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Faszikel Ib-10-1780
 

Transkription und digitale Edition von Jean Pauls Exzerptheften

Vorgelegt von: Sabine Straub, Monika Vince und Michael Will, unter Mitarbeit von Christian Ammon, Kai Büch und Barbara Krieger. Universität Würzburg. Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition (Leitung: Helmut Pfotenhauer)

Förderung: Fritz Thyssen Stiftung (11/1998-12/2000) und Deutsche Forschungsgemeinschaft (01/2001-12/2005)
Projektleitung: Michael Will
Gesamtleitung: Helmut Pfotenhauer

Transkriptionsgrundlage: Nachlass Jean Paul. Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Fasz. Ib, Band 10

Bearbeitungsschritte:
Herbst 2000 MIWI Transkription
Oktober 2000 MIWI Autopsie Berlin
11.03.2003 MIWI Konvertierung von WORD in XML/TEIXLITE
27.10.2005 ST Fertigstellung Konvertierung von WORD in TEIXLITE
27.10.2005 ST Zweitkorrektur HTML-Ausdruck
16.11.2005 ST Zweitkorrektur Eingabe XML-Datei
06.04.2006 MIWI Zweite Autopsie Berlin
07.04.2010 CMC Zweites Online-Update

 

[Titelblatt]

Verschiedenes, aus den neuesten Schriften.

Zenter Band.

Hof - -. 1780.

 

[Manuskriptseite 0]

Exzerpten.

Zehnter Band.

 

[Manuskriptseite 1]

[Ib-10-1780-0001]
I.

 

[Ib-10-1780-0002]
Algemeine Teorie der schönen Künst' in einzeln, nach alphabetischer Ordnung der Kunstwörter aufeinander folgenden, Artikeln abgehandelt von Iohan George Sulzer , Mitglied der königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin pp. Erster Teil, von A bis I . Leipzig, bei M. G. Weidman's Erben und Reich, 1773.

 

[Ib-10-1780-0003]
1) Warum uns die Bemerkung der Änlichkeit ergözt.

 

[Ib-10-1780-0004]
"Wir sehen zwei ihrer Natur nach verschiedene Dinge, einen wirklichen Körper, und eine flach ausgespante Leinwand mit Farben bedekt. Die Natur des einen scheint der Natur des andern entgegen zu sein. Dennoch entdekken wir in beiden so viel einerlei, daß das eine eben die Empfindungen im Aug' erwekt, als das andre. Dieses Einerlei bei so gar ungleichen Dingen, mus also notwendig auf ser ungleiche Weis' entstehen. Der Geist stelt sich, wiewol ganz dunkel, zwei Quellen oder Ursachen vor, deren Naturen einander entgegen sind, die aber einerlei Wirkungen hervorbringen. Dieses ist uns etwas unerwartetes; zwei ihrer Natur nach ganz verschiedne Einheiten, kommen in eben demselben Mannigfaltigen überein. Höhen und Tiefen auf einer Fläche, so gut als an einem wirklichen Körper; ein Leben und eine Sel' in einem Sein; dies mus uns notwendig in eine angeneme Bewunderung sezzen. Selbst das grosse Geheimnis vom Reize der Schönheit schei

 

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net mir daher erklärbar, daß wir die Volkommenheit eines Geistes in der Materie erblikken. Ausser diesem unterhält diese Bemerkung der Änlichkeit den Geist in der Wirksamkeit, welche allemal notwendig von der angenemen Empfindung begleitet wird. Eine beständige Vergleichung aller Teile zweier Gegenstände, und Bemerkung ihrer Übereinstimmung unterhält diese Wirksamkeit.

 

[Ib-10-1780-0005]
Die Warheit dieser Anmerkungen wird durch Betrachtung einiger besondrer Fälle bestätigt, da die höchste Änlichkeit nur wenig Vergnügen erwekt. Nichts ist änlicher, als die Wachsabgüsse von wirklich lebenden Personen; dennoch gefallen sie unendlich weniger als gut gemalte Porträte. Der Abgus ist ein wirklicher Körper, und demnach fält die Bewunderung der Übereinstimmung weg. Daß einerlei Gegenständ' einerlei Wirkung im Aug' hervorbringen, hat nichts ausserordentliches. Das Reizende der Änlichkeit komt von der entgegen gesezten Natur der Ding' her, darin man sie bemerkt.

 

[Ib-10-1780-0006]
Warum bewundern wir die Änlichkeit der Bilder im Spiegel so gar nicht, da sie doch so ganz volkommen ist? Wir halten 's Bild im Spiegel für einen eben so wirklichen Gegenstand, als das Urbild ist. Ein dunkles Gefül, daß es eben dasselbe sei, überhebt uns sogleich aller Vergleichung beider Gegenstände. Wir beschäftigen uns so wenig damit, als mit der

 

[Manuskriptseite 3]

Vergleichung der Bilder in einem vielseitigen Spiegel. Wir nemen 's für ausgemacht an, daß in dem einen nichts sein könne, als was in allen andern ist. Daher ist dieses kein Gegenstand unsers Nachdenkens." Seit. 18. 19.

 

[Ib-10-1780-0007]
2) Konsonanz.

 

[Ib-10-1780-0008]
"Damit das, was hier von der Konsonanz sol gesagt werden, seine völlige Deutlichkeit habe, mus man sich folgende Reihe Töne vorstellen: vorstellen:] kleine Zeichnung JPs: SCANNEN!

 

[Ib-10-1780-0009]
Es wird an einem andern Orte gezeigt werden, daß, indem die hier mit der Note 1 bezeichnete Sait' angeschlagen wird, der Klang, den sie angiebt, auch all' andre hier mit Noten bezeichnete Töne zugleich hören lasse. Schon ein mittelmässig geübtes Or vernimt im Ton 1 auch die Töne 2, 3, 4 und 5. Die höhern aber sind nur einem sehr feinen Or fülbar. Es ist hiebei auch noch anzumerken, daß die, bei diesen Noten geschriebnen Zalen 's Verhältnis der Vibrazionen, oder die Geschwindigkeit der Schwingung ieder Sait' anzeigen.

 

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[Ib-10-1780-0010]
Dieses vorausgesezt, so kan man auch noch als eine, aus der gemeinen Erfarung bekante Sach' annemen, daß die Intervalle 1:2, 2:3, 3:4, 4:5, 5:6, nämlich die Oktave, die Quinte, die Quarte, die grosse Terz und die kleine Terz, in der Zusammenstimmung der beiden Töne nichts widriges hören lassen, und daß alle diese Intervalle konsonirend, daß hingegen die Töne 8:9 einen merklich widrigen Eindruk auf's Gehör machen, und also gewis dissonirend sind.

 

[Ib-10-1780-0011]
Da auch ferner das erste oder gröste Interval 1:2, nämlich die Oktave, eine unstreitig volkommenere Harmonie hat, als das zweite Interval 2:3 oder die Quinte, diese auch besser harmonirt, als das Interval 3:4 oder die Quarte; so scheint 's, daß die Harmonie immer abneme, ie näher zwei in der natürlichen Reihe liegende Tön' an einander kommen. Wir können uns also folgende Reihe von Intervallen vorstellen.

 

[Ib-10-1780-0012]
1:2, 2:3, 3:4, 4:5, 5:6, 6:7, 7:8. 8:9. 9:10, u. s. w. oder nach ihren Namen: die Oktave, die Quinte, die Quarte, die grosse Terz, die kleine Terz, die verminderte Terz, (7:8 hat keinen Namen) die Sekunde; so scheint 's, daß die Volkommenheit der Harmonie immer in dem Mas abneme, wie die Zalen dem Verhältnis der Gleichheit näher rükken, so daß 1:2 eine volkomnere Konsonanz ist, als 2:3, diese volkommener als 3:4, u. s. f. Daß das Dissonirende auf der Stelle, wo 's Verhältnis 8:9 ist, schon merklich sei, von da an aber immer beschwerlicher werde, und 9:10 mehr als 8:9,

 

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15:16 mehr als 9:10 dissoniren, ist eine iedem Or ser merkbare Sache. Wenn man nun ferner auch diese Beobachtung dazu nimt, daß bei Stimmung der Pfeifen, das Dissoniren zweier Pfeifen immer beschwerlicher werde, ie näher sie dem Unisonus oder dem Verhältnis 1:1 kommen, (das Verhältnis 99:100, oder noch mer 999 zu 1000, macht ein ganz unerträgliches Geschwirre, welches, sobald das Verhältnis in die Gleichheit übergeht, sich in die angenemste Harmonie auflöst) so wird man von folgenden Säzzen, S*s als von Warheiten, die eine untrügliche Erfarung angiebt, überzeugt.

 

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1) Daß die volkommenste Konsonanz sich in den Tönen, die einerlei Höh' haben, zeige, also im Unisonus.

 

[Ib-10-1780-0014]
2) Daß die unerträglichste Dissonanz in den Tönen liege, die in Ansehung der Höh' nur eine Kleinigkeit von einander unterschieden sind, wie z. B. in solchen, deren Verhältnis wäre 99:100.

 

[Ib-10-1780-0015]
3) Daß das Widrige dieses Dissonirens immer mer abneme, ie weiter die Zalen, die's Verhältnis der Tön' ausdrukken, von der Gleichheit abweichen, bis es endlich auf einem gewissen Verhältnis ganz verschwindet.

 

[Ib-10-1780-0016]
4) Daß alles Dissoniren schon völlig aufgehört habe, wenn die Zalen so weit auseinander sind, als die, deren Verhältnis durch 9:6 ausgedrukt wird.

 

[Ib-10-1780-0017]
5) Daß aber in diesem zunemenden Konsoniren ein höchster Grad sei, (das, was man in der Geometrie

 

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ein Maximum nent, so daß es ienseits desselben wieder abneme, und daß dieser höchste Grad auf 's Verhältnis 1:2 falle, von da an aber immer wieder abneme, so daß 1:3, schon weniger konsonirt, als 1:2.

 

[Ib-10-1780-0018]
Wenn wir nun, mit diesen Beobachtungen versehen, die Intervall' in der Ordnung, in welcher die Natur bei Erzeugung des Klangs dieselben hervorbringen vorstellen, nämlich so:

 

[Ib-10-1780-0019]
1:2, 2:3, 3:4, 4:5, 5:6, 6:7, 7:8, 8:9, 9:10 u. s. f. so sehen wir, daß die Gränzen, wodurch die Konsonanzen von den Dissonanzen abgesondert werden, auf die Intervalle 6:7 und 7:8 fallen. Denn 8:9 ist schon offenbar eine Dissonanz 5:6 aber eine Konsonanz. Daß das Ohr der geübtesten Meister auch noch das Interval 6:7, welches die neuen Harmonisten die verminderte Terz nennen, für konsonirend halten, ist schon gezeigt worden. Diesemnach bliebe das Interval 7:8, als die eigentliche Scheidewand, oder die Gränzscheidung des Gebiets der Konsonanzen und Dissonanzen übrig, von welchen man schwerlich sagen könte, ob 's konsonirend, oder dissonirend sei.

 

[Ib-10-1780-0020]
Hierin zeigt sich bei der Harmonie eben die Ungewisheit, wie bei allen durch Grad' unterschiedenen Eigenschaften der Dinge. Wer kan sagen, wo eigentlich das Grosse aufhört und das Kleine anfängt? Auf welcher Stufe des Vermögens man aufhört reich zu sein, und anfängt arm zu werden? - Zum Glükke

 

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komt dieses zweideutige Interval auf unsrer Tonleiter nicht vor. - Wir haben also entdekt, daß die verminderte Terz 6:7 die unvolkommenste, und die Oktave 1:2 die volkommenste Konsonanz sei.

 

[Ib-10-1780-0021]
Die Intervalle, die grösser sind als die Oktave, wie 1:3, und all' andre, erfordern keine besondre Betrachtung; denn da bei'm Ton 1 seine Oktave 2 auch zugleich mit empfunden wird, so hat 's Interval 1:3, eben die Natur, als die Quinte 2:3, und so ist auch ein iedes die Oktav' übersteigende Interval, demienigen gleich zu schäzzen, das entsteht, wenn der untere Ton eine Oktav' höher genommen wird, z. B. 4:9. dem Interval 8:9. Wir brauchen also das Gebiet der Kononanzen nicht über die Oktav' hinaus zu erweitern, und können mit Sicherheit annemen, daß alle Konsonanzen zwischen der verminderten Terz 6/7 und der Oktav' 1/2 liegen.

 

[Ib-10-1780-0022]
Daraus scheint nun zu folgen, daß iedes Interval, das kleiner als die Oktave, aber doch grösser als die verminderte Terz ist, konsonirend sein müsse. Allein dieser Saz bekomt durch diesen besondern Umstand, daß bei iedem Grundton seine Oktav' und Quinte mit gehört wird, eine wichtige Einschränkung, aus welcher man begreift, warum die Septime, ob sie gleich innerhalb des Gebiets der Konsonanzen liegt, dissonirt. Eigentlich dissonirt sie nicht gegen den

 

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Grundton, sondern dessen Oktave dissonirt gegen die Septime, mit der sie eine Sekunde macht. Daß also C-B, oder C-H nicht konsonirt, komt daher, daß mit C zugleich c gehört wird, B-c aber und H-c kleiner, als 6:7 sind. Also können nur die Intervalle konsoniren, die, wenn sie grösser als 6:7 sind, dem Verhältnis 1:2 nicht zu nahe kommen.

 

[Ib-10-1780-0023]
Damit wir sehen, wie nahe sie diesem Verhältnis kommen können, wollen wir anstat 1:2, das Verhältnis 6:12 sezzen. Es sei also in einer Oktave die unterste Saite 6, die oberste 12, und man sezze zwischen 6 und 12, so viel Saiten als man wolle, z. E. noch 11 andre, die durch folgende Zalen ausgedrukt werden: 3 1/2, 7, 7 1/2, 8, 8 1/2, 9, 9 1/2, 10, 10 1/2, 11, 11 1/2, so ist klar, daß auf der Saite 7, die Konsonanzen angehen, und daß die Saite 10, die lezte sein würde, weil die andern zwar nicht gegen die Saite 6, aber gegen seine Oktave 12 dissoniren würden. Denn schon 's Interval 10 1/2:12 oder 21:24 ist kleiner als 6:7.

 

[Ib-10-1780-0024]
Um dieses besser zu begreifen, wollen wir 's wirkliche System der Töne folgender massen darstellen:

 

[Ib-10-1780-0025]
C. cis. D. Dis. E. F. Fis. G. Gis. A. B. H. c

 

[Ib-10-1780-0026]
1 243/256 8/9 27/32 4/5 3/4 32/45 2/3 81/128 161/270 9/16 8/15 1/2

 

[Ib-10-1780-0027]
Hier findet sich 's Gebiet der Konsonanzen, zwischen den Tönen Dis und B. Das Interval c-Dis ist

 

[Manuskriptseite 9]

schon etwas grösser, als 6:7, und 's Interval B-c oder 9/16:1/2, das ist 8:9, ist kleiner als 6:7. Also würd' ieder dieser Töne, Dis, E, F, Fis, G, Gis und A, mit dem Ton C konsoniren.

 

[Ib-10-1780-0028]
Aber sind denn alle hier zwischen D und B liegende Töne wirklich gegen C konsonirend? Dieses scheint aus dem vorhergehenden zu folgen. Dennoch erkent iederman den Tritonus C-Fis und die falsche Quinte Fis-c für dissonirend. Allein dies scheint nicht daher zu kommen, daß der Ton Fis unmittelbar gegen C, oder das obere c gegen Fis, dissonirt, sondern ieder dieser Töne dissonirt gegen den über ihm liegenden halben Ton (G und cis), deren ieder als die Quinte des tiefern Tons, mit diesem vernommen wird. Nun ist schon aus dem obigen klar, daß ein halber Ton eine sehr ser starke Dissonnanz ausmacht, daher 's komt, daß das Gefül der wahren Quinte weder den Tritonus noch die falsche Quinte neben sich verträgt; deswegen sind beid' unter die Dissonanzen zu rechnen.

 

[Ib-10-1780-0029]
Die Quart' und Sexte dissoniren zwar mit G auch, dennoch werden sie durchgehends unter die Konsonanzen gerechnet; allein nur in der Umkerung und niemals gegen den eigentlichen Grundton.

 

[Ib-10-1780-0030]
Überhaupt also scheint 's, daß ieder Ton, der mit einem angeschlagenen Grundton völlig konsoniren sol, auch zugleich mit seiner Oktav und Quinte

 

[Manuskriptseite 10]

konsoniren müsse. Weil nun das kleinste konsonirende Interval die verminderte Terz 6:7 ist, so scheint 's, daß die Konsonanz des Grundtons, weder seiner Oktave, noch Quint' näher, als eine verminderte Terz kommen dürfe, und daß selbst die Sexte nur alsdan recht konsonirt, wenn's Gefül der Quinte verdunkelt wird. -

 

[Ib-10-1780-0031]
Die Haupteigenschaft aller Konsonanzen besteht darin, daß sie an sich etwas Befriedigendes haben, da die Dissonanzen im Gehör etwas Beunruhigendes erwekken, worauf solche Töne folgen müssen, durch welche die Ruhe wieder hergestelt wird. Dies ist die Ursache, warum Dissonanzen alzeit Konsonanzen nach sich haben müssen und sie einigermassen ankündigen. -" Seit. 299-303.

 

[Ib-10-1780-0032]
II.

 

[Ib-10-1780-0033]
Kleine Kinderbibliothek. Herausgegeben von I. H. Kampe . Drittes Bändchen. Hamburg, in der Herold'schen Buchhandlung. 1780.

 

[Ib-10-1780-0034]
1)

 

[Ib-10-1780-0035]
Der Tag.
"Der liebe Tag, der liebe Tag,
Ist unaussprechlich schön!
Auf Erden ist dan alles wach,
Und man kan um sich seh'n!
Kan Gutes tun nemen, Gutes tun,
Und frölich sein so ser!
Wie Got im Himmel Gutes tun,
Und frölich sein, wie Er!

 

[Manuskriptseite 11]

Da scheint die Sonne denn darein,
Recht wie ein Vaterwink,
Daß sich die Kinder drob erfreun,
Und's schaft noch 'mal so flink!
Wie wimmelt's dan auf Erden rund!
Wie wirkt so manche Hand!
Wie öfnet sich so mancher Mund,
Vom lieben Got gekant! -
Ich schau, ich schau in deine Welt,
O Got! und werde stum.
O! wem es nicht in ihr gefält,
Der ist doch warlich dum! -"

Seit. 52. 53.

 

[Ib-10-1780-0036]
2)

 

[Ib-10-1780-0037]
Des Morgens im Sat Felde.
"Schon reift die Sat des Schnitters Hand entgegen,
Die Äre neigt sich schwer von deinem Segen,
Alvater, deiner Unermeslichkeit!
Ach! wie du giebst, mit welcher, welcher Milde!
So geben, so beglükken, deinem Bilde
So änlich sein, welch eine Seligkeit!
Du giebst der ofnen Erde dein Gedeihen,
Und winkst dem Landman Samen einzustreuen,
Er komt auf deinen Wink herbei und streut.
Dann strömen deine Wolken Tau und Regen,
Und deine Sonn' ergiest den milden Segen,
Dan keimt der Halm, und schost und steht bereit.

 

[Manuskriptseite 12]

Und deine Sonn' erzeugt das Mark in seinen Ären,
Und deine Wolken träufeln ihn zu nären:
Das Mark' in seinen vollen Ären reift.
Die Segenschweren Häupter wollen sinken,
Sie wanken taumelnd hin und her und winken,
Dem Säman, daß er rasch die Sens' ergreift.
Dan komt der Mensch und fült die weite Scheune,
Er nimt und samlet froh und nent 's das Seine
So stolz und kün, als hätt' er sich 's verschaft.
Dan komt der Mensch, und nimt und ist, und Stärke
Durchströmt sein Blut zum Schaffen seiner Werke;
Er nimt und ist, und geh't einher in seiner Kraft.
Dan kommen Deine Vögel, Got! und nemen
Aus Deinen milden Händen, und beschämen
Den sorgenvollen menschlichen Verstand;
Dan kommen deine Tier', und du giebst allen
Und sättigst, was da lebt, mit Wolgefallen;
Und neues Leben strömt aus deiner Vaterhand.
Ach! wie du giebst, mit welcher, welcher Milde!
So geben, so beglükken, deinem Bilde
So änlich sein, welch eine Seligkeit!
O Menschen! Brüder! Schon auf Erden,
Schon hier könt ihr, kan ich Got ähnlich werden,
Und trinken diesen Kelch der Seligkeit! - - -

Seit. 80. 81. 82.

 

[Manuskriptseite 13]

[Ib-10-1780-0038]
3)

 

[Ib-10-1780-0039]
Freundschaft.
"Sol ich mit finsterm Blik und träge,
Tief in mich selbst verhüllet, gehn?
Nicht Blumen pflükken, die am Wege,
Wie Gottes Rauchaltäre steh'n?
Vorübereilend frostig grüssen
Den guten frommen Wandersman;
Nicht freundschaftlich mich an ihn schliessen,
Und, ach! so lang ich immer kan,
Das Glük, ein Mensch zu sein, geniessen? -"

S. 143.

 

[Ib-10-1780-0040]
III.

 

[Ib-10-1780-0041]
Kleine Kinderbibliothek, herausgegeben von I. H. Kampe . Vierter Teil. Hamburg, in der Herold'schen Buchhandlung. 1780.

 

[Ib-10-1780-0042]
1)

 

[Ib-10-1780-0043]
Wiegenlied.
"Schlumre, Liebchen! bist noch klein,
Weist vom schönen Sonnenschein,
Meist vom Stral des Mondenlichts,
Und von Wald und Bäumen nichts.
Liebchen! schlumre, werde gros.
Solst es seh'n auf meinem Schos.
Solst den Glanz des Himmel seh'n,
Und aus ihm die Sonne geh'n
Über Wiesen frisch und grün,
Wo die blauen Veilchen blüh'n.
Veilchen werden dan gepflükt;
Du ans Mutterherz gedrükt.

 

[Manuskriptseite 14]

Mir am Herzen, liebes Kind!
Spielst du froh im Morgenwind!
Über dir ist Iubelklang,
Um dich her ist Lobgesang;É
Leise rauschen Bäum' und Flus,
Und du fülst den Mutterkus.
Liebchen, schlumre, wachs heran!
Siehst in meinen Armen dan
Auch der Abendsonne Glut,
Siehst, wenn Feld und Aue ruht,
Gold und Purpur überal,
Bei'm Gesang der Nachtigal.
Unter'm Nachtigallenlied,
Kömt der helle Mond, und sieht
Mild herab auf dich und mich,
Alle Blumen neigen sich,
Und die Händchen falt' ich dir:
Kleiner Engel, Got ist hier!
Got ist hoch im Sternenglanz
Und im niedern Veilchenkranz;
Ist, wo iener Vogel schlägt,
Und wo dieser Arm dich trägt.
Sag in iedem Winkel dir,
Liebes Mädchen: - Got ist hier! - -"

Seit. 1. 2.

 

[Ib-10-1780-0044]
2)

 

[Ib-10-1780-0045]
Bei'm Mondenschein.
"Nacht und Still' ist um mich her ;
Kaum ein Lüftgen regt sich mer;
Nur der liebe Mond bescheint
Noch so traulich seinen Freund.
Tausend Tränen sind versiegt;
Tausend Sorgen eingewiegt;
Und so manchem Leidenden
Zeigt ein Traum Elysien.

 

[Manuskriptseite 15]

Iede marternde Begier,
Ieder Wunsch ist stil in mir,
Der wol um das Puppenspiel
Dieser Welt mir sonst entfiel.
Immer, Glük, mir gilt es gleich,
Mache Andre gros und reich;
Denn von allem, was du hast,
Raubt mir nichts der Selen Rast.
Kan ich reines Herzens nur
Dich bewundern, o Natur;
Kan ich nur an Freundes Hand
Wandeln bis an 's Grabes Rand;
O was wünsch' ich dan wol mer?
Rings blüh'n Freuden um mich her,
Und mit frohem leichten Sin
Blikk' ich durch das Leben hin. - -"

Seit. 138. 139.

 

[Ib-10-1780-0046]
IIII.

 

[Ib-10-1780-0047]
I. G. Zimmerman vom Nazionalstolze. Vierte, um die Hälfte vermehrte Auflage. Zürich, bei Orel, Gesner und Kompagnie . 1768.

 

[Ib-10-1780-0048]
1) Vom Nazionalstolz' überhaupt.

 

[Ib-10-1780-0049]
"Die Brille der Eigenliebe sizt beinah' ieder Nazion auf der Nase. Es sind wenige Völker, deren einzelne Bürger nicht wegen der Vorzüge des ganzen Volks sich einen Vorzug vor andern zueignen. Beinah' iede grosse und kleine Nazion brüstet sich auf etwas, das sie sich vor andern eigen glaubt, und hat einen gewissen Hang alles, was den

 

[Manuskriptseite 16]

Punkt der Ere betrift, in sich und ausser sich, nicht so zu sehen, wie 's ist. - Grosse Könige können eine kleine Republik freilich bescheiden machen, aber niemals alzudemütig; sie können ihr alles wegnemen, nur nicht die gute Meinung von sich selbst. Der Doge von Genua, der in Versailles die Er' hatte, Ludwig den vierzenten um Vergebung zu bitten, daß er seine Vaterstad hatte bombardiren lassen, fand am Hofe dieses Königs nichts so merkwürdig, als den Doge von Genua. - Der Nazionalstolz entsteht aus der vorteilhaften Vergleichung, die ein Volk zwischen den Vorzügen macht, die 's hat oder zu haben glaubt, und die nach seiner Meinung einem andern Volke mangeln. -" Seit. 2. 3. 4.

 

[Ib-10-1780-0050]
2) Vom Stolz' einzelner Menschen, und einzelner Arten von Menschen.

 

[Ib-10-1780-0051]
"Die Narheit ist die Königin der Welt; wir tragen alle mer und weniger ihre Livrei, ihre Ordensbänder, ihre Ordenskreuze, und ihre Schellen. Die meisten Menschen sind eitel; die meisten erheben sich über alles, und schäzzen in andern nichts als ihr Ebenbild.

 

[Ib-10-1780-0052]
Die Menschen sind stolz, und die Menge der Stolzen ist so gros gros, weil aller Stolz aus der Eigenliebe fliest. Die Eigenlieb' ist zwar ursprünglich der menschlichen Natur nicht eingepflanzt wie die Selbstliebe, die iedes Tier nötigt, für seine eigne Erhaltung zu wachen. Sie scheint ein gemachter Begrif, der in der Geselschaft entstanden sein mus, als ein Geschöpf fähig war, sich mit dem andern zu vergleichen. Darum mischt sie sich in unsre ganze Den

 

[Manuskriptseite 17]

kungsart, darum ergiest sie sich in all' unsre Handlungen. Wir haben unsre eigne Person allenthalben zu ser im Auge, um nicht auch mit einer gewissen Gefälligkeit für uns selbst, uns mit andern zu vergleichen. Der Vernünftige hat so gar diese auf Vergleichungen gestüzte Gesinnung mit dem Toren gemein, aber nur in diesem ist sie läppisch, denn er macht seine Vergleichungen mit der äussersten Unrichtigkeit.

 

[Ib-10-1780-0053]
Die Eigenliebe gebiert die Eitelkeit, den Hochmuth, den Stolz, die Hoffart, und die Aufgeblasenheit. Nach dem ursprünglichen Unterschied der Köpfe, nach der Verschiedenheit der Auferziehung, der Lebensart, der Geselschaft, der Schiksale, des Rangs, und der Glüksgüter, nimt die Eigenliebe diese oder iene Richtung. Sie ist in kleinen Geistern unter ieder möglichen Gestalt eine Torheit; sie faselt in bessern Köpfen mit Vernunft. In allem närt sie sich offenbar oder heimlich auf andrer Unkosten, zumal wo sie 's einzige Gegengift der Verachtung vieler schlechten Köpfe für einen guten Kopf ist.

