zahn ist lang und scharf."

Seit. 143.

 

[Ib-08-1780-0529]
6)

 

[Ib-08-1780-0530]
Fuchs und Pferd.
"Einst wurden Fuchs und Pferd,
Warum, das weis ich nicht, auch hat es mich verdrossen,
Denn mir sind beide Tiere werth,
In einem Käficht eingeschlossen.
Das Pferd fing weidlich an zu treten,
Für Ungeduld und trat
Den armen Reinke Fuchs, der nichts an Füssen hat.
"Das nun hätt' ich mir wohl verbeten,
Tret er mich nicht, Herr Pferd! ich wil ihn auch nicht treten."

Seit. 153.

 

[Ib-08-1780-0531]
7)

 

[Ib-08-1780-0532]
Die Nachahmer.
"Es ritten drei Reuter zum Thor hinaus
Auf Eselein gar eben;
Und waren nach heutigem Gebrauch
Dem Versemachen ergeben.

 

[Manuskriptseite 203.]

Ein Dichter auch den Weg her kam,
Sein Buz'phal große Schritte nahm
Die Ewigkeit zu finden.
Die Reuter sich hinten anbinden,
Daß er sie mit sich schleppen thät,
In die schöne grosse Ewigkeit.
Da wären sie gar zu gerren.
Der Dichter im Reuten sich umsah:
Ei, seht doch! Es sind Herren da,
Wie heissen denn die Herren?
Er da, gebunden an den Schwanz? –
"Heiß Fip" Er? "Fap" Und? "Firlefanz"
Reutet wol, ihr lieben Herren!
Nun thät der Dichter, als wär er stum,
Und sah' sich gar nicht weiter um!
Auch kämen die Reuter nicht ferren." –"

Seit. 161. 162.

 

[Ib-08-1780-0533]
8)

 

[Ib-08-1780-0534]
Denksprüch' alter Weisen – mit Randglossen.
"Den leeren Schlauch bläst der Wind auf,
Den leeren Kopf der Dünkel.
* Drük sie beide, daß sie zu sich selbst kommen.
]Achtung: Asteriske ! - Kollision mit *...*.... - was tun?Der Großprahler ist wie ein gemahltes Schwerd;
Beide können nicht gebraucht werden.
* Und doch werden beid' oft in vergoldeten Rahmen eingefast. –"

Seit. 184. 185.

 

[Manuskriptseite 204.]

[Ib-08-1780-0535]
XXVI.

 

[Ib-08-1780-0536]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des acht und dreissigsten Bandes erstes Stük. Berlin und Stettin, verlegt's Friedrich Nikolai 1779.

 

[Ib-08-1780-0537]
1) Wie man sich die Versuchung Iesu vorzustellen habe.

 

[Ib-08-1780-0538]
"Wir glauben, daß Christus wirklich seine Versuchung wirklich seinen Jüngern , nach ihrer dazumaligen Fassung und Denkungsart, erzählt habe, wie wir sie bei'm Matthäus aufgezeichnet finden. Allein er wolt' ihnen dadurch weiter nichts zu verstehen geben, als seinen festen Entschlus, den Willen Gottes auf's genaueste zu erfüllen, es mög' ihm auch begegnen, was da wolle. Nach seiner Taufe, wodurch er zu seinem Messianischen Amt' eingeweihet wurde, begab er sich auf einige Zeit in die Einsamkeit, in die Wüste, und dachte seinem wichtigen Beruf und dem Plan, ihm gemäs zu handeln, in heiligen Betrachtungen nach. Was war da natürlicher, als daß er auch die Gefahren, Schwierigkeiten, Versuchungen reiflich überlegte, denen er entgegengieng? Er fast' aber dabei den unüberwindlichen Entschlus, Gott seinem Vater,

 

[Manuskriptseite 205.]

in allem treu und gehorsam zu bleiben, und sich auf keine auch noch so scheinheilige oder glänzende Art das Ziel verrükken zu lassen, oder sich selbst durch die ihm beiwohnende Kraft im Mistrauen auf Gott zu retten; bei diesem festen Vorsaz empfand er nun unter'm Gefühl seiner hohen Würd' eine himlische Beruhigung und ausserordentliche Geistesstärke. – – Das alles konte Christus seinen noch schwachen Iüngern nicht gerad' heraus sagen: aber durch die bei seiner Erzählung gebrauchte Redensarten und Bilder, an die sie gewöhnt waren, gab er ihnen davon soviel zu erkennen, als sie zur Zeiten fassen konten und zu wissen brauchten." Seit. 41.

 

[Ib-08-1780-0539]
2) Einige Fragen über's Zulassen und Wollen Gottes.

 

[Ib-08-1780-0540]
"Geschehen die Ding' in der Welt nach oder wider den Willen Gottes? Kan Gott Wirkung wollen, ohne die Ursache zu wollen? Läst sich Wollen und Wirken in Gott unterscheiden; kan Gott wollen, ohn' es zu wirken, und umgekehrt braucht er zur Bewirkung eines Erfolgs etwas mehrerers als seinen Willen? Läst sich zwischen Wollen und Nichtwollen ein Mittel, mithin ein zulassender Wille bei Gott denken? Wird er dadurch entehrt, wenn er Volkommenheit im Ganzen durch Unvolkommenheit in Theilen befördert?" – Seit. 69.

 

[Manuskriptseite 206.]

[Ib-08-1780-0541]
XXVI.

 

[Ib-08-1780-0542]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des acht und dreissigsten Bandes zweites Stük. Berlin und Stettin, verlegt's Friedrich Nikolai 1779.

 

[Ib-08-1780-0543]
1) Vom Gedächtnis der Kinder.

 

[Ib-08-1780-0544]
"Es läst sich nicht so schlechterdings sagen: das Gedächtnis sei bei den Kindern am stärksten. Wo die Seele nur noch so wenig, durch wechselweise Verknüpfung ihre schwache und isolirte Begriff' hat, die noch so wenig durch wechselsweise Verknüpfung ihre Erwekkung erleichtern: da kan unmöglich die Erinnerungskraft so lebhaft sein, als in der an Begriffen reichern Seele des iugendlichen und mänlichen Alters. – –" Seit. 339.

 

[Ib-08-1780-0545]
2) Christus starb nicht, um zu zeigen, wie strafbar die Sünde sei – denn 's hätte nichts geholfen.

 

[Ib-08-1780-0546]
"Strafexempel sind abschrekkend; aber nur, wenn 's Publikum weis, der Gestrafte sei schuldig, sonst erwekken sie vielmehr nur Mitleiden mit'm Unschuldigen und Unwillen gegen Richter und Gesezze, die solche zulassen. Wird durch die Bestrafung des Schuldigen, ein gleicher Missethaten schuldiges Subiekt im Verborgnen für's künftige von Verbrechen abgeschrekt, so bringt' nicht eigentlich die ausser

 

[Manuskriptseite 207.]

ihm verhängte Strafe diese Wirkung hervor, sondern vielmehr die moralische Gewisheit, sie würd' ihn im Fal der Nichtbesserung auch zuverlässig treffen, macht, daß er sich wirklich bessert. Die Vorstellung der Strafe war so lebhaft in dem sündigen Subiekt, als wenn sie wirklich schon an ihm volzogen würde. Blos dadurch wirkte sie moralischen Nuzzen. Das erste hat aber bei Christo nicht stat – denn er war kein Sünder, – also folgt auch 's lezte * nicht. –" Seit. 355. 356.

 

[Ib-08-1780-0547]
3) Die Opfer im A. T. beweisen nicht, daß Christus an unsrer Stat gestorben ist.

 

[Ib-08-1780-0548]
"Zwis Zur Ähnlichkeit der Opfer im A. T. und des Opfers, das Christus selbst gebracht hat, fehlt sehr viel. Bei den Opfern der Thier' ist die Stelvertretung blos symbolischer Unterricht, bei'm Opfer Christi ist sie's nicht; dort ist sie bildlich, und uneigentlich, hier unbildlich und eigentlich; dort etwas vorgebildetes, hier etwas wirkliches, die Folgen von iener sind politisch und zeitlich, die Folgen von dieser sitlich und ewig; bei iener sind's geopferte Thier und der Priester, der's schlachtet, ganz verschiedne Subiekte, bei dieser ist Opfer und Opferer ein und ebendasselbe Subiekt. Dort leidet ein unvernünftiges Geschöpf ohne Bewustsein,

 

[Manuskriptseite 208.]

warum 's leidet, und gezwungen, hier ein vernünftiges mit Bewustsein und freiwillig. Das Thier leidet nicht 's Wesen der Straf' an der Menschen Stelle, Christus leidet's. Das Thier wird nicht eigentlich für sie abgestraft, Christus wird's; es nimt nicht eigentlich Schuld und Strafe der Sünden weg, aber Christus nimt sie weg. Die Übertragung und Auflegung der menschlichen Sünden auf den Sündenbok ist etwas blos äusserlich sinliches und zeremonielles. Die Übertragung der und Auflegung der Sünden auf Christum etwas geistiges, sitliches und reelles. Das vertretende Sühnopfer des Thiers hat seine volle Kraft und Wirkung ohne Rüksicht auf die moralische Gesinnung dessen, für den's geopffert wird. Das Opfer Christi aber hat keine Wirkung ohne diesselbe. Ienes schaft die natürlichen positiven Strafen des Verbrechens weg; dieses hebt sie keinesweges auf, macht in den natürlichen zeitlichen Folgen der Sünde nicht die mindeste Änderung. – –

 

[Ib-08-1780-0549]
Welche sichtbare Verschiedenheit zwischen Beiden! Verglichen haben die Apostel freilich den für Sünder sich aufopfernden Christus mit dem für die Sünden Israels getödeten Opferthier. Aber wer giebt uns Freiheit, die Vergleichungsstükke weit über

 

[Manuskriptseite 209.]

ihren Zwek, den sie bei der Vergleichung hatten, auszudehnen? So oft ist man in diesen Fehler, bei Vertheidigung der vertretenden Genugthuung Christi, gefallen. Was könte der menschliche Wiz aus manchen Stellen der Bibel, worinnen Gott mit Kreaturen verglichen wird, herausbringen, wenn's ihm erlaubt wäre, Übereinstimmungen zwischen beiden aufzusuchen, wo ihrer verschiednen Natur nach keine sein können, und die Ausdehnung des Tertium comparationis so weit zu treiben, als es immer mit der Aufopferung Christi und den iüdischen Sch Sühnopfern geschieht. Man solte vielmehr, wie ich glaube, etwas ganz anders aus der biblischen Opfertheorie schliessen. Eben weil alles, was von den Versöhnopfern der Iuden, zur Befreiung des Sünders von der gesezlichen Strafe, in der h. Schrift gesagt wird, allegorisch, symbolisch, figürlich, uneigentlich zu verstehen ist, so solt' ich denken, man könt' und müst' in der Anwendung auf's Versöhnopfer Christi auch nothwendig diese allegorische, symbolische, figürliche, uneigentliche Bedeutung behalten, aber keine eigentliche annehmen, sonst würd eines zum andern gar nicht passen. Wenn Christus, würd' ich schliessen, gerad' in dem Sin des Menschen Sünden

 

[Manuskriptseite 210.]

getragen und versöhnt hat, in welchem der zum Sühnopfer bestimte Bok, Israels Sünden trug und versöhnte, so ist diese Redensart bei'm ersten eben so nothwendig in uneigentlicher, figürlicher Bedeutung zu nehmen, als bei'm leztern; und dan war Christi Tod eben so wenig eigentliche, den Sünder vertretende und Gott versöhnende Strafe, als es der Tod des Opferthiers war. – Nicht also! sagt H. Seiler, sondern eben darum, weil's Thier nicht eigentlich Strafe für die Menschen leiden und Gott versöhnen konte, so wurd' ein höher, ein vernünftig Opfer erfordert, welches eigentlich an der Sünder Stelle die Strafe litte, und die Versöhnung bewirkte; so muste Christus leisten, was kein Opferthier leisten konte. – Aber woher weis man denn das? Gründet sich denn dieser Schlus nicht offenbar auf unerwiesene Voraussezzungen, über deren Richtigkeit eben gestritten wird? Philosophirt man damit nicht a priori schon wieder aus'm Argument: Gott kan den Menschen nicht anders Sünden vergeben , als wenn ein Wesen von höherer Art, ein Wesen von götlicher Natur an ihrer Stelle mit dem Tode gestraft wird? Ich denke nicht anders. So demonstrire mir's doch,

 

[Manuskriptseite 211.]

sag' ich. "Ia! demonstriren wil ich's nicht, kan ich's nicht. Aber 's mus so sein, weil die Apostel durch ihre Vergleichung des getödeten Christus mit dem getödeten Opferthier es gelehrt haben." Gut! Aber deutest du auch die Vergleichung recht? Dehnest du sie nicht über ihre Absicht zu weit aus? Es ist doch alles figürliche, uneigentliche Rede, was sie von dem Strafe leiden, von dem Sünden tragen des Opferthiers geschrieben haben. Also ist's in der Applikazion auf Christum auch wol figürliche Vorstellung? "Nein, das nicht, es must' ia ein verständiges Wesen an der Sünder Stelle tragen, was das Opferthier nicht tragen konte. –" Wer sieht hier die Zirkel nicht? o der elenden Beweise. –" Seit. 362. 363. 364. 365.