 

[Ib-10-1780-0054]
Notwendig mus die Eigenlieb' eines Menschen auf die Eigenliebe des andern stossen, und sodan durch den Widerstand wachsen: Wer von andern nicht genug geschäzt ist, schäzzet um desto mer sich selbst, indes da er seine Gegner nur um so viel heftiger verachtet, und dadurch

 

[Manuskriptseite 18]

reizt, sich ebenfals höher zu schäzzen. Aber die Eigenlieb' öfnet sich auch die Wege zu einem unwiderstehligen Vergnügen durch den stilschweigenden Vertrag, den alle Menschen unter sich gemacht zu haben scheinen, daß ie einer in dem andern dasienige in einem gewissen Grade lieben wolle, was er an sich selbst liebt. Da nun in beiden Fällen die Eigenliebe durch einen lebhaftern Schwung zur Leidenschaft wird, so füret sie uns auch zu unzäligen Irtümern, weil uns die Leidenschaft in iedem Gegenstande nur auf eine Seite dieses Gegenstandes aufmerksam macht; und weil wir in demselben nichts sehen, als was wir daran sehen wollen. Unser geliebtes Selbst kömt allenthalben wieder. Eben so wie ein Verliebter nichts sieht und nichts achtet als den Gegenstand seiner Liebe, so sieht und achtet auch der Erlie Eigenliebige nichts als sich selbst. -

 

[Ib-10-1780-0055]
Da wir nun uns selbst über alles lieben, so geben wir uns selbst auch über alles den Vorzug. Wir glauben nur, wir denken über alles richtig, und folglich besser als solche, die ganz anders denken als wir; denken andre mit uns gleich, so lieben wir iedoch in ihnen weiter nichts als uns selbst. Durch diese eigensüchtige Begriffe verleitet, möchten wir auch von andern so ser geeret sein, als wir uns selbst eren. Wir wissen aber aus der Erfarung, daß unsre Gedanken, Begriffe, und Meinungen, einem andern nur in so fern gefallen, als sie

 

[Manuskriptseite 19]

mit seinen Gedanken, Begriffen und Meinungen übereinkommen. Darum finden wir uns durch unsre Eitelkeit gezwungen, auch in andern die Übereinkunft der Begriffe zu schäzzen, die uns ihrer Achtung versichert; indes da wir hinwieder die Nichtübereinkunft ihrer Begriffe mit den unsern hassen, weil wir zuverlässig wissen, daß sie uns aus der nämlichen Ursach' hassen, oder wenigstens verachten werden. Oft müssen auch die meisten Menschen sich selbst vor andern schäzzen, weil sie im weichen Schos ih Schos' ihrer Selbstzufriedenheit sich niemals die Mühe geben, zu untersuchen, ob ein andrer nicht vielleicht besser denke, als sie, und also auch mer wert sei. -

 

[Ib-10-1780-0056]
Ieder ist in seinen eignen Augen ein Ding von der grösten Wichtigkeit; er giebt ser oft einem andern nur in so fern einen Vorzug über sich, als er glaubt, daß dieser mer geachtet sei als er; weit entfernt, daß er ihn darum in seinem Herzen für achtens würdiger halte. Der gröste Man in ieder Art ist derienige, den ieder nach sich selbst für den grösten hält. -

 

[Ib-10-1780-0057]
Ieder Mensch giebt seinem Geschmak und seiner Kentnis den höchsten Preis; ieder glaubt, man sei zu allen Arten von Kentnis unfähig, wenn man zu seiner unfähig ist. -

 

[Ib-10-1780-0058]
Die Eigenlieb' hebt den Menschen immer höher als er wirklich ist, und verkert seine Begriffe vom Wert aller

 

[Manuskriptseite 20]

Dinge. Ieder Prinz wil seine Ambassadoren haben, ieder Marquis seine Pagen, iedes Bürgersweib das Ansehen einer vornemen Dame. Ieder Dumkopf rümt die Richtigkeit seines Verstandes, der ungerechte seine Erlichkeit, der Idiot seine Rechtgläubigkeit, der Heuchler seine Frömmigkeit, der Patrizier seinen Adel, iede ältliche und lieder! niemals auf die Probe gesetzte Iungfer ihre Keuschheit. Ein nichtsbedeutender Mensch redet allemal in Geselschaft mit unendlich grösserer Dreistigkeit von sich selbst, als der Man von Verdienst. Kein innger Laffe vertauschte seinen Kopf gegen den Kopf eines Mannes von Genie. Keine Art von Verdientst ist den Augen eines reichen Schurken von einiger Bedeutung. - -

 

[Ib-10-1780-0059]
Die Vorrteiligkeit im urteilen breitet sich mit der daher rürenden Verachtung und Verdammung über alle Karakter, Stände, und Professionen aus. Leute von entgegengesezten Gemütsarten, verschiedenem Alter und Geschmak, finden ie einer den andern dum, lächerlich, felerhaft, und strafwürdig; alle preisen die Vorzüge, die sie selbst zu besizzen glauben, und verachten alles, was ihnen mangelt. Ieder Gek macht dem andern ein schiefes Maul, und stöst mit seinem leren Kopf an den Kopf seines Bruders.

 

[Ib-10-1780-0060]
Lere Köpf' haben aber auch die entscheidendste Verachtung für aufgeklärte Köpfe. Iene summen diesen un

 

[Manuskriptseite 21]

ablässig mit den öden Gegenständen ihrer Gedanken und Verrichtungen um die Oren. Diese zeigen eine gewisse Gleichgültigkeit für 's dumme Zeug, das lere Köpfe närt; sie seufzen über die unwandelbare tägliche Wiederkunft von Reden und Ideen, die weder belustigen noch rüren. Ein altäglicher und nur der gemeinsten Beschäftigungen fähiger Kopf glaubt iedoch, diese Beschäftigungen seien allein rümlich, allein nüzlich, allein gros; er hält die Zeit für verdorben, die man nicht verschwendet wie er. Er seufzet über die Narren, die nach Einsicht und Wissenschaft streben, und nicht blos von den Ideen leben können, die sich sofort anbieten, als man durch Fenster gukt, oder vor seinem Haus' auf und ab spaziert. Der lere Kopf verursacht daher dem aufgeklärten, dieser dem leren Kopfe, die schreklichste Langeweile; und beide rächen sich für diese folternde Unlust durch wechselweise Verachtung. -

 

[Ib-10-1780-0061]
Wenige Gelerte halten ihre Lieblingswissenschaft nicht für den Mittelpunkt alles Wissens; die meisten sind für alles gleichgültig, was das Stekkenpferd nicht betrift, auf dem sie reiten. -

 

[Ib-10-1780-0062]
Die Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung der Begriff' und Meinungen ist ein feststehender Gewärleister des Beifals, oder der Verachtung. Wer gar zu wol mit kleinen Geistern zurecht komt, ist seines Geistes oder der Richtigkeit seiner Begriff' halben verdächtig;

 

[Manuskriptseite 22]

ein angenemer Trost bei dem Hasse, den ein guter Kopf so oft von schlechten Köpfen leidet. Man macht sich auch darum von einer sonst unbekanten Person einen geringschäzzigen Begrif, wenn ein kleiner Geist von ihr mit Bewunderung spricht; denn die anziehenden Kräfte der Natur sind nirgends so deutlich, wie unter dem brüderlichen Gefolge der Dumheit. Die Herschaft eines Dumkopfs ist die Herschaft aller Dumköpfe. Wie Mükken bei der Frülingswärme, fliegen plözlich alle schiefe Köpf' aus ihren Rizzen nach Hofe, wo ein schiefer Kopf zu irgend einer grossen oder kleinen Regierung gelangt. Sie kommen in ihr Element. Die nichtswürdigsten Leute werden an die Seite des Potentaten erhoben; alles, was töricht, abgeschmakt, und läppisch ist, gewint die Oberhand. Vernünftige Leut' entfernen sich, der Verachtung und des Hasses einer Brüderschaft versichert, die nichts eret und nichts liebet, als ihr langörichtes Ebenbild. -

 

[Ib-10-1780-0063]
Wer nicht gereiset ist, wer nichts gelesen hat, wer dem Umgang mit Leuten ausweicht, die mer wissen als er, ist alzuser auf das eingeschränkt, was er täglich sieht. Er hat seine Augen nur über die Ding' offen, die ihn umgeben; er vermutet nichts als öde Eiland' und wüste dissidentische Ländereien ausserhalb dem spannenlangen Flek, den er bewonet; oder er nimt von sich selbst und von seinen Umständen ab, wie er von allem denk

 

[Manuskriptseite 23]

en solle, was ausser seinem Gesichtskreise liegt. - Aus dieser Abhänglichkeit von den Gegenständen, die uns umgeben, fliest die Gewonheit, von allen Dingen ausser uns nur nach Masgebung des Ortes zu urteilen, den wir bewonen, und nach den Begriffen, die an diesem Orte gebräuchlich sind. - Ein Mensch, der an seinem Orte wichtig ist, glaubt sich daher auch aller Orten wichtig.

 

[Ib-10-1780-0064]
Unbekant mit einer andern Denkungsart, hält man seine für die schönste und beste, weil sie die einzige ist, die man kennet.

 

[Ib-10-1780-0065]
Wie kleiner der Mensch durch die Einschränkung seiner Begriffe wird, desto grösser denkt er von sich selbst, desto despotischer handelt er gegen andre. Er verdamt ieden Gedanken, der aus seinem Kopfe nicht entsprungen ist, iede Handlung, iedes Betragen, davon er nicht das Muster giebt. Er verfolgt, so lang' er ungestraft verfolgen kan, ieden Man von Geist, den er eben darum seiner Denkungsart, seinen Neigungen, seinen Absichten zuwider glaubt. Er heist 's Verstand, wenn man iemals anders denkt als er; Freundschaft, wenn man an ihm keine Feler sieht; Treulosigkeit, wenn man in irgendeiner Sache seine Absichten nicht befördert. Er schmeichelt sich seine Grösse sei festgesezt, wenn ihn nur recht viele Dumköpfe bewundern.

 

[Ib-10-1780-0066]
Unheilbar sind diese Mängel bei iedem grossen Mann' auf einem kleinen Flek, wenn sein Geist nicht grösser

 

[Manuskriptseite 24]

ist als dieser Flek. Wer sich in eine kleine Geselschaft völlig einschränkt, wird allemal ganz gewis der Feind aller Leute von einer ausgebreitetern Denkungsart sein; er wird ihren Umgang fliehen, seine Sele wird bei ihrem Anblik erkranken. Wir lieben insgemein solche Leut' unendlich mer, die aus Gefälligkeit oder Dumheit mit uns unrichtig urteilen, als solche, die uns könten zu verstehen geben, daß wir unrichtig urteilen. " Seit. 12-42.

 

[Ib-10-1780-0067]
3) Vom Stolze, der sich auf ware Vorzüge lent.

 

[Ib-10-1780-0068]
"Stolz ist von Hochmut wesentlich verschieden. Freilich können einzelne Menschen und ganze Nazionen in der einen Absicht hochmütig, und in der andern stolz sein; aber man sieht doch auch Hochmütige one Stolz, und Stolze on' Hochmut. Iene stüzzen sich auf eingebildete Vorzüge, und verachten alles, worauf der Stolz sich gründet; diese schäzzen gerne, was schäzzenswürdig ist. Ein Hochmütiger ist auf kleine Vorzüg' erpicht, ein Stolzer auf grosse. Ein Hochmütiger sezt sich allenthalben oben an, ein Stolzer läst iedem Narren den Rang. Ein Hochmütiger glaubt, er mache sich durch seine Tafel, Kleider, Wagen, Pferde, und Trabanten merkwürdig, ein Stolzer überläst dies seinem Verdienst. Ein Hochmütiger handelt nach verkerten Begriffen des Erenrufs, ein Stolzer nach den Grundsäzzen der waren Ere. Ein Hochmütiger übt gerne seine Torheit gegen Untergebene aus, ein Stolzer reibt sich am liebsten an seinen Obern. Der Hochmütige beleidigt durch seinen Wiz Unsin, der Stolze durch seinen

 

[Manuskriptseite 25]

Wiz, oder durch seine Tugend. Der Hochmütige kan all' Arten von Niederträchtigkeiten ausüben, der Stolze ist nicht leicht einer Niederträchtigkeit fähig. Der Hochmütige kan all' Arten von Niede wird ser oft aufgeblasen, der Stolze ist bei einem kleinen Überschwung seines Stolzes eitel. Der Hochmütige bleibet unter allen Gestalten ein Nar, der Stolze wird ein Nar aus Eitelkeit, wenn er um Achtung und Ere bult, wenn er von der Welt als einen Tribut fordert, was sie nur als ein freiwilliges Opfer giebt, oder wenn er gar seine Belonung in der Nähe sucht, sie von denen bettelt die ihn unmittelbar umgeben, sie on' einigen Zeitverlust wil.

 

[Ib-10-1780-0069]
Das Bewustsein unsers waren Werts ist einmal in der Natur des Menschen vorhanden; ob uns gleich die grosse Macht der Eigenliebe nicht immer zuläst, daß wir unsre Vorzüge nach der Billigkeit schäzzen. Es ist bei einzelen Menschen das Gefül von innerer Würdigkeit, das Pythagoras für den grösten Reiz zur Tugend hielt, eine Wache, die der Urheber der Natur in uns gelegt hat, um alles kleine, niedrige, und der Gröss' unsrer Sel' unwürdige zu verdrängen; und, welches wol zu bemerken ist, eine beständige Bestrebung uns unsrer Feler zu entladen. Kein schlechter, kein schädlicher, kein böser Gedanke wird in uns aufsteigen können, sobald wir diese Achtung für uns selbst tragen, sobald wir nach ihrer Anleitung unsre Triebe vor dem Richterstule der Vernunft prüfen, sobald wir uns am meisten vor uns selbst scheuen. Das Gefül von der Schönheit

 

[Manuskriptseite 26]

und Würdigkeit der menschlichen Natur, auf welches doch zulezt alle sitliche Tugend hinausläuft, scheint one diese Ererbietung gegen sich selbst nicht bestehen zu können. Mit diesem Gefül mus ein Mensch sich selbst notwendig lieben und schäzzen, aber freilich auch nur in so fern er einer von allen ist, auf die sich dieses edle Gefül ausbreitet. Die Ererbietung gegen sich selbst ist ein Zaum für alle Laster. -

 

[Ib-10-1780-0070]
Das Bewustsein des waren Werts seiner Nazion ist der Nazionalstolz, der sich auf ware Vorzüge bezieht, und dieser Stolz ist eine politische Tugend von grosser Wichtigkeit. Das Gefül der Würde seiner Vorväter ist eine Triebfeder ihnen gleich zu werden; der Rum eines Volks in Künsten und Wissenschaften erwekt mit der Teilnemung an diesem Rume die Begierde denselben zu vermeren; die Überzeugung, daß man unter einer guten Regierung lebt, macht das Vaterland angenem, und den Bürger dem Vaterland' hold. Der gereifte Stolz einer Nazion entsteht also aus den Vorteilen, die sie zu Hause geniest, aber nicht immer aus der Achtung, die ihr diese Vorteile bei fremden Völkern erwerben. Diese Achtung suchen nur die eitlen Nazionen, nicht die freien; die Engländer sind nicht eitel, denn sie bekümmern sich wenig um das, was andre urteilen; wenn auch die Ere für sie ein Beweggrund zu Handlungen wird, so nemen sie doch diesen Beweggrund nicht vom Urteil' andrer her; genug wenn sie in ihren eignen Augen, oder auf 's Höchste in den Augen ihrer Mitbürger, erwürdig sind. Die

 

[Manuskriptseite 27]

Eitelkeit hat also nur an dieser Art des Stolzes in so fern teil, als man glaubt, daß der Ruf einer Nazion iede einzelne Person aus dieser Nazion in den Augen eines Fremden erhöhe. -

 

[Ib-10-1780-0071]
Wer aller Achtung gegen sich unfähig ist, macht sich nicht leicht der algemeinen Achtung wert. Nur der hat ein hohes Gefül von der Würde der menschlichen Natur, der sich selbst da zu schäzzen weis, wo er Achtung verdient, der gegen andre die ruhige Wolgewogenheit niemals verliert, die aus einem bescheidnen Karakter fliest. -

 

[Ib-10-1780-0072]
Niemals kan der Neid mit einem edlen Stolze bestehen, obschon er keinesweges aus der Verachtung fliest, so emsig er sonst ist über den beneideten Gegenstand Verachtung auszutreuen; denn er beweist nur die Furcht, übertroffen zu werden. Seine edle Sele schöpft nichts als Vergnügen aus der Betrachtung von andrer Verdienst, und vergrössert sich selbst nach Masgebung der Erkentnis von andrer Grösse; das ware Verdienst ist der Nacheiferung fähig, niemals des Neides oder der Eifersucht; nur mittelmässige Köpfe scheuen was das Gepräge der Fürtreflichkeit hat. Ein aufgeklärter Geist verachtet keinen Idiot, denn er weis gar zu gut, wie oft er ihm gleich ist; aber er verachtet den Narren, der nur darum gros tut, weil er ein Idiot ist. Der Tugendhafte verachtet das Laster, aber er hast den Lasterhaften nicht, den er verachtet. Ein Frauenzimmer von erhabner Denkungsart verschmähet ieden, der ihre Schönheit mer liebt als ihre Tugenden. -" Seit. 209-219.

 

[Manuskriptseite 28]

[Ib-10-1780-0073]
4) Allerlei Bemerkungen.

 

[Ib-10-1780-0074]
"Es ist strafwürdiger, von grossen Beispielen, denen man folgen solte, abzuweichen, als klein zu sein, wenn man keine hat." - Seit. 224.

 

[Ib-10-1780-0075]
"Unendlich stolz kan darum eine Nazion sein, die frei denket, nicht weil sie darf, sondern weil sie nicht darf. - -" Seit. 272.

 

[Ib-10-1780-0076]
"Wider die besten Regierungen fürt man zwar oft die meisten Klagen. Aber die grossen Früchte der Gesezz' und Anordnungen sind unsichtbar, und on' äusserlichen Schein; hingegen fallen die allerkleinsten und davon unzertrenlichsten Übel in die Augen, und rüren durch die scheuslichsten Schrekkenbilder den hirnlosen Pöbel. - - " Seit. 276.

 

[Ib-10-1780-0077]
"Die Menschen sind selten würdig, sich selbst zu regieren, und ihre Eitelkeit leidet weniger ungedultig die Oberherschaft eines einzigen, als die Gleichheit von vielen. -" Seit. 310.

 

[Ib-10-1780-0078]
"Idioten können eben so wenig Freund' eines aufgeklärten Kopfes sein, als Bösewichter Freund' eines redlichen Mannes; Unglük unter ihnen ist eine Ere. An diesem Gedanken sol ieder gute Kopf sich fest halten; er sol wissen, daß er zu gut ist, um diesem Geschmeis zu entgehen. -" Seit. 338.

 

[Ib-10-1780-0079]
"Man mus die sogenanten grossen Männer nicht immer aus ihren Schriften oder Reden beurteilen, man mus

 

[Manuskriptseite 29]

auf ihre Taten schauen; man mus sie in ihrem Leben, in ihrer Familie, in ihrem Hause studiren, wenn man sie kennen wil; der alte sauersehende Kato hatte eine Beischläferin, wie nachher Markus Antoninus und mancher heutige Philosoph von meiner Bekantschaft. Die grösten Männer hängen immer durch irgend eine Schwachheit mit den übrigen Menschen zusammen. -" Seit. 380.

 

[Ib-10-1780-0080]
"Iede Nazion solte demienigen einen Preis versprechen, der die Mängel ihrer Verfassung und Sitten, und die Feler ihrer Voreltern in das volkommenste Licht sezte. -" Seit. 383. 384.

 

[Ib-10-1780-0081]
V.

 

[Ib-10-1780-0082]
Kleine Kinderbibliothek, herausgegeben von I. H. Kampe . Zweites Bändchen. Hamburg, in der Herold'schen Buchhandlung. 1779.

 

[Ib-10-1780-0083]
1) Der treue Hund.

 

[Ib-10-1780-0084]
"Kinder! auch die Tiere sind erkentlich gegen ihre Woltäter: wie vielmer müssen wir 's sein? - Sie lieben ihre Herren, sind ihnen treu und ergeben; doch eine Tierart mer als die andre. Vornämlich zeichnen sich hierin die Hunde vor allen Andern aus. Das könt ihr aus folgender traurigen Geschichte seh'n. Ein Kaufman tat einst eine Reise zu Pferd' und sein treuer Pudel begleitet' ihn zu Fus.

 

[Ib-10-1780-0085]
Die Absicht dieser Reise war, von einem entfernten Ort' eine ansehnliche Summe Geldes abzuholen, die da iemand dem Kaufman schuldig war.

 

[Ib-10-1780-0086]
Er empfing 's Geld und rit vergnügt zurük nach Hause.

 

[Manuskriptseite 30]

Unterwegens fiel der Mantelsak, worin er den Geldbeutel gestekt hatte, vom Pferd' herab zur Erde, weil er nicht fest genug war angeschnalt gewesen.

 

[Ib-10-1780-0087]
Der Kaufman, der in Gedanken sas, merkte nichts davon; wol aber merkt' es sein treuer Pudel.

 

[Ib-10-1780-0088]
Er versuchte, ob er den Mantelsak mit den Zänen aufheben und seinem Herrn nachtragen könte, aber er war ihm zu schwer. Er lief also hin zu seinem Herrn, sprang an dem Pferd' auf und belte so laut und so unaufhörlich, daß der Kaufman nicht wuste, was er davon denken solte. Er gebot ihm, zu schweigen: aber umsonst! Er gab ihm einen Schlag mit der Peitsche: aber vergebens.

 

[Ib-10-1780-0089]
Das treue Tier fur fort zu bellen und zu heulen und an dem Pferd' aufzuspringen, als wenn er seinen Herrn mit Gewalt herunter ziehen wolte; und da ihn dieser durch mer Peitschenschläg' abwerte: fiel er 's Pferd an, um ihm durch Bellen und Beissen zu verstehen zu geben, daß es umkeren solte.

 

[Ib-10-1780-0090]
Der Kaufman erschrak und glaubte, daß er tol geworden sei. Er liebte den Hund, und's schmerzt' ihn, sich in die Notwendigkeit versezt zu sehen, ihn tod schiessen zu müssen.

 

[Ib-10-1780-0091]
Lange bemühet' er sich, ihn durch Zurufen zu besänftigen; aber da alles nicht helfen wolte, ergrif er endlich die Pistole, zielt' und drükte mit weg gewandten Augen los. Der gute Pudel stürzte, erholte sich aber wieder und kroch ängstlich winselnd näher zu seinem Herrn.

 

[Manuskriptseite 31]

[Ib-10-1780-0092]
Dieser konte den Anblik nicht ertragen; gab dem Pferde die Sporen und iagte davon.

 

[Ib-10-1780-0093]
Nach einer kleinen Weile kont' er sich gleichwol nicht enthalten zurükzusehen, ob 's arme Tier wol schon tod sei? Aber indem er sich auf dem Pferd' umdrehete, bemerkt' er den Verlust seines Mantelsaks.

 

[Ib-10-1780-0094]
Wie ein Stein fiel 's ihm da plözlich auf 's Herz, daß das wol die Ursache sein möchte, warum der Hund so gebelt habe. "Ich Grausamer!" rief er aus und iagte spornstreichs zurük, mer wegen des armen Pudels, als wegen des Geldes besorgt.

 

[Ib-10-1780-0095]
Er fand ihn an der Stelle, wo er ihn geschossen hatte, nicht mer, sondern sah' aus der blutigen Spur, daß er weiter zurük müsse gekrochen sein. Vol Bekümmernis folgt' er dieser Spur: und o wer vermag seine Betrübnis auszusprechen, da er 's arme treue Tier neben dem Geldbeutel liegend fand, zu dem er zurükgekrochen war!

 

[Ib-10-1780-0096]
Er sprang vom Pferd, um zu sehen, ob er noch zu retten sein möchte?

 

[Ib-10-1780-0097]
Aber ach! - Dder sterbende Hund lekt' ihn liebevol die Hand - und verschied. - Seit. 36. 37. 38. 39.

 

[Ib-10-1780-0098]
2)

 

[Ib-10-1780-0099]
Gans und Ente.
"Die Gans sprach einst zur Ente: Hum!
Wie tragt ihr doch den Hals so dum!
Frau Nachbarin, bei 's Königs Bart!
Ist gar kein Schik in eurer Art!

 

[Manuskriptseite 32]

Seht nur, wie fein, wie schlank, wie schön
Ich meinen Hals versteh zu dreh'n!
Lernt' doch ein wenig von Manier,
Ihr könt 's ia haben, nemt 's von mir!
Ach, was ihr doch nicht alles sprecht!
Sprach Mutter Ente schlecht und recht;
Ihr dünkt euch Wunder was zu sein.
Doch hört, da fält mir etwas ein,
Das wünscht' ich gleich von euch getan:
Geht doch, mit Gunst, zu ienem Schwan,
Der, wie ihr das vermutlich wist,
Mit seinem Hals kein Tölpel ist,;
Geht hin, und zeigt ihm euch, und fragt,
Was er zu euren Künsten sagt.
Dreht euren Hals nach Hofmanier
Zur Rechten und zur Linken schier,
Mit Hokuspokus aller Art,
Mit Fein und Schlank, und Schön und Zart;
Und komt ihr da gekrönt davon,
So nehm' ich bei euch Lekzion.
Versteht ihr mich? - Ha Schnatterschnat!
Sprach Fräulein Gans; das Tier ist fat {t}. "

Seit. 481.

 

[Ib-10-1780-0100]
3)

 

[Ib-10-1780-0101]
Badelied.
"Zum Bade! zum Bade!
Vom Blumengestade
Hinab in die wallenden Fluten!

 

[Manuskriptseite 33]

Die Sonne gebietet!
Sie wütet, sie wütet
Mit Himmel durchströmenden Gluten.
Ha! wie so gelinde
Die lispelnden Winde
Die glühenden Wangen uns külen!
Wie schäumend die hellen
Lichtblinkenden Wellen
Die schwebenden Hüften umspielen!
Bald tauchen wir nieder,
Bald heben wir wieder,
Uns rudernd aus sandichten Tiefen;
Und kämpfen und ringen
Stromüber zu dringen
Das Lokken und Wangen uns triefen!
Auf Wogen zu schweben,
Sich iauchzend zu heben,
Welch Wonnevergnügen, ihr Brüder!
Da rauschen den Kummer
Die Wellen in Schlummer,
Da stält man die nervigten Glieder!
Durchbrauset die Flächen
Von Flüssen und Bächen,
Von ppa pappelumschatteten Teichen;
Bis Flokkengewimmel
Und Stürmegetümmel
Den lachenden Sommer verscheuchen! - - -"

Seit. 62. 63.

 

[Manuskriptseite 34]

[Ib-10-1780-0102]
4)

 

[Ib-10-1780-0103]
Die Güte Gottes - v. Stolberg.
"Es lebt ein Got, der Menschen liebt;
Ich seh 's, wohin ich blikke,
Am Nebel, der den Himmel trübt,
So wie am Sonneblikke!
An ieder dunkeln Regennacht,
Wo mir kein Sternchen leuchtet;
Am Monde, wenn er freundlich lacht,
Und meinen Pfad erleuchtet.
Ich seh 's, wen Donnerwolken glüh'n,
Und Berg und Wald bewegen!
Und seh 's, wenn sie vorüber flieh'n,
Am sanften lieben Regen.
Nicht nur, wenn Frülingslüfte weh'n,
Durch Laub, und iunge Blüte;
Nicht nur, wenn reife Saten steh'n
Seh' ich des Schöpfers Güte:
Ich seh' sie auch, wenn tiefer Schnee
Die starre Flur bedekket,
Und wie der Nord das scheu Reh
In Felsenklüfte schrekket.
Einst sah ich sie, bei stetem Glük
In tausend, tausend Freuden;
Nun sieht sie mein beträuter Blik
In kleinen, kurzen Leiden. - -"

Seit. 90. 91.

 

[Manuskriptseite 35]

[Ib-10-1780-0104]
5)

 

[Ib-10-1780-0105]
Abendlied.
"Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hel und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weisse Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämrung Hülle
So traulich und so hold,
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Iammer
Verschlafen und vergessen solt.
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön.
So sind wol manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht seh'n.
Wir stolze Menschenkinder
Sind doch recht arme Sünder
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste
Uns suchen viele Künste,
Und kommen weiter von dem Ziel.
Got! las dein Heil uns schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freu'n!

 

[Manuskriptseite 36]

Las uns einfältig werden,
Und vor dir auf Erden,
Wie Kinder, from und frölich sein!
Wolst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nemen
Durch einen sanften Tod;
Und wenn du uns genommen,
Las uns im Himmel kommen,
Du lieber treuer frommer Got!
So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder!
Kül ist der Abendhauch.
Verschon uns Got mit Strafen
Und las uns ruhig schlafen
Und unsern kranken Nachbar auch! -"

Seit. 91. 92.

 

[Ib-10-1780-0106]
6)

 

[Ib-10-1780-0107]
An Menschen.
"Schön ist es auf Gottes Welt,
Wo die Tugend meistens lächelt,
Stets ein West der Unschuld fächelt,
Die sich an dem Engel hält -
Schön ist es auf Gottes Welt.
Warer Leiden giebt's nicht viel!
Unmut zaubert sich nur leiden;
Got schuf unser Herz für Freuden,
Für Gesang und Saitenspiel.
Warer Leiden giebt's nicht viel!
Würdig leben, würdig tun
Schaft aus Wüsten Luftgefilde,

 

[Manuskriptseite 37]

Macht die ganze Schöpfung milde
Läst auf Waldruinen ruh'n!
Last uns leben so - und tun! -
O der Mensch hat Götterkraft
Seine Wolfart fest zu gründen!
Menschen, wolt ihr sie empfinden,
O seid from und tugendhaft,
Sklaven keiner Leidenschaft!
Bleibt ihr Got und Tugend hold:
Dan geht ihr zur Grabesschwelle,
sanft und stil, wie eine Welle,
Die sich über Goldsand rolt;
Bleibet Got und Tugend hold! -"

Seit. 110.

 

[Ib-10-1780-0108]
VI.

 

[Ib-10-1780-0109]
Wilhelm Shakespear's Schauspiele. Neue verbesserte Auflage. Sechster Band. Manheim und Strasburg. 1772.

 

[Ib-10-1780-0110]
1) Aus dem Schauspiel "Antonius und Kleopatra."

 

[Ib-10-1780-0111]
"Wir bringen lauter Unkraut hervor, wenn uns keine Winde des Tadels durchweh'n; uns unser Böses zu sagen, ist eben so gut, als uns umpflügen. -"

Seit. 15.

 

[Ib-10-1780-0112]
"Traue den Schwüren nicht, die erst auf den Lippen entstehen, und unter dem Schwören sich selbst brechen. - "

S. 23.

 

[Ib-10-1780-0113]
"Geschwindigkeit bewundert Niemand so ser, als der Langsame. -"

Seit. 112.

 

[Manuskriptseite 38]

[Ib-10-1780-0114]
"Trefliche Geister haben schon die menschlichen Körper beherscht; aber ihr, ihr Götter! gebt uns allemal einige Feler, um uns zu Menschen zu machen. - "

S. 184.

 

[Ib-10-1780-0115]
2) Aus dem Schauspiel "Timon von Aten."

 

[Ib-10-1780-0116]
"Manche Menschen haben nicht einmal Tugend genug zu den Lastern, auf die sie schelten."

S. 329. a)

 

[Ib-10-1780-0117]
a) Iedes Laster ist eine Tugend, zur unrechten Zeit, am unrechten Ort' und im unrechten Mass' angewandt. Geiz ist die Tugend der Sparsamkeit - über ihre Gränzen getrieben. - Das Gute gewisser lasterhafter Handlungen kan, wenn man 's Böse, das sie begleitet , abrechnet, die Güte einer tugendhaften Handlung übertreffen, welche zwar nicht mit soviel Bösem, wie die lasterhafte vermischt ist, aber auch nicht so viel Gutes hat. - Iede Handlung ist eine Mischung vom Bösen und Guten. Ie nachdem eines die Oberhand behält, wird die Handlung benent. Eine lasterhafte Handlung ist deswegen nicht ganz böse; sie ist nur mer bös als gut. - Das Gute einer lasterhaften Handlung kan = 4 sein, und 's Böse derselben = 5. Ferner das Gute einer guten Handlung ist gli = 2 und 's Böse derselben = 1 1/2. In iener ist offenbar mer gutes als in dieser; aber auch mer böses. Dieses recht erwogen, kan man also wol den paradoxen Saz des Shakespear's gelten lassen. R. Iedes ...R.] Durch horizontale Trennlinie abgeteilt am unteren Seitenende angefügt mit a)

 

[Manuskriptseite 39]

[Ib-10-1780-0118]
VII.

 

[Ib-10-1780-0119]
Wilhelm Shakespear's Schauspiele. Neue verbesserte Auflage. Siebenter Band. Strasburg, bei Franz Levrault, der königlichen Intendanz und bischöflichen Universit. Buchdr. 1779.

 

[Ib-10-1780-0120]
1) Aus dem Schauspiele "Irrungen"

 

[Ib-10-1780-0121]
"Eine nie gereizte Geduld kan leicht ruhig bleiben; es ist keine Kunst gelassen zu sein, wenn man keine Ursache zum Gegenteil hat. Wir verlangen, daß der Unglükliche, den sein Kummer quält, ruhig bleiben sol, wenn wir ihn iammern hören; aber drükt' uns die Bürde, nämliche Bürde, wir würden eben so ser; oder noch mer klagen, als er. - "

S. 200.

 

[Ib-10-1780-0122]
"Mache deine Zunge nicht zum Redner deiner eignen Schande. -"

S. 231.

 

[Ib-10-1780-0123]
"Schlechte Handlungen werden durch schlechte Worte verdoppelt. -
Ihr Manner! beredet uns wenigstens, uns armen Weiber, die wir so leicht zu bereden sind, daß ihr uns liebt! Haben gleich andre den Arm, so gönt uns doch wenigstens den Ermel. -"

Seit. 232.

 

[Manuskriptseite 40]

[Ib-10-1780-0124]
VIII.

 

[Ib-10-1780-0125]
Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Achtzenter Band. Lemgo, in der Meier'schen Buchhandlung. 1780.

 

[Ib-10-1780-0126]
1) Von der Vorsehung Gottes.

 

[Ib-10-1780-0127]
"Ich solte denken, alles alles, was geschieht, geschehe nach Gottes Absichten, pass' in seine Plane, zeuge für seine Providenz. Woraus denn folgt, daß sein Aug' iederzeit über seine Welt wacht, und daß man diese Vorsorg' in iedem Augenblik, aus ieder Begebenheit müss' abnemen können. Wenn nun aber ein Schriftsteller nur bei dieser oder iener Veranstaltung, nur bei diesem oder ienem Ereignis, welches er entweder selbst erlebt, oder wovon die Geschichte Nachricht giebt, vorzüglich von Planen der Gotheit, die er in ihrem Umfang zu übersehen wänt, spricht: heist das nicht so viel, als wenn er mit troknen Worten behauptete, Got hätte gerade bei den Begebenheiten, die er sich ausgezeichnet hat, mer Providenz angewandt, als bei dem, was alle Tag' um uns her vorgeht? Daher sind alle Teleologien unnüz; sobald in denselben nur einige Natureinrichtungen, oder nur gewisse Vorfälle der Geschicht' ausgezeichnet werden. Gottes Providenz ist Tag täglich sichtbar, und one Zweifel fülbarer, als in den Begebenheiten, die sich vor Iartausenden zugetragen haben, und die wir eben deswegen, bei 'm gänzlichen Mangel der erforderlichen Nachrichten, am allerwenigsten zu überseh'n im Stande sind. Alle Teleologien sind gewaltsame Auspressungen der Angaben der Natur, oder der Geschichte, um dadurch ein Resultat her

 

[Manuskriptseite 41.]

auszubringen, welches von selbst herausfält. - -" Seit. 3. 4.

 

[Ib-10-1780-0128]
2) Vom Verfaren Pharao's mit den Kindern Israel.

 

[Ib-10-1780-0129]
"Ich kan nicht begreifen, wie man 's den Königen Ägypten's verdenken, oder gar als eine himmelschreiende Ungerechtigkeit anrechnen kan, daß sie das Israelitische Volk, welches sich einmal ihrer Herschaft unterworfen hatte, auf die Aufforderung eines Mannes, wie Moses war, nicht wolten zieh'n lassen. Zwar forderte Moses den Pharao in Iehova's Namen auf; aber Pharao kante den Iehova der Hebräer nicht. Wenn heut' ein Franzos nach Potsdam gienge, und den König in Gottes Namen beschwöre, daß er alle französischen Flüchtlinge, die sich in seinen Staten niedergelassen, über den Rein mit Hab und Gut wolle zieh'n lassen, damit sie in ihrem alten Vaterland, der Gotheit, für die neue Religionstoleranz des iezzigen Königs von Frankreich, Dank bringen möchten; nicht war, der Man, der diesen Antrag zu tun wagte, würd' abgewiesen werden? Hätte der König von Ägypten dergleichen Zumutungen nachgegeben; der Politiker würde fürwar seinen Regentenwert ganz anders bestimt haben, als der Teolog. Dieser würd' ihn uns als einen dem Befel einer ihm unbekanten Gotheit nachgiebigen und folgsamen Man schildern, und seine Gottesfurcht und Frömmigkeit rümen. Iener würd'

 

[Manuskriptseite 42]

ihn als einen schwachen politischen Toren beschreiben, der nicht für Krone. Szepter und Tron gemacht war. Welche von beiden Schilderungen die richtigste, treffendste und änlichste sei, fält iedem in die Augen. Wie hat man denn diesen so natürlichen Masstab des Regentenwerts so ganz miskennen, und den tätigen, wachsamen Woltäter seines Volks als einen harten, unbiegsamen Barbaren darstellen können?- Aber, sagt man, die Israeliten wurden doch mit tyrannischer Strenge des unleidlichsten Despotismus behandelt? Freunde, die ihr 's Verfaren der Pharaonen mit dieser Anmerkung zu verdammen sucht, seht euch doch in der Geschicht' Ägypten's und seiner Verfassung um! War diese nicht despotisch; waren die Ägyptier nicht Leibeigne? Must' es den König und die ganze Nazion nicht befremden, wenn die Hebräer, die man zur Zeit der Teurung so väterlich gespeiset hatte, ein ander Verhältnis gegen den Monarchen forderten, als die Nazion hatte, deren Land sie bewonten? Sind nicht die Regierungsformen und Statsverfassungen klimatisch? Ist nicht der Despotism von ieher für den Orient die woltätigste und beste Verfassung gewesen? Wie kont' es für Menschen eine bessere Regierungsform geben, die die Natur selbst zu Sklaven geboren werden lies? Und ist das Volk Gottes nach der Einfürung der Mosaischen Teokratie ie freier und unabhängiger geworden, als es in Ägypten war? -" S. 8. 9. 10.

 

[Ib-10-1780-0130]
3) Von den Wundern, die bei der Ausfürung der Kinder Israel aus Ägypten geschahen.

 

[Ib-10-1780-0131]
"Eine solche fortlaufende ununterbrochene Reihe von Verwüstungen der lebendigen und leblosen Natur, als bei

 

[Manuskriptseite 43]

der Befreiung des Volks durch Moses vorgegangen, kömt doch in der ganzen Geschichte nicht vor. Und dieser verschwenderische Aufwand barbarischer Zerstörungen der ägyptischen Menschheit solte durch wundertätige Kraftäusserungen des Gottes bewirkt worden sein, der ganz Güt' ist? Ich scheue mich nicht zu bekennen, daß ich lieber die Warheit dieser Geschichte, der mein ganzes moralisches Gefül widerstrebt, wegläugnen, lieber glauben möchte, sie sei von einem Betrüger erdichtet worden, (wenn man ihr anders nicht durch eine Analys' aus im Geiste des Orients zu Hülfe kommen kan,) als daß der Got, den ich als einen gütigen, liebreichen Vater seiner Geschöpf' anbet' und verere, an solchen Verwüstungen, deren Schreken über alles geht, wo der Schuldige mit dem Unschuldigen, der Unmündige mit dem Erwachsenen, an Pestbeulen dahinsterben, und in Meresabgründen umkommen mus, Teil haben solte. Sagt mir doch, war die Befreiung eines einzigen Volks aus der Sklaverei Zweks genug, zur Veranstaltung solcher Martern und Plagen? Hätt' Iehova die Nazion nicht durch seine mächtige Hand aus Ägypten herausfüren; oder des Königs Herz zur Nachgiebigkeit umschmelzen und lenken können? Ihr antwortet, der Hauptzwek dieser Strafen war der Sturz und die gänzliche Ausrottung der Abgötterei. Dies einmal zugegeben, frag' ich, sind die Plagen nicht noch zu hart? Ist Abgötterei ein Laster des Herzens; oder ein Irtum des Verstandes? Kan der Abgötter nicht ein eben so guter und moralischer Mensch sein, als es der Bekenner eines einzigen Gottes der

 

[Manuskriptseite 44]

Regel nach sein sol? Haben die Ägypter auch, nachdem sie mit diesen fürchterlichen Plagen heimgesucht worden, den einigen waren Got angebetet? Ist also iener angebliche Hauptzwek durch diese Strafen erreicht worden? Sind nicht Asien, Afrika, Amerika und alle Südländer bis auf den heutigen Tag mit Abgötterei erfült? Sind sie's nicht von ieher gewesen? ? ? Aber, diese Wunder sind 's ia, womit Moses die Warheit und Götlichkeit seines Berufs bewies? Das ist 's eben, was ich mir nicht denken kan. Seine ganze Geschichte sagt 's, daß er ein Werkzeug war, dessen sich die götliche Vorsehung zur Ausfürung einer grossen Absicht bediente. Daß aber eine Vorsehung, um diese Absicht zu erreichen, Menschen und Vieh und die leblose Natur verwüstet und verhert habe, dies kan ich mit meinen andern bewärten Vorstellungen von der Gotheit, die mich kein einziger Umstand als grausam und zerstörend kennen gelert hat, nicht zusammenreimen; und ich geniesse daher weit mer Beruhigung, wenn ich den Knoten, den ich nicht zu lösen weis, mit Gewalt durchhaue. - Deswegen ist aber Moses kein Betrüger. - Man läst ia oft eine Speise, die man nicht verdauen kan, steh'n, um sich an der Malzeit im Ganzen um soviel reichlicher laben zu können. Ich and' in dieser ganzen Erzälung, morgenländischen Schwulst, und orientalische Übertreibungen. -" S. 11-14.

 

[Ib-10-1780-0132]
4) Zu 1 Iohannis V, 7.

 

[Ib-10-1780-0133]
"Ein dubliner Kodex hat bekantlich diese bestrittene Stelle. Es ist warscheinlich derselbe, aus welchem Erasmus den Vers in seine Ausgab' eingerükt hat, und der sonst Mont-

 

[Manuskriptseite 45]

Fortianus genant wird. Dies lert augenscheinlich die Vergleichung der Lesearten der Dubliner Handschrift in dieser Stelle, mit dem Texte des Verses, so wie ihn Erasmus geliefert hat. Schon Erasmus , Wetstein und andre Kritiker haben diese Handschrift als tüchtige Zeugen verworfen, weil sie ganz nach der Lateinischen eingerichtet ist. Daß dieser Kodex nach der Vulgata geschmiedet worden sei, erhelt aus dem 6. und 8. Vers. V. 6. hat er @@@@@ für @@@@@ in Konformität mit der Vulgata und einigen lateinischen Vätern. 1 Joh. 5, 20 @@@ @@@@ @@ @@ @@@@ @@@, wo wieder die Leseart der Vulgata et simus sich befindet. ? Da der Ravische Kodex, eine Abschrift der Komplutensischen Ausgabe sein mus, und der Dubliner ganz der Vulgata konform gemacht ist ? so hätten wir also gar keine Handschrift für die Ächtheit der berümten Stell' übrig. ?" Seit. 189. 190.

 

[Ib-10-1780-0134]
5) Urgeschichte.

 

[Ib-10-1780-0135]
"Mosis erstes Kapitel enthält keine simple Erzälung vom Ursprung' und der Ausbildung unsrer Erde; man kan nicht in ihm die Ordnung suchen, in der alle Teil' unsrer sensuellen Welt entstanden sind: es enthält keine Schöpfungs Geschichte, sondern ein Schöpfungs Gemälde. Dieser Saz läst sich beweisen aus dem ser künstlich angelegten und ausgefürten Plane, der zum Grunde liegt, teils daraus, daß sobald man Mosen als einen Schöpfungsmaler, und nicht als Geschichtschreiber betrachtet, alle

 

[Manuskriptseite 46]

Schwierigkeiten dahin schwinden, mit denen sich bisher Ausleger und Naturforscher gemartert haben, teils daraus, daß sich nun die Auslegung in allen Teilen gleich bleibt, da all' übrigen bisher gewönlichen Auslegungen so schwankend sind. Der zum Grunde liegende Plan ist dieser. ? Alles ist auf 3 Haupttheile reduzirt: I. Wasser und Land. II. Körper im Wasser und auf dem Lande, die nicht Einwoner heissen können. III. Einwoner des Wassers und des Landes. Ieder dieser Teile zerfiel wieder in 2 andre, und gab Stof zu 6 Tagewerken: 1) Wasser 2) und Land, 3) Körper im obern Wasser, und 4) auf 'm Land, 5) Einwoner des des Wassers, des obern sowol als des untern, 6) Einwoner des Landes. Aber da sich Mose, der V. des ersten Kapitels, in die Situazion eines Zuschauers bei der Schöpfung stelte, so mus vor allen Dingen Licht den Weltkörper bescheinen, der gebildet werden solte, damit sich die daran vorgehenden Veränderungen beobachten liessen, es must' ein Licht von periodischer Rükker und Wiederkunft, das Tag und Nacht bildete, da sein, weil nach Tagwerken gerechnet werden solte. ? Kurz das Licht nam Einen Tag weg. Solte der Plan von 6 Tagewerken beibehalten werden, so musten 2 Schöpfungsstükke zusammengeschoben werden. Dazu standen merere Weg' offen; der Verfasser wälte den, welcher die wenigsten nachtheiligen Folgen für seinen Hauptplan hatte - er schob die Revoluzionen mit dem untern Wasser, durch

 

[Manuskriptseite 47]

die troknes Land hervorgieng, und die Entstehung der Pflanzen in Ein Tagewerk zusammen: so entstund ein drittes Tagewerk von 2 Abschnitten. Und daß daß Moses notgedrungen diese 2 Schöpfungsteil' in Ein Tagewerk gebracht habe, zeigt' er durch die in der Mitte des dritten Tagewerks (V.10) gesezte Billigungsformel an. ? So herscht also Kunst in der Anlage; aber auch Kunst in der Ausfürung derselben. Die Gleichheit des Ausdruks ist kein Werk des Zufals. Den Umfang macht immer das Sprechen Gottes, dan folgt das Entstehen, dan die Musterung, dan die Billigung Gottes, und das End' an iedem Tagewerk macht immer dieselbe Schlusformel. Spricht so der Geschichtschreiber? ? ? Auch bleibt die Auslegung sich nun von Anfang bis zu Ende gleich. Unmöglich kan doch alles wörtlich genommen werden. Solte Got wirklich gesprochen? wirklich genant? wirklich gemustert? wirklich gebilligt haben? Ieder giebt 's für Einkleidung aus ? warum hält man nicht auch alles übrige für Einkleidung Eines Hauptsazzes? Warum nicht auch die Idee der 6 Tagewerke? - -" Seit. 194-197.

 

[Ib-10-1780-0136]
6) Geschichte vom sogenanten Fall' Adam's u. E.

 

[Ib-10-1780-0137]
"Adam und Eva, als Menschen on' all' Erfarung betraten die Erde, und fanden Gewächs' aller Art vor sich, giftige, esbare und medizinische Pflanzen.

 

[Manuskriptseite 48]

Ihre Natur, ihre Kräft' und Wirkungen kanten sie noch nicht; sie konten sie aber durch Erfarung kennen lernen. Aber, diesmal den Menschen sich allein zu überlassen, war zu gefärlich; genos er ein giftiges Kraut, so kont' er sich und durch die natürliche Zeugung auch seine Nachkommen vergiften. Got wolte durch einen unmittelbaren Unterricht diesen bösen Folgen vorbeugen, und zeigte daher den ersten Menschen den giftigen Baum, der in der Nähe wuchs, verbot ihnen zu essen, weil seine Frucht Todbringend sei. Einstens gieng Eva vor diesem Baum vorbei, und sah die Schlange davon geniessen, und am Leben bleiben. Die Frucht war blos für den Menschen und ihm an Ökonomie des Körpers änliche Geschöpfe Gift; der Schlang' aber konte sie unschädlich sein; ihr war auch kein Speise Gesez bekant gemacht. Aber dies alles wust' Eva nicht. Erstaunen überraschte sie, als sie die Schlange davon essen, und doch am Leben bleiben sah. Natürlich erwachten in ihr Zweifel gegen die Gewisheit des götlichen Unterrichts ? die aber nach der alten Sprach' in eine Unterredung mit der Schlange eingekleidet werden. Lange kämpft' Eva mit der Lust auch davon zu essen, und der Furcht, durch den Genus der Frucht sich den Tod zuzuziehen. Endlich siegte die Lust über die Furcht ? Eva as und gab auch ihrem Manne davon. Auf dem Genus der Frucht folgten starke Wallungen, die den ersten Beischlaf beförderten, welcher eine Folge der Vergehung der ersten Menschen, nicht die Vergehung selbst ist; und nachdem

 

[Manuskriptseite 49]

sie aus dem Rausch des körperlichen Vergnügens erwacht waren, färbte die erste Schamröt' ihre Wangen. - Am Abend ienes Tages zog das erste Ungewitter auf ? und wekte das böse Gewissen des Sünders. Hier schien die Gotheit sich zu nähern, die töden wolte. Der erste Donner (die Stimme Gottes, der, weil die Menschen sich die Wirkungen Gottes wie die ihrigen denken, und des Menschen Stimme nur da gehört werden kan, wo er der Person noch gegenwärtig ist ? der also, im Garten in der Nähe von Adam und Eva wandelte) ? der erste Donner brült ihnen durch die Oren und um den Donner (oder dem in der Nähe sich befindenden Gotte) zu entgehen, verstekken sie sich hinter dem einen Busch. Ein neuer Donner brült dem Adam durch die Oren, wie ein Adam, wo bist du? Nun folgt Entschuldigung auf Entschuldigung; Adam wälzt die Schuld auf Eva, Eva auf die Schlange, und weil diese, wärend des Ungewitters, wärend die Stimme Gottes erschalte, in den Herzen der ersten Menschen aufstiegen, so sind hier alle Reden an Got. Da nun der Donner ihnen immer gleich nahe blieb, also Got immer noch in der Nähe zu sein schien, so fliehen die Menschen, um ihm zu entkommen, und laufen und verlaufen sich über den Garten ihrer Iugend hinaus. Und als sie ausserhalb denselben angelangt waren, rolte der Donner entfernter (Got lies, wie's schien, von ihnen ab) das Gewitter hatt' ein Ende. ? Nach der Flucht ? alles, wie gar anders. Vorhin wurden sie

 

[Manuskriptseite 50]

von den Händen der Natur verpflegt, iezt müssen sie selbst für ihre Verpflegung sorgen; vorhin wurden sie zur Antretung ihrer Bestimmung vorbereitet, iezt musten sie ihre Bestimmung wirklich antreten; vorhin ein Mühe, und Sorgenfreies, iezt ein mühseliges Leben. Nun empfand Eva Schmerzen bei ihrer ersten Schwangerschaft und Geburt; nun triefte der Schweis von Adam's Angesicht beim Feldbau. Diese Beschwerden hätte dre Mensch all' auch übernemen müssen, wenn er nie gefallen wäre. - Diese teils wirklichen, teils vermeintlichen Folgen werden als ausgesprochene Flüche vorgetragen -." Seit. 199. 200. 201.

 

[Ib-10-1780-0138]
7) Über Moses Nachrichten von der Noachischen Flut.

 

[Ib-10-1780-0139]
"Moses hat die Nachrichten von der Noachischen Flut aus zwo Urkunden geschöpfet. Folgende Gründe beweisen's:

 

[Ib-10-1780-0140]
1) In der mosaischen Geschichte der Sündflut werden all' Hauptumstände doppelt erzält.

 

[Ib-10-1780-0141]
2) Die Abwechselung des Stils in diesen Nachrichten ist ganz und gar nicht verkentbar.

 

[Ib-10-1780-0142]
3) Auch ist die Verschiedenheit der beiden Urkunden auffallend in der Einkleidung der Hauptsäzze, oder in der Art des Vortrags.

 

[Ib-10-1780-0143]
4) Die Erzälung dieser Nachrichten fält bald in einen kalten, bald in einen warmen affektvollen Ton.

 

[Ib-10-1780-0144]
5) Endlich hat iede Urkund' ihren Plan oder Gesichtspunkt, welchem zufolg' eine iede gewisse Umstände bei der Flut besonders verfolgt.

 

[Manuskriptseite 51]

[Ib-10-1780-0145]
Durch diese Gründe bewogen trent H. Eichhorn die zwo Urkunden von einander, und bezeichnet die erste mit dem Namen Iehova, und die andre mit dem Namen Elohim. Wir wollen diese Sonderung der Urkunden hersezzen, aus welchen Moses seine Beschreibung der Noachischen Flut geschöpft hat.

 

[Ib-10-1780-0146]
Erste Urkunde mit dem Namen Iehova.

 

[Ib-10-1780-0147]
Kap. VI. 5-8.

 

[Ib-10-1780-0148]
Kap. VII. 1-9. sodan die zwote Hälfte des 16ten Verses:

 

[Ib-10-1780-0149]
$$$$ $$$ $$$, sodan der 10. 17. 33. 20. 21. 22. Vers eben dieses Kapitels.

 

[Ib-10-1780-0150]
Zwote Urkunde mit dem Namen Elohim.

 

[Ib-10-1780-0151]
Kap. VI. 9-22.

 

[Ib-10-1780-0152]
Kap. VII. 11-16. 18-22. 24.

 

[Ib-10-1780-0153]
Kap. VIII. 1-19.

 

[Ib-10-1780-0154]
Kap. IX. 1-17. - -" Seit. 221. 222. 223.

 

[Ib-10-1780-0155]
8) Von der Aussprache des griechischen @@.

 

[Ib-10-1780-0156]
"Es ist ein ziemlich algemeiner, aber eben darum verfürerischer, übler Irtum, als ob das griechische @@ eben so auszusprechen sei, als unser Sch. Es mus ganz Westphälisch ausgesprochen werden, ungefähr Sgh. Die Gründe sind nicht blos aus der Übersezzung hebräischer Namen hergenommen, wo die Griechen das Schin nie durch @@, *...*lch vielmer am Ende wol durch @@ ausdrükken,

 

[Manuskriptseite 52]

da sie zum Exempel den Namen des hebräischen Buchstabens @@@@@ schreiben, sondern aus der Natur des @ und seinem Verhältnis zum @, aus der Zusammensezzung und andern Gründen mer. Es ist ia viel natürlicher, das aus @@@ vor einem asper esgh wurde, esch, worin der Ton des @ ganz verloren gehen würde, daß man dyschretos, dis - chilioi spreche, als dyschretos, dischiloi. -" Seit. 294.

 

[Ib-10-1780-0157]
9) Was @@@@ @@@@q im N. T. bedeutet.

 

[Ib-10-1780-0158]
"Wenn 1 B. Mos. 22, 12. die Samaritanische Übersezzung das $$$$$ unicum tuum durch $$$$$ corculum tuum, und die CXX als durch @@@@@@@ geben, so erhelt hieraus, was @@@@@@@ im . für eine Bedeutung habe. -" Seit. 306. 307.

 

[Ib-10-1780-0159]
10) Vergleichung der Malerei auf einem Schmetterlingsflügel mit einem Meisterstük in Mosaischer Arbeit.