 

[Ib-08-1780-0550]
4) Von der Grösse der Lufttheilgen.

 

[Ib-08-1780-0551]
"Aus einem besondern Versuch' hat man gefunden, daß die Lufttheil' aus Bläschen bestehen, deren Durchmesser ohngefähr 1/33 einer Haardikk' ausmacht, und deren ausdehnende Kraft von der innern, durch die Wärme zitternden Himmelsluft herrühret. – –" Seit. 482.

 

[Manuskriptseite 212.]

[Ib-08-1780-0552]
XXVIII.

 

[Ib-08-1780-0553]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des neun und dreissigsten Bandes erstes Stük. Berlin und Stettin, verlegt's Friedrich Nikolai, 1779.

 

[Ib-08-1780-0554]
1) Von den fremden Sprachen, die die Apostel redeten

 

[Ib-08-1780-0555]
"Die Gab' in fremden Sprachen zu reden hatten die Apostel nur zu gewissen Zeiten: ia sie wurd' ihnen nachher ganz entrissen. Daher hatten sie zum Theil Dolmetscher mit sich, wie Petrus. Man findet auch nirgends, wo von der Verkündigung des Christenthums die Red' ist, daß die Apostel sich dieser Gabe bedient, und dadurch die Menschen bewogen hätten, der Lehre des Christenthums beizutreten." Seit. 11.

 

[Ib-08-1780-0556]
2) Von den Sadduzäern.

 

[Ib-08-1780-0557]
"Den auffallenden Umstand, daß die Sadduzäer, ob sie gleich eine wichtige Glaubenslehre der Pharisäer und Essäer leugneten, doch deshalb nicht als Kezzer verworfen wurden, sondern sowol wie für äcte Iuden galten, erklärt der V. so daraus, daß man sie aus Moses und der Propheten Schriften, als der einzigen Richtschnur ihres Glaubens, nicht hätte klärlich widerlegen können. - - " Seit. 41.

 

[Manuskriptseite 213.]

[Ib-08-1780-0558]
3) Von Bibel – Religion – u. a. D.

 

[Ib-08-1780-0559]
"Der Buchstab' ist nicht der Geist, und die Bibel ist nicht die Religion. Folglich sind Einwürfe gegen den Buchstaben und gegen die Bibel, nicht eben auch Einwürfe gegen den Geist und die Religion. Denn die Bibel enthült offenbar mehr, als zur Religion gehöriges: und's ist blosse Hypothese, daß sie in diesem Mehrern gleich unfehlbar sein müsse. Auch war die Religion, eh' eine Bibel war. Das Christenthum war, eh' Evangelisten und Apostel geschrieben hatten. Es verlief eine geraume Zeit, eh' der erste von ihnen schrieb; und eine beträchtliche, eh' der ganze Kanon zu Stande kam. Es mag also von diesen Schriften noch so viel abhängen: so kan doch unmöglich die ganze Wahrheit der Religion auf ihnen beruhen. – – Die Religion ist nicht wahr, weil die Evangelisten sie und Apostel sie lehrten, sondern sie lehrten sie, weil sie wahr war. Aus ihrer innern Wahrheit müssen die schriftlichen Überlieferungen erklärt werden, und alle schriftliche Überlieferungen können ihr keine innere Wahrheit geben, wenn sie keine hat. – –" Seit. 43. 44.

 

[Ib-08-1780-0560]
4) Von den Widersprüchen der Evangelisten bei der Auferstehungsgeschichte.

 

[Ib-08-1780-0561]
"Man mus hiebei Widersprüch' unter den Zeugen, und Widersprüch' unter den Geschichtschreibern von der

 

[Manuskriptseite 214.]

Aussage dieser Zeugen unterscheiden; denn die Evangelisten sind nicht bei allen und ieden Erscheinungen Christi, sondern nur bei einigen gegenwärtig oder Augenzeugen gewesen. – Von mehrern Zeugen sieht, hört und erzählt ieder die nämliche Sache, an dem nämlichen Ort, zu der nämlichen Zeit anders, als der andere. Selbst zu verschiednen Zeiten macht der nämliche Zeuge von dem nämlichen Vorfalle, den er mit aller Aufmerksamkeit beobachtete, nicht die nämliche Aussage, weil er sich sie iedesmal so erzählt, wie er sich ihrer zu der Zeit erinnerlich ist, er müste denn die Aussag' auswendig gelernt haben. – Da können also anscheinende Widersprüch' herauskommen, die bei näherer Vergleichung verschwinden – Und allenfalls so viel Widersprüch' in den Erzählungen der E= Evangelisten, als man wil! Es sind nicht Widersprüche der Zeugen, sondern der Geschichtschreiber; nicht der Aussagen, sondern der Nachrichten von diesen Aussagen – Ieder Evangelist hat die Sach' aufgeschrieben, wie sie ihm nach seinem besten Wissen und Gewissen bekant gewesen. – Auf diese Verschiedenheit der Erzählung kömt iezt gar nichts mahr an – Nur ein fortdauerndes Wunder

 

[Manuskriptseite 215.]

hätt' es verhindern können, daß in 30 bis 40 Iahren, eh' Evangelisten schrieben, solche Ausartungen der mündlichen Erzählung von der Auferstehung sich nicht ereignet hätten. Aber was für Recht haben wir, dieses Wunder anzunehmen? Und was dringt uns, es anzunehmen? Wer sich einen solchen Drang muthwillig schaft, der hab es – Wer die Untrüglichkeit der Evangelisten in iedem Wort behauptet, der versuche, die Widersprüche zu heben, die man schon gefunden hat. –" Seit. 50. 51.

 

[Ib-08-1780-0562]
5) Von den historischen Wahrheiten – in Rüksicht auf die Glaubenslehren.

 

[Ib-08-1780-0563]
"Ich läugne nicht, daß die Nachrichten von erfülten Weissagungen und geschehenen Wundern, eben so zuverlässig sind, als nur immer historische Wahrheiten sein können. – Aber wenn keine historische Wahrheit, die man zugiebt, demonstrirt werden kan: so kann auch nichts durch sie demonstrirt werden. Zufällige Geschichtswahrheiten können der Beweis von nothwendigen Vernunftwahrheiten nie werden. – Daher läugn' ich, daß iene Wunder, seitdem ihre Wahrheit völlig aufgehört hat, durch noch gegenwärtig gangbare Wunder erwiesen zu werden, seitdem sie nichts als Nachrichten von Wundern sind, (so unwidersprechlich als sie immer wollen) auch zu dem geringsten Glauben an Christi anderweitige Lehren verbinden können und dürfen. Diese anderweitigen Lehren nehm' ich aus anderweitigen Gründen." – Seit. 55. 56.

 

[Manuskriptseite 216.]

[Ib-08-1780-0564]
6) Paradoxer Saz!

 

[Ib-08-1780-0565]
"Viele, den Luther so vertheidigen wollende Orthodoxen sind nicht einmal im Stande, sein Schulsystem zu übersehen. –" Seit. 68.

 

[Ib-08-1780-0566]
XXVIIII.

 

[Ib-08-1780-0567]
Von der Güt' und Weisheit Gottes in der Natur. Von Heinrich Sander, Professor am Gymnasio illustri in Karlsruhe, und Ehrenmitglied der Berl. Geselschaft naturforschender Freunde. Neue Auflage. Frankfurt und Leipzig, 1780.

 

[Ib-08-1780-0568]
1) Menge der Geschöpfe – besonders der Thiere.

 

[Ib-08-1780-0569]
"Soviel tausend Erdtheilgen, so viele Millionen Luftkügelgen, so viel tausend Millionen Wassertropfen, und so viele Wassertheile mit ihren bestimten sehr wichtigen Zwischenräumen für ieden Wassertropfen, so viele Feuertheile, so viel Öhl, und brenbare Materien, so viele Salze, so viel Lichtmaterie für die grosse Kugel der Sonn' in der ganzen Atmosphäre, so viel für die leuchtende Körper auf* dem Erdboden, so viel Elektrizität, so viel magnetische Kraft, und denn durch Vermischung dieser Grundtheile, so viele Steine, so viele Metalle, so

 

[Manuskriptseite 217.]

viele Pflanzen, so viele Grashalme, so viel' Insekten und Würmer, so viel' andre Thiere für's süsse, fürs gesalzene Wasser, für die Luft, für die Säft' andrer Thiere, für die Wälder, so viele Menschen – – in iedem Iahre der Welt, in allen Iahren, allen Iahrtausenden – – das alles mus damals im Verstande Gottes gegenwärtig gewesen sein, das alles mus er – – wir Menschen mit unsrer halben Sprache, mit unserm umschränkten Verstand können's nicht anders ausdrükken – – berechnet, gleichsam nach Maas und Gewicht abgezählt, zugetheilt haben, da er den Urstof der Welt aus dem Nichts hervorrief. In der Welt ist kein Loth Materie, kein Tropfen Wasser überflüssig. – –

 

[Ib-08-1780-0570]
Wie vielerlei giebt's Arten von Erd' und Sand! von Thon und Kalk! Wer kan alle Bildungen der Steine zählen? Wer nent uns alle Versezzungen der Metalle? – –

 

[Ib-08-1780-0571]
In einer Pfüzze von zehn Quadratschuhen sind mehr kleine Thiere, als grosse, in die Augen fallende Thier' auf'm ganzen Erdboden. Vielleicht macht eine Million Räderthiere noch kein Sandkörnchen aus. Fault ein kleines Wasserthiergen, so wimmelt's da eben so, wie im grösseren Geripp' auf dem Land, von lebendigen Geschöpfen. Giebt's nicht Mükken, die zweitausend Iunge lebendig gebähren? Giebt's nicht Thiere, in denen etliche

 

[Manuskriptseite 218.]