 

[Ib-10-1780-0160]
"Das gröste Kunststük Mosaischer Arbeit ist gegen den Flügel eines Schmetterlings gehalten, deren die Natur in einer Sommerstunde tausende formt, und von uns unbewundert und ungesehen wieder einschmelzt, selbst nur Oberfläche gegen Oberfläche verglichen, schnödes Kinderspiel. ist An einem ser bewunderten musivischen Gemälde zu Rom ist die Anzal der Stifte 868 im Quadratzol. Ein Quadratzol eines Schmetterlingsflügels hingegen hält 100736 Schuppen. Auf solche Weise verhält sich die Feinheit der Malerei in diesem Schmetterlingsflügel zu der in einem bewunderten Werk des neuen Roms wie 868 zu 100736, oder wie 1 zu 116, und an einem Schmetterling, der eben ausgekrochen, wie 1 zu 1073. - -" Seit. 361. 362.

 

[Manuskriptseite 53]

[Ib-10-1780-0161]
10) Quellen unsrer Misbräuche bei der Behandlung der Gegenstände.

 

[Ib-10-1780-0162]
"Da, wo der Mensch einen geraden und angenemen Weg vor sich hat, sucht er sein Verdienst in der Ertragung aller Beschwerden eines langen Umwegs. Nur da hingegen, wo Gefaren und unüberwindliche Hindernisse sind, wil er gerade durchkommen. - Die Quelle davon ist: die Menschen können grossen Ideenreihen nicht lange fest halten. Daher die Gewonheit all' etwas weitläuftigere Geschäft' in gewisse untergeordnete Zwekke, als so viele Ruhepunkte, einzuteilen, worüber man den Endzwek gar zu oft und gar zu gern vergist. Hievon machen doch der Man von ausserordentlicher Kraft und der Taugenichts eine Ausname. Iener fast sein leztes Ziel stets in's Auge, und färt windschnel auf seiner Ban nach demselben fort; dieser hingegen schleicht on' alles Ziel herum. Da man nun die Idee des lezten Ziels auf die mittleren ausgestekten Ziele zu übertragen pflegt, und sie so völlig mit einander vermischt werden, daß der Hauptzwek gänzlich vergessen wird: so kan dies nichts anders, als eine Quelle der verderblichsten Misbräuch' in allen unsern Geschaften sein. -

 

[Ib-10-1780-0163]
Der Nachamer geht nur den Weg, den er gefürt wird. Dem rechtschaffenen und grossen Man kan er nicht nachkommen; und Narren oder Spizbuben füren ihn in Sumpf. -" Seit. 517. 518.

 

[Ib-10-1780-0164]
11) Vermuthung von dem Gehirne des Menschen.

 

[Ib-10-1780-0165]
"Ich kam auf die Gedanken, ob nicht etwa nicht nur die grössere Zal, sondern auch das nähere Aneinanderkleben

 

[Manuskriptseite 54]

der Gehirnteile, das solidere Gehirn, welches sich folglich nicht so ser durch ein grösseres Volumen, als durch seine grössere spezifike Schwer' unterscheidet, von einem höhern Grade der Selenkraft zeuge? weil in diesem Fal nicht nur die merern Fibern merere Eindrükk empfangen, sondern auch diese näher an einander klebenden Teile des Gehirns schneller und mannigfaltiger in einander einwirken, und genauer eingreifen können, wodurch die schnellere und grössere Ideenassoziazion und Reflexion veranlast werden dürfte; daß also 's Vieh, welches alles mer einzeln aufnimt und isolirt sich vorstelt, auch ein mer lokkeres Gehirn, folglich von keiner so grossen spezifiken Schwer' habe, als der Mensch. -" Seit. 524.

 

[Ib-10-1780-0166]
VIIII.

 

[Ib-10-1780-0167]
Der Philosoph für die Welt. Herausgegeben von I. I. Engel. Erster Teil. Leipzig 1775. Zu finden in der Dykkischen Buchhandlung.

 

[Ib-10-1780-0168]
1) Unrechtmässigkeit des Selbstmordes.

 

[Ib-10-1780-0169]
"Ich seh in dem grossen Universum, in dem ich bin und fortlebe, eine Sphäre, die für meine Erkentnis, Beurteilung und Aktivität bestimt ist. Da findet Kunst, Wissenschaft, Erfarung der Folgen, Verbesserung der Mittel; mit einem Worte, eine Absicht und ein Entwurf stat. So weit, als diese Erkentnis der Folgen recht, so weit darf ich auch eigne Einrichtungen und Veränderungen in der Natur machen. Ich seh' ab, wo das hinauslau

 

[Manuskriptseite 55]

fen wird, wenn ich mir den Arm glüklich ablösen lasse; ich werde mit Einem Arme fortleben, und im Genusse der Menschheit, obgleich mit Unbequemlichkeit und Schmerzen, verharren. Aber wenn ich mich umbringe? ia, da weis ich nichts mer von meinem Selbst; ich weis keine der Folgen, die der Schus in 's Gehirn auf mein denkendes und wollendes Wesen hervorbringen wird. Leben und Tod kan also nicht zu meiner Sphäre gehören. Es ist die höhere Sphäre des Geistes, der mich geboren werden, wachsen und sterben läst, alles weis, was vor mir war, weis, was nach mir sein wird; der einen Plan und Hülfsmittel hat, die eher anfangen und weiter s reichen , als mein Leben. -" Seit. 25. 26.

 

[Ib-10-1780-0170]
2) Der Karakter Werter's .

 

[Ib-10-1780-0171]
"Werter war gegen kleine Gegenstände zu ser empfindsam. Daher rürt sein Stolz, der sonst mit der Liebe gegen die geringsten Menschen, und selbst gegen Pflanzen und Insekten, die er zu seiner vorzüglichsten Eigenschaft macht, so wenig bestehen kan. Wenn er einsam die Natur betrachtet, so denkt er an sein Selbst nur in so ferne, als er Änlichkeiten damit gewar wird; diese findet er auch in den unbeträchtlichsten Dingen, und fält darauf mit der vollen Denkungs= und Empfindungskraft seiner Sele. Trit er aber in die menschliche Geselschaft ein; ia, so kömt die unendlich stärkere Vorstellung seines Selbst zurük, und er empfindet nur die Unterschiede, nicht mer die Änlichkeiten der andern, besonders

 

[Manuskriptseite 56]

ie näher ihm diese andern an Stand' und äussern Vorzügen sond. Hat er einen oder wenige Menschen gefunden, die diese Schwierigkeit in sich sein Herz zu dringen, überwinden und ihm schäzbar werden; so häuft er auf diese in seiner Einbildung alle Volkommenheiten zusammen, die er den übrigen Menschen entzieht. Er verachtet und meidet diese übrigen so ser, daß es ihm unmöglich wird, das Gute und Schäzbare, was er bei näherer Bekantschaft gewis an ihnen finden würde, zu entdekken.

 

[Ib-10-1780-0172]
Indem er also auf der einen Seite die Natur im Ganzen und bis in ihre gemeiniglich ganz von uns vergessene und vernachlässigte Werke lebendig, schön und interessant findet; so findet er auf der andern Seite, gerad' in dem wichtigsten Teil der Schöpfung, unter den Menschen, ser wenige seiner Achtung und Liebe würdig. Hier sind ihm all' unter seiner Vorstellung und Erwartung, so wie iene Dinge seine Vorstellung übertreffen. Aus dieser Lage des Gemüts entsteht zuerst Hang zur Einsamkeit und zu blossem ungeselligen Nachdenken; zweitens Mangel an öftern angenemen, und das Gemüt erheiternden Eindrükken, die aus der Achtung und Liebe gegen andre entspringen; drittens Has und Willen Widerwillen dieser andern gegen den, von dem sie sich so unbillig verachtet sehn, one daß sie seine grössern Volkommenheiten kenten oder Genus davon hätten; viertens g*g gegenseitiger verstärkter Abscheu auf Seiten des Stolzen. Und nun lassen Sie so ein Herz, das gegen die todte Natur empfindlich, gegen die Menschen

 

[Manuskriptseite 57]

erbittert, gleichgültig oder stolz ist; lassen Sie 's nun noch von einer heftigen Lieb' angegriffen werden und darin unglüklich sein: was bleibt wol übrig? Einen einzigen Menschen hatte der Unglükliche nun gefunden, der ihm recht wert war; dieser Mensch ist dahin. Unter dem übrigen grossen Haufen besint er sich auf nichts so Schäzbares, das ihm diesen Verlust erträglich machen könte. Er weis, er wird nicht von ihnen geliebt. Die einsame, todte, stille Natur scheint ihm viel edler und grösser. So wird also die ganze Empfindlichkeit des Herzens darauf gespant, das menschliche Leben, so wie wir 's iezt haben, zu hassen, und nur die Existenz der Natur zu lieben, mit der wir uns im Tode zu vereinigen scheinen. - - - -" Seit. 28-31.

 

[Ib-10-1780-0173]
3) Über die verhältnismässige Grösse des Menschen.

 

[Ib-10-1780-0174]
"Iede Gattung von Dingen hat ihr eignes Mas der Grösse; iede Pflanze, iede Tierart; und auch dieses eigne Mas der Grösse, wie wir's mit den bekanten Absichten und Kräften und Eigenschaften ieder Gattung zusammenhielten, würd' uns mit der grösten Weisheit gewält dünken.

 

[Ib-10-1780-0175]
Auch der Mensch hat sein eignes bestimtes Mas von Grösse: Ries' und Zwerg gehören zu den seltnen Anomalien in der Natur; und doch ist auch ein Riese weder so ausnemend viel grösser, noch ein Zwerg so ausnemend viel kleiner, als der gewönliche Mensch. Vielleicht wünschte der Mensch seinen Körper grösser; und da er einmal König der Tier' ist, möcht er ihnen auch sämtlich an körperlichem Umfang' und Kräften eben so überlegen sein, als an

 

[Manuskriptseite 58]

Einsicht und Klugheit. Gut! Der Mensch hab' also die Grösse des Elephanten. Nun scheinen ihm allerdings einige Vorteile zuzuwachsen, die er bei seiner iezzigen Kleinheit entbert: aber solt' er dagegen nicht andre verlieren, die noch wichtiger wären? - Betrachten wir den Menschen einzeln, so verliert er vielleicht unendlich an Feinheit der Sinne, die iezt auch die kleinern Gegenstände, die schwächern Nüanzen unterscheiden; mithin entgeht ihm ein ser wichtiger Teil von dem Gebiete seiner Erkentnis. In so fern wär' also schon diese übermässige Grösse wider die Bestimmung seiner Natur. So wie er iezt ist, steht er zwischen den grössern und kleinern Geschöpfen mitten inne, und kan mit seinem Geiste nach allen Seiten hinwirken; kan das Kleine und das Grosse, das Zarte und das Grobe gleich gut erkennen. - Betrachten wir 's ganze Menschengeschlecht: so sehen wir, daß bei diesem Mas von Grösse weit weniger vernünftige Wesen würden existiren können. Des Kleinen ist immer mehr als des Grossen; das finden wir durch alle Reiche der Natur bestätigt. Der Kräuter sind mer, als der Bäume; der Kiesel mer, als der Felsen; der Kaninchen mer als der Elephanten; der Krähen mer als der Adler. Und dieses Gesez ist nicht blos wilkürlich; es ist in der Natur der Dinge selbst gegründet. Das eine erfordert mer Raum, als das andre; das eine mer Narung, als das andre. Wo also iezt tausend Menschen leben, würden alsdenn keine hunderte leben. Das heist, wo tausend Menschen glüklich sind, würden

 

[Manuskriptseite 59]

keine hunderte glüklich sein. Und wäre diese Einrichtung der Natur nicht felerhaft? -

 

[Ib-10-1780-0176]
Wir wollen 's andre Äusserste sezzen: der Mensch sol so klein sein, als eine Ameise. Nun scheint ein ausnemender Vorteil für 's ganze Geschlecht zu erwachsen; denn wo iezt hunderte leben, könten dan Myriaden leben. Auch für ieden Menschen, einzeln betrachtet, scheint diese Einrichtung von einer gewissen Seite vorteilhaft; seine Sinne würden one Zweifel feiner, durchdringender sein können. Aber, frag' ich sogleich; würd' alsdan der Mensch noch ? gleich geschikt sein, die grössern Gegenstände zu fassen? Das Ganze der Schöpfung zu übersehen? Die Verbidnung aller ihrer Teile, der grössern und der kleinern zu überdenken? Würd' er, wie iezt, über Mer und Gebirge, in alle Gegenden der Erd' hin können? - Er verlör die Herschaft über die Tiere. Er kan die wildesten iezt zämen - weil er mit vereinigten Kräften alles vermag. Aber was wolt' eine Million Ameisen nur gegen den Grim eines Löwens ausrichten? -" Seit. 58-63.

 

[Ib-10-1780-0177]
4) Wie man gescheid wird.

 

[Ib-10-1780-0178]
"Til. Ich möchte gern klug werden. Aber wie? -

 

[Ib-10-1780-0179]
Wit. Ie nun, wenn Er das werden wil; das ist leicht. - Er mus nur fleissig Acht geben, wie's die Narren machen.

 

[Ib-10-1780-0180]
T. Wie? Wie 's die Narren machen?

 

[Ib-10-1780-0181]
W. Ia! Herr Til! Und mus es denn anders machen, als die. -" Seit. 66.

 

[Manuskriptseite 60]

[Ib-10-1780-0182]
5) Bemerkungen.

 

[Ib-10-1780-0183]
"Wen man nicht wert hält, daß man mit ihm scherze, den sol man noch weniger wert halten, daß man sich mit ihm schimpfe. -" Seit. 133.

 

[Ib-10-1780-0184]
"Der Mensch, der einmal unglüklich genug ist, daß er nichts mer ausser sich liebt, der kan auch sich selbst nicht mer lieben. -" S. 154.

 

[Ib-10-1780-0185]
6) Zur Beruhigung dessen, der viel leidet, und dem alles in der Welt schwarz ist.

 

[Ib-10-1780-0186]
"Eh. O ich erinnere mich 's. Ich hatte Freudentage, - aber zu schnel vorübergeeilte Tage. - Eine Phantasie, zu lauter Freude gestimt; - o! wie leicht kan sich die aus einer Wüst' ein Elysium schaffen!

 

[Ib-10-1780-0187]
M. Kan das wirklich die Phantasie? - Nun, dan kan sie mer, diese Zauberin; dan kan sie mit eben der Wunderkraft auch aus einem Elysium eine Wüste schaffen. - Und das ist der Fal bei Ihnen. -" Seit. 164. 165.

 

[Ib-10-1780-0188]
"One Zweifel ist iede Empfindung die gültigste Richterin ihrer selbst; aber nicht sol sie über 's Vergangene, nicht über 's Vergangene Zukünftige richten. - - Die iezzige Wolke, die über Ihrem Haupt' — hängt, wirft nach allen Seiten hin einen grauenvollen Schatten über ihr Leben; einen Schatten, der alles entstelt, alles verfinstert. - Wenn Sie in die Vergangenheit blikken, so ist nichts, das so leicht im Gedächtnis hervorspränge, nichts, das so vol, so ganz, so lebendig vor Ihnen da stünde, als die Bilder Ihrer unglüklichen Stunden: und die Zukunft - Was

 

[Manuskriptseite 61]

ist die Zukunft für Sie? Der gegenwärtige Punkt, zu einem Leben erweitert. Sie geben Ihrem Schmerz' Unvergänglichkeit, und glauben, weil Ihr Verlust ewig dauren wird, so müss' auch diese seine Folge gleich ewig dauren - Bei einer so unglüklichen Fassung, da alles Übel, was Sie betroffen, so gedrängt, so schwarz, so fürchterlich vor Ihnen steht, da die Bilder der genossenen Freuden so sparsam und trüb hervorschimmern, wie einzelne Stern' an einem umwölkten Himmel: wie können Sie sich da auf den Ausspruch Ihrer Empfindung verlassen? wie entscheiden, ob die Freuden das Elend ersezzen? das Leben des Todes wert sei? - -" Seit. 168. 169.

 

[Ib-10-1780-0189]
"Sie sind iezt traurig; Sie sagen, Sie hätten nie viel Freuden gehabt. Aber hatten Sie keine Freuden, woher der Kummer über Ihren Verlust? Oder waren dieser Freuden so wenig; woher das Übermas Ihres Kummers? - Eben der Feler, der uns so ungerecht gegen den Himmel macht, ist: daß wir immer mit unsern Begriffen Gränzen ziehen, die nicht in der Natur sind, immer trennen und sondern, wo in der Wirklichkeit sich alles vermischt, alles vereinigt. - Schmerz ist oft mer Wollust als Schmerz; Schrekken hat seine süssen Schauder; Unglük wird angenem in der Erinnerung; Gefül der Schwäche treibt den Freund in die Arme des Feindes; Traurigkeit erweicht zu ieder feinern Empfindung das Herz; Not giebt Gefül unsrer Kraft, unsers Wertes; Träume von Glükselig

 

[Manuskriptseite 62]

keit sind war in der Empfindung. - Iede Spanne Land also, auf die ich trete, ist Grabstätte von Tausenden? - Wilkomner Gedanke! Diese Tausende waren da, genossen des Lebens, fülten sich glüklich. Ieder Staub, der vor mir auffliegt, war empfindende Nerve?? Süsse Idee, und wenn du ein Traum wärst! Diese Nerve ward zum Vergnügen gespant. Sie hat öfter der Wollust, als dem Schmerze gezittert. - -" Seit. 172. 173. 174. 175.

 

[Ib-10-1780-0190]
"In was für Widersprüche verwikkeln wir uns! Unsre Freuden gebunden wollen wir haben, gerade diese unsre eignen Freuden, gebunden an diese unsre eigne Natur, uns wert geworden durch diese unsre eigne Empfindung: aber diese unsre Natur nicht, mit der sie doch notwendig verknüpft sind. -" Seit. 177.

 

[Ib-10-1780-0191]
X.

 

[Ib-10-1780-0192]
Der Philosoph für die Welt. Herausgegeben von I. I. Engel . Zweiter Teil. Leipzig 1777. Zu finden in der Dykkischen Buchhandlung. a)

 

[Ib-10-1780-0193]
a) Einen Auszug dieses Teils sehe man im 4. Band II. A. Seit. 20 f.f. Iener Auszug macht diesen nicht unnötig. Denn's ist in diesem Ph. f. d. W. viel, viel Vortrefliches zusammengedrängt. R. a) Einen ...R.] durch horizontale Linie vom Haupttext abgegrenzt, mittels Einfügungszeichen a) integriert.

 

[Ib-10-1780-0194]
1) Über den Endzwek der Dichtkunst.

 

[Ib-10-1780-0195]
"Es ist eine irrige Vorstellungsart, wenn man sich die Belustigung, die ein Gedicht giebt, entweder blos als schädlich, oder blos als Belustigung, on' Einflus auf 's Künftige, denkt. Sie hat allemal ihren Einflus, und ihren nüzlichen Einflus; nur daß man freilich auf der einen Seite mer verderben kann, als man freilich auf der andern Seite gut gemacht hat." S. 68.

 

[Manuskriptseite 63]

[Ib-10-1780-0196]
"Der Dichter sol zwar die Einbildungskraft stärken, aber nicht so, daß geselschaftliche Tugenden leiden; er soll die Liebe besingen, aber nicht so er die Vernunft zerrütte; er sol den Wiz schärfen, aber nicht so, daß wir ihren Ausschweifungen, oder wol gar ihren unnatürlichen Ausartungen Beifal geben – kurz, er sol nicht die untern Selenkräfte nicht gegen die höhern empören, nicht den Kräften eine Richtung geben, die wider die Absichten der Natur ist. –" S. 70.

 

[Ib-10-1780-0197]
"Es ist mit dem Poetisch guten, wie mit dem Poetisch Waren beschaffen; die Vernunft, die in 's Inre und auf die Folgen sieht, schäzt es nach einem ganz andern Masstabe, als die sinliche Erkentnis. Was bekümmert's den Dichter, der blos für die Einbildungskraft schreibt, ob nicht vielleicht der Vernunft, nach einer philosophischen Analyse der Begriffe, die Dinge ganz anders erscheinen, als sie sich iener malen? Was fragt er nach Widersprüchen, die 's nicht unmittelbar für die sinliche Erkentnis sind, sondern erst durch mühsames Überdenken und Entwikkeln herausgebracht werden? - Hat der Dichter den Widerspruch zu verbergen gewust; ist er seiner Voraussezzung treu geblieben; hat er dem Irtum die Gestalt der Warheit gegeben: so hat er alles getan, was die Gesezze seiner Kunst von ihm fordern. Feler wider die Logik mag er in Menge begangen haben; wider die Dichtkunst hat er keinen begangen.

 

[Ib-10-1780-0198]
Machen Sie die Anwendung vom ästetischen Waren auf 's ästetische Gute! Die Dichtkunst fordert weiter nichts,

 

[Manuskriptseite 64]

als daß der Dichter nicht unmittelbar das moralische Gefül beleidige, oder daß er sich vor dem Gegenteil des sitlich Schönen hüte, welches allerdings eine Hauptquelle des dichterischen Schönen ist. Um die innere sitliche Güt' ist sie eben so unbekümmert, als um die inre logische Warheit. Der Dichter hat 's Seinige getan, als Dichter; wer ihn verklagen wil, mus sich nicht an den Richterstul der Kritik, er mus sich an den höhern Richterstul der Moral wenden.

 

[Ib-10-1780-0199]
Wenn nun dem so ist, so kan der Grundsaz, daß der Dichter auf Beförderung der Weisheit und Tugend arbeiten sol, unmöglich in die eigne Teorie Der Dichtkunst kommen. Er würd on' alle Verbindung, nicht als Erkentnisgrund, sondern als blosse unfruchtbare Maxime da stehn; nicht im Werke selbst, etwa in der Einleitung, im Anhang. Ongefär, wie in der Kriegskunst die nicht weniger wichtige Maxime da stehen würde: daß kein Stat den andern bekriegen sol, als zur Verteidigung seiner Rechte, und zum Schuzze seiner Untertanen. Der gerechte Krieg wird wie nicht anders, als wie der ungerechte, gefürt; alle kriegerischen Evoluzionen geschehen hier wie dort, und dort wie hier. Eben also wird 's sitliche Gedicht nicht anders, als wie 's unsitliche, geschrieben.

 

[Ib-10-1780-0200]
Ienen Maximen wird aber dadurch nicht das geringste entzogen. Denn was für die Kriegskunst kein Grund

 

[Manuskriptseite 65]

saz ist, das bleibt noch immer einer für den Krieger; was für die Dichtkunst keiner ist, das bleibt noch immer einer für den Dichter. In den teoretischen Wissenschaften, wo man uns die Dinge kennen lert, wie sie sind, macht man häufig Absonderungen der Begriffe, die man in die Wirklichkeit selbst nicht hinüber tragen kan, on' in Irtümer zu fallen. In praktischen Wissenschaften, wo man uns vorschreibt, was zu tun sei, macht man änliche Absonderungen, aber in die Wirklichkeit selbst darf man sie gleich wenig hinübertragen. Die Dichtkunst schreibt freilich nur vor, was der Dichter zu tun hat, in sofern er nichts ist als Dichter: aber ist er denn in der Tat weiter nichts? Ist er denn nicht auch Mensch? nicht auch Untertan Gottes? nicht auch Glied der Geselschaft? nicht auch Bürger des Stats? - -" S. 73-78.

 

[Ib-10-1780-0201]
2) Von der Verschiedenheit der Racen überhaupt.

 

[Ib-10-1780-0202]
"Im Tierreiche gründet sich die Natureinteilung in Gattungen und Arten auf 's gemeinschaftliche Gesez der Fortpflanzung, und die Einheit der Gattungen ist nichts anders, als die Einheit der zeugenden Kraft, welche für eine gewisse Mannigfaltigkeit von Tieren durchgängig geltend ist. Daher mus die Büffonsche Regel: daß alle Tiere, die mit einander fruchtbare Iungen erzeugen, (von welcher Verschiedenheit der Gestalt sie auch sein mögen,) doch zu einer und derselben Gattung gehören, eigentlich nur als die Definizion einer Naturgattung der Tier' über

 

[Manuskriptseite 66]

haupt, zum Unterschiede von allen Schulgattungen derselben, angesehen werden. Die Schuleinteilung gehet auf Klassen, welche nach Änlichkeiten; die Natureinteilung aber auf Stämme, welche die Tiere nach Verwandschaften in Ansehung der Erzeugung einteilt. Iene verschaffen ein Schulsystem für 's Gedächtnis, diese ein Natursystem für den Verstand: die erstere hat nur zur Absicht, die Geschöpf' unter Titel, die zweite, sie unter Gesezze zu bringen. -

 

[Ib-10-1780-0203]
Eine Tiergattung, die zugleich einen gemeinschaftlichen Stam hat, enthält unter sich nicht verschiedne Arten (denn diese bedeuten eben die Verschiedenheiten der Abstammung); sondern ihre Abweichungen von einander heissen Abartungen, wenn sie erblich sind. Die erblichen Merkmale der Abstammung, wenn sie mit ihrer Abkunft einstimmig sind, heissen Nachartungen; könt' aber die Abartung nicht nicht mer die ursprüngliche Stambildung herstellen, so würde sie Ausartung heissen.

 

[Ib-10-1780-0204]
Unter den Abartungen, d. i. den erblichen Verschiedenheiten der Tiere, die zu einem einzigen Stamme gehören, heissen dieienigen, welche sich sowol bei allen Verpflanzungen (Versezzungen in andre Landstriche) in langen Zeugungen unter sich beständig erhalten, als auch in der Vermischung mit andern Abartungen desselbigen Stams, iederzeit halbschlächtige Iunge zeugen, Racen. Die, so bei allen Verpflanzungen das Unterscheidende ihrer Abartung zwar beständig erhalten und also nach

 

[Manuskriptseite 67]

arten, aber in der Vermischung mit andern nicht notwendig halbschlächtig zeugen, heissen Spielarten; die aber, so zwar oft aber und beständig nacharten, Varietäten. Umgekert heist die Abartung, welche mit andern zwar halbschlächtig erzeugt, aber durch die Verpflanzung nach und nach erlischt, ein besondrer Schlag.

 

[Ib-10-1780-0205]
Auf diese Weise sind Neger und Weisse, zwar nicht verschiedne Arten von Menschen, (denn sie gehören vermutlich zu einem Stamme;) aber doch zwei verschiedne Razen; weil iede derselben sich in allen Landstrichen perpetuirt, und beide mit einander notwendig halbschlächtige Kinder, oder Blendlinge (Mulatten) erzeugen. Dagegen sind blonde und Brunette nicht verschiedne Racen der Weissen; weil ein blonder Man von einer brunetten Frau auch lauter blonde Kinder haben kan, obgleich iede dieser Abartungen sich bei allen Verpflanzungen lange Zeugungen hindurch erhält. Daher sind sie Spielarten der Weissen. Endlich bringt die Beschaffenheit des Bodens (Feuchtigkeit oder Trokkenheit) ingleichen der Narung nach und nach einen erblichen Unterschied oder Schlag unter Tier' einerlei Stammes und Race, vornämlich in Ansehung der Grösse, der Proporzion der Gliedmassen (plump oder geschlank), ingleichen des Naturels, der zwar in der Vermischung mit fremden halbschlächtig anartet, aber auf einem andern

 

[Manuskriptseite 68]

Boden und bei andrer Narung (selbst one Veränderung des Klima's) in wenig Zeugungen verschwindet. Es ist angenem, den verschiednen Schlag der Menschen nach Verschiedenheit dieser Ursachen zu bemerken, wo er in eben demselben Lande blos nach den Provinzen kentlich ist, (wie sich die Böozier, die einen feuchten, von den Ateniensern unterschieden, die einen troknen Boden bewonten:) welche Verschiedenheit oft freilich nur einem aufmerksamen Auge kentlich ist, von andern aber belacht wird. Was blos zu den Varietäten gehört, und also an sich selbst (ob zwar nicht beständig) erblich ist, kan doch durch Ehen, die immer in denselben Familien verbleiben, dasienige mit der Zeit hervorbringen, was ich den Familienschlag nenne, wo sich etwas Karakteristisches endlich so tief in die Zeugungskraft einwurzelt, daß es einer Spielart nahe kömt, und sich wie diese perpetuirt. Auf der Möglichkeit, durch sorgfältige Aussonderung der ausartenden Geburten von den einschlagenden, endlich einen dauerhaften Familienschlag zu errichten, beruhete die Meinung des H. v. Maupertuis : einen von Natur edlen Schlag Menschen in irgend einer Provinz zu ziehen, worin Verstand, Tüchtigkeit und Rechtschaffenheit erblich sind wären. Ein Anschlag, der meiner Meinung nach an sich selbst zwar tunlich, aber durch die weisere Natur ganz wol verhindert ist, weil eben in der Vermengung des Bösen mit dem Guten die grossen Triebfedern liegen, welche die schlafenden Kräfte der Menschheit in Spiel sezzen, und sie nötigen, all'

 

[Manuskriptseite 69]

ihre Talente zu entwikkeln, und sich der Volkommenheit ihrer Bestimmung zu nähern. -

 

[Ib-10-1780-0206]
Die menschlichen Racen sind folgende: 1) die Race der Weissen, 2) die Negerrace, 3) die Hunnische (Mungolische oder Kalmukische) Race, 4) die Hinduistische oder Hindistanische Race. - Seit. 125-133.

 

[Ib-10-1780-0207]
"Wir nemen die Benennungen: Naturbeschreibung und Naturgeschichte gemeiniglich in einerlei Sin. Allein 's ist klar, daß die Kentnis der Naturdinge, wie sie iezt sind, immer noch die Erkentnis von demienigen wünschen lasse, was sie ehedem gewesen sind, und durch welche Reihe von Veränderungen sie durchgegangen, um an iedem Ort' in ihren gegenwärtigen Zustand zu gelangen. Die Naturgeschichte, woran 's uns fast noch gänzlich felt, würd' uns die Veränderung der Erdgestalt, ingleichen die der Erdgeschöpfe (Pflanzen und Tiere), die sie durch natürliche Wanderungen erlitten haben, und ihre daraus entsprungene Abartungen von dem Urbilde der Stamgattung leren. Sie würde vermutlich eine grosse Menge scheinbar verschiedne Arten zu Racen eben derselben Gattung zurükfüren, und das iezt so weitläuftige Schulsystem der Naturbeschreibung in ein physisches System für den Verstand verwandeln. -" S. 140. 141.

 

[Ib-10-1780-0208]
"Hier merk' ich an: daß Luft und Sonne dieienigen Ursachen zu sein scheinen, welche auf die Zeugungskraft innigst einfliessen, und eine dauerhafte Entwiklung

 

[Manuskriptseite 70]

der Keim' und Anlagen hervorbringen, d. i. eine Race gründen können; da hingegen die besondre Narung zwar einen Schlag Menschen hervorbringen kan, dessen Unterscheidendes aber bei Verpflanzungen bald erlischt. Was auf die Zeugungskraft haften sol, mus nicht die Erhaltung des Lebens, sondern die Quelle desselben, d. i. die ersten Prinzipien seiner tierischen Einrichtung und Bewegung affiziren. -" S. 144.

 

[Ib-10-1780-0209]
"Man schreibt iezt mit gutem Grunde die verschiednen Farben der Gewächse dem durch unterschiedliche Säfte gefälleten Eisen zu. Da alles Tierblut Eisen enthält, so hindert uns nichts, die verschiedne Farbe dieser Menschenracen eben derselben Ursache beizumessen.

 

[Ib-10-1780-0210]
Auf diese Art würd' etwa das Salzsaure, oder das phosphorische Saure, oder das flüchtig Laugenhafte der ausfürenden Gefässe der Haut die Eisenteilchen im Retikulum rot, oder schwarz, oder gelb niederschlagen. In dem Geschlechte der Weissen würd' aber dieses in den Säften aufgelösete Eisen gar nicht niederschlagen, und dadurch zugleich die volkommene Mischung der Säft' und Stärke dieses Menschenschlags vor den übrigen beweisen. -" S. 156. 157.

 

[Manuskriptseite 71]

[Ib-10-1780-0211]
XI.

 

[Ib-10-1780-0212]
Des Alexander Pope Esq. sämtliche Werke mit Wilb. Warburton's Kommentar und Anmerkungen. Zweiter Band. Strasburg, drukt's Heiz und Dambach, 1778.

 

[Ib-10-1780-0213]
1) Um Tränen dem Edlen zu entlokken! -

 

[Ib-10-1780-0214]
"Dichter selbst müssen eben so, wie diese sterben, welche sie besungen; taub wird 's Or sein, welches gepriesen wurde, und stum die Zunge, die 's besang. Selbst derienige, dessen Sel' iezzo in Klagen zerfliest, wird im kurzen die grosmütige Träne fordern, welche er dir weinet. Dan wird deine Gestalt sich von seinen Augen, die sich schliessen, entfernen, und die lezte Todesangst wird dich von seinem Herzen reissen, mit einem Atemzuge wird 's eitle Geschäft des Lebens vorüber, die Muse vergessen, und du nicht mer geliebt sein. –" S. 76.

 

[Ib-10-1780-0215]
2) Eloise im Kloster über ihren Geliebten!

 

[Ib-10-1780-0216]
"Unerweichliche Mauren! die ihr in eurem finstern Umfange Seufzer der Busse, und freiwillige Strafen einschliesset. Ihr rauhen Felsen! die von heiligen Knien zerrieben sind; Ihr von starren Dornen rauhe Grotten und Hölen! Altäre, wobei blasse Iungfrauen wachen; und ihr, mitleidige Heilige, deren Bilder weinen lernen! Ob ich gleich so kalt, unbeweglich und stum, wie ihr, geworden bin, so hab' ich mich doch noch nicht so ser vergessen, ein Stein zu sein. Ganz gehör' ich noch nicht dem Himmel; so lang' Abelard noch einen Teil von mir besizt. -" S. 100.

 

[Manuskriptseite 72]

[Ib-10-1780-0217]
"Die finstern Fichten, welche über iene Felsen herabhängen, in der Höhe wallen, und dem holen Wind' entgegen rauschen, die irrenden Ströme, welche zwischen den Hügeln herdurch scheinen, die Grotten, die das Gelispel der Bäche wiedergeben, die sterbenden Winde, die auf den Bäumen keichen, die Seen, welche von dem Hauche der Luft sich kräusen und zittern, al diese Aussichten unterstüzzen mich nicht mer in meinem Tiefsin, und rauschen das träumerische Mädchen nicht mer in Ruhe. Sondern über den dunkeln Gebüschen und finstern Hölen in den langen widerhallenden Gängen, und über den zerstreuten Gräbern sizt die schwarze Melancholie, und verbreitet um sich her ein Todesschweigen, und eine schrekliche Stille. Ihre finstre Gegenwart macht die ganze Szene traurig, beschattet iede Blume, und verfinstert iedes grüne Kraut; vertieft 's Gemurmel fallender Wasser, und haucht einen schwärzeren Schatten über die Wälder aus. -" S. 108. 109.

 

[Ib-10-1780-0218]
"Sehet, die traurige Eloise lieget in ihrer Zell' ausgebreitet, auf ein Grabmal gestüzt, eine Nachbarin der Toden. Mich dunkt, es ruft mich in iedem schwachen Wind' ein Geist, und mer, als ein blasses Echo, spricht längst den Mauren. Hier hört' ich, als ich unter den sterbenden Lampen um mich her wachte; von ienem Altar einen holen Ton: "Kom, Schwester! kom! Hier ist deine Stelle, traurige Schwester! kom

 

[Manuskriptseite 73]

hinweg! Vormals lebte, weint' und betet' ich, wie du, damals ein Opfer der Liebe, aber iezzo ein heiliges Mädchen: aber in diesem ewigen Schlaf' ist alles ruhig; hier vergist der Gram zu seufzen, und die Liebe zu weinen; selbst der Aberglaube verliert hier alle Furcht: denn Got, und nicht der Mensch, spricht uns hier von unsern Schwachheiten los." Ich kome, ich komme! bereitet eure Rosenlauben, himlische Palmen und immer blühende Blumen. Ich gehe dahin, wo Sünder Ruh' haben können, wo geläuterte Flammen in der Brust der Seraphim glühen. -" S. 117.

 

[Ib-10-1780-0219]
"Möcht' ein gütiges Grab unsre unglüklichen Namen vereinigen, und meine Liebe, für die Unsterblichkeit, auf deinen Nachrum propfen! Dan werden nach Menschenaltern, wenn alle meine Leiden vorüber sind, wenn dieses rebellische Herz nicht mehr schlagen wird, zwei flüchtige Verliebte, die etwan der Zufal zu den weissen Mauren und silbernen Quellen des Paraktet füret, ihre Häupter über dem blassen Marmor zusammen neigen, und die fallenden Tränen trinken, die einer um den andern vergist; dan werden sie sie wehmütig, und von Mitleiden, einer gegen den andern, gerürt, sagen: "o! daß wir niemals so lieben möchten, als diese geliebt haben!" - S. 119.

 

[Ib-10-1780-0220]
3) Schilderung eines herlichen Menschen.

 

[Ib-10-1780-0221]
"Eine Sele, die so viel Verdienst' hat, als wenig sie Stolz besizt, die nichts zu zeigen sucht, und nichts

 

[Manuskriptseite 74]

verbergen darf; die ihre Vorsichtigkeit weder der Schuld, noch der Furcht zuschreiben, und sich einer Hizze rümen kan, die aus keiner Leidenschaft fliest; eines Gesichts, das die Kunst, sich zu verstellen, nicht kennet; eines scharfsichtigen Auges, welches zornig auf eine Lüge flammet, indem sie geboren wird, und der unverschämten Schmeichelei eine Röt' abiagt - - alles dieses warest du - du, den König und Glük nicht grösser machen können! - S. 357. 358.

 

[Ib-10-1780-0222]
XII.

 

[Ib-10-1780-0223]
Lebensläufe nach aufsteigender Linie nebst Beilagen A. B. C. Meines Lebenslaufs erster Teil. Berlin, bei Christian Friedrich Vos, 1778.

 

[Ib-10-1780-0224]
1) Allerlei Bemerkungen.

 

[Ib-10-1780-0225]
"Wer keine Einbildungskraft hat, hat auch kein Gedächtnis. Ein grosses Gedächtnis kan die Urteilskraft schwächen, allein auch stärken. Wer sich durch hundert Meinungen, die er weis nicht stören läst und noch eine für sich besizzet; hat viel Gedächtnis und viel Urteilskraft. Die besten Köpfe klagen am meisten über Gedächtnis. Sie sehen ein, wie viel noch zurükbleibt, was sie nicht wissen, und wollen sich auf eine Art, die ihnen am wenigsten zu stehen komt, bei Eren erhalten. Ein Man Man von starker Beurteilungskraft macht sich nur Merkzeichen durch die Vernunft, die Imaginazion ist bei ihm blos Köchin. Was solt' ihn also zurük halten, one rot zu werden, über schwaches Gedächtnis zu klagen? - Wizzige Leut' haben schrekliche Gedächt

 

[Manuskriptseite 75]

nisse. Überal finden sie eine Änlichkeit - weil diese aber oft zu schwach ist, oder weil sie mit einem Blik zen Änlichkeiten finden, vergessen sie alles - das Bewustsein, fassen zu können, was man wil, tut bei einem Genie oft grössere Dinge, als wenn 's schon ein gerüttelt, geschüttelt und überflüssiges Mas im Kopf hatte. - Fassen und behalten wird im gemeinen Leben für eins genommen; allein ganz unrichtig. Ein ieder Originalkopf mus schnel fassen und schnel vergessen. Etwas bleibt zurük und nur eben so viel als nötig ist, um nicht blos Abschreiber, Kopist zu sein. Ein Grosmaul hat ein behaltendes, ein Kopf ein fassendes Gedächtnis. Wer viel plaudert kan auch viel behalten, ein guter Kopf kan nur viel erzälen, wenn er trunken oder verliebt ist: Er darf sich indessen beides nur einbilden, zu sein. Wenn ein Poet nicht gut fast, komt's oft daher, weil er sehen und hören kan, und auch dieser Umstand trägt sein Teil bei, daß er so leicht vergist. Er kan nichts lesen und hören, was er nicht so gleich mit dem Seinigen bereichert. Er verzinset oft einen Gedanken mit funfzig Prozent, oft mit mer. Er weis beständig viel, nur nicht immer was andre wissen. Wer Iarzalen und Geschlechtsregister behalten kan, ist kein Dichter. -" S. 33-36.

 

[Ib-10-1780-0226]
"Erziehen heist aufwekken vom Schlaf, mit Schne reiben, wo 's erfroren ist, abkülen, wo 's brent. Wer nie ein Kind unterrichtet hat, wird nie über 's Mittelmässige her

 

[Manuskriptseite 76]

vorragen. Docendo discimus ist ein grosses und wares Wort! In gewisser Art lernen wir mer von den Kindern als die Kinder von uns. Wer ein Aug hat, lernt hier den Menschen. Wenn die Sonn' aufgeht, kan sie der Blik umfassen. Wer kan sie sehen, wenn 's hochmittag ist? -" Seit. 63. 64.

 

[Ib-10-1780-0227]
"Man mus im Anfang die Sprach' one Donat und Grammatik lernen. Erst wenn man eine Sprache kan, mus man sich zum Schulmässigen gewönen - das man für nichts als Proben ansehen kan, die man in der Rechenkunst erfunden, um zu sehen, ob richtig gerechnet sei." S. 68.

 

[Ib-10-1780-0228]
"Universitäten scheinen ein unnötig Ding zu sein. Müssen denn alle Bäume, die ihr Haupt empor heben sollen, eh' sie an Stell' und Ort kommen, in einer Baumschul' ihre Iare stehen. Wo Got und die Natur ist, da ist eine hohe Schule. Got wont nicht in Tempeln, mit Menschenhänden gemacht, nicht in Ierusalem, sondern in ihm leben, weben und sind wir. - Wer leugnet, daß auf Universitäten geschikte Männer sind; allein ich glaube, daß ein geschikter Man sein Licht nicht blos auf der Universität leuchten lassen, sondern schreiben werde. Professor Sokrates schrieb nicht; allein, es schrieben andre für ihn und so bald ein Professor schreibt, warum sollen wir ih hin, ihn zu sehen? - Warum sol ich einen Geistlichen bitten, die Predigt zu halten, die gedrukt ist? Ist's wol, damit ich reden höre, kan ich denn nicht laut lesen? -" S. 184. 185

 

[Ib-10-1780-0229]
"Wer vielerlei weis, ist biegsam, wer einerlei weis, ist stolz. Iener sieht ein, wie viel ihm felt, dieser ist ein Han auf dem Miste. -" S. 197.

 

[Manuskriptseite 77]

[Ib-10-1780-0230]
"Auf Universitäten sagt dir ieder Lerer, nicht, was du zu wissen nötig hast, sondern was er weis. Du lernst den da den Wert der Wissenschaft nicht von dem, der sie vorträgt, sondern von seinem Nachbar - einem andern Professor - der sie verachtet. -" S. 202.

 

[Ib-10-1780-0231]
"Die Liebe macht gleichgültig gegen Rum und Glanz: allein gegen die Menschlichkeit nicht. Sie schränkt das Herz ein; allein sie erweitert' s auch. Eins liebt nur Eins, wie Man und Weib, alle Menschen aber, wie Schwester und Bruder. Einen Verliebten, glaub' ich, kan iederman betrügen, er hält alles für erlich, was ihm begegnet, die Lieb' ist stark Getränk für die Sele. Sie betrinkt sich in ihr, und Verliebten geht's kein Har besser, als Leuten, die ein Gläschen über'n Durst getrunken haben. Es ist ihnen alles besser wie zuvor. Sie sehen alles in den besten Iarszeiten, alles im Iunius. -" Seit. 235. 236.

 

[Ib-10-1780-0232]
"Der Wein ist die Wage des Menschen; lege deinen Freund darauf, und prüfe, wie viel lötig er ist." S. 313.

 

[Ib-10-1780-0233]
"Feigheit fält in alle fünf Sinne: man sieht sie im Finstern. Einen mutigen Man kent man nicht so leicht. Er trägt nicht Spies und Lanze. Gemeinhin sieht er blöd' aus. Seine Mien' ist sanft und edel: wenn er spricht, ist's als spräche man mit Frauenzimmer.

 

[Ib-10-1780-0234]
Wer hat, darf nicht borgen -

 

[Ib-10-1780-0235]
Ein mutiger Man ist vermögender Man, und darum braucht er kein Kreditkleid, keinen Empfelungsbrief. - Er ist überzeugt, daß es ihm nicht felen könne. Mut ist ein

 

[Manuskriptseite 78]

edles Bewustsein, von dem die Leute ser einfältig sagen, er sei anzusehen. Stolz ist anzusehen; allein kein edles Bewustsein." S. 363. 364.

 

[Ib-10-1780-0236]
"Wenn man den Kindern auf all' ihre Fragen antwortet, kurirt man sie durch Aderlassen. Man macht sie schwach. Wenn du A frugst, antwortet' ich B, und hiedurch gewönt' ich dir ab, zu fragen, und an, selbst zu denken. Wer immer in seiner Iugend gefragt, fragt auch, wenn er alt wird. Man mus die Kinder negativisch erziehen, und ihnen nicht sagen, hier geht der Weg, sondern: hier geht er nicht. -" Seit. 366.

 

[Ib-10-1780-0237]
"Wiz erfindet, Urteilskraft behandelt. Wer Wiz hat, kauft den Akker. Wer Urteilskraft besizt, teilt die Felder ein, säet und umzäunet. Der Wizzige vergleicht, der philosophische Richter verknüpt oder trent. Der Wizzige macht allem, was schön ist, die Aufwartung, der Philosoph ist für Verlobung und Beilager, und was er zusammengefügt hat, sol der Wiz nicht scheiden. Der Mensch ist stumpf, heist: er hat nicht Wiz. Der Mensch ist dum, heist: er hat nicht Urteil." S. 382. 383.

 

[Ib-10-1780-0238]
"Vernunft ist maior, Verstand ist minor bei der Conclusio geh'n Verstand und Vernunft parweise. Verstand urteilet, Vernunft schliest. Vernunft ist Urteil a priori, Verstand a posteriori. - Auf diese Art ist Vernunft grob Geld, Verstand klein Geld. - -" S. 387.

 

[Ib-10-1780-0239]
"Vorneme und Frauenzimmer haben ser viel änliches; sie wollen geschmeichelt sein, und wir tun's gerne, weil wir sie übersehen. Männer sehen auf das, was man von ihnen denkt; Weiber, was man von ihnen sagt.

 

[Manuskriptseite 79]

Wir huldigen dem Geschlechte, und nicht der Dame; wir huldigen dem Amt, und nicht Sr. Durchlaucht." S. 402.

 

[Ib-10-1780-0240]
"Die Art, Laster verachtungswert vorzustellen, ist die beste. Wer 's hassenswürdig macht, tut oft der Menschheit Schaden, und zieht Menschenfeinde. Der Mensch ist durch Hang zum Scherz geboren. Er hat viele, viele Torheiten; allein die gröste ist, wenn er sie zu wichtigen Dingen macht." S. 404.

 

[Ib-10-1780-0241]
"Bei'm Lachen ist viel zu erinnern. Es entsteht aus einem Widerspruch. Man lacht, wenn iemand fält, und sich nicht Schaden tut; besonders lachen dan gemeine Leute, die nicht feinere Widersprüche begreifen können. Man lacht über Kleidung, wenn Eitelkeit und nicht Armseligkeit zu sehen ist. Wenn iemand, der aufziehen wil, wieder aufgezogen wird, und den Kürzern zieht, so, daß ihm zum Nachteil der Vorhang fält, klatscht alles in die Hände. Ist 's aber nicht Eitelkeit und armseliger Stolz, über Ungereimtheiten sich ergözzen? Solte man wol darüber lachen, weil man klüger als ein andrer ist? Hier giebt 's so viel Feinheiten, daß ich gewis glaube, das Lachen sei die Probe vom Menschen - wie und wenn er lacht? zeigt, was er ist, obschon 's Gesicht das Protokol vom Karakter, und die andern Teile das Protokol vom Temperament sind. – Scheint 's Ihnen nicht auch, der menschliche Mensch, der beste Lacher, begeht einen Widerspruch, wenn er über

 

[Manuskriptseite 80]

einen Widerspruch sich freut, d. i., wenn er lacht. - Iemanden mit weinenden Augen lachen sehn, ist ein schöner Anblik - Ein Regenbogen ist 's. - Schriftsteller, die Tränen mit dem Lachen kämpfen lassen, so, daß keines die Oberhand behält, treffen das Leben eines Weisen. -" S. 406. 407.

 

[Ib-10-1780-0242]
"Das weibliche Auge, das einen iungen Menschen zum erstenmal elektrisirt, ist sein Ideal der Schönheit, seine Venus, denn ieder hat seine.? Die Liebe komt auf einmal, sie wont parterre. Die Freundschaft steigt Treppen, und 's gehören Iare dazu, eh' ein Freund ein Freund wird. Ein Zorniger, und ein rasend Verliebter sind stum, keiner kan erzälen, was ihm felt. -

 

[Ib-10-1780-0243]
Die Lieb' ist Natur, die Freundschaft Kunst. Nas' und Augen sind Natur, Stirn und Mund, und Hand und Fus, sind zur Kunst geworden. Got hat den Menschen aufrichtig gemacht; allein er sieht viele Künste. Wir sehen einen Menschen, den wir wollen, in 's Gesicht, vorzüglich in die Augen. Seine Affekten liegen auch im Naturteil, und rings herum. Wer sich ser verstellen kan, treibt sie nach unten, und immer zugleich in Hand und Fus. Fus und Hand sind wie Man und Weib ein Leib; Fus der Man, Hand das Weib. Das Gesicht ist 's Bild und die Überschrift der Sele. Um den Mund herum liegt die Mienensprache, zu fordern und abzuschlagen, um die Augen herum, zu beiahen und zu verneinen. Dies ist die vererungswürdigste Sprache, die alle Welt versteht, die auch ein guter Teil der Tiere fast. -" Seit. 421. 422.

 

[Manuskriptseite 81]

[Ib-10-1780-0244]
"Der Fürst ist gegen einen Grafen stolzer, als gegen einen Edelman. - - Warum puzzen sich die Weiber, wenn sie gleich schon an sich gefallen? - Nicht unsertwegen. Gegen Männer brauchen sie ihre natürliche Waffen; andre ihres Geschlechts zu verdunkeln, andre zu überglänzen, darum der Puz. -" Seit. 425.

 

[Ib-10-1780-0245]
"Oft ist der Körper des Kindes auf ein Har die Mutter, die Sel' aber der Vater und umgekehrt." - S. 426.

 

[Ib-10-1780-0246]
"Der Mut hat keine Teorie; er fängt mit der Praxis an, und hört mit der Teorie auf. -" Seit. 442.

 

[Ib-10-1780-0247]
"Ieder Mensch hat eine andre Art, Geschenke zu geben. Wenn ich einen Menschen gesehen, ein Geschenk geben; so müst' ich mich ser irren, wenn ich seinen Karakter nicht auf ein Har treffen solte. -" S. 443.

 

[Ib-10-1780-0248]
"Schrek ist die Vorbereitung, das Präludium zu allen heftigen Affekten. Hast du dich ie recht ser über eine Sach' erfreut, one daß du vorher erschüttert warst? Alle heftige Leidenschaften sind wie ein kaltes Fieber, Frost, Kälte, dan Hizze. - Der Mensch traut sich nicht recht die Freud' in dieser Welt zu. Er besint sich erst, ob er ihr sein Herz öfnen, ob er sich freuen könne. Er löst sie von hinten und verstolen ein. Seine Freude scheint eine Entfernung des Schmerzes, und wer läst einen alten guten Freund one Bewegung von sich? ?" Seit. 449.

 

[Ib-10-1780-0249]
"Man hat Trauer; warum denn nicht Freudenkleider? An Freudenkleider denkt Niemand, und doch solte man Freudenfarben und Freudenkleider erfinden, und sie dazu privilegiren. So was hat Einflus auf uns." S. 475.

 

[Manuskriptseite 82]

[Ib-10-1780-0250]
"Geschmak ist die Bemühung, unser Urteil mit andern algemein zu machen. Die Deutschen werden 's nie zu viel Genie's bringen, welche Flügel der Morgenröt' haben. Sie besizzen aber eine sehr grosse Anlage zum Geschmak. Alles zu berichtigen, ist ihre Sache. Man könte den Geschmak eine Galanterie des Verstandes nennen. Er wil sich bequemen. Der Mensch hat Appetit, heist: der Wirt ist an seiner Tafel gut. Der Mensch hat Geschmak, heist: er macht, daß andre mit Appetit bei ihm essen. Ein Genie trägt einen roten Rok, oder so was; ein Geschmakvoller eine sanfte Farbe. Er wil alle Leute bestechen, wenn man so sagen darf. Engländer haben Genie. Franzosen Geschmak. Deutsche beides. Wenn 's in einem Stük an Geschmak felt, wird schwerlich irgend wo Geschmak zeigen. Der Geschmak ist aristokratischer Stat. Geschmak ist 's algemeine Gefallen. Gefül ist ein Privatgefallen. Geschmak ist 's Geschik, die Fähigkeit zu wälen, was iedem gefält. Gefül hat man, Geschmak lernt man. -

 

[Ib-10-1780-0251]
Die Pluralität entscheidet, nicht aber die Pluralität des Volks, sondern von Leuten, die Gelegenheit gehabt haben, sich in der Welt umzusehen. Geschmakvolle Leute wissen zu treffen, was algemein gefält. Man hat indessen Geschmak blos andrer wegen. Alles Schöne sucht man und liebt man für die Geselschaft, und man kan 's sich kaum vorstellen, was man nicht der Geselschaft alles zu Gefallen tut. Man wält ein schönes Weib nicht seinetwegen. Man nimt sie, damit sie andern auch gefalle. Der Eifersüchtige macht hier keinen Einwand,

 

[Manuskriptseite 83]

sondern auch er wält nicht anders. - Ein Garten gefält in Geselschaft; Wald, wenn wir allein sind. Ungesellige haben keinen Geschmak. Man solte glauben, der Geschmak habe keine Regel, allein er hat seine Regel. Man kan indessen nur durch Erfarung darauf kommen. -" Seit. 487. 488. 489.

 

[Ib-10-1780-0252]
"Das Temperament nicht, aber die Gesinnung kan man durch den Trunk bei'm Menschen erkennen - allein auch das Essen verändert den Menschen, und öfnet verborgne Kammern. Leute, die sich im Trinken für Spionen hüten, sind nur auf einer Seite gedekt. Ist der Mensch trunken, so ist er schwach, und das ist Glük für ihn, sonst würd' er seinen Phanatsien nachlaufen, und Schaden nemen. So wie ein Nachtwanderer, wenn er die Augen brauchen könte. Der Wein löset die Zunge; bei Leuten, die in sich gekert sind. Schwäzzern, die einen wizzigen Einfal zu verbeissen für Kindermord halten, und ihre Schwangerschaft nicht verheimlichen, sondern lachen, eh' sie entbunden sind; Schwäzzern stopft der Wein den Mund. Dies bestätigt die Erfarung. Ieder kluge Man spricht, wenn er ein Glas getrunken, und ieder Nar verstumt, und wenn er ia zu sprechen sich erkünet, ist 's so Etwas unausstehliges, daß Niemand lacht, als er selbst. - Andrer Art Narren, die sich nur dadurch von ihm unterscheiden, daß sie nicht lustige Rollen spielen, sondern stilnärrisch sind, selbst die achten sich zu gut, Teil an ihren beredten Landsleuten zu nemen. - So unterschieden, wie Bauren und Astronomen den bestirnten Himmel ansehen, so unterschieden ist hier die Wirkung des Weins -" Seit. 496. 497.

 

[Manuskriptseite 84]

[Ib-10-1780-0253]
"Ein Schwärmer ist ein Selentrunkner. Wenn ich schon nüchtern unter Trunknen sein sol, wil ich lieber unter Leibes als Selentrunknen sein. Betrunkne verstehen sich untereinander, so auch Schwärmer.? Durch den Körper haben wir Anschauung. Wer mit der Sele sieht, ist ein Schwärmer, ein Geisterseher. Ein Entusiast ist ein edler Phantast. Ein Phantast glaubt etwas zu empfinden, was er sich einbildet. In so fern sein Ideal sein Maximum, das er sich one Sinnen aus sich selbst denkt, einen rumwürdigen Gegenstand trift, ist 's Entusiasm. Über Schwärmerei und Seherei mus man reden, wenn man ein par Gesundheiten getrunken hat.