Zeugungen ineinander stekken? Giebt's nicht andre, die in vier und zwanzig Stunden Kinder, Enkel und Urenkel erleben? – –

 

[Ib-08-1780-0572]
Der Vorrath, den Gott allen Thieren, Vögeln, Fischen, Insekten und Würmern bestimt hat, und's Meer von Säften, die die Pflanzen an sich ziehen, und in ihren unzählig verschiednen Kanälen so mannigfaltig verändern, färben und schwängern, mus der Summe der Thier' und Pflanzen, die in iedem Iahr' hervorkommen und leben sollen, gleich sein. Welcher Sterbliche kan nun nachrechnen, wie viele Kräfte der Natur angewendet werden müssen, um diese für iede Thiergattung wieder eigne Nahrung aus dem algemeinen Kreislauf aller vorhandenen Materialien nach so vielen Umwandlungen und Veränderungen in hinreichender Meng' hervorzubringen, und so zu vertheilen, daß keine Mottenraupe versäumt wird, und keine Moosgattung ausgehn darf? –" Seit. 27. 28. 29. 30. 31.

 

[Ib-08-1780-0573]
2) Monadologie des Leibnizes.

 

[Ib-08-1780-0574]
"Und wie? wenn unser Leibniz Recht hätte, und all' Element' in der Welt Seelen, oder seelenähnliche Dinge wären! Wenn lauter Leben in der Natur, und kein Tod, wann nichts Materie, nichts Körper, und alles Denkkraft ist! Wo wird denn einst 's Land, wo wer

 

[Manuskriptseite 219.]

den die grossen seeligen Felder sein, wo der Schöpfer alle seine würdige Geschöpfe, alle seine Lieben um sich herum versamlen wird? –

 

[Ib-08-1780-0575]

 

[Ib-08-1780-0576]
Dem, der in grauer Ferne
Den Thron hat – sein Gebiet
In Himmeln, Welten, bis zum weit'sten Sterne;
Ein Menschenlied!
Umströmt vom Glanz der Werke
Ist Schönheit um mich her.
Er schuf's, damit ich seine Grösse merke,
Wie gut ist er!
Den Schenel auszuschmükken,
Geh'n tausend Sonnen dort.
Durch sie das Auge prächtig zu entzükken,
Rief uns sein Wort.
Vol Wunder ist die Erde
Für den, der sie bewohnt.
Ihm ist's die Sonn', ihm ist es ihr Gefährte,
Der Silbermond.
Wer naht sich deinem Lichte
O Gott? der Engel glüht –
Vernim auch von der Erde dunkelm Lichte
Ein schüchtern Lied.
Einst, wann ich aus der Höhe
Die Welten unter mir
An meinem Fest' in Staub zertrümmert sehe,
Dann – Iubel dir! – –"

Seit. 37. 38.

 

[Manuskriptseite 220.]

[Ib-08-1780-0577]
3) Bemerkung von der Wolle der Schafe.

 

[Ib-08-1780-0578]
"Durch eine uns unbegreifliche Anstalt der Natur verwandeln sich die Haare des Schaafs, sobald' s nicht mehr in Afrika, bei uns und in viel kältern Ländern ist, in Wolle." Seit. 55.

 

[Ib-08-1780-0579]
4) Nuzzen des Abfallens der Blätter.

 

[Ib-08-1780-0580]
"Was ist das für eine Kleinigkeit! was für eine zufällige Sache! Und doch ist's ausgemacht, daß es auf diesem Verwelken und Fallen der Blätter beruht, ob wir im künftigem Iahr Obst= und Baumfrücht' haben werden, oder nicht? Die Erfahrungen, die man in Engelland an den Maulbeerbäumen bei'm Seidenbau gemacht hat, sezzen's ausser allen Zweifel, daß der Baum, wenn er entblättert ist, den heftigsten Frost aushalten kan. Für den Baum ist's gar nicht gleichgültig, wann die Blätter abdorren. Sind sie zu lang' an den Zweigen, so ziehen sie immer noch einige Säft' in sich. So lang die Gefäss' im Blatstiel noch offen sind, und sie sind's, so lang's Blat anhängt, so lang kan auch der Saft in den Baum, in die Pflanz' eindringen, und die Kanäl' anfüllen. Komt indessen plözlich die Kälte, so gefrieren diese Säfte, dabei dehnen sie sich aus, zerreissen,

 

[Manuskriptseite 221.]

zersprengen die Gefässe, das ganze Gewebe der Pflanzen borstet, alle Röhren werden aufgeschlizt, die lezten Sonnenblikke, die alsdann um Mittag noch auf die Gewächse fallen, verursachen, daß im Innersten des Baums die Fäulnis anfängt, das zieht die Käfer her, und so verlieren wir Bäume und Wälder durch eine geringscheinende Ursache. –" Seit. 68. 69.

 

[Ib-08-1780-0581]
5) Vom Regenwurm, Spulwurm, und Schmetterling.

 

[Ib-08-1780-0582]
"Am Regenwurm sind alle Muskeln an einem Punkte befestigt, daher kan er sich drehen, und winden, wie er wil. Sein Körper ist mit etlichen Reihen Stacheln besezt, die ihm vielleicht zum Einbohren, und Aushölen der Gänge, zum Vertheidigen, oder zur Begattung helfen. Am Spulwurm sizzen die Gedärm' an iedem Einschnit fest mit einem haardünnen Faden, und 's Darmfel ist von aussen an den Windungen der Därmer angebracht, damit sie desto fester wären. – Die Schmetterlinge brauchen noch Federn auf den Flügeln, damit die Gefässe, die zwischen den Flügeln laufen, nicht von der Luft, dem Regen, oder Thau unmittelbar getroffen, erkältet werden, und die Flügel selbst ihre Schnelkraft verlieren, und zusammenschrumpfen. – –" Seit. 69. 70.

 

[Manuskriptseite 222.]

[Ib-08-1780-0583]
6) Von einem Wurm in der See, der die todten Fische frist.

 

[Ib-08-1780-0584]
"Im Meer ist ein Wurm, (chyxine glutinosa L.) dem die Natur den Auftrag gegeben hat, die toden Seefisch' auszuhölen, aufzufressen, und, indem er nichts zu thun scheint, als seine Fresbegierde zu stillen, die geschwinde Fäulung der Dörsch' und andrer Meerfirsche zu befödern. Er ist aalförmig, hat die Dikk' eines Fingers, die Länge von zwei Viertelellen, unten eine weisse, oben eine blasröthliche Farbe. Sein Kopf ist mit Fühlfäden, mit Bartfasern und Zähnen versehen. Seiner Bestimmung gemäs, kriecht er durch die hintere Öfnung der Körper der toden Fische, erfült diese mit einem klaren, leimichten Schleim, der ohne Zweifel ein starkes Mittel ist, die geschwindere Auflösung des Fischfleisches zu befördern, und dann arbeitet er noch mit'n Zähnen, und saugt mit dem Munde, bis sie ganz gefressen sind. Wäre dieser Wurm nicht, würden nicht die vielen faulenden Fische die Luft verunreinigen, und uns selber, bei aller Entfernung vom Meer, durch die Winde den Samen der Krankheiten zuschikken." – Seit. 70. 71.

 

[Ib-08-1780-0585]
7) Von den Nuzzen gewisser Insekten.

 

[Ib-08-1780-0586]
"Wollen wir Gurken, Melonen, Angurien, Kürbiss'

 

[Manuskriptseite 223.]

essen, so müssen auch viel' Insekten in der Welt leben, ohne deren Beihülfe wir diese Pflanzenfrüchte niemals haben würden." – S. 72.

 

[Ib-08-1780-0587]
8) Vom Nasenfretchen, der Natterwurzel u. a. m.

 

[Ib-08-1780-0588]
"Eine unbeschreibliche Menge Würmer nagen * in Amerika stets in der Erd' an den Wurzeln der vortreflichsten Pflanzen. Andre hölen sie aus, und beide befödern den Tod der Gewächse. Damit nun diese Würmer nicht alles verderben, so sezte Gott 's Fretthier hin, das mit seinen scharfen Nägeln beständig in die Erde gräbt, mit der langen, beweglichen, starkriechenden Nase, gleich dem Schweine bei uns, überal wühlt, sich oft bis am Schwanz in die Erd' eingräbt, und die Regenwürmer, die seine liebste Speise sind, von den Pflanzenwurzeln wegfrist, eben so, wie bei uns die Maulwürfe diesen unterirdischen Zerstörern nachgraben. –" Seit. 73. 74.

 

[Ib-08-1780-0589]
"Im Lande der Samoieden, da kein Getreide reif werden kan, ernähren sich die Einwohner von den grossen Wurzeln der mitlern und kleinen Natterwurzel, daraus sie Brod bakken." Seit. 74. 75.

 

[Ib-08-1780-0590]
"Dürften die Meisen und Zaunkönig' im Winter nicht mehr an den Zweigen der Bäum' herumpikken, so würden unsre Knospen im Frühiahr' von den Raupen ohne Gnade zerstört werden. –" Seit. 80.

 

[Manuskriptseite 224.]

[Ib-08-1780-0591]
"Die Stacheln an den Palmbäumen in Indien sind den Reisenden im Walde sehr beschwerlich. Allein hätte der Palmbaum diese Stacheln nicht, so würd' er von den Thieren im Walde beschädigt werden, die wilden Schweine, die nach allen mehlichten Süssigkeiten so lüstern sind, würden dem Sagobaum 's Mark rauben. Giengen diese Bäum' aus, so verlör' eine Raupenart ihr Futter, so müst' ein grosser Theil der Indianer verhungern, so hätten wir iezt, in unsern Apotheken für die Kranken ein Labsal weniger." Seit. 80. 81.

 

[Ib-08-1780-0592]
"In Amerika rottete man ehemals Krähen und andre Vögel aus, weil man glaubte, daß sie dem Erbsanbau schadeten, allein die Natur rächte sich dafür, daß man sie meistern wolte. Man sah' in kurzer Zeit den Erbsenkäfer, (Bruchus Pisi) in entsezlicher Meng' alle Felder überschwemmen, alle Pflanzungen auffressen, und nun merkte man, daß die Vögel, wann sie sich in den Erbsenfeldern niederliessen, nicht die Erbsen, sondern die schädlichen Raupen iener Insekten wegfrassen, und also würklich mehr eine Wolthat, als eine Plage gewesen." Seit. 81.

 

[Ib-08-1780-0593]
"Für die tausend Knospen, die ein kleiner Baum oft hat, ist eine grosse Menge von Saft nöthig, daher steigt die

 

[Manuskriptseite 225.]

Wurzel tief hinab, und saugt da, wo die kleinern Pflanzen, die sie all' über sich in der obersten schwarzen Erde zurükläst, nicht hinkommen. – Für den Fühlenden ist's die allersüsseste Glükseeligkeit, im vertraulichen Schatten einer Eiche, einer Ulme, einer Linde, in dem lieblichen Naturgewölbe, bei der sanftesten grünen Farbe, mitten in den balsamischen Wolgerüchen der buntesten Blummen, die Aussicht nach einem maiestätisch vorüberziehenden Strome, an der Hand eines geliebten mitempfindenden Menschen, oder mit unserm, iedem schönen Gegenstand und iedem Werk Gottes, sich öfnenden Herzen allein, in der Pracht der Natur hinauszuschauen, und dann im Drang des Gefühls, bei'm Aufschwellen der Seele, mit unverhaltnen Thränen im Aug' und mit dem Beben der Lippen zu Gottes blauem Himmel aufzublikken, und seine überal herströmende Güt' an uns und seinen Myriaden von Geschöpfen stilschweigend zu empfinden! – Durch eben diese künstlich gearbeitete Blätter dünstet der Baum beständig an allen Punkten aus, und dieser feine unsichtbare Regen befeuchtet unvermerkt die neben ihm stehende Gewächse. –" Seit. 91. 92.

 

[Ib-08-1780-0594]
"Wann ich unter'm Lauf der Welt, unter der Fühllosigkeit und Unachtsamkeit andrer, oder unter dem Wirbel meiner eignen Phantasien, oder an dem

 

[Manuskriptseite 226.]

brechlichen Gefäs des Geistes leiden mus, auch alsdann erhebt mich der mächtige Gedanke: daß Gott in dem Augenblik, da mir die Welt zu eng wird, oder mir meine eigne Lage, und meine wankende langsam wachsende Kentnis und Tugend misfallen mus, Millionen Geistern, Körpern, und Wesen von aller Art, in allen Punkten der Welt, in iedem Element, durch sichtbare und unsichtbare Mittel mit seiner Weisheit und Güte nah' ist, das schon seit dem ersten Tage, der am ersten Weltkörper entstand, ununterbrochen, mit der allerhöchsten Edelmüthigkeit, Uneinigkeit Uneigennüzzigkeit fortsezt, und nach meinem Menschenalter an mir selber in der seligsten Verbindung mit unzähligen Schaaren glüklicher, Wonn' und Leben und Zufreidenheit und Ruh' empfindender Geschöpfe durch die ganze äonenlange Reihe seiner Ewigkeiten in den allerschönsten Gegenden seiner Schöpfung ganz gewis fortsezzen wird. – –" Seit. 101.

 

[Ib-08-1780-0595]
"Der gröste Hippopotamus, und der kleinste Meerstern haben ihre angewiesnen Reviere der Schöpfung. Neben dem Walfisch fressen viele kleine Thiere, aber iede Art hat ihren eignen Geschmak. Der Tyger, so blutgierig, so gefrässig er ist, kan doch

 

[Manuskriptseite 227.]

dem Faulthier seine Nahrung nicht wegnehmen. Die Raupen der Insekten fressen in vier und zwanzig Stunden drei bis viermal soviel, als sie schwer ist. Iede Art hat gleichsam ihr eignes Magazin. –" Seit. 107.

 

[Ib-08-1780-0596]
9) Von der Menge des Getreides, und der Nahrung für'n Menschen.

 

[Ib-08-1780-0597]
"Bedenkt, was der Mensch zu erhalten kostet. Der Er plündert alle drei Reiche der Natur, und die leeren Pläzze werden doch wieder ausgefült. – Man rechnet für ieden Menschen täglich wenigstens zwei Pfund Brod – wer unter uns begreift, wie das alles aus der Erde wachsen kan? aus der Erde, auf welcher die Waldungen, die Wiesen, die Ströme, die Städt' und Dörfer, die Lustgärten, die Festungen und Strassen so einen grossen Plaz einnehmen? Man frage, wie viele Schaf' und Ochsen in den grossen Städten an einem Tag geschlachtet werden! Man frage, wie viele Kälber, Schwein' und Federvieh in Paris, London, Berlin, Wien pp. in einem Iahre! Wie viel Milch, Butter, Käs, Spek, Fische, Krebse pp. von diesen allen gegessen werden? Wie viel Wein, Bier, Thee pp. verzehrt werde? Man denk' ans Wasser, das bei so viel tausend Gelegenheiten verbraucht wird. Die Menge von tausend Gewächsen, Blumen, Blüthen, Früchten – – wer sieht hier nicht den alleserhaltenden Schöpfer. –" Seit. 108. 109. **

 

[Manuskriptseite 228.]

[Ib-08-1780-0598]
"Könte man eine Rechnung zusammenbringen von allem Getreide, das nur in einem einzigen Iahre gewachsen ist, man könt' es durch keine Zahl ausdrükken. Eine einzige Familie, wann sie wenig Kinder, und wenig Bedienten hat, was für ein Aufwand in einem einzigen Iahre! Und nun denke man ein kleines Dorf, eine kleine Stadt, eine Residenz, ein Ort, wo starke Besazzung liegt – – wie viel Getreide wird alle Iahre verbraucht! Die meisten Leute bakken ihr eignes Brod, und doch bakken noch soviele Bekker alle Morgen. Paris hat in seinem ganzen Gebiet 800 Bekker, die Meister sind. Berlin hat 300. Man rechne das Mehl zum Hausbrod, zum Weisbrod, zu den Pasteten, zum Puder, zum Bierbrauen, das Mehl, das die Mäuse fressen, die Körner, die auf'm Feld ausfallen, die die Vögel, Ratten, Hamster fressen. Man erinnere sich, daß nur allein die Hund' in Paris alle Iahr 100000 Pfund Brod wegfressen – –

 

[Ib-08-1780-0599]
Dazu rechne man das Mehl und Getreide, das all' Iahr' in Feuersbrünsten verbrent, die viel hunderttausend Fruchtsäkke, die schon über Bord in's Meer geworfen worden sind, alle die Millionen Millionen Fruchtkörner, die all' Iahre wieder gesäet wer

 

[Manuskriptseite 229.]

den – – und nun dies in ganz Europa, auf der ganzen Erdkugel – – was für eine Summe! O guter Vater, der du alles dies so hervorwachsen läst – wie gütig must du sein? – – Eine einzige Brandeweinblase verzehrt in einem Iahre soviel Getreide, als 40 Familien zu ihrer Nahrung brauchen, und wie viele sind in Niedersachsen, in Rusland beständig geschäftig! Polen versorgt noch fast ganz Holland mit Getraide. Das blosse Land in Engelland ist 38 Millionen Akres und mit Schotland und Irland ist's 60 * Millionen Akres. Ein Akre ist ein Raum von 75000 Schuh. Der Drittel dieser Akres ist urbar, und ohngefär wird der Ertrag eines Akre auf 11 Mill Zentner Getreide gerechnet. – –" Seit. 111. 112. 113. 114. 1**

 

[Ib-08-1780-0600]
10) Vom Salze, Zukker, Viehe, Holz – in Rüksicht auf die Anzahl was davon verbraucht wird.

 

[Ib-08-1780-0601]
"Salz macht uns alle Speisen schmakhaft. Blos wässerichte oder erdichte Kräuter würden uns wenig Kraft geben, und unsern Geschmak wenig befriedigen, aber in iedem Thiere, in ieder Pflanze stekken Salztheilgen. Sie sind mit Wasser, mit Erde, mit Öhl verbunden, und aus dieser verschiednen Mischung entsteht der unendlich verschiedne Geschmak des

 

[Manuskriptseite 230.]

Fleisches und der Früchte, ohne welchen wir uns alle Thiere bei iedem Bissen in Gefahr wären, die schädlichsten, die giftigsten Gewächse stat der gesunden und nüzlichen Nahrungsmittel zu ergreifen. Das ganze Meer ist vol Salz. Man rechnet, daß ein Pfund Wasser aus dem mittelländischen Meere zwei Loth Salz enthalte. Aus Holz kan man Salz herausbringen. Der Koth und das Wasser, das die Natur aus dem Körper der Thiere, damit 's Blut von aller Schärfe gereinigt werde, aussondert, ist mit einem Laugensalz durchdrungen. Und selbst in der Luft schwimt der Stof zu den wichtigsten Salzen. Ia auch der Rest vom Meerwasser, der nicht in Kochsalz verwandelt werden kan, giebt noch ein Purgiersalz. – – Wär' auch nicht in iedem Körper Salz angebracht, wie hätten denn die öhlichten und wässerichten Bestandtheile mit einander verbunden werden können? –" Seit. 115. 116.

 

[Ib-08-1780-0602]
"Der Zukker der iährlich aus Iamaika geführt wird, beträgt ungefähr 476,338 1/2 Zentner. Die Menge des Zukkers aber, den diese Insel noch ausserdem liefert, und der auf derselben meistens wieder verbraucht wird, ist selten unter 4300 Hogschrads, die Hogschrad zu 15 1/2 Zentner gerechnet. – Alle Iahr komt aus Sina siebzehn Millionen Pfund Thee nach Europa – Engelland nimt drei Millionen. –" Seit. 119.

 

[Manuskriptseite 231.]

[Ib-08-1780-0603]
"In Orenburg allein werden alle Iahre 4060,000 Schaafe von den Kirgisen eingekauft und geschlachtet. – Gröz liefert iährlich 6000 gemästete Kapaunen nach Wien. – Aus Ungarn werden all' Iahre 1200,000 Ochsen ausgetrieben. Zu Frankfurt am Main sollen iährlich 4700 Ochsen, und 25000 Schafe geschlachtet werden. *...* Man rechnet iezt in auf London 22000 Pferde, und im Iahr 1774 wurden daselbst 94000 Ochsen und über 800,000 Schafe geschlachtet. – Wer sieht hier nicht des Schöpfers Güte? Seit. 120. 121.

 

[Ib-08-1780-0604]
"Seit dem zehnten Iahrhundert graben die Engelländer bei Newkastle ihre herliche Steinkohlen. Fünfhundert grosse mit Kanonen versehene Schiffe mit Steinkohlen bringt man stetswährend an diese Stadt. Tausend kleine Schiffe mit Steinkohlen kommen aus Schotland nach London. – In El Engelland entzündete sich ein Steinkohlenbergwerk und brente dreissig Iahr! in Schweden ebenfals, dauert' aber nur 9 Iahr. –" Seit. 122. 123.

 

[Ib-08-1780-0605]
11) Vom Mangel der Fisch' in unsern Tagen.

 

[Ib-08-1780-0606]
"Man klagt hie und da, über den Mangel der Fisch' und des Holzes; allein wer weis nicht, daß unsre Unvorsichtig

 

[Manuskriptseite 232.]

keit selber daran schuld ist? Warum fängt man Fische zur Laichzeit, und bringt einen Rögner mit etlichen tausend Eiern auf die Tafel? Es sol der Genfersee nicht mehr so reich an Fischen sein, wie sonst. Allein man weis, daß erst vor 60 Iahren eine Art Raubfische, die im Land Mouloella heist, hineingekommen, die dem See grossen Schaden thut. – Ist's Wunder, wenn die Geschenke der Natur seltner werden, da wir selber die Erzeugungen hindern, und die Absichten der Natur stören? –" Seit. 139. 140.

 

[Ib-08-1780-0607]
12) Allerlei Bemerkungen.

 

[Ib-08-1780-0608]
"In der Gegend um Kairo in Ägypten ist der Erdgeier (Vultur Perenopterus L.) zu tausenden vorhanden. Und wären nicht diese Raubvögel beständig geschäftig, die vielen Kameel' und Esel, die dort fallen, und bei der Hizze des Landes geich in Fäulnis übergehn, aufzufressen, so würde der häsliche Gestank die Luft anstekken und die Pest verursachen. –" Seit. 142.

 

[Ib-08-1780-0609]
"Last uns selbst an den Mistkäfern die weise Güte des Schöpfers nicht verkennen. Ihr schmuzziger Aufenthalt ist im Auswurf grösserer Thiere. So viele fette Theil' an einen Ort hineingeworfen schaden dem Boden mehr, als daß sie ihn bessern. Die Graswurzeln

 

[Manuskriptseite 233.]

faulen unten, und die Stelle wird entblöst und öde. Vielleicht möchten wir das nicht in Rechnung bringen – – aber die haushälterische Natur läst keinen Flek ungenuzt. Sie hat diese Käfer bestelt, daß sie im Sommer den vierfüssigen Thieren gleichsam nachschleichen, und aus ihrem Unflath' alles, was feucht und schmierig ist, wegzehren. Sie thun das mit einer solchen bemerkungswürdigen Genauigkeit und Geschäftigkeit, daß von der ganzen Masse nichts, als ein trokner dürrer Staub, der hernach vom Wind weggeblasen wird, zurükbleibt, und nun die ganze Stelle, die den Koth wegnehmen muste, ihren Beitrag von Gras und Blättern wieder, wie vorher, liefern kan. –

 

[Ib-08-1780-0610]
Unsre Hund' und Kazzen haben einen besondren Trieb ihre Ausleerungen, weil sie fressend, und für die meisten Gewächs' und Insekten zu scharf sind, entweder in die Erde zu vergraben, oder an Steine, Stämm' und abgesonderte Örter hinzutragen, so lang wir ihnen 's nicht abgewöhnen. –" Seit. 143. 144.