 

[Ib-10-1780-0254]
Ein Schwärmer rechnet one das Einmaleins der Sele zu wissen, er bauet, on' ein privilegirter Architekt zu sein. Die Philosophen bedenken sich oft zu lange, ein Schwärmer oft zu kurz. Der Philosoph sieht nach der Ur, der Schwärmer nach der Sonne. Der Schwärmer ist eher Feldher, als ein Philosoph, oft zeigt der Schwärmer dem Philosophen küne Wege. Der Philosoph pflastert sie, und dan geht sie iederman. Der Tag gehört dem Philosophen, so wie die Nacht dem Schwärmer. -" Seit. 498. 499.

 

[Ib-10-1780-0255]
"Ich würde, wenn der Mensch an der Sele krank ist, die Kur des Leibes, und wenn er am Leib' hinfällig ist, die Selenkur vorschlagen. - -" Seit. 500.

 

[Manuskriptseite 85]

[Ib-10-1780-0256]
XIII.

 

[Ib-10-1780-0257]
Die Geschichte des Selbstgefüls.

 

[Ib-10-1780-0258]
@@@@@ @@ @@ @@@@@ @@@@@@ @@@ @@@@@ @@@ @@@@@ @@@@@@. Epict. Enck.

 

[Ib-10-1780-0259]
Frankfurt und Leipzig, gedr. und verl. von I. I. Stahel, Hochfl. Hof und Univ. Buchh. und Buchdr. in Wirzburg 1772.

 

[Ib-10-1780-0260]
1) Beschaffenheit des Selbstgefüls bei seinem Ursprung.

 

[Ib-10-1780-0261]
"Wir finden, daß der Mensch allemal mit sich beschäftigt sei, daß er sich niemals ganz verlasse; sondern vielmer in allen Dingen entweder sich nur allein, oder doch vorzüglich füle. Dieses Selbstgefül ist in al seine Gedanken, in al seine Empfindungen, Tun und Lassen eingeflochten. Er trägt 's mit sich, wo er nur immer ist, und 's ist ihm eine nie ganz versiegende Quelle des Vergnügens; sein erstes und leztes Bedürfnis aber, es alzeit lebhaft zu erhalten, zu verstärken, und erhöhen.

 

[Ib-10-1780-0262]
Auch mitten in der grösten Traurigkeit ist der Mensch nicht von sich entfernt; Er wird vielmer um so tiefer in sich versenkt. Das Gefül der Volkommenheiten, welche die Bestandteile seines Selbst ausmachen, erhält er nicht nur allein in diesen Umständen, sondern 's wird oft noch mer durch den Kontrast der dazwischen gekommenen Unvolkommenheiten erhöht, und dadurch 's Misvergnügen mit ienem wiedervollen Vergnügen vermischt, welches die Ursach' ist, daß die meisten Menschen so gern über ihr trauriges Schiksal nachdenken, und schwerlich davon ablassen.

 

[Ib-10-1780-0263]
Der einzige Fal wäre noch, wo man glauben solte,

 

[Manuskriptseite 86]

er suchte sich zu fliehen; wenn er Unvolkommenheiten warnimt, die er sich nicht borgen kan. Allein entweder geht sein Bestreben dahin, sich auf all' Art von denselben loszuwinden, so wie der verwundete Hirsch von dem Pfeile, der ihm die Wunde versezt hat, oder der Kranke vom Übel, das ihn an's Bet heftet: und in diesem Falle ist er gewis nicht von sich entfernt; oder sucht er sie so viel möglich aus dem Sinne zu schlagen, und auch hier wil er nur seine Mängel, nicht sich vergessen; im Gegenteil sucht er eben dadurch 's Gefül eigner Volkommenheiten zu erhöhen, daß er sie rein und one Vermischung einiger Unvolkommenheit zu fülen, bemüht ist.

 

[Ib-10-1780-0264]
Der Mensch fült zuerst, daß er ist. Mit diesem Gefül ist auch ein dunkles *...* Gefül dessen, was er ist, verbunden. Zum Glük für ihn hat die Natur allen empfindenden Dingen dieses Geschenk gemacht, daß sie 's Gefül ihres eignen Wesens vergnügt. Dieses Vergnügen ist wie, wenn sie keine Unvolkommenheit zu gleicher Zeit verspüren. Widrigenfals ist's vermischt. Eben dieses Gefül Vergnügen, so die Natur dem Selbstgefül als die treueste Gefertin zu geselt, ist das kostbarste ihrer Gaben. Man braucht das Vergnügen nicht weit herzuholen. Empfinden selbst ist Glükseligkeit. Sobald 's erste Bewustsein erwacht, gefält sich schon der Mensch, so wie iedes andres Ding, das Empfindung und Sel hat. Und wenn er auch noch nicht weis, welchen Plaz er sich unter den Dingen, die um ihn her sind, anweisen sol:

 

[Manuskriptseite 87]

so fält 's ihm doch am wenigsten ein, sich ihnen nachzusezzen. Er fült Volkommenheiten, denen er zwar keine Namen geben kan, und dennoch vergnügen sie ihn. Wie mer er mit sich umgeht, wie genauer er sich durch die Entwiklung seiner Anlagen und Kräfte kennen lernt, desto stärker wird dieses Vergnügen.

 

[Ib-10-1780-0265]
Giebt's auch Augenblikke, wo er mit sich misvergnügt zu sein scheint, so ist's eben nicht so böse gemeint. Er würde mit der ganzen Welt nicht tauschen, wenn er nicht sein geliebtestes Selbst mit d in den verwechselten Zustand hinüber bringen dürfte. Auf Kosten desselben würde der verachteste Mensch nicht Kaiser, und der Ärmste nicht Krösus sein wollen. Das Bewunderungswürdigste bei allem diesem ist, daß, obschon die empfindenden Dinge durch eine unendliche Verschiedenheit von einander abwichen, und keines dem andern volkommen änlich ist, sich doch zulezt ein iedes am besten gefält.

 

[Ib-10-1780-0266]
Die Einbildungskraft vermert das ganze Vergnügen noch mer. Ihr Hauptgeschäft' ist, dieses Selbst mer auszuschmükken. Sie studirt alle Seiten ihres Lieblings Gegenstandes, um alzeit neue Volkommenheiten zu finden, oder sie in einem neuen Lichte zu zeigen; und wenn alles erschöpft ist, weis sie doch die Stufen davon zu erhöhen. Kaum hat sie die ersten Züge von irgend einer entdekt, stelt sie den ganzen Umris davon her. Sie weis aus einem Karakalla

 

[Manuskriptseite 88]

einen Alexander zu bilden, weil er den Kopf wie Alexander auf die Seit' hängen läst, aus dem heutigen Italiäner einen Skipio oder Käsar zu machen, weil er den Namen von ihnen trägt, oder den Boden betrit, den sie betraten, aus manchen einen Gelerten, weil sein Name sich in Us endet. Die Gewonheit macht, daß diese Begriffe zulezt nicht leicht mer von einander zu trennen sind, und ienes fest geglaubt wird, was Anfangs nur auf Geradewol gedacht worden. - S. 2-5.

 

[Ib-10-1780-0267]
2) Algemeine Bemerkungen über 's Selbstgefül.

 

[Ib-10-1780-0268]
"Iede Empfindung ist nichts anders als das verschiedentlich modifizirte Selbstgefül. Alles, was in der Sele vorgeht, ist Bewustsein entweder der Wirkung, die ein Ding ausser uns auf den Körper und die Sele macht, mit der Veränderung, die dadurch in dem Selbst hervorgebracht wird; oder einer solchen Veränderung, die ihren Grund in der Sele selbst hat, oder doch zu haben scheint. Diese Veränderungen sind in 's Unendliche möglich. Das Selbst hat also unzählige Seiten, und diese können wieder unter einer unendlichen Verschiedenheit und Verbindung mit einander von der Sele vorgenommen werden. Was für ein Wunder, ein Ding, das Empfindung hat! Hieraus ergiebt sich von selbst, daß durch angeneme Empfindungen 's Vergnügen, womit 's Selbstgefül

 

[Manuskriptseite 89]

ordentlicherweis' umgeben ist, nicht verdrungen, sondern nur erweitert und verstärkt wird. Eben so geht's mit den unangenemen. Das Vergnügen des Selbstgefüls hört nicht auf, sondern beide vermischen sich mit einander, und dadurch entsteht eine mitlere Empfindung zwischen reinen Vergnügen und Misvergnügen, welche oft der Sel' angenemer ist, als reines Vergnügen.

 

[Ib-10-1780-0269]
Iedes Vergnügen entsteht also eigentlich aus dem Gefül' eigner Volkommenheit, und iedes Misvergnügen aus dem Gefül' eigner Unvolkommenheit: Nichts geschieht öfter als daß wir uns in Ansehung der Ursach' unsers Vergnügens irren. Unser erster Anspruch an die Ding' ausser uns geht dahin; daß sie uns in unserm natürlichen dem Selbstgefül anklebenden Vergnügen durch sinliche Unvolkommenheit nicht irre machen. Wenn nur dieses unterbleibt, so gefallen sie uns gewis, oder vielmer, wir gefallen uns selbst, und durch den verzeihlichsten Selbstbetrug schreiben wir 's den Dingen von aussen zu. Daher geschieht's, daß die Menschen an der nämlichen Sach' in verschiednen Umständen blos Gefallen, bald Misfallen fallen haben, daß in dem nämlichen Haus' über die nämliche Sache der eine lacht, der andre weint, der dritte ganz gleichgültig bleibt. La Bruyere hat Recht, wenn er sagt, das sicherste Mittel sei, andern im Umgang zu gefallen, wenn man macht, daß sie sich selbst gefallen.

 

[Manuskriptseite 90]

[Ib-10-1780-0270]
Dies bleibt auch war bei den Gegenständen, bei deren Dasein das Selbstgefül eine wirkliche Veränderung leidet. Sind sie sinlich, so wirken sie auf den Körper, der dadurch entweder volkommener oder unvolkommener wird! Sind sie nicht sinlich, als z. B. grosse Geisteskräfte, erhabne Gesinnungen pp. so können sie uns nicht gefallen, wenn wir sie nicht anschauend denken, d. i., wenn wir nicht die grossen Gesinnungen auf eine Zeitlang selbst annemen, wenn wir den grossen Gedanken nicht mitdenken. Oft entsteht's Vergnügen zugleich von sinlichen und nichtsinlichen Gegenständen z. E. wir erinnern uns bei einem schönen Gegenstand' an die Kräfte der Natur oder des Künstlers, so denselben hervorgebracht haben. Auch hier können wir kein Vergnügen haben, wenn wir nicht ein Gefül anlicher Kräft' in uns hervorbringen. Daher ist 's Vergnügen des Kenners so verschieden von demienigen, das einer fült, der nicht in den Geheimnissen der Kunst eingeweiht ist, weil 's ihm leichter ist dise Kräft' anschauend zu denken. Oder fülen wir auch eigne Geisteskräfte dadurch, weil unser Verstand oder Einbildungskraft sich mit dem Gegenstand beschäftigt, demselben nun teilweis, nun im Ganzen betrachtet. ?

 

[Ib-10-1780-0271]
Unsre Schlüsse gehen bei den Empfindungen und Gefülen nicht von der Ursach' auf die Wirkung, sondern von der Wirkung auf die Ursache. Das

 

[Manuskriptseite 91]

ist, wir urteilen nicht, daß ein Ding uns gefallen müsse, weil's schön und volkommen ist, sondern weil 's uns gefält, urteilen wir, daß es schön ist. - Ie mer ein Ding uns gefält, desto mer Schönheit und Volkommenheit legen wir ihm one weitere Untersuchung bei. So wie 's Wolgefallen steigt oder fält, steigt und fält auch unser Urteil von der Volkommenheit eines Dinges. Hieraus folgt folgendes. Weil 's Wolgefallen, welches in uns entsteht, es mag seinen Grund haben, worin 's wil, nicht abstrahirt, sondern sich auf 's ganze Selbst erstrekt, und so zu sagen um alle Teile desselben herum schlingt: so dünkt sich auch der Mensch ganz volkommen zu sein, so lang er Wolgefallen one Misfallen in sich verspürt, wenn 's auch seinen Grund nur in einer einzigen Volkommenheit hat. Er wird deswegen alzeit eine oder die andre Lieblingsvolkomenheit haben, worauf er sich das meiste zu gut tut. Diese ruft er hervor, und stelt sie vorn an, so oft man ihm seine Ansprüche strittig machen, oder so oft nur von weitem ein Gedanke von Unvolkommenheit in ihm selbst entstehen wil. Durch diese sucht er sich und andre zu bereden, daß er ganz volkommen sei, daß keine anzutreffen, die er entweder nicht besizt, oder doch ihr eine die ihr 's Gleichgewicht hält. - Wenn der andre nur einmal auf einer Seite gefält, so ist er ganz volkommen, und alle seine Handlungen werden gut geheissen, so lang es immer mög

 

[Manuskriptseite 92]

lich ist. Misfält er nur auf einer Seite, so ist er ganz unvolkommen, als wenn eine einzige Unvolkommenheit all' übrigen voraus sezte. Wir können keinen andern Grund angeben, als weil 's von Seiten des Wolgefallens, oder Misfallens keine Abstrakzion giebt, nach diesem aber das Urteil selbst, das wir von uns oder einem andern fällen, sich richtet. - Da Gegenstände, die wir gar nicht kennen, auch kein Wolgefallen in uns erregen können; sind wir nur zu ser geneigt, ihnen alle Volkommenheit abzusprechen. - -

 

[Ib-10-1780-0272]
Der Mensch sieht die Volkommenheit seines Selbst als notwendig an. Er glaubt nicht nur allein, daß er volkommen habe sein müssen; sondern er glaubt auch, daß ihm die nämliche Stuf' und Art der Volkommenheit, die er sich zudenkt, gebüret habe. Das ist, sein Selbst sol alzeit so beschaffen sein, daß es ihm Vergnügen, und sogar die Art des Vergnügens gewäre, die er wünscht. Weil aber dieses nicht sein kan, one daß auf die äusserlichen Umstände, in welche er gesezt ist, mit den innerlichen harmoniren, so macht er auch Anspruch auf diese. Sind sie wirklich vorhanden, wie er sie wünscht, so sieht er sie nur als Folgen seiner ursprünglichen Volkommenheit, und eine natürliche Mitgift seines Selbst an. Gewis wird noch keinem eingefallen sein, sich darüber zu besinnen, warum Er Her von

 

[Manuskriptseite 93.]

etliche mal hundert tausend Gulden, warum Er Prinz, warum Her und nicht Diener geworden sei. Nichts ist natürlicher als der Gedanke, daß es eben so habe sein müssen, daß er all' äussere Güter vielmer als einen Tribut ansieht, den die Natur und bürgerliche Geselschaft seinen Verdiensten entrichtet, als ein freiwilliges Geschenk; und wenn er andre unglüklich sieht, daß er glaubt, es ihnen sei ihr Recht widerfaren. - -" Seit. 7-16.

 

[Ib-10-1780-0273]
3) Über die Langweile.

 

[Ib-10-1780-0274]
"Eine iede Begierd' und Erwartung wird von einer heimlichen Unlust begleitet. Daher entsteht schon einige Unruh' in der Sele, und ein Zustand, zu dessen Bezeichnung unsre Sprache noch keinen Namen hat. (die Franzosen nennen ihn l'ennui) An dieses Verlangen schliest sich unmittelbar das Bestreben von Seiten der Sele, ihren Zustand zu verbessern. Bemerkt sie, daß ihre Kräfte nicht hinreichend sind, es auf der Stelle zu bewirken, so entsteht ein neuer Verdrus, der gleichfals keine Benennung hat. Iedes Bestreben der Kräfte, welche zu schwach sind, ihre Wirkung hervorzubringen, ist unangenem. Die lezten Bewegungen einer sterbenden Flamme sind auch dem Auge schon verdrüslich. Noch mer aber, wenn wir dieses unmittelbar an unsern eignen Kräften fülen, und wenn das Gefül unsrer Volkommenheiten in Gefar ist, zu erschen, one daß wir 's lebhaft genug erhalten können.

 

[Ib-10-1780-0275]
Zu diesem Zustande geselt sich leicht derienige, den wir Langweile nennen, das ist die Warnemung

 

[Manuskriptseite 94]

der Momente unsers Daseins. Weil der Begrif der Dauer, oder das Gefül der Fortsezzung unsers Daseins eines der einfachsten ist, so verträgt's sich nur zu leicht mit ienem Zustande, wo keine bestimte Volkommenheit gefült wird. An sich ist er zwar nicht verdrüslich, doch wird er meistens von Unlust begleitet, weil er die Warnemung der Schwäche des Selbstgefüls, und der Abwesenheit ienes Vergnügens, welches wir als unsern ordentlichen Zustand ansehen, nicht hindert. -" Seit. 26. 27.

 

[Ib-10-1780-0276]
4) Wirkungen der Einbildungskraft.

 

[Ib-10-1780-0277]
"Die Einbildungskraft bildet sich von iedem Dinge, das sie nur einigermassen kent, ein Ideal. Das Ding hat noch nicht alle Teile; sie sezt sie hinzu. Aber sie wil auch nicht irren. Was sie bildet, sol auch die Natur so bilden oder gebildet haben. Hieraus lassen sich folgende Erscheinungen erklären.

 

[Ib-10-1780-0278]
Manchen Menschen misfält der grosse Man, wenn er gegenwärtig ist, von dem sie in der Abwesenheit hohe Begriff' hatten. Man solte fast glauben, daß sie indessen grosse Entdekkungen müsten gemacht haben; aber nichts weniger als dieses. So bald sie von seinen Taten gehört, hat die Einbildungskraft sein Bild entworfen, one bei den angegebnen Zügen stehen zu bleiben. Felt hernach das mindeste daran, wenn er nicht so gros oder so klein, so dik oder dün ist, wie sie ihn gebildet, so möchte sie gern haben, man solte die ganze Achtung zurük nemen. Sie wil nicht gefelt haben, es mag kosten, was es wil; und damit sie 's nicht müsse zugeben, opfert sie

 

[Manuskriptseite 95]

eher 's Verdienst ihrem Bilde, als das Bild dem Verdienste.

 

[Ib-10-1780-0279]
Eben so ungern komt sie daran, etwas zuzusezzen, wenn sie 's versehen hat; und zwar schon mit dem Bilde fertig gew*rden gewesen ist, eh' sie genaue Kentnis von der Sach' erlangt hat. Denn auch nicht einmal one Schuld wil sie gefelt haben. Deswegen wird ein Mensch, dessen Verdienst anfängt bekant zu werden, alzeit Müh' haben, sich bei denen in Achtung zu sezzen, die ihn zuvor gekannt haben. Hingegen wird's ihm um so leichter bei auswärtigen fallen; weil diese sogleich sein Verdienst mit in 's Bild aufnemen, so sie sich von ihm machen.

 

[Ib-10-1780-0280]
Daher gefallen oder misfallen uns auch unter den Menschen merere, die wir doch nur von aussen kennen. Sie bleibt nie bei dem stehen, was in 's Aug' fält; sondern sie schaft, nachdem ihr 's Gesicht den Stof dazu darbietet, ein Selbst dazu, welches sie mit Kräften, Neigungen, Sentiments und Fertigkeiten versieht; und nach diesem beurteilt sie hernach den Menschen, oder vielmer ihr eigenes Geschöpf. Ein unreifes nicht genugsam bezeichnetes Gesicht misfält ihr, weil 's eben das für sie ist, als eine unvolständige Beschreibung, woraus sie kein Ganzes zu machen weis. Hingegen hat sie an geistreichen, viel sagenden Gesichtern wenigstens einiges Wolgefallen, solt' auch ein Böswicht darunter hervor blikken, weil sie sogleich ein Ganzes herzustellen im Stand' ist, und eigne Geschiklichkeit anbringen kan.

 

[Manuskriptseite 96]

[Ib-10-1780-0281]
Auf solche Art können einem Dinge gefallen, die entweder gar keinen, oder einen ser entfernten Einflus in eigne Glükseligkeit haben, wenn sich nur zuvor die Einbildungskraft damit beschäftigt hat." Seit. 42. 43. 44. 45.

 

[Ib-10-1780-0282]
5) Deutliche Begriffe erhöhen das Selbstgefül.

 

[Ib-10-1780-0283]
"Wenn 's auch fremde Gedanken und Gesinnungen sind, so weis sich doch die Sele bei 'm ersten Anblik dieselbe eigen zu machen. Bei der Betrachtung des Grossen dünkt sie sich selber gros zu sein. - Den Kritiker freut die Entdekkung der Feler in einem Werke, obschon sonsten all' Unvolkommenheit misfält. Die Ursache kan keine andre sein, als weil dadurch seine Kentnis deutlicher wird. S. 48. 49.

 

[Ib-10-1780-0284]
Es freut sogar den Menschen die Entdekkung eigner Schwachheiten, wenn er einmal angefangen hat, sich zu studiren. Ie tiefer sie im Herzen verborgen lagen, desto grösser ist sein Vergnügen, welches von nichts herrüren kan, als weil die Kentnis seiner Selbst volkommener wird, und dadurch 's Selbstgefül auf dieser Seite gewint, was es auf der andern durch die Schwachheiten selbsten verliert.

 

[Ib-10-1780-0285]
Die Deutlichkeit der Begriff' hat noch ein heimliches Vergnügen bei sich. Wenn der Mensch ein volkommenes Werk deutlich kent, so glaubt er gleich, er kön' es auch durch seine Kräft' herstellen. In einigen Fällen verhält 's sich wirklich so - aber nicht in allen. Sieht er hingegen die Feler in einem Werke, so

 

[Manuskriptseite 97]

glaubt er, er würd' es besser machen - und dieses vergrössert das Gefül seiner Kräfte. - Seit. 53. 54.

 

[Ib-10-1780-0286]
6) Warum Volkommenheit das Selbstgefül erhöht.

 

[Ib-10-1780-0287]
"Der Gegenstand veredelt die Vorstellung, die Vorstellung veredelt die Sele. Der Geist, der nur grosse und volkommene Dinge denkt, mus entweder schon gros, oder volkommen sein, oder 's in der Folge noch werden. - Dies ist so zu erklären.

 

[Ib-10-1780-0288]
Wenn ein Gegenstand um seinetwillen gefallen sol, mus er auf 's Selbstgefül anpassend sein, damit die Wirkung davon mit der Wirkung des Selbstgefüls in eine zusammen fliesse. Da aber 's Vergnügen, womit das Selbstgefül umgeben ist, blos allein aus dem in dasselbe eingeflochtenen Gefül' eigner Volkommenheit entspringt, so mus auch ein solcher Gegenstand ausser uns, der gefallen sol, volkommen sein, und wenigstens ein dunkles Gefül erregen, daß er das ist, was er sein sol. An entgegen gesezten Dingen, an Volkommenheit und Unvolkommenheit zugleich Vergnügen haben, ist eben so unmöglich, als widersprechende Dinge zugleich für war halten. -

 

[Ib-10-1780-0289]
Es kan volkommene Obiekte geben, one schön zu sein; nicht aber schöne one Volkommenheit. Unter eben ienem Himmelsstrich, wo die schönsten Menschen sind hervorgebracht worden, sind auch die volkommensten hervorgebracht worden; und so wie stufenweis von

 

[Manuskriptseite 98]

Griechenland und den Küsten Asiens bis zum Grönländer die gemässigte Luft abnimt, nemen auch die Selenkräft' ab: das mutige englische Ros, gleichwie 's an der Bildung andre übertrift, so auch an Geschwindigkeit und Herzhaftigkeit. -" S. 55. 56. 57.

 

[Ib-10-1780-0290]
7) Verschiedne Beobachtungen über den Menschen.

 

[Ib-10-1780-0291]
"Der Nachbar eines ieden ist ieder, der ihm am änlichsten ist, oder der die meisten Volkommenheiten und Eigenschaften mit ihm gemein hat, es mögen ware oder eigebildete sein. Ein ieder ist gleichsam dem andern sein Spiegel, worin er seine eigne Gestalt aufsucht; wie mer er davon findet, desto zufriedner ist er auch mit dem andern. Daher kömt die Neigung der Landsleute gegen einander. -" S. 62.

 

[Ib-10-1780-0292]
"Der Mensch ist auf eine gewisse Art genötigt, dasienige in andern zu schäzzen, was er an sich schäzt. Weil änliche Ursachen auch änliche Wirkung hervor bringen müssen. Wenn er fremde Volkommenheit schäzt, nachdem sie den seinigen änlich sind, schäzt er vielmer sich selbst. In eben dem Grade, als er sie erhöht, steigen die seinigen. So oft er der fremden ansichtig wird, wird er auch der seinigen ansichtig. - Fremde Unvolkommenheit gefält uns sogar, wenn sie uns an eigne Volkommenheit erinnert, weil sie alsdan, wie der Schatten 's Licht, unsre eigne erhebt. ?" S. 64. 65.

 

[Manuskriptseite 99]

[Ib-10-1780-0293]
"Wiz und Verstand sind iedem wilkommen, weil ieder auf grosse Selenkräft' Anspruch macht. Nur ist das Schlimste, daß sich ieder einen eignen Wiz nach seinen Kopf modelt, nach welchen er allen fremden beurteilt. Dumköpfe werden sich daher alzeit zusammenhalten, und unter tausenden einander unterscheiden." S. 68.

 

[Ib-10-1780-0294]
"Niemand liebt, der sich nicht selbst liebendwürdig zu sein glaubt, und wenn er 's nicht ist, so wird er sich alle Mühe geben, um sich liebenswürdig zu machen." Seit. 81.

 

[Ib-10-1780-0295]
"Gleichwie man eine Sympatie oder eine Neigung zum Mitleiden bei 'm Menschen annimt, so könte man eine ebenso natürliche Synergie oder einen Trieb zum Mitwirken bei demselben annemen. Fremdes Leiden erwekt bei ihm Leiden, one, daß er noch den Grund davon einsieht, also auch erwekt der Gebrauch fremder Kräfte seine eigne zum Wirken, one, daß er Beweggründ' hat. Ein Kind schreit, wenn 's ein anders schreien hört, und eben so wird 's zum Springen und Laufen gereizt, wenn's andre springen oder laufen sieht. Eitelkeit und Eigennuz befördern diesen Trieb. Man wil nicht weniger Vermögen, als andre, um dessen sich und andre zu überzeugen, macht man änliche Versuche seiner Kräfte. Man wil kein Gut vermissen, was sie besizzen, man ahmt also ihrem Beispiele nach, als wenn eben das für ieden andern gut sein müste, was für sie gut ist. - -" Seit. 121.

 

[Manuskriptseite 100]

[Ib-10-1780-0296]
"Der Einflus, welchen die Urteil' andrer in 's unsrige haben, ist bewundernswürdig , besonders wenn sie von mereren unterstüzt werden, oder wenn wir sie oft hören müssen. Die wenigsten Menschen sind im Stande lang dagegen auszuhalten, wenn sie nicht von einer andern Seite verwart werden. Die Gefüle sogar können dadurch geschwächt oder gar verdrungen werden. Paskal behauptet, daß, wenn man einem immerfort sagte, er sei närrisch und verrukt, er 's zulezt glauben würde. -" Seit. 166.

 

[Ib-10-1780-0297]
"So wenig als der Mensch sich bereden kan, daß er unvolkommener als andre, so wenig kan er sich bereden, daß er unglüklicher sei." S. 169.

 

[Ib-10-1780-0298]
"Die Einbildungskraft wirkt oft dan am stärksten, wo man's am wenigsten vermuten solte. Sie baut Schlösser in die Luft; und schweift auf die wunderbarste Art aus. Die Untätigsten unter den Menschen sind diesem Gedankenspiele mer ergeben, als grosse und feurige Geister. Die leztern müssen narhaftere Gedanken haben. Nur solche freuen sie, deren Gegenstände noch zum Wirkungskreis ihrer Kräfte gehören. Sie sind zu ser mit nähern Absichten, die ihnen Stof zur wirklichen Verwendung ihrer Kräfte darbieten, beschäftigt. Man kan daher behaupten, daß bei untätigen Menschen, die sonst noch so klein zu sein scheinen, das Gedankensystem meistens weitschichtiger sei, als bei grossen Geistern.

 

[Manuskriptseite 101]

[Ib-10-1780-0299]
Wenn ein solcher auch zulezt seine Proiekten den Winden Preis giebt, so bleibt doch meistens iener höhere Ton, worauf 's Selbstgefül dadurch ist gestimt worden, zurük, so wie 's Saiteninstrument auf dem Ton stehen bleibt, den man ihm wärender Musik gegeben hat, und denselben bei der ersten Bewegung wieder von sich giebt.

 

[Ib-10-1780-0300]
Wenn es nur iienes nicht dazu kömt, daß er ganz glaubt ienes zu sein, was er so oft gedacht hat, und nur nicht so offenherzig ist, daß er sich hierüber blos giebt, eine Sache, die bei einer gewissen Beschaffenheit der Nerven leicht geschehen kan, daß sie die Lage, in die sie zu oft sind gebracht worden, nicht wieder faren lassen. Alsdan wird man für ihn besorgt sein, ihm einen andern Ort zu seinem Aufenthalt anzuweisen, und iene werden sich am meisten über ihn wundern, welche ihm am meisten gleichen.

 

[Ib-10-1780-0301]
Man wird leicht hieraus sehen, daß der Unterschied zwischen einem förmlichen Narren, und dem nächst angränzenden Gekken eben nicht so gros sei, als man sich gemeiniglich einbildet, daß er meistens nur in der Offenherzigkeit des einen, und in der Bescheidenheit des andern bestehe, der die Kunst besizt, nicht so deutlich merken zu lassen, was er sich dünkt zu sein. Wenn nur nichts dazwischen kömt, dessen Falschheit iederman in die Augen fält, so wird ihn 's Publikum noch immer seiner Geselschaft würdig halten.

 

[Ib-10-1780-0302]
Aus dem verschiednen Verhältnisse der wirklichen

 

[Manuskriptseite 102]

Kräfte, und der verschiednen Wirkung der Einbildungskraft müssen auch verschiedne Stellungen, Mischungen und Nüanzen entstehen, also daß es viel leichter sein mus, das ganze Naturreich mit allen Insekten gehörig zu klassifizieren, als alle Gekken in ihre gehörige Ordnung zu bringen. - - " Seit. 171 -173.

 

[Ib-10-1780-0303]
XIIII.

 

[Ib-10-1780-0304]
Franz Bakon's , Groskanzlers von Engelland, moralische, politische und ökonomische Versuche, nebst einigen andern Abhandlungen von änlichem Inhalt. Aus dem Lateinischen übersezt. Breslau, Torn und Leipzig, im Verlag George Gotlieb Horn's, 1762.

 

[Ib-10-1780-0305]
1) Moralische und a. Bemerkungen.

 

[Ib-10-1780-0306]
"Wenn man es recht erwägt, so sagt derienige, welcher von einem Menschen spricht, daß er lügt, zugleich auch, daß er kün gegen Got, und furchtsam gegen die Menschen ist. Denn ein Lügner beschimpft auf eine verwegne Art Got, und schmieget sich vor den Menschen." S. 12. 13.

 

[Ib-10-1780-0307]
"Die Menschen fürchten sich vor 'm Tode, wie die Kinder vor der Finsternis, und wie diese natürliche Furcht bei den Kindern noch durch schrekhafte Märchen vermert wird, also geht's auch mit iener." - - Seit. 13.

 

[Ib-10-1780-0308]
"Daraus, daß die Ablösung eines Gliedes Schmerzen verursacht, folgt nicht, daß die Auflösung des ganzen Körpers

 

[Manuskriptseite 103]

bei'm Tode noch grössere versursachen wird - sie sind vielmer geringer, denn die Teile, welche vorzüglich zum Leben gehören, sind nicht die empfindlichsten. Der Pomp des Todes verursacht mer Schrekken, als der Tod selbst. Das Ächzen und Röcheln, die Verzukkungen der Glieder, die Blässe des Gesichts, weinende Freunde, ein schwarzes Leichengefolge, und dergl. das sind die Dinge, welche den Tod auf der schreklichen Seite zeigen. Es verdient besonders angemerkt zu werden, daß keine Leidenschaft so schwach ist, welche die Furcht des Todes nicht besiegen und in Ordnung bringen könte. Der Tod ist also kein so furchtbarer Feind, da der Mensch so viel Streiter um sich hat, die ihn im Kampf' überwinden. Die Rache triumphirt über den Tod; die Liebe schäzt ihn geringe; die Ere strebt nach ihm, die Furcht vor der Schande wält ihn, der Gram flieht zu ihm, die Furcht komt ihm zuvor. - Sterben ist dem Menschen eben so natürlich, als geboren werden, und vielleicht empfindet ein Kind nicht geringere Schmerzen bei diesem, als bei ienem." - Seit. 14. 15.

 

[Ib-10-1780-0309]
"Warum mordet man, um eine Religion auszubreiten, die die Liebe gebietet? - Es ist eben so, als wenn einer den H. Geist in Gestalt, nicht einer Taube, sondern eines Geiers oder Rabens herabkommen liesse; oder auf dem Schiffe der Kirche die Flagge der Seräuber und Meuchelmörder aufstekte." S. 23.

 

[Ib-10-1780-0310]
"In Rächung des Unrechts macht man sich seinem Feinde gleich; in Vergebung desselben aber sezt er sich über denselben weg. - -" Seit. 24.

 

[Manuskriptseite 104]

[Ib-10-1780-0311]
"Gewis, die Tugend hat etwas änliches mit gewissen kostbaren und wolriechenden Spezereien, welche den stärksten Geruch ausbreiten, wenn sie entweder angezündet oder zerstossen werden. Denn das Glük zeigt uns meistenteils die Laster der Menschen, das Unglük d* ihre Tugenden." Seit. 28.

 

[Ib-10-1780-0312]
"Die Freuden der Ältern sind verborgen, eben so wie ihre Leiden; iene können sie nicht mit Worten ausdrükken, und diese wollen sie nicht. Gewis die Kinder machen die Arbeiten ser angenem, die Unglüksfäll' aber auch ser bitter. Sie vervielfältigen die Sorgen des Lebens, aber sie lindern auch 's Andenken des Todes. Die unaufhörliche Fortpflanzung seines gleichen ist auch den Tieren eigen gemein; aber die Ewigkeit des Andenkens, der Verdienst' und Taten, ist nur den Menschen eigen. Und man wird finden, daß die edelsten Werk' und Stiftungen von Personen, die keine Kinder gehabt, sich herschreiben, die ihre Sorge dahin gerichtet, Abdrükke von ihrer Sele darzulegen, da sie keine Bilder, die ihrem Körper änlich waren, hinterliessen. Daß also die am meisten für die Nachkommenschaft bemüht sind, die one Nachkommenschaft sind." S. 34.

 

[Ib-10-1780-0313]
"Wer selbst keine Tugend besizt, der beneidet die Tugend eines andern. Denn die Gemüter der Menschen ergözzen sich entweder an ihrem eignen Wol, oder an fremder Übel: welchem die erste Narung mangelt, der wird sich an der andern sättigen; und

 

[Manuskriptseite 105]

der, der auf keine Art sich Hofnung machen kan, daß er die Tugend eines andern erreichen werde, der erniedrigt gern die vorteilhaften Umstände desselben, damit die Verschiedenheit nicht gar zu gros ist. -

 

[Ib-10-1780-0314]
Der Neid ist eine herumschwärmende Leidenschaft, der beständig auf den Strassen herumgeht, und sich nicht zu Haus' hält. Man findet keinen Neugierigen, der nicht zugleich neidisch wäre.

 

[Ib-10-1780-0315]
Ungestalte, verschiedene, alte, unehlig gezeugte Personen sind neidisch. Denn der, welcher auf keine Art seine Umstände verbessern kan, der wird sich alle Mühe geben, die Umstände des andern herunter zu sezzen.

 

[Ib-10-1780-0316]
Wer in vielen Dingen Vorzüge besizzen wil, mus notwendig neidisch sein. Denn überal werden ihm Gegenstände des Neides in den Weg kommen; da 's nicht möglich ist, daß nicht einige ihn in so vielen Sachen übertreffen solten. - -

 

[Ib-10-1780-0317]
Der Neid ist nicht one Vergleichung; wo aber kein Grad der Vergleichung Stat findet, da ist auch kein Neid. Daher werden Könige nicht beneidet; ausser von Königen.

 

[Ib-10-1780-0318]
Die, welche stufenweis' erhoben werden, werden nicht so ser beneidet, als die durch einen Sprung zu Erenstellen gelangen.

 

[Ib-10-1780-0319]

Der Neid ist unter allen Affekten der ungestümste und am meisten anhaltend. Denn andre Affekten

 

[Manuskriptseite 106]

werden manchmal durch äussere Veranlassungen erregt; aber von dem Neid' hat man mit Recht gesagt: er feire keine Festtage: weil er alzeit Materie sich zu äussern findet. Daher ist auch angemerkt worden, daß die Lieb' und der Neid den Menschen mager mache; welches andre Affekten nicht tun; weil sie nicht beständig fortdauren. Der Neid ist unter allen der niederträchtigste. -" Seit. 40-47.

 

[Ib-10-1780-0320]
"Das ist das sicherste Kenzeichen eines edlen Geistes, wenn Erenstellen ihn verbessern." S. 56.

 

[Ib-10-1780-0321]
"Die Künheit ist stets blind, denn sie sucht keine Gefar und Hindernisse; daher ist sie bei Beratschlagungen schädlich, bei Unternemungen aber nüzlich. Daher wenn man die Künen sicher brauchen wil, mus man ihnen nicht die höchste Herschaft anvertrauen; man mus ihm sie in die ho* andre Klasse sezzen, und sie müssen von andern regirt werden. Denn in Fassung der Anschläg' ist 's vorteilhaft, die Gefar vor Augen zu haben; in Ausfürung derselben aber mus man die Augen zuschliessen ausgenommen, wenn die Gefar alzugros ist." Seit. 59. 60.

 

[Ib-10-1780-0322]
"Es ist onstreitig ein elender Zustand des Gemütes, wenig haben, das man wünscht, und viel, das man fürchtet; und doch ist dieses den Königen eigen, welche auf der höchsten Stufe der Hoheit sich befinden, und nichts weiter haben, nach was sie streben solten, welches ihre Gemüter ser schlaf macht; hingegen aber haben sie viel' in ihrer Sel' aufsteigende Bilder von

 

[Manuskriptseite 107]

Gefaren und herunterflatternder Schatten, welches verursacht, daß ihre Gemüter minder heiter sind. Daher sind die Gemüter der König' unerforschlich. Denn die Menge von Argwon, und die Abwesenheit eines herschenden Affekts, welcher die übrigen bestimt, macht, daß das Gemüt eines ieden schwer zu erforschen ist. Daher fliest auch ienes: daß die Könige sich öfters selbst Begierden schaffen, und auf Kleinigkeiten ihre Neigung werfen. - Die menschliche Sele wird mer aufgemuntert, und ergözt, indem sie in Kleinigkeiten weiter fortschreitet, als wenn sie bei ser grossen Dingen stehen bleibt." - Seit. 91. 92.

 

[Ib-10-1780-0323]
"Die gröste Eigenschaft eines Prinzen ist, die Seinen zu kennen. -" Seit. 103.

 

[Ib-10-1780-0324]
"Die Gefaren sind nicht mer geringe, wenn sie geringe zu sein scheinen, und 's giebt weit mer Gefaren, die den Menschen hintergangen, als ihm Gewalt angetan haben. Ia 's ist besser, einigen Gefaren gleichsam mitten auf dem Weg' entgegen zu gehen, als ihre Bewegung und Annäherung beständig zu untersuchen und zu beobachten. Denn wer alszu wachsam ist, der schläft mannigmal ein. -" Seit. 107. 108.

 

[Ib-10-1780-0325]
"Eine iede Medizin ist eine Neuerung, und wer neue Mittel nicht annemen wil, der mus neue Übel erwarten." S. 118.

 

[Ib-10-1780-0326]
"Der Schmeichler kan einen andern nicht schädlicher sein, als ein ieder sich selbst ist. - Das beste Mittel dagegen ist, einen freimütigen Freund zu haben." Seit. 133.

 

[Manuskriptseite 108]

[Ib-10-1780-0327]
"Der Verdacht ist unter den Gedanken das, was unter den Vögeln die Fledermäuse sind. Sie fliegen niemals als bei dämmernden Licht. Man mus sie in der Tat unterdrükken, oder wenigstens behutsam bei sich behalten: denn sie benebeln die Sele; entfernen von uns die Freund' und unterbrechen die Geschäfte, so, daß sie weder mit der gehörigen Geschwindigkeit noch Beständigkeit können unternommen werden. Sie machen die Könige zur Tirannei, die Männer zur Eifersucht, auch Kluge zur Wankelmut und Melancholie geneigt. Der Verdacht aber ist nicht so wol ein Feler des Herzens als des Gehirns; denn er findet auch bei den tapfersten stat. - Bei furchtsamen hat er alzu grosse Stärke. Nichts macht den Menschen mer argwönisch, als wenn er wenig weis. Denn der Verdacht erhält seine Narung von Rauch und Finsternis." - Seit. 160. 161.

 

[Ib-10-1780-0328]
"Wenn man zuweilen seine Einsicht in solchen Dingen geschikt zu verbergen fähig ist, von denen 's mer als wahrscheinlich ist, daß man sie weis; so werden uns andre auch alsdenn zutrauen, daß wir das wissen, was uns wirklich unbekant ist." - S. 164.

 

[Ib-10-1780-0329]
Der, welcher auf seinem Todenbette Vermächtnisse macht, verschenkt mer etwas Fremdes als etwas Eigenes. - -" Seit. 177.

 

[Ib-10-1780-0330]
"Ein alzu geschwindes Glük macht Personen, die Grosses unternemen, und etwas unruhige Köpfe:

 

[Manuskriptseite 109]

aber ein Glük, welches stufenweise geht, bildet kluge und erliche Leute. -" S. 189.

 

[Ib-10-1780-0331]
"In der Iugend eines Stats blühen die Waffen; im mitlern Alter die Wissenschaften, und hernach einige Zeitlang pflegen diese zwei zusammen zu blühen: im hohen Alter aber die mechanischen Künst' und die Handlung. -" S. 272. 273.

 

[Ib-10-1780-0332]
"Die Mängel und Feler lernt man am besten von den Feinden, die vorzüglichen Eigenschaften und Fähigkeiten von Freunden; die Sitten und die bequemen Seiten von den Bedienten; die Meinungen und Gesinnungen von den Vertrauten, mit denen sie öfters sich unterreden. Der gemeine Ruf ist von keiner Betrachtung, und die Urteile der Obern sind nicht gewis; denn in ihrer Gegenwart betragen sich die Menschen zurükhaltend. Der Ruf, welcher von den Bedienten herkomt, hat immer Wares. - - -" Seit. 333.

 

[Ib-10-1780-0333]
"Die Verstellung erzeugt Irtümer, welche selbst den, der sich verstelt, verstrikken." - Seit. 344.

 

[Ib-10-1780-0334]
"Das Nichtbeschliessen ist wirklich auch ein Beschliessen. - Der Geizige wil sein Vermögen nicht geniessen, damit er's nicht vermindere: und der Unentschlossene wil nichts unternemen, damit alles in Absicht auf seine Umständ' in der richtigen Verfassung bleibe -" S. 370. 371.

 

[Manuskriptseite 110]

[Ib-10-1780-0335]
XV.

 

[Ib-10-1780-0336]
Philosophische Gespräch' über die unmittelbare Bekantmachung der Religion und über einige unzulängliche Beweisarten derselben. Berlin, bei August Mylius, 1773.

 

[Ib-10-1780-0337]
1) Von felerfreien Büchern.

 

[Ib-10-1780-0338]
"Ein Werk one Feler, wenn ein solches möglich wäre, müst' einen mittelmässigen Kopf zum Verfasser haben. -" S. 8.

 

[Ib-10-1780-0339]
2) Über's Recht haben. – -

 

[Ib-10-1780-0340]
"In einem Streite, wo man blos Warheit sucht, bleiben am Ende beide, der Überwinder und der Überwundne Sieger, iener über einen fremden, dieser über seinen eignen Irtum." S. 29.

 

[Ib-10-1780-0341]
3) Auszug aus dem ersten Gespräche dieses Buches, welches die Frag' enthält: "ob's zu einer rechten Anname der Religion hinreichend sei, überhaupt zu wissen, daß sie von Got sei; oder ob man auch die Art und Weis' ihrer Bekantmachung wissen müsse. "

 

[Ib-10-1780-0342]
Ich werde blos einen Auszug machen Ich werde blos einen Auszug machen] Anmerkung Jean Pauls (?), mglw. erstes Indiz für freiere, nicht mehr wörtlich abschreibende Exzerpiertechnik - MIWI, und das Gute kurz zusammenzudrängen suchen. Man wird die gute Schreibart dieses Buchs darin wol vermissen; aber vielleicht den Faden der Beweise immer in Händen haben. Nur da, wo's nötig ist, wird man des V. Wort' anfüren.

 

[Ib-10-1780-0343]
Mus der, der das Licht des Tages brauchen wil, vorher wissen, woher 's komt, ob seine Quelle, die Sonne, sich um uns, oder wir uns um sie wälzen? Damit der Wandersman seinen Pfad nicht verfele, mus er vorher mit den Syste

 

[Manuskriptseite 111]

men eines Ptolemäus, Kopernikus, bekant sein? Können wir nicht die Güter dieses Lebens geniessen, one ihre Quellen zu kennen? Und ist 's mit den Gütern meiner Sel' anders beschaffen? Ich kann mich der Bewegungsgründe bedienen, die mir Got zum Fortkommen in der Tugend gegeben hat, one zu wissen, durch welche Veranstaltung sie mir zu Teil werden. Ist's nun nicht mit der Religion eben so beschaffen? - Diesem auszuweichen, gebrauchte man diese Gleichnis: Ein Kranker nimt nichts zu sich, wenn er nicht weiß, daß es von seinem Arzt, von einem seiner Freund' herkomme. Eben so sind wir eigensinnige Kranke. Die Religion sol uns heilen: aber würden wir uns zur Anname derselben bequemen, wenn wir nicht gewis wären, daß sie unmittebar von Got zu unsrer Wiedergenesung geschikt sei? So spricht man. Ich wil den Hermogenes den Beweis dieses Einwurfs noch besser aus einander sezzen lassen, der aber vielleicht Agatokles wiederlegen wird.

 

[Ib-10-1780-0344]
Hermogenes.

 

[Ib-10-1780-0345]
Ihr Gleichnis scheint mir nicht passend genug. Wir geniessen wol leibliche Güter, one ihre Quelle zu kennen; aber nicht geistliche. Zwischen beiden ist ein himmelweiter Unterschied. "Iene sind sinlich und gewären uns sinliches Vergnügen; diese können nur durch den Verstand den Weg zum Herzen nemen. Die sinliche Lust, welche iene gewären, ist sogleich mit ihnen da und macht die Sele trunken; die reine Wollust hingegen, welche die Warheiten der Religion bei ihrer An

 

[Manuskriptseite 112]

wendung mit sich füren, vermält sich langsam mit der Sele, und wird nicht sogleich in ihrer ganzen Süssigkeit empfunden. Macht's Ihnen diese Parallele nicht deutlich, daß wir nach ienen begierig sein können, one uns darum zu bekümmern, woher sie kommen, und daß wir hingegen zur willigen Annemung dieser, gleich einer herben Arzenei, erst des Bewegungsgrundes bedürfen, daß sie von Got selbst uns zugesandt sind?

 

[Ib-10-1780-0346]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0347]
Keine Verwechselung der Begriffe; ich bitte ser! Erst wolten sie mir beweisen, daß die Menschen, one die Überzeugung von der unmittelbaren Bekantmachung der Religion von Got, diese Religion nicht annemen würden, und iezt beweisen Sie nur, daß die Menschen die Religion nicht annemen würden, wenn sie nicht vorher wüsten, daß sie überhaupt von Got sei. Ist das nicht zweierlei? Hat derienige, welcher zeigt, man müsse glauben, daß die Religion von Got sei, nun auch schon bewiesen, daß man die Art und Weise wissen müsse, wie sie von Got sei? Das erste haben sie gezeigt; aber's andre? -

 

[Ib-10-1780-0348]
Hermogenes.

 

[Ib-10-1780-0349]
Wissen, daß eine Religion von Got sei, kan ein bedächtiges Gemüt zwar auf sie aufmerksam machen; aber wissen, daß sie von Got mit erstaunenswürdigen Wunder vom Himmel geschikt sei, dies prägt sich tief in die Sele. Und dieses Mittel, die Religion den Menschen so annemungswürdig zu machen, solten wir verschmähen?

 

[Manuskriptseite 113]

[Ib-10-1780-0350]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0351]
Aber wie, wenn dies Mittel gar nicht nötig wäre? - Wir wollen sehen. Man trage die Religion geläutert von den Zusäzzen finsterer Priester vor - man stelle sie in ihrem götlichen, aber einfachen Schmukke vor, wie sie ein Segen für's Menschengeschlecht, wie sie so erhaben, so mild, so woltätig ist - - und sehe dan, ob man eine Lere, die auf den unumstöslichsten Grundsäzzen der Vernunft beruht, das Werk eines Betrügers sei. Ieder wird glauben, sie habe ihren Ursprung Got zu danken. Die Frage, wie sie Got uns gegeben habe, interessirt uns in unsern Tagen wenig mer. Got hat genug getan. daß er sie mit so vielen untrüglichen Kenzeichen ihrer Götlichkeit beschenkt hat - was braucht's mer?

 

[Ib-10-1780-0352]
Hermogenes.

 

[Ib-10-1780-0353]
Ist die Religion nicht durch die Wunder, die ihre Herabkunft vom Himmel beweisen, den Menschen viel zuverlässiger, faslicher und annemungswürdiger geworden? Ich bin gewis versichert, wenn Ihr Verstand diese mutmaslichen Vorteil' in ihrem wesentlichen Urstof auflösen wolte, daß Sie ihren waren Gehalt nicht verkennen würden.

 

[Ib-10-1780-0354]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0355]
Ich wil Ihnen der Warheit unverdrossen nachgehen. - Darin müssen Sie mit mir einstimmig sein, daß man die Warheit einer Sach' an sich selbst betrachtet, von der Warheit der Vorstellung daran in unsrer Sele, und diese Warheit der Vorstellung wiederum von der Kraft, welche die Vorstellung auf unser Begerungsvermögen äussert,

 

[Manuskriptseite 114]

sorgfältig unterscheiden müsse, und daß also z. B. eine Sach' an sich selbst gewis, unsre Vorstellung aber davon ungewis sein kan; und wiederum, daß man eine ware Vorstellung in der Sel' habe, und sie als richtig erkennen könne, one daß sie dabei auf unsern Willen wirken müsse. - Um diese Bemerkungen auf' unsre Sach' anzuwenden, wollen wir unsre Untersuchung in drei Fragen zerfallen lassen. Die erste: kan die Religion dadurch, daß sie von Got unmittelbar geoffenbart und durch Wunder bestätigt worden, an sich selbst gewisser werden? Die andre: kan die Überzeugung der Menschen dadurch gestärkt werden? Und dan die dritte: Können die Leren einer Religion, in deren Verfassung selbst die stärksten Beweis' ihrer Warheit vor Augen liegen, dadurch, daß sie unmittelbar von Got geoffenbart und durch Wunder bestätigt worden, mit grösserer Kraft auf unsern Willen wirken? - Die erste dieser Fragen ist leicht beantwortet. Eine Warheit bleibt Warheit - sie ist ewig und unveränderlich, wie's Wesen der Ding' überhaupt. Wunder werden eine Warheit an sich nicht warer machen. Also wird die obiektive Warheit der Religion durch Wunder nicht vermert.

 

[Ib-10-1780-0356]
Hermogenes.

 

[Ib-10-1780-0357]
Völlig recht haben sie die erste Frage beantwortet. Aber in Absicht auf die subiektive Warheit der Religion? - Niemand, der nur einigermassen die Schranken des menschlichen Verstandes kent, wird beiahen, daß Wunder uns eine Religion nicht annemungswürdiger, nicht glaubenswür

 

[Manuskriptseite 115]

diger machen können. Wie wenig wissen wir mit Gewisheit! Selbst Grundsäzze der Vernunft, die gewis demonstrirt zu sein scheinen, bezweifelt man. Und in Religionssachen wollen wir so gewis sein, one Wunder zum Beweise derselben zu brauchen? Würden wir nicht noch mer überzeugt werden, wenn der Her der Natur zur Bestätigung dieser Warheiten selbst redete? Wenn er plözlich die Sonn' in ihrem Lauf aufhielte - wenn er den Todten aus den Gräbern vorzugeh'n und unter den Lebendigen zu wandeln geböte? Wenn -

 

[Ib-10-1780-0358]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0359]
Verschwenden Sie Ihre Beredsamkeit nicht, mich von einer Sache zu überfüren, von der ich so inniglich überzeugt bin, daß ich sie sogleich zum Beweisgrunde der Beiahung unsrer dritten Frag' anwenden werde. Die Warheiten der Religion werden um desto kräftiger auf unsern Willen wirken, ie deutlicher, ie gewisser wir sie einsehen lernen, ie geschwinder und anschauender unsre Erkentnis davon gemacht wird. Beides kan durch Offenbarung und durch Wunder bewerkstelligt werden. Wenn Got unmittelbar zu den Menschen redet, so wird ihre Religion die höchste Gewisheit erhalten - durch Wunder wird 's Urteil des reinen Verstandes in eine anschauende Vorstellung verwandelt, und dadurch bis zur Geschwindigkeit der sinlichen Erkentnis beflügelt werden. Grosse Vorteile! Wie ser mus iezt die Religion wirken! Auch hier bin ich nicht mit Ihnen eins.

 

[Ib-10-1780-0360]
Hermogenes.

 

[Ib-10-1780-0361]
Vortreflich! Sie haben meine Erwartung übertroffen. Nun sehen Sie's bisherige als Prämissen an, und ziehen

 

[Manuskriptseite 116]

Sie geschwind die Folge daraus, die Sie noch kurz vorher zu leugnen wagten!

 

[Ib-10-1780-0362]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0363]
Also wär' es zur Befestigung unsrer Überzeugung von der Warheit der Religion, und zur Vergrösserung des Einflusses ihrer Leren auf die Ausbesserung unsers Herzens überaus nüzlich, wenn unser Schöpfer selbst einen ieden einzelnen Menschen, zu allen Zeiten, durch eine Stimme vom Himmel, unter augenscheinlichen Wundern, in der Lere zur Glükseligkeit unterrichten wolte.

 

[Ib-10-1780-0364]
Hermogenes.

 

[Ib-10-1780-0365]
Wo geraten Sie hin, mein Freund!

 

[Ib-10-1780-0366]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0367]
Da, wohin mich unsre Prämissen füren. Wenn etwas daraus gefolgert werden sol: so mus es das sein, was ich gesagt habe, oder 's folgt überal gar nichts daraus. Nach unsrer armen wilkürlichen Vorstellung scheint freilich auch das, was dieser Schlus enthält, war zu sein; scheint's freilich, als wenn 's gut wäre, wenn die Vorsehung dieses Mittel unaufhörlicher Wunder anwendete, um uns zu bessern: aber der Fürsehung scheint's nicht so, wie wir aus dem Erfolge sehen. Also mus unser Schlus sicher falsch sein.

 

[Ib-10-1780-0368]
Hermogenes.

 

[Ib-10-1780-0369]
Ich mus es selbst wider meinen Willen eingestehen, daß Sie Recht haben, und daß aus unsern Vordersäzzen wirklich nichts weiter gefolgert werden kan, als daß Offenbarungen und Wunder nur für dieienigen, vor deren Augen sie veranstaltet werden, eine unmittelbare grössere Überzeugung und Verbindlichkeit

 

[Manuskriptseite 117]

zur Anname der dadurch bekant gemachten Religionswarheiten mit sich füren. Aber wir wollen dabei nicht stehen bleiben, sondern weiter untersuchen, ob nicht die historische Fortpflanzung dieser wundervollen Begebenheiten, die sich bei der Bekantmachung der Religion zugetragen haben, eben denselben oder wenigstens einen änlichen praktischen Einflus auf unsre gewissere und tätigere Überzeugung haben können? Kan nicht die historische Gewisheit unsre Überzeugung vom götlichen Ursprunge der Religion noch gewisser machen?