 

[Ib-08-1780-0611]
"Die Natur hat auch für die Beerdigung der Maulwürf' und andrer gestorbner Thiere gesorgt. Eine Meng von diesen sogenanten Todengräbern versamlen sich da, wo sie ein Aas finden. Sie haben so viele Kräfte nicht, den toden Körper aufzuheben, und an den beliebigen Ort

 

[Manuskriptseite 234.]

hinzubringen. Aber sie wissen sich zu helfen, sie kriechen unter die Leiche, und arbeiten so lange, bis sie die Erde, auf welcher der Maulwurf liegt, weggekrazt und auf die Seite geschaft haben. Nun fält er nothwendig von selbst in die Grub' hinab, sie bedekken den Raub mit Erde, legen ihre Eier hinein, fressen ihn in Geselschaft ihrer Iungen, wohnen darin, wie in einem Neste, und befreien die Erde von einer unnüzzen Last. –" Seit. 145.

 

[Ib-08-1780-0612]
"In Senegal haben die ungeheuren Riesenschlangen, die 40=50 Fus lang und 1 1/2 breit sind, den Nuzzen, daß sie's Land von den häufigen Kröten, Eidexen, Schlangen und Heuschrekken befreien." Seit. 146.

 

[Ib-08-1780-0613]
"Die Füsse des Kameels sind unten mit häufigen dikken Küssen versehen, damit's im brennenden Sand laufen kan. Als ein wiederkäuendes Thier hat's vier Mägen, oder vier Abtheilungen in Einem grossen weiten Magen. Im ersten Magen fand Perrault in Paris 820 kleine Säkke, die zwischen den Magenhäuten lagen. Der gröste davon war drei Zol tief. Zwei Säkk' hatten allemal eine Öfnung, und alle diese Öfnungen hatte die Natur in vielen Ordnungen auf beiden Seiten des Magens neben und untereinander angebracht. Diese

 

[Manuskriptseite 235.]

alle fült's Kameel mit Wasser an, und, ohngeachtet die Wärme des Magens, besonders bei der wiederholten Arbeit beträchtlich sein mus, ohngeachtet dürre stachlichte fast holzichte Pflanzen im Kameelmagen zum Brei werden müssen, so bleibt doch dieser Wasservorrath, ohn' in Fäulnis überzugehen, zehn und mehrere Tag' in völlig gesundem Zustande, und fliest bei der Fortsezzung der Reise zur Verdauung der Speisen nach Bedürfnis zu. –" Seit. 151. 152. 153.

 

[Ib-08-1780-0614]
"Die Spechtarten (Picae Linn.) scharren den Mist der grösseren Thiere von einander, suchen Insekten darinnen, und zerstreuen dadurch selbst den Dünger." S. 154.

 

[Ib-08-1780-0615]
"Bei Grönland und den Spizbergen wohnt ein Vogel, Mallemukke, (Procellaria glacialis L.) der die See von toden Walfischen reinigt. Seine Gefrässigkeit ist sehr so gros, daß er's ofne Meer nie verläst, etliche Meilen bleibt er immer vom Land' entfernt, er schlukt fast immer ohne Maas, über sein Vermögen, ein, sein heisser Magen verdaut sehr schnel, und fodert beständig mehr. Ihm kan auch die heftige Kälte nicht schaden. –" Seit. 156.

 

[Ib-08-1780-0616]
"Lyonet in Haag wande fast die ganze Zeit von 9 Iahren auf die Weidenraupe, er drang in ihre innersten Gefässe, er fand über 4000 Muskeln nur in dem kleinen Körperchen – und doch war sie noch Abgrund und Geheimnis für ihn." Seit. 172.

 

[Manuskriptseite 236.]

[Ib-08-1780-0617]
"Die Ursachen der Überschwemmung des Nils sind diese. – Schon im April fallen in Äthiopien häufige Regen, bis zum September. Dadurch werden die weiten Ebenen, die in diesem Königreiche sind, vol Moräste. In diesen Morästen wächst eine Art von Schilfrohr so häufig, und wird so hoch und gros, daß fast alle Wege dadurch unbrauchbar werden. Man findet alles verwachsen, auch nachdem die Sonne die Pfüzen wieder ausgetroknet hat. Die dortigen Einwohner zünden's Rohr an, und verbrennen's über der Erde. Dadurch werden die Weg' und Strassen wieder offen, und die Felder davon gedüngt. Mit den Theilen dieses Schilfs ernährt's Land wieder eine Meng' andrer Gewächse. Ganze Striche werden alsdann nothwendig mit der Asche bedekt, die auf der Oberfläche bis zum folgenden Regen liegen bleibt. Eben die anhaltende Regengüsse, und der Nordwind, der die Regenwolken treibt, und den Nilstrom an einer hinlänglichen Ergiessung in's Meer hindert – – diese beiden Umstände machen nothwendig zu gleicher Zeit, daß der Nilstrom austrit. Indem er nun durch Äthiopien lauft, führt er einen beträchtlichen Theil von der Pflanzenasche mit sich fort – – bringt sie, indem er sich über die Fluren von Ägypten hinstürzt, überal mit, und sezt sie nebst dem Schlamme, und anderm Erdreiche, das durch ein sechsmonathliches Regenwetter nothwendig von den Bergen

 

[Manuskriptseite 237.]

in Äthiopien abgeschwemt werden mus, in Ägypten ab. – –" Seit. 174. 175.

 

[Ib-08-1780-0618]
"Die Schaale der Kokosnus ist besonders mit vieler Sorgfalt von der Natur gebildet. Wäre der innere Kern nicht so wol verwahrt, man würde sie nicht auf allen wilden Inseln, weit von den Maldivischen Inseln, wo der Kokosbaum wild wächst, in allen Wäldern, wo man nur mit dem Schiff' anlandet, wo keine Menschen sind, finden. Die Schaal' ist sehr hart, holzicht. Unter der Schaale liegt noch über dem Kern ein zaserichtes, fadichtes Gewebe. Aus diesen drei Stükken hat die Natur die Schaale zusammengesezt. Man solte vermuthen, daß die Schaale da, wo die Verbindungen dieser Stükke sind, am leichtesten geöfnet werden könne. Allein die Natur ist weiser. Am Ort, wo die Kokosnus vom Stengel getragen wird, sind in der Schaale drei schwächere Stellen, oder drei Vertiefungen, die dazu bestimt sind, das Auseinanderfallen der Schalenstükke zu befödern. Wenn die Nus in die Erde fält, so dringen die Feuchtigkeiten des Bodens durch diese Öfnungen hinein. Sie erfüllen den Kern der Nus, der * ohnehin die ganze Schaale nicht ausfült. Er schwilt davon auf, und treibt durch seine almählige Ausdehnung die harte Schaal' auseinander. Das Würzelchen des werdenden Baums dringt in die Erde, und die beiden Hälften des Kerns ernähren die iunge Pflanze. –" S. 191. 192.

 

[Manuskriptseite 238.]

[Ib-08-1780-0619]
"In den arabischen Sandwüsten hat's Kameel sein Futter, und damit ihm die stachlichten Gewächse nicht schaden, ist Mund und Zahnfleisch mit einem Knorpel überzogen –" Seit. 194.

 

[Ib-08-1780-0620]
"Die Birkhühner (Tetraones L.) kommen bald zu Tausenden nach Schweden, bald nach Lapland, mit ihren Eiern. – Das Thier, das den Lapländer soviel nüzt, ohne welches sie kaum sein könten, das Renthier, das ernährt sich blos vom Moos. Dieses krazt es unter'm Schnee hervor, und damit's die Nahrung unter der Kruste vom gefrornen Schnee und Eis, die immer oben liegt, ohne Schaden hervorsuchen könne, ist die Haut an der Stirne, der Nasen und den Füssen sehr hart, derb und liegt fest am Körper an. –" Seit. 210. 211. 212.

 

[Ib-08-1780-0621]
"In Lapland ist die Kälte so heftig, daß, sobald nur eine eingeheizte Stube geöfnet wird, all' in der Stube befindliche Dünste durch die von aussen eindringende kalte Luft plözlich in Schnee verwandelt werden, und man, wie mit weissen Wirbeln, umgeben ist. – – –" Seit. 213.

 

[Ib-08-1780-0622]
"Solt' eine einzige Samenart verloren gehen, so würden die Vögel, deren Futter ienes Gewächs ist, sterben, und so würden die grössern Thier' auch sterben, die ohn'

 

[Manuskriptseite 239.]

iene Vögel nicht leben könten. Nehmt eine Pflanze weg, die für den Menschen Arznei oder Nahrungsmittel entweder ist, oder noch werden kan – so fehlt auf der Erd' eine Rolle, so wird eine Krankheit unheilbar, eine Thiergattung verliert ihren Aufenthalt, ihren Weideplaz, so steht vielleicht eine Fabrik, die hundert Hände beschäftigen konte, stil – – so sind die andern Ingredienzien, in deren Vermischung sie der Arzt brauchen konte, weniger nüzlich, so werden, weil's Gleichgewicht aufgehoben ist, die andern Pflanzen vielleicht die schädlichern, sich desto stärker ausbreiten, das wird die Insekten Schaarenweis' herbeiziehen, die werden uns alles B Laub abfressen – so ist alles in der Welt verwebt. – –" S. 232. 233.

 

[Ib-08-1780-0623]
"Dort ist ein abgestorbener, nach etlichen Iahrhunderten endlich verdorrender Baum. Iezt sol er wieder in's Magazin der Schöpfung zurükkehren. Die Natur empfängt ihn so. Zuerst sezzen sich Steinflechten (Lichenes) an ihm an, bald hernach Schwamme – diese ziehen schon viele Feuchtigkeit an sich, die Fäulnis fängt an. Nun dringen schon die Holzbökke, (Cerambioes L.) die Bohrkäfer, (Ptini L.) die Blatläuse, Schröter und andre durch viele kleine Öfnungen in den sterbenden Baum hinein. Alle Rizzen werden belebt, iunge Brut von mehrern Geschlechtern wird darin ernährt, einige legen ihre Raupen zwischen die Bork' und's weichere Holz, andre kriechen zur Wurzel pp. Die Menge der Insekten lokt den Specht. Dieser wittert die Raupen, und schlägt so lange an die halbverfaulte Rinde, bis sie reist. Alle diese Zerstörungen befödern den geschwindern Übergang des fallenden Baums in Erde." S. 234. 235.

 

[Manuskriptseite 240.]

[Ib-08-1780-0624]
"Die Dikke des Eises im Winter wird desto stärker, ie mehr die Kält' anhält. Bei einem hohen Grade des Frostes springt's Eis auf, und bekomt Spalten und Risse. Dies geschieht zum Besten der Fische, die frische Luft haben müssen." S. 242. 243.

 

[Ib-08-1780-0625]
"Ohne die Spinnen würden wir vielleicht keine guten Weinbeer' einerndten. Diese veriagen die Fliegen und andere Insekten, die den Weinbeeren so sehr nachgehen. Die Spinnen machen auch deswegen im Herbst ihre Gespinste zwischen den Traubenbeeren. –" S. 255. 256.