 

[Ib-10-1780-0370]
Und welcher würde der verständigste Fürer sein, derienige, von dem der Schüler der Religion nur bei'm dämmernden Lichte der Morgenröte darauf hingewiesen würde, oder derienige, der sie si ihm bei'm hellen Glanze der Mittagssonne sehen liesse? Derienige, welcher ihn nur auf ihre moralische Vortreflichkeiten aufmerksam machte, oder derienige, der ihn ausser den innern Merkmalen ihrer Götlichkeit noch auch die Kraft der äussern historischen Beweis' ihrer unmittelbaren Bekantmachung empfinden liesse?

 

[Ib-10-1780-0371]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0372]
Welchen Schüler meinen Sie? den Schüler der eigentlichen Religion, oder der Gottesgelartheit ?

 

[Ib-10-1780-0373]
Hermogenes.

 

[Ib-10-1780-0374]
Ich meine beide; vorzüglich aber den erstern. Denn Nachdenkende können den Wert der ächten Religionswarheiten empfinden, und daraus auf ihren götlichen Ursprung schliessen: diesen sind äussere Beweisgründe nur Stärkungs

 

[Manuskriptseite 118]

mittel. Allein wie wird 's um den rohen unausgebildeten Haufen stehen, welcher den grössern Teil der Geselschaft ausmacht. Wie ist doch bei denen die zarte Empfindlichkeit gegen Vortreflichkeiten zu suchen, welche nur von der reinen Vernunft bemerkt werden können? Wie ist von denen die gehörige Empfindung und Schäzzung eines Werts zu verlangen, der nicht vor die Sinne gebracht werden kan? Und diese sind 's, für welche die Vorsehung durch die Befestigung der Religion durch historische Beweisgründe recht eigentlich gesorgt hat.

 

[Ib-10-1780-0375]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0376]
Sonderbar! Und ich glaube gerade das Gegenteil - nur mit der Einschränkung, daß ich die erstere Art von Beweisen für algemein überzeugend halte, als welche Gelerten und Ungelerten bei hinlänglicher Anweisung, ein völliges Genüge leisten könne; den Gebrauch der andern hingegen, wenn sie ia beibehalten werden mus, nur bei denen für ratsam oder möglich halte, welche eine nicht gemeine Kentnis in Sprachen, in Altertümern, in der Geschichte und in der Kritik erlangt haben. Es ist nämlich die Rede von Beweisen, nicht von Überredungen; von wirklicher Überzeugung, und nicht von einer Annemung, auf Treu' und Glauben. Die lezte kan durch tausend Mittel befördert werden; auch durch dieses, wovon wir sprechen: aber ein eigentlicher Beweis, ein Beweis für alle, kan nicht daraus gemacht werden. Überlegen Sie nur, welch mannigfaltiges, mühsames Gerüst, was für eine Menge philologischer, historischer, kritischer, phi

 

[Manuskriptseite 119]

losophischer Materialien erfordert werden, um dieses grosse apologetische Gebäud' aufzufüren! Nemen Sie einen Man, der hierinnen ser gros ist, und vergleichen Sie ihn mit einem ungebildeten Kopf, und urteilen Sie hieraus, ob dieser das fähig sei zu fassen, was iener fäst. - - Deswegen läugn' ich nicht, daß Wunder eine Sele gewaltsam erschüttern, und sie überzeugen mus. Aber dies tut nur ein Wunder, das vor unsern Augen geschieht. Ein Wunder, das schon länger vor uns geschehen ist, tut schon weniger Wirkung - und was wollen Wunder für Eindruk machen, die Jartausende vor uns geschahen, davon die Nachrichten so ungewis, in so viele kritische Schwierigkeiten verwikkelt sind? - Man solt' also den Beweis von den Wundern aus dem gemeinen Unterrichte weglassen und das heist, mit andern Worten, es ist nicht nötig zu wissen, ob die Religion mittelbar oder unmittelbar von Got ihren Ursprung habe, wenn man überhaupt nur überzeugt ist, daß sie götlich ist." Seit. 22-53.

 

[Ib-10-1780-0377]
4) Von Glaubensgeheimnissen.

 

[Ib-10-1780-0378]
"Ich würde das Buch, worinnen sogenante Glaubensartikel sich befänden, nicht zu meinem Religionsbuch erwälen. Wenn eine Vorstellung in keiner einzigen Vernunftwarheit gegründet sein sol: so kan sie eben so wenig wieder andern vernünftigen Begriffen zum Grunde dienen, als ihre Warheit selbst aus einer in dem Kreis' aller möglichen Vernunftwarheiten liegenden Vorstellung erkant

 

[Manuskriptseite 120]

werden kan. Folglich wär' eine solche Vorstellung für die vernünftige Sele des Menschen ein Ding one Grund und one Folge - ein Ding, nichtiger als ein Traum, ein Unding. Sie wär' einer schwebenden Säule gleich, welche selbst durch nichts unterstüzt, keiner andern Sache zur Unterstüzzung dienen könte. Vielleicht wollen Sie einwenden: wenn gleich eine solche Vorstellung in keiner eigentlichen Vernunftwarheit gegründet sei, so könt' ia Got wol eine andre, ausser dem menschlichen Vernunftkreise liegende Vorstellung in der Sel' erwekken, worin die erste gegründet wäre, und also auch aus ihr erkant werden könte. Aber so sagen Sie mir auch, worin nun diese neue Vorstellung gegründet sein sol? In einer Vernunftwarheit? - Nein! Also wieder in einer andern unmittelbar hervorgebrachten Vorstellung, und diese wieder in einer andern, und so in 's Unendliche fort. Sie sehen also, daß wir hier entweder eine Reihe von Vorstellungen one Grund, und also auch one Folgen - eine hängende Kett' on' ein erstes und leztes Glied - annemen, oder die menschliche Vernunft ganz zernichten, und die götliche an ihre Stelle sezzen müssen. Ein solcher Glaubensartikel könt' also nicht um der Menschen willen da sein; er must' um Gottes willen angenommen werden, und ich habe das Zutrauen zu allen Verständigern, daß sie so etwas nie werden in ihre Gedanken kommen lassen, daß Got die Religion, oder nur einen einzigen Teil der Religion blos um sein selbst willen, und nicht alles im eigentlichsten Verstand' um der Menschen willen geoffenbart habe." S. 81. 82. 83.

 

[Manuskriptseite 121]

[Ib-10-1780-0379]
5) Zweites Gespräch, worinnen untersucht wird, ob der Beweis von der Notwendigkeit einer unmittelbaren götlichen Offenbarung, welcher von der Weisheit Gottes, in Rüksicht auf die Bestimmung des Menschen hergenommen wird, volkommen gültig sei?

 

[Ib-10-1780-0380]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0381]
"Wir müssen zuerst den Begrif der Bestimmung des Menschen festsezzen, um zu entscheiden, was die Weisheit Gottes zur Beförderung und Erreichung derselben habe tun müssen. Was alle Menschen notwendig tun, wozu sie ein unwiderstehliger Naturtrieb anspornt, dies wird ihre Bestimmung sein. Und was ist dies anders, als das Bestreben nach Glükseligkeit? Alles läuft am Ende darauf hinaus, daß unsre Sele sich in diesen Augenblikken eine Volkommenheit vorstelt; daß durch diese Vorstellung ihre denkende Kraft gestärkt, und daß eine oder die andre ihrer angebornen Fähigkeiten entwikkelt wird. Aber äussert sich dieses Bestreben bei allen in gleichem Grade?

 

[Ib-10-1780-0382]
Hermogenes.

 

[Ib-10-1780-0383]
Keinesweges. Iener fleissige Akkersman, den wir dort in ienem Tal' an dem Dienste seines Gottes sehen, dessen Erd' er verschönern hilft, entwikkelt zwar onstreitig auch einige seiner angebornen Fähigkeiten: aber niemand wird läugnen, daß ein Leibniz, der nie erklimte Pfad' im Reiche der Warheiten erstieg, seine Geistesfähigkeiten nicht unweit mer entwikkeln solte.

 

[Ib-10-1780-0384]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0385]
Wir sind also einig, daß unsre Bestimmung in Erweiterung unsrer Fähigkeiten bestehe, und daß diese nicht bei allen in gleichem

 

[Manuskriptseite 122]

Grade stat finde. Worin wollen wir dan ihre algemeine Bestimmung sezzen?

 

[Ib-10-1780-0386]
Hermogenes.

 

[Ib-10-1780-0387]
Nicht in einem bestimten Grade der Entwikkelung, sondern in der Entwikkelung oder Ausbildung überhaupt.

 

[Ib-10-1780-0388]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0389]
Recht, mein Freund! Iezt lassen Sie uns die Frage, um deren Erörterung willen wir diesem Begriffe nachgegangen sind, in der nunmer festgesezten Bedeutung wiederholen: solt' ein unendlich weises und gütiges Wesen den Menschen zur Ausbildung seiner denkenden Kräfte, zur Entwikkelung seiner Fähigkeiten erschaffen, und die dazu hinreichenden Kräft' und Gelegenheiten ihm nicht anerschaffen haben? Nach dieser genauern Abfassung unsrer Frage, können die an sich scharfsinnigen Antworten einiger unsrer Gottesgelerten nicht weiter für zureichende Widerlegungen desienigen, der diese Frage beiaht, gehalten werden. Denn zugegeben, daß die ganze hypotetische Geschichte des menschlichen Verstandes, welche man so glaubwürdig macht, ihre buchstäbliche Richtigkeit habe; zugegeben, daß die ersten Menschen, stat aus der Zufälligkeit der Welt, aus der weisen Einrichtung ihrer Teil' und aus der woltätigen Verbidnung des Ganzen, den gütigen Schöpfer und ihr Verhältnis gegen ihn zu erkennen, das Wesen dieses Urhebers die ihres Daseins verkanten, ihn in der Sonne, oder im Monde, oder in den Gestirnen anbeteten; ihn immer mer und mer vervielfältigten, und mit einem Worte,

 

[Manuskriptseite 123]

Abgötter wurden: was beweiset das alles wider den Saz, daß Got dem Menschen die zu seiner Bestimmung, zur Ausbildung seiner Fähigkeiten erforderliche Kräft' anerschaffen habe? Kamen etwa die Menschen auf diesem Wege dem ihnen vorgestrekten Ziele durchaus nicht näher? Wurd' ihr denkende Kraft durchaus nicht erweitert? Wer erkünt sich's zu behaupten, da selbst der verworfenste Bösewicht noch eine oder die andre seiner angebornen Disposizionen entwikkelt.

 

[Ib-10-1780-0390]
Hermogenes.

 

[Ib-10-1780-0391]
Ich sehe mich gezwungen, mein Lieber! das wieder zurükzu nemen, was ich eingestanden habe. Vielleicht könte man sagen, daß eine so dürftige Ausbildung unmöglich die ware Bestimmung des Menschen sein könte. Vielleicht ist der fortschreitenden Entwikkelung unsrer Geistesfähigkeiten zwar kein Ziel gesezt worden, über welches sie nicht kommen durfte; wol aber ein Ziel, unter welchem sie nicht bleiben solte. Vielleicht, daß dieser leztere Grad der Volkommenheit, welchen alle hienieden erreichen sollen, derienige Grad der Ausbildung ist, welcher durch die Erkentnis des waren Gottes und unsrer Verhältnisse gegen ihn bewerkstelligt wird. Und dan -

 

[Ib-10-1780-0392]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0393]
Wird 's darauf ankommen, ob Sie ihr Vielleicht mit Gründen belegen und den Einwurf beantworten können: warum bis iezt der grössere Teil der Menschen diese Bestimmung nicht erreicht habe?

 

[Manuskriptseite 124]

[Ib-10-1780-0394]
Hermogenes.

 

[Ib-10-1780-0395]
Ich wil 's versuchen. - Was vermogte den alseligen und algenugsamen Geist, ein Geschöpf nach seinem Bilde - den Menschen hervorzubringen? Der Quel der Seligkeiten wolt' einen Ausflus haben, er wolt' einen Gegenstand haben, worauf er sich ergiessen könte. Der Mensch solte glüklich sein. Nun stimt man überein, daß on' Erkentnis des waren Gottes und unsrer Verhältnisse gegen ihn, das heist, one die wesentlichen Grundwarheiten der Religion sich keine ware Glükseligkeit für Menschen gedenken lasse. Wolt' also Got den Zwek - die Glükseligkeit aller Menschen: so must' er auch das dazu erforderliche Mittel wollen - die Unterweisung aller in den wesentlichen Religionswarheiten. Da sehen Sie den bestimten Grad der Ausbildung, zu welchem alle Menschen erhoben werden sollen, one daß dadurch im geringsten einer weitern Kultur ihres Verstandes Gränzen gesezt wären!

 

[Ib-10-1780-0396]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0397]
Auch ich bin hierinnen mit Ihnen eins, und geben zu, daß one richtige Erkentnis Gottes und unsrer Pflichten kein hoher Grad von Glükseligkeit möglich sei. Aber, wo ist der Beweis, daß alle Menschen eine gleich hohe Stufe der Glükseligkeit ersteigen sollen? Steigt nicht nicht alles von Stufe zu Stufe? Und ist 's nicht so mit dem Glükslichsein der Geister? - Wir sind alle glüklich: aber nicht ieder in demselben Grade. Oder wil man dem ersten rohen, sinlichen Menschen, wie wir ihn hier voraussezzen, durchaus alle Glükseligkeit absprechen? Hatten sie keine angeneme Sensazionen? War

 

[Manuskriptseite 125]

das Bestreben ihrer denkenden Kraft nach Vorstellungen durchaus gefesselt? Hatten sie keine Augen, den grünen Baum, den klaren Bach zu sehen? Keine Oren, den Gesang der Nachtigal zu vernemen? Keine Nase, den süssen Duft der Blumen einzuatmen? Und konten diese sinlichen Vorstellungen sich seiner Sele bemächtigen, one die denkende Kraft derselben zu beschäftigen? One seinen Ideenkreis zu erweitern? One ihn volkomner zu machen? Er erfült also seine Bestimmung - freilich nicht die Bestimmung eines Neuton's , eines Leibniz's - aber seine Bestimmung, seine Bestimmung als Mensch: er entwikkelte seine Fähigkeiten.

 

[Ib-10-1780-0398]
Ihr Einwurf schadet also meiner Hypotese nicht; er unterstüzt sie vielmer. Denn gerade deswegen, weil Got alle Menschen zur Glükseligkeit bestimt hat, und weil er seine Zwekk' unmöglich verfelen kan, können wir die Bestimmung des Menschen nicht in einen Grad der Vervolkommnung sezzen, zu dem sich nur der kleinste Teil derselben hinaufgeschwungen hat. Oder wollen Sie dies behaupten? -

 

[Ib-10-1780-0399]
Hermogenes.

 

[Ib-10-1780-0400]
Ich würde mir vorher einige Fragen auflösen lassen: warum 's überhaupt in allen andern Arten, so viele unvolendete Geschöpfe gäbe? Warum durch Sturm und Plazregen mer Blüten niedergeschlagen, mer iunge Pflanzen eingeknikt werden, als zu reifen Früchten und Gewächsen gedeien? Warum so viele Vögel im Ei, so viele Embryonen anderer Tier' im Mutterleibe sterben, eh' sie noch das Licht der Welt erblikt haben? Warum diese Blu

 

[Manuskriptseite 126]

menknospe, die ich abreiss' und zerquetsche, nicht zur Königin der Blumen aufgewachsen ist? Können Sie anders antworten, als so: daß es in allen Arten von Geschöpfen zu allen Zeiten gewisse Anomalien von der ihnen vorgeschriebnen ordentlichen Bestimmung gebe? -

 

[Ib-10-1780-0401]
Agatokles.

 

[Ib-10-1780-0402]
In der Tat, ich weis eine andre Antwort - und eine bessere. Alle diese, dem Anscheine nach, unvollendete Geschöpfe machen mir nicht die geringste Schwierigkeit - weil ich sie nicht für unvollendete Geschöpf' halte, weil ich überzeugt bin, daß die Rose, welche in ihrer Knospe verwelket, ihre Bestimmung eben sogut erreicht habe, als die andre, welche neben ihr die volle Brust eröfnet, ihre Blätterchen entfaltet, und mit Wolgerüchen die Luft durchwürzt. Iene war dazu bestimt bis zur Knospe zu gedeien; dan zu verwelken, zu verwesen, und mit ihrem Staube sich an einen andern Teil der Schöpfung anzuschliessen; diese hingegen ward die Bestimmung angewiesen, sich vorher selbst erst völlig zu entwikkeln, und dan die Absichten Gottes weiter zu befördern. Man mus nur auch hier, so wie bei'm Menschen, eine unbestimte Entwikkelung für die Bestimmung aller Geschöpf' halten: so werden wir nirgend eine unvollendete Kreatur antreffen; so wird die Vorsehung gerechtfertiget, und für unsre Beruhigung gesorgt sein.

 

[Ib-10-1780-0403]
Wir sind nun über die Bestimmung des Menschen einig, - einig, daß ieder seine erreicht. Aber sind die zur Erreichung

 

[Manuskriptseite 127]

ihrer Bestimmung erforderlichen Kräft' anerschaffen? Wenn man einräumt, ieder gelange zu seiner Bestimmung; räumt man deswegen auch zugleich mit ein, daß er auf natürliche Art dazu gelange? - Ich beiah' es . Alles, was gegen Wunder schon mit Recht gesagt ist, kan hier wiederholt werden. Im Naturreiche geschieht kein Wunder - alles entsteht durch almälige Wirkung der Kräfte der Natur. Und im Geisterreiche solt' es anders sein? Die Distinkzion zwischen dem Reiche der Natur und der Gnaden ist nicht gegründet. Alles, was ausser Got ist, hängt zusammen - alles macht ein einziges Reich aus - das Reich der Natur. Wir machen nur Klassen, um unsrer Kurzsichtigkeit zu Hülfe zu kommen. Geschieht im Reiche der Natur kein Wunder: so kan auch keines im Reiche der Gnaden geschehen. Um kurz zu entscheiden, braucht man nur Acht zu geben, was Got getan hat. Unsre Sel' hat ein immerwärendes Bestreben nach Vorstellungen. Diese Kraft ist vom ersten Augenblik unsers Lebens an gespant - sie äussert sich unaufhörlich. Täglich strömen ihr tausend Empfindungen zu, die die Denkkräft' entfalten, die Vorstellungskraft erweitern und überhaupt den Geist volkomner machen. Alles, was zu dieser Ausbildung gehört, ist da - die denkende Kraft - die sinlichen Werkzeuge - die materielle Welt. Ia, die Sele befindet sich in der glüklichen Unmöglichkeit, ihre Ausbildung verhindern zu können. Sie mus denken, sie mus ihre Kentniss' erweitern, sie mag wollen oder nicht. Sind uns also nicht die Kräfte, unsre Bestimmung zu erreichen, anerschaffen? -" Seit. 104-145.

 

[Manuskriptseite 128]

[Ib-10-1780-0404]
6) In der iüdischen Religion entdekt man Spuren von ehmaligem Aberglauben.

 

[Ib-10-1780-0405]
"Die gewönlichsten Lieblingsbeschreibungen der iüdischen Dichter von Got, sind von der Sonn' hergenommen; von ihr scheinen einige der gewönlichsten Namen, wodurch's höchste Wesen in der hebräischen Sprache bezeichnet wird, entlent zu sein. z. B. $$$$$, woraus das griechische Wort @@@@@ entstanden zu sein scheint, und welches von einem Zeitworte (@@@@) hergeleitet wird, welches das Aufgehen der Sonn' ausdrükt $$$$, nach einiger Philologen Meinung von $$$$ (ascendere) und vorzüglich in den Zusammensezzungen $$$$$$$$ und $$$$$$$, welches in Vergleichung mit 1 B. Mos. 1. 16 eine passende Benennung der Sonn' und des Mondes, als den Beherschern des Himmels und der übrigen Gestirne, abgiebt, woraus sich vielleicht auch die Ursache vermuten liesse, warum $$$$$$ gemeiniglich in der mererern Zal gebraucht wird, ungeachtet dieses in der hebräischen Sprache schon an sich nichts ungewönliches ist. Ferner $$, als ein abgeleitetes Wort von $$ (uber , mamma) in Rüksicht auf die befruchtende, und alles belebende Sonnenwärme. -" S. 195.

 

[Ib-10-1780-0406]
7) Über den Kölerglauben.

 

[Ib-10-1780-0407]
"Lokke bemerkt: Wenn die Überredungen anderer, die wir kennen, und von denen wir eine gute Meinung haben, ein hinlänglicher Grund zu unsrer Einstimmung in ihre Meinungen sind; so haben w die Menschen Recht, in Japan Heiden, in der Türkei Muhammedaner, in Spanien Papisten, in England Protestanten und Luteraner in Schweden zu sein. - -" Seit. 60. 61.

 

[Manuskriptseite 129]

[Ib-10-1780-0408]
XVI.

 

[Ib-10-1780-0409]
Das Wochenblat one Titel. Erstes Bändchen. Nürnberg, gedrukt und verlegt durch Christian de Launoy sel. Erben. 1770.

 

[Ib-10-1780-0410]
1) Entdekt Freuden, wo 's möglich ist!

 

[Ib-10-1780-0411]
"Man sezt heut zu Tag' überal Prämien auf ökonomische und mechanische Entdekkungen; warum solte man nicht auch fülbare Selen durch Belonungen aufmuntern, unbemerkte Freuden bekant zu machen, und die ausgearteten zu verbessern? Ein Gleim, Iakobi, Uz, Kleist, Gesner haben schon angefangen, schöne Beiträge zu einer solchen Teorie der menschlichen Freuden zu liefern. -" Seit. 20. 21.

 

[Ib-10-1780-0412]
2)

 

[Ib-10-1780-0413]
Der Iüngling am Grabe.
"Sei mir dreimal gegrüst, heilige Erde, du -
Wo mein irdischer Geist hingesät Asche wird,
Wo mein dürres Gebein ruhen,
Und den Todeschlaf schlummern sol.
Ist der flüchtige Staub, den mir der Lüfte Hauch
Hier entgegen geweht, nicht der entschlafenen
Väter heilige Asche,
Nicht der Mütter geliebter Staub? -
Wie der tödtende Nord eine verblüte Blum'
Zu dem welkenden Gras, zu den Verwesungen
Eines Frülings dahin stürmt:
Wirft der giftige Todeshauch
Mich zum Staube dahin, daß ich da schlummern
Eine längere Nacht, bis ich erwachen sol

 

[Manuskriptseite 130]

Aus dem Tode zum Leben,
Wo man nicht mer zur Asche reift.
Zwar ist's finster im Grab; - unter Verwesungen,
Zwischen Todesgebein schlafen, ist fürchterlich,
Und dem Auge verzeihlich
Wenn es starrend zurükke bebt.
Denn da seh' ich nicht mer meine Geliebtesten,
Nicht das himlische Aug' meiner Eugenia,
Nicht der Freunde Versamlung,
Und die blühende Rose nicht.
Doch ist's herlicher noch: wenn man geschlafen hat,
Aus zerstreueten Staub schöner hervorzugeh'n,
(Wie das kleinere Samkorn
Hoch als Äre empor sich hebt.)
Mein beschüzzender Geist eilet dan wonnevol
Unter Iubelgesang zu mir erstandenen,
Zält die freudigen Tränen,
Die mein Auge geweint hat.
O dan siehest du mich, meine Eugenia! -
O dan sehe ich dich, meine Eugenia!
Auch euch schlafende Väter!
Auch dich götlicher Sokrates!
Und, ihr Barden, euch all', deren Gesänge mich
Hier im Leben des Staubs sanfte Empfindungen,
Fromme Tugend gelert,
Deren Blume nun aufgeblüh't.

 

[Manuskriptseite 131]

Danken wil ich dan euch unter Umarmungen,
Mit den Zären des Danks euere Saitenspiel'
Nezzen, Lerer euch nennen,
Und - o nentet ihr - Bruder, mich! -"

S. 94-96.

 

[Ib-10-1780-0414]
XVII.

 

[Ib-10-1780-0415]
Algemeine Teorie der schönen Künst' in einzeln, nach alphabetischer Ordnung der Kunstwörter auf einander folgenden Artikeln abgehandelt von Iohann George Sulzer , Mitglied der königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin pp. Zweiter Teil, von K bis Z. Leipzig, bei M. G. Weidman's Erben und Reich, 1775.

 

[Ib-10-1780-0416]
1) Auch ein Kalter sol oft ein Gegenstand der Kunst sein.

 

[Ib-10-1780-0417]
"Solte der durch die Stärke der Vernunft bei leidenschaftlichen Gegenständen kalt bleibende Mensch, für den Künstler ein weniger vorteilhafter Gegenstand sein, als der durch Leidenschaft aufgebrachte? Dieses werden nur die Künstler behaupten, denen 's selbst an einem gewissen Grade der Stärke des Geistes felet. Nur diese werden allemal einen aufbrennenden Achilles einem kalten Regulus vorziehen. Freilich ist 's viel leichter ienen als diesen nach seinem Karakter reden zu lassen. Der leidenschaftliche Zustand ist dem Menschen gewönlicher, als der kalte, der eine Wirkung der Vernunft ist; darum wird iener dem Künstler in der Bearbeitung und dem Liebhaber in der Beurteilung, und im Genus leichter, als dieser. -" S. 2

 

[Manuskriptseite 132]

[Ib-10-1780-0418]
2) Über den Klang.

 

[Ib-10-1780-0419]
"Da das Rasseln eines Rades, und das Klingen einer reinen Saite, aus schnel und allenfals in gleichen Zeitpunkten wiederholten, in einander fliessenden einzeln Schlägen besteht, woher komt 's, daß dieser angenem ist, aber ienes nicht? Daher ein reiner etwas tiefer Ton einer Saite läst einem geübten Gehör, ausser dem Unisonus, oder Grundton, auch dessen Oktave, dessen Duodezime, auch wol gar die zweite Oktav' und deren grosse Terz hören. Um dieses iedem deutlich zu machen, wollen wir also sezzen, man schlag' eine wolgespante und reine Sait' an, die den Ton C angebe; wer nun ein feines Gehör hat, vernimt diesen Ton C so, daß ihn dünkt, er höre zugleich, wiewol in geringer Stärke, die Töne * c, g, ? , ?, folglich ein Gemenge, oder einen Akkord verschiedner und zwar konsonirender Töne. Hieraus läst sich schon begreifen, warum ein solcher Ton voller, merklingend und angenemer ist, als wenn der Ton C ganz allein vernommen wird; ieder Ton ist ein Akkord: dadurch hört der Klang auf, ein blosses Klappern zu sein. Man hat gefunden, daß eine etwas lange Saite, wenn sie gestrichen oder gezupft wird, zwar nach ihrer ganzen Länge schnel hin und her geschwungen wird, zugleich aber die Hälfte, der dritte, der vierte, der fünfte und alle folgende Teile der

 

[Manuskriptseite 133]

ganzen Länge der Saite, ieder für sich noch besondre Schwingungen machen. Man stelle sich vor, AB sei eine Saite, deren Ton eine Oktave tiefer ist, als unser C. C.] es folgen zwei Zeichnungen: SCANNEN und Bilddateien per Hyperlink verbinden - zur Verwendung von Kapitälchen siehe weiter unten, nächste Abbildung

 

[Ib-10-1780-0420]
Indem sie gestrichen wird, und also sich hin und her schwinget, daß sie wechsels weis' in die Lag' AaB und AbB komt, so teilt sie sich zugleich in merere Teile, wie AC, CB, Ag, gD, DB, u. s. f. und ieder Teil macht für sich wieder besondre Schwingungen und nimt die Lagen ein, die durch Punkte bezeichnet werden. Dies ist die ware Ursache, warum man in einem Klange viel Tön' hört. Die Schwingungen der ganzen Sait' erwekken 's Gefül ihres Grundtons, den wir nach verhältnismässiger Zal seiner Schwingungen 1 nennen wollen. Die Hälfte der Saite macht ihre besondere Schwingungen, AcC, AeC, CcB , CdB, in halber Zeit, und erwekt 's Gefül des Tones 2; der dritte, vierte, fünfte, sechste und folgende Teile der ganzen Saite * machen, ieder wieder seine Schwingungen, und erwekken das Gefül