 

[Ib-08-1780-0626]
"Dünkt uns oft nicht, daß es im Winter für die Sperlinge die gröste Plage sei, daß sie beständig herumfliegen, hier einen Kern, dort ein Körnchen auflesen müssen? Und gerade diese beständige Unruhe, dieser Zwang, dem geringsten Korn weit nachzufliegen erhält dem Vogel 's Leben. Denn würd' er stille sizzen, so würd' er aus Mangel an Bewegung verfrieren müssen." S. 259.

 

[Ib-08-1780-0627]
"Wir haben von den wahren Metallen weit mehr, als Halb=Metalle. Von Eisen, Kupfer, Blei und Zin können wir weit mehr Gebrauch machen, als von Spiesglas, und Wismuth. Iene kostbaren Erz' hat der Schöpfer in Erden und Steine gelegt, die weniger nüzlichen erhalten wir nur gelegenheitlich. – Ferner ** wir brauchen nicht soviel Platina del Pinto, als Queksilber, und Eisen ist viel häufiger vorhanden, als Silber. Ohn' Eisen hätten wir die andern Metalle nicht; daher streut's die Natur überal auf den Erdboden. –" S. 266.

 

[Ib-08-1780-0628]
"Auf der Erde sind mehr als ein halbtausend Arten von Moos. Diese fassen die feine Stauberd' auf, die in der

 

[Manuskriptseite 241]

Luft herumfliegt, sie bedekken im Winter, wie ein Teppich von Pelz, die Wurzeln der Pflanzen wider die Kälte, sie halten die alzuheftigen Sonnenstralen von den Wurzeln zarter Kräuter ab, bei'm Anlegen neuer Waldungen verhüten sie, daß die zarten Bäumchen nicht durch die Frühlingskält' emporgehoben werden, im Winter bewohnen sie die Saamen der Bäume, die die Natur verweht, Puppen von Insekten, in denen wieder andre Raupen ihre Verwandlung erwarten, sind unter'm Waldmoos verborgen pp. –" Seit. 275. 276. de

 

[Ib-08-1780-0629]
"Der Sprüzfisch in Ostindien besizt die Kunst, mit einem, heftig doch treffend, aus dem röhrenförmigen Schnabel, geworfenen Wassertropfen Insekten von den am Ufer des Wassers wachsenden Wasserpflanzen herabzustürzen." S. 296.

 

[Ib-08-1780-0630]
"In unsrer Erdenwelt sind kleine Wasserschnekken, die 2 kleine klebrichte Fühlhörner ausstrekken. An diesen bleiben noch kleinere Thierchen, Würmchen, die's Auge nicht sieht, wie Vögel an einer Leimstange, hängen und dienen ihnen zur Ernährung." S. 296.

 

[Ib-08-1780-0631]
"Die Meisten Orientaler zählten die Monathe von der Erndte, oder vom Säen an gerechnet. Daher heist Frühregen (Iore) der, so nach dem Besäen der Felder fält, am Anfang des Winters – wir würden ihn Spatregen heissen. Aber ihr Spatregen (Malkosch) ist der, so kurz vor der Erdte fält, im März, April. Dieses läst sich auf einige Stellen in der Bibel appliziren." 314.

 

[Manuskriptseite 242.]

[Ib-08-1780-0632]
"Die Knochen des Vogels sind sehr hohl, vol Luftlöcher, aber die Knochen des Löwen sind mehr derb, fest und stark. Die meisten Thier' haben die Knochen innerhalb dem weichen Fleisch, die Muskeln sind aussen an den Knochen befestigt , und umkleiden sie; bei den Insekten veränderte der Schöpfer seinen Plan, alle weiche, fleischichte, saftige Theile sind inwendig angebracht. – Der gröste Haufe der Thiere geht grade vor sich; aber der Krebs und der Ameisenlöwe gehen hinter sich, und der Flohkrebs gleicht mehr einem hüpfenden Floh, als einem rükwärtsgehenden Krebs und schwimt auf'm Rükken – – auf dem schwimmenden Meergras lebt ein Thier, (Scylla pelagicum L.) das sich mit dem Rükken an diese Pflanz' anhängen kan. Das Meergras ist seine Wohnung und Nahrung. Im Rükken ist eine Vertiefung, die zur Befestigung dient, die sechs Ärm' hängen unten, so lebt, schwimt, ernährt sich das Thier.– –" S. 318. 319.

 

[Ib-08-1780-0633]
"Leuwenhök sah, daß die Haare der Ratten gegliedert sind, und daß diese mit Gelenken versehene Theile fast mit eben der Kunst, wie die Säule des Rükgradswirbel, gearbeitet sind. – Die Haut der Polypen ist so fein, wie unser Auge; denn sie empfinden die Lichtstralen – und aus der Haut des Nashorns kan man Spiesruthen und Spazierstökke schneiden." S. 321. 322.

 

[Ib-08-1780-0634]
"Die Krebse, wenn sie sich mausern, bekommen auch eine neue Magenhäute, und sollen indessen die alten Magenhäute verzehren." S. 324

 

[Manuskriptseite 243.]

[Ib-08-1780-0635]
"Ganze Klassen der Thiere sind stum, z. B. die Insekten, die Würmer und Schaalthiere – aber's giebt andre, die beständig zwitschern und pfeifen. Unter den Fischen schmazzen einige, einige schinen 'was zu murmeln – – Einige Insekten erregen mit den Flügeln in der Luft und mit gewissen Theilen dem Körper ein Gesumse – die Schlangen zischen mit ihrer gespaltnen Zunge – andre haben Lungen, Kehlkopf, Kehldekkel, Knorpel, halbe Zirkel, Ringe und andre Häute von mehr oder weniger Dichtigkeit, mit denen sie ihre Töne bilden können. Zwischen der Stimme des Menschen und dem fatalen Gequächze des Affen ist ein sehr grosser Unterschied. Wie mannichfaltig sind die Stimmen des Elephanten, des Nashorns, Bären, Löwen, der Seethiere, des Hundes und der Kazze? Bei einigen ist's ein schnelles einsylbiges Schreien, bei'm Schaaf fliest die Stimm' in einem fort, hingegen der Hund stöst bei'm Bellen die Theil' im Maul' oft und geschwind aneinander. Bei'm Schwein fand Gerissant noch einige Säkke, die bald weiter und dikker, bald enger und dünner werden sind. Das Schreien des Esels – – wie kentlich, wie stark und unbeschreiblich! Wie viel anders ist die Stimem des Pferds! – Und erst die Mannigfaltigkeit des Gesangs unter den Vögeln!" Seit. 327. 328.

 

[Ib-08-1780-0636]
"Fast alle säugende Thiere werden ohne Zähne gebohren – denn wie viel Schmerzen würden diese harten scharfen Knochen nicht der Mutter bei'm Milchsaugen verursachen? – Alle Thiere werden ohne Klauen und Hörner gebohren: denn sie würden bei der Geburt hinderlich sein. –

 

[Manuskriptseite 244.]

[Ib-08-1780-0637]
"Selbst bei'm Igel und Stachelschwein sind die Stacheln im Anfange weiter nichts, als weiche zarte Hervorspriessungen, die erst bei'm zunehmenden Alter, bei mehrerer und stärkerer Nahrung, an der Luft härter und spizziger werden." S. 348. 349.

 

[Ib-08-1780-0638]
"Damit die Gräser den kleinsten Raum, der zwischen den grössern Gewächsen leer bleibt, einnähmen, so haben sie schmale, biegsame, gleiche, degenförmige Blätchen – ihre Blätter sind zähe, damit sie sich unter'm Fustrit der Thiere zwar niederbeugen, aber nicht zerbrechen möchten." S. 378.

 

[Ib-08-1780-0639]
"Sogar unten im Meere sind Gärten und Wiesen, wo die Fisch' ihre Eier hinlegen, Insekten und Würmer wohnen – – In Suriname kan man an den Küsten des Meers, wo's Wasser nicht tief ist, die Schildkröten bei stillem Meer' und heiterm Wetter, auf den grünen Wiesen unter'm Wasser herumgehen sehen." S. 382.

 

[Ib-08-1780-0640]
"Menschliches Blut ist eine so merkwürdige zusammengesezte Flüssigkeit, daß es der Kunst noch nie gelungen ist, diesen kostbaren Saft nachzumachen, es hat in iedem Körper sene eigne Besonderheiten, das Blut eines andern kan in meine Adern nicht aufgenommen werden, die geringste Störung des Gleichgewichts zwischen Erde, Wasser, Salz, Öhl, Luft und Eisen im Blut veranlast eine Krankheit. –" Seit. 416.

 

[Manuskriptseite 245.]

[Ib-08-1780-0641]
Verzeichnis der neuen Bücher in diesem Bande.

 

[Ib-08-1780-0642]
I. Ebert's Naturlehre für die Iugend. Erster Band. Seit. 1.

 

[Ib-08-1780-0643]
II. Wünsch's Kosmologische Unterhaltungen für die Iugend. Erster Band. 9.

 

[Ib-08-1780-0644]
III. Wünsch's Kosmologische Unterhaltungen für die Iugend. Zweiter Band. 13

 

[Ib-08-1780-0645]
IIII. W. A. Teller's Wörterbuch des N. T. Zweite Auflage. 23.

 

[Ib-08-1780-0646]
V. Der deutsche Merkur vom Iahr 1777. Drittes Vierteliahr. 38.

 

[Ib-08-1780-0647]
VI. Der deutsche Merkur vom I. 1777. Viertes Vierteliahr. 40.

 

[Ib-08-1780-0648]
VII. Rousseau's Ämil. Dritter Theil. 43.

 

[Ib-08-1780-0649]
VIII. Rousseau's Ämil. Vierter Theil. 51.

 

[Ib-08-1780-0650]
VIIII. Deutsches Museum. Julius bis Dezember 1778. 55.

 

[Ib-08-1780-0651]
X. W. A. Teller's Zusäzze zu seinem Wörterbuche. 93.

 

[Ib-08-1780-0652]
XI. Deutsches Museum. Iänner bis Iunius. 1779. 98.

 

[Ib-08-1780-0653]
XII. Deutsches Museum. Iulius bis Dezember. 1779. 103.

 

[Ib-08-1780-0654]
XIII. Al. d. Bibliothek. Des sieben und dreissigsten Bandes erstes Stük. 124.

 

[Ib-08-1780-0655]
XIIII. Al. d. Bibliothek. Des sieben und dreissigsten Bandes zweites Stük. 126.

 

[Ib-08-1780-0656]
XV. Lambert's Theorie des Ersten und Einfachen. Erster Band. 127

 

[Ib-08-1780-0657]
XVI. Lambert's Theorie des Ersten und Einfachen. Zweiter Band. 132.

 

[Ib-08-1780-0658]
XVII. Auserles. Bibl. der neusten d. Litteratur. Siebzehnter Band. 135.

 

[Ib-08-1780-0659]
XVIII. Kleist's Werke. Erster Theil. 146.

 

[Ib-08-1780-0660]
XVIIII. Kleist's Werke. Zweiter Theil. 151.

 

[Ib-08-1780-0661]
XX. Kampe's Kinderbibliothek. Erstes Bändchen. 152.

 

[Ib-08-1780-0662]
XXI. Lessing's Erziehung des Menschengeschlechts. 161.

 

[Ib-08-1780-0663]
XXII. Reimarus natürliche Religion. 173.

 

[Ib-08-1780-0664]
XXIII. Reimarus Betrachtungen über die Triebe der Thiere. 180.

 

[Ib-08-1780-0665]
XXIIII. Lavater's Aussichten in die Ewigkeit. Erster Band In Briefen. 189.

 

[Manuskriptseite 246.]

[Ib-08-1780-0666]
XXV. Des Wandsbekker Bothen sämtliche Werke. I. II. Theil. Seit. 198.

 

[Ib-08-1780-0667]
XXVI. A. d. Bibl. Des acht und dreissigsten Bandes erstes Stük. 204.

 

[Ib-08-1780-0668]
XXVII. A. d. Bibl. Des acht und dreissigsten Bandes zweites Stük. 206.

 

[Ib-08-1780-0669]
XXVIII. A. d. B. Des neun und dreissigsten Bandes erstes Stük. 212.

 

[Ib-08-1780-0670]
XXVIIII. Von der Güt' und Weisheit Gottes in der Natur. Von Sander. 216.

 

[Ib-08-1780-0671]
Verzeichnis der, in diesem Band', exzerpirten, Sachen.

 

[Ib-08-1780-0672]
1) Von der grossen Theilbarkeit der Körper Seit.- - - - - - 1.

 

[Ib-08-1780-0673]
2) Von der Reakzion der Körper - - - - - - 2.

 

[Ib-08-1780-0674]
3) Von den konspirirenden Kräften - - - - - - 2.

 

[Ib-08-1780-0675]
4) Vom Fallen der Körper - - - - - - - - - 4.

 

[Ib-08-1780-0676]
5) Warum nicht alle Körper einander gleich stark anziehen - - 6.

 

[Ib-08-1780-0677]
6) Vom Eis - - - - - - - - - - - - - 7.

 

[Ib-08-1780-0678]
7) Der Grad der Elastizität der Luft - - - - - 7.

 

[Ib-08-1780-0679]
8) Vom Echo - - - - - - - - 7.

 

[Ib-08-1780-0680]
9) Von der Feinheit der Lichtstralen - - - - 8.

 

[Ib-08-1780-0681]
10) Von der Gems' – und dem Kameel - - - - - 8.

 

[Ib-08-1780-0682]
11) Von der Gröss' und Weite der Fixsterne - - - - 9.

 

[Ib-08-1780-0683]
12) Ein iedes Feuer ist elektrisch - - - - - - - - 10.

 

[Ib-08-1780-0684]
13) Wärm' und Kälte - - - - - - - - - 10.

 

[Ib-08-1780-0685]
14) Gott – unendlich im Grossen und Kleinen - - - 12.

 

[Ib-08-1780-0686]
15) Warum die Schlossen so viel Schaden thun - - - - 13.

 

[Ib-08-1780-0687]
16) Von der Entstehung der Materien - - - - - - 14.

 

[Ib-08-1780-0688]
17) Vom Gehen der Menschen - - - - - - 18.

 

[Ib-08-1780-0689]
18) Der Druk der Luft auf unsre Erde - - - 19.

 

[Manuskriptseite 247.]

[Ib-08-1780-0690]
19) Vom Schalle Seit. - - - - - - 19.

 

[Ib-08-1780-0691]
20) Von den Ausdünstungen - - - - - 22.

 

[Ib-08-1780-0692]
21) Umschreibung der Stelle 2 Kor. 3, 6. 23.

 

[Ib-08-1780-0693]
22) Umschreibung Philipp. 2, 9. 010. - - - - 25.

 

[Ib-08-1780-0694]
23) Die Redensart – das Haupt aufheben - - - - - 26.

 

[Ib-08-1780-0695]
24) Übersezzung der Stelle Matth. 20, 16. 22, 14 - - - - 26.

 

[Ib-08-1780-0696]
25) Röm. 4, 11. 12. - - - 26.

 

[Ib-08-1780-0697]
26) Von 1 Joh. 1, 7. – Ebr. 9, 22. – Vom Ausdruk "Buch d. Lebens". 27.

 

[Ib-08-1780-0698]
27) 2. Kor. 5, 17. - - - - - - - - - - - - - - 28.

 

[Ib-08-1780-0699]
28) Von Matth. 11, 27. – Ebr. 1, 3. Luk. 24, 21. 21, 28. – Matth. 9, 37. 38. - - 29.

 

[Ib-08-1780-0700]
29) Über's Wort ????? - - - - - - - - 30.

 

[Ib-08-1780-0701]
30) Kol. 2, 14. – Vom Namen Iesu "Herr". – Vom Wort "Himmel" 31.

 

[Ib-08-1780-0702]
31) Vom Wort "Priester" - - - - - - - - - 34.

 

[Ib-08-1780-0703]
32) Übersezzung Matth. - - - - - - - - 16, 26. 37.

 

[Ib-08-1780-0704]
33) Was Algemeines vom Begriff' eines Volks – und der Griechen 38.

 

[Ib-08-1780-0705]
34) Von den Bildern der Götter pp. - - - - - - - 39.

 

[Ib-08-1780-0706]
35) Das Gewürke der Imaginazion – wie unerklärbar - - 39.

 

[Ib-08-1780-0707]
36) Von denen, die sich zu Physiognomisten schikken - - - 40.

 

[Ib-08-1780-0708]
37) Über die Biographie - - - - - - 41.

 

[Ib-08-1780-0709]
38) Die Seel' ist nicht blos leidend bei den sinlichen Eindrükken - 43.

 

[Ib-08-1780-0710]
39) Wie ist Gott verständig? - - - - - - 44.

 

[Ib-08-1780-0711]
40) Der Mensch – niemals ganz böse - - - - - - 44.

 

[Ib-08-1780-0712]
41) Sollen wir Gott um Änderung unsers bösen Willens bitten? - 44.

 

[Ib-08-1780-0713]
42) Helfen die Wunder 'was zur Bestätigung der Lehre? - 44.

 

[Ib-08-1780-0714]
43) Wohlthäthige Wirkungen der Religion - - - - - 46.

 

[Ib-08-1780-0715]
44) Leitungsregeln bei'm Iüngling – und andre Anmerkungen - 47.

 

[Ib-08-1780-0716]
45) Von der Erziehung des andern Geschlechts - - - - - 51.

 

[Ib-08-1780-0717]
46) Eine iede Leidenschaft in ihren Schranken – ist erlaubt - - - - - 53.

 

[Ib-08-1780-0718]
47) Von den Nazionalunterschieden der heutigen Völker - - - - 54.

 

[Manuskriptseite 248.]

[Ib-08-1780-0719]
48) Bemerkung über'n Stolz des Menschen Seit. - - - - 55.

 

[Ib-08-1780-0720]
49) Vom Nuzzen der Gebirge - - - - - - 56.

 

[Ib-08-1780-0721]
50) Hymn' an die Erde – von F. L. von Stolberg - - 58.

 

[Ib-08-1780-0722]
51) Über die Sprache der Vorwelt von Anton - - - 67.

 

[Ib-08-1780-0723]
52) Lambert und Segner - - - - - - - 73.

 

[Ib-08-1780-0724]
53) Linne - - - - - - - 74.

 

[Ib-08-1780-0725]
54) Über den Stil – nach dem Graf. von Büffon - - - 75.

 

[Ib-08-1780-0726]
55) Vom Gefühle der Identität - - - - - - - 77.

 

[Ib-08-1780-0727]
56) Von Kol. 2, 9. – was "Fülle" heist - - - - 93.

 

[Ib-08-1780-0728]
57) Beantwortung eines Einwurfs gegen die neuere Definizion vom Glauben 97.

 

[Ib-08-1780-0729]
58) Der alte Deutsche unter einer Eiche! ----98.

 

[Ib-08-1780-0730]
59) Von unserm Begriffe von Gott - - - - - 99.

 

[Ib-08-1780-0731]
60) Lied von Gökingk – in seiner Augenkrankheit - - - - 99.

 

[Ib-08-1780-0732]
61) Lied einer Gefallenen - - - - - - 100.

 

[Ib-08-1780-0733]
62) Warum so viel von geringerm Stande das Leben verwürken? - 103.

 

[Ib-08-1780-0734]
63) Ode – von Blum - - - - - - 05.

 

[Ib-08-1780-0735]
64) Lied bei'm Untergang der Sonne – von Blum - - - 105.

 

[Ib-08-1780-0736]
65) Gedanken über Purism und Sprachbereicherung – von Gedike - 107.

 

[Ib-08-1780-0737]
66) Vom Blizze - - - - - - - - - - 124.

 

[Ib-08-1780-0738]
67) Wie Horaz dichtet - - - - - - 125.

 

[Ib-08-1780-0739]
68) Von der Lesart ????????? 2 Kor. 5, 3. - - - - 126.

 

[Ib-08-1780-0740]
69) Von der Menge der Fische - - - - - - - 127.

 

[Ib-08-1780-0741]
70) Von der wolfischen Definizion der Zeit und des Raums - - 127.

 

[Ib-08-1780-0742]
71) Von der Dichtigkeit und Dünnigkeit – Vom Wahren und Guten - 128.

 

[Ib-08-1780-0743]
72) Von der Identität - - - 128.

 

[Ib-08-1780-0744]
73) Von Gattung und Art - - - - - - - - 131.

 

[Ib-08-1780-0745]
74) Vom Auflösen und Abstrahiren der Begriffe - - - - 132.

 

[Ib-08-1780-0746]
75) Von den Kräften der Dinge - - - - - 134.

 

[Manuskriptseite 249.]

[Ib-08-1780-0747]
76) Über Sympathie, Trägheit, Willen u. a. d. des Menschen - - - Sei t. 135.

 

[Ib-08-1780-0748]
77) Schilderung des rohen Wilden - - - - - - 140.

 

[Ib-08-1780-0749]
78) Bemerkungen über'n Geschmak u. a. - - - - - - - 43.

 

[Ib-08-1780-0750]
79) Der Delinquententodt - - - - - - - - - 145.

 

[Ib-08-1780-0751]
80) Gedanken eines betrunknen Sternsehers - - - - - 146.

 

[Ib-08-1780-0752]
81) Über's Bildnis Raphael's, von ihm selbst gemalt - - 146.

 

[Ib-08-1780-0753]
83) 83)] Zählfehler Jean Pauls Der Krieg - - - - - - - - 147.

 

[Ib-08-1780-0754]
84) Gemäld' einer grossen Überschwemmung - - - - - 149.

 

[Ib-08-1780-0755]
85) Gedanken über verschiedne Vorwürfe - - - - - - 151.

 

[Ib-08-1780-0756]
86) Die Liebe Gottes - - - - - - - - - 152.

 

[Ib-08-1780-0757]
87) Der wolthätige Knabe - - - - - - - - - 153.

 

[Ib-08-1780-0758]
88) Der Thau auf Rosenblättern - - - - - - - - 155.

 

[Ib-08-1780-0759]
89) Der possirliche Affenfang - - - - - - - - - - - 56.

 

[Ib-08-1780-0760]
90) Über den Werth des Lebens - - - - - - - - 159.

 

[Ib-08-1780-0761]
91) Von der Religion überhaupt - - - - - - - 161.

 

[Ib-08-1780-0762]
92) Vom A. N. und zukünftigen Testamente - - - - 161.

 

[Ib-08-1780-0763]
93) Unterschied zwischen "in's Unendliche fortlaufen", und "Unendlich sein" 173.

 

[Ib-08-1780-0764]
94) Der Ursprung der lateinischen Sprache - - - - - 174.

 

[Ib-08-1780-0765]
95) Von der Haut unter'n Füssen der Thiere - - - - - - 174.

 

[Ib-08-1780-0766]
96) Von den Bewegungen der Thiere - - - - - 175.

 

[Ib-08-1780-0767]
97) Vom Gewebe der Thiere Spinnen - - - - - - 176.

 

[Ib-08-1780-0768]
98) Vom Wechsel unsrer körperlichen Theile - - - - - - 177.

 

[Ib-08-1780-0769]
99) Von den Denkkräften der Thieren - - - - - - - 180.

 

[Ib-08-1780-0770]
100) Ob Thiere wählen? - - - - - - 84.

 

[Ib-08-1780-0771]
101) Von den Affekten der Thiere – vom Baumhakker – und Adler 185.

 

[Ib-08-1780-0772]
102) Von den Moossen und ihren Nuzzen - - - - 186.

 

[Ib-08-1780-0773]
103) Von den Werkzeugen der Thiere - - - - - - - 187.

 

[Ib-08-1780-0774]
104) Vom algemeinen Sin, dem Gefühl - - - - - 188.

 

[Ib-08-1780-0775]
105) Analogische Vermuthungen - - - - - 189.

 

[Ib-08-1780-0776]
106) Von der Seele - - - 190.

 

[Ib-08-1780-0777]
107) Von der Schwächung der Leidenschaften. - - 191.

 

[Manuskriptseite 250.]

[Ib-08-1780-0778]
108) Bemerkung über'n Christen – der Himmel - - - Seit. 192.

 

[Ib-08-1780-0779]
109) Neuiahrslied - - - - - - - - - - 198.

 

[Ib-08-1780-0780]
110) Was ich wol mag - - - - - - - 199.

 

[Ib-08-1780-0781]
111) Die Henne - - - - 200.

 

[Ib-08-1780-0782]
112) Die frühen Gräber – Fuchs und Bär - - - - - 201.

 

[Ib-08-1780-0783]
113) Fuchs und Pferd – die Nachahmer - - - - - 202.

 

[Ib-08-1780-0784]
114) Denksprüch' alter Weisen, mit Randglossen - - - 203.

 

[Ib-08-1780-0785]
115) Wie man sich die Versuchung Iesu vorzustellen habe - - 204.

 

[Ib-08-1780-0786]
116) Fragen über's Zulassen Gottes - - - - - - 205.

 

[Ib-08-1780-0787]
117) Vom Gedächtnis der Kinder – von Christi Tod - - 206.

 

[Ib-08-1780-0788]
42) Helfen die Wunder 'was zur Bestätigung der Lehre? - 44.

 

[Ib-08-1780-0789]
43) Wohlthäthige Wirkungen der Religion - - - - - 46.

 

[Ib-08-1780-0790]
44) Leitungsregeln bei'm Iüngling – und andre Anmerkungen - 47.

 

[Ib-08-1780-0791]
45) Von der Erziehung des andern Geschlechts - - - - - 51.

 

[Ib-08-1780-0792]
46) Eine iede Leidenschaft in ihren Schranken – ist erlaubt - - - - - 53.

 

[Ib-08-1780-0793]
47) Von den Nazionalunterschieden der heutigen Völker - - - - 54.

 

[Manuskriptseite 248.]

[Ib-08-1780-0794]
48) Bemerkung über'n Stolz des Menschen Seit. - - - - 55.

 

[Ib-08-1780-0795]
49) Vom Nuzzen der Gebirge - - - - - - 56.

 

[Ib-08-1780-0796]
50) Hymn' an die Erde – von F. L. von Stolberg - - 58.

 

[Ib-08-1780-0797]
51) Über die Sprache der Vorwelt von Anton - - - 67.

 

[Ib-08-1780-0798]
52) Lambert und Segner - - - - - - - 73.

 

[Ib-08-1780-0799]
53) Linne - - - - - - - 74.

 

[Ib-08-1780-0800]
54) Über den Stil – nach dem Graf. von Büffon - - - 75.

 

[Ib-08-1780-0801]
55) Vom Gefühle der Identität - - - - - - - 77.

 

[Ib-08-1780-0802]
56) Von Kol. 2, 9. – was "Fülle" heist - - - - 93.

 

[Ib-08-1780-0803]
57) Beantwortung eines Einwurfs gegen die neuere Definizion vom Glauben 97.

 

[Ib-08-1780-0804]
58) Der alte Deutsche unter einer Eiche! ----98.

 

[Ib-08-1780-0805]
59) Von unserm Begriffe von Gott - - - - - 99.

 

[Ib-08-1780-0806]
60) Lied von Gökingk – in seiner Augenkrankheit - - - - 99.

 

[Ib-08-1780-0807]
61) Lied einer Gefallenen - - - - - - 100.

 

[Ib-08-1780-0808]
62) Warum so viel von geringerm Stande das Leben verwürken? - 103.

 

[Ib-08-1780-0809]
63) Ode – von Blum - - - - - - 05.

 

[Ib-08-1780-0810]
64) Lied bei'm Untergang der Sonne – von Blum - - - 105.

 

[Ib-08-1780-0811]
65) Gedanken über Purism und Sprachbereicherung – von Gedike - 107.

 

[Ib-08-1780-0812]
66) Vom Blizze - - - - - - - - - - 124.

 

[Ib-08-1780-0813]
67) Wie Horaz dichtet - - - - - - 125.

 

[Ib-08-1780-0814]
68) Von der Lesart ????????? 2 Kor. 5, 3. - - - - 126.

 

[Ib-08-1780-0815]
69) Von der Menge der Fische - - - - - - - 127.

 

[Ib-08-1780-0816]
70) Von der wolfischen Definizion der Zeit und des Raums - - 127.

 

[Ib-08-1780-0817]
71) Von der Dichtigkeit und Dünnigkeit – Vom Wahren und Guten - 128.

 

[Ib-08-1780-0818]
72) Von der Identität - - - 128.

 

[Ib-08-1780-0819]
73) Von Gattung und Art - - - - - - - - 131.

 

[Ib-08-1780-0820]
74) Vom Auflösen und Abstrahiren der Begriffe - - - - 132.

 

[Ib-08-1780-0821]
75) Von den Kräften der Dinge - - - - - 134.

 

[Manuskriptseite 249.]

[Ib-08-1780-0822]
76) Über Sympathie, Trägheit, Willen u. a. d. des Menschen - - - Sei t. 135.

 

[Ib-08-1780-0823]
77) Schilderung des rohen Wilden - - - - - - 140.

 

[Ib-08-1780-0824]
78) Bemerkungen über'n Geschmak u. a. - - - - - - - 43.

 

[Ib-08-1780-0825]
79) Der Delinquententodt - - - - - - - - - 145.

 

[Ib-08-1780-0826]
80) Gedanken eines betrunknen Sternsehers - - - - - 146.

 

[Ib-08-1780-0827]
81) Über's Bildnis Raphael's, von ihm selbst gemalt - - 146.

 

[Ib-08-1780-0828]
83) 83)] Zählfehler Jean Pauls Der Krieg - - - - - - - - 147.

 

[Ib-08-1780-0829]
84) Gemäld' einer grossen Überschwemmung - - - - - 149.

 

[Ib-08-1780-0830]
85) Gedanken über verschiedne Vorwürfe - - - - - - 151.

 

[Ib-08-1780-0831]
86) Die Liebe Gottes - - - - - - - - - 152.

 

[Ib-08-1780-0832]
87) Der wolthätige Knabe - - - - - - - - - 153.

 

[Ib-08-1780-0833]
88) Der Thau auf Rosenblättern - - - - - - - - 155.

 

[Ib-08-1780-0834]
89) Der possirliche Affenfang - - - - - - - - - - - 56.

 

[Ib-08-1780-0835]
90) Über den Werth des Lebens - - - - - - - - 159.

 

[Ib-08-1780-0836]
91) Von der Religion überhaupt - - - - - - - 161.

 

[Ib-08-1780-0837]
92) Vom A. N. und zukünftigen Testamente - - - - 161.

 

[Ib-08-1780-0838]
93) Unterschied zwischen "in's Unendliche fortlaufen", und "Unendlich sein" 173.

 

[Ib-08-1780-0839]
94) Der Ursprung der lateinischen Sprache - - - - - 174.

 

[Ib-08-1780-0840]
95) Von der Haut unter'n Füssen der Thiere - - - - - - 174.

 

[Ib-08-1780-0841]
96) Von den Bewegungen der Thiere - - - - - 175.

 

[Ib-08-1780-0842]
97) Vom Gewebe der Thiere Spinnen - - - - - - 176.

 

[Ib-08-1780-0843]
98) Vom Wechsel unsrer körperlichen Theile - - - - - - 177.

 

[Ib-08-1780-0844]
99) Von den Denkkräften der Thieren - - - - - - - 180.

 

[Ib-08-1780-0845]
100) Ob Thiere wählen? - - - - - - 84.

 

[Ib-08-1780-0846]
101) Von den Affekten der Thiere – vom Baumhakker – und Adler 185.

 

[Ib-08-1780-0847]
102) Von den Moossen und ihren Nuzzen - - - - 186.

 

[Ib-08-1780-0848]
103) Von den Werkzeugen der Thiere - - - - - - - 187.

 

[Ib-08-1780-0849]
104) Vom algemeinen Sin, dem Gefühl - - - - - 188.

 

[Ib-08-1780-0850]
105) Analogische Vermuthungen - - - - - 189.

 

[Ib-08-1780-0851]
106) Von der Seele - - - 190.

 

[Ib-08-1780-0852]
107) Von der Schwächung der Leidenschaften. - - 191.

 

[Manuskriptseite 250.]

[Ib-08-1780-0853]
108) Bemerkung über'n Christen – der Himmel - - - Seit. 192.

 

[Ib-08-1780-0854]
109) Neuiahrslied - - - - - - - - - - 198.

 

[Ib-08-1780-0855]
110) Was ich wol mag - - - - - - - 199.

 

[Ib-08-1780-0856]
111) Die Henne - - - - 200.

 

[Ib-08-1780-0857]
112) Die frühen Gräber – Fuchs und Bär - - - - - 201.

 

[Ib-08-1780-0858]
113) Fuchs und Pferd – die Nachahmer - - - - - 202.

 

[Ib-08-1780-0859]
114) Denksprüch' alter Weisen, mit Randglossen - - - 203.

 

[Ib-08-1780-0860]
115) Wie man sich die Versuchung Iesu vorzustellen habe - - 204.

 

[Ib-08-1780-0861]
116) Fragen über's Zulassen Gottes - - - - - - 205.

 

[Ib-08-1780-0862]
117) Vom Gedächtnis der Kinder – von Christi Tod - - 206.

 

[Ib-08-1780-0863]
118) Von den Opfern im A. T. - - - - - - 207.

 

[Ib-08-1780-0864]
119) Von der Grösse der Lufttheilgen - - - - 217.

 

[Ib-08-1780-0865]
120) Von den fremden Sprachen der Apostel – von den Sadduzäern 212.

 

[Ib-08-1780-0866]
121) Von Bibel – Religion – – den Widersprüchen der Evangelisten 213.

 

[Ib-08-1780-0867]
122) Von den historischen Wahrheiten - - - - - - 215.

 

[Ib-08-1780-0868]
123) Paradoxer Saz – Die Menge der Geschöpfe - - - - 216.

 

[Ib-08-1780-0869]
124) Monadologie des Leibniz's - - - - - - 218.

 

[Ib-08-1780-0870]
125) Von der Wolle der Schaafe – Nuzzen des Abfallens der Blätter 220.

 

[Ib-08-1780-0871]
126) Vom Regenwurm pp. Schmetterling - - - - - 221.

 

[Ib-08-1780-0872]
127) Von dem Nuzzen gewisser Nuzze Insekten - - - 222.

 

[Ib-08-1780-0873]
128) Von den Nasenfretchen pp. - - - - - - 223.

 

[Ib-08-1780-0874]
129) Von der Menge der Nahrung des Menschen - - - 227.

 

[Ib-08-1780-0875]
130) Von Salz, Zukker pp. - - - - - - 229.

 

[Ib-08-1780-0876]
131) Vom Mangel der Fische - - - - - 231.

 

[Ib-08-1780-0877]
132) Allerlei Bemerkungen durcheinander - - - 232.

 

[Ib-08-1780-0878]
Ende des achten Bandes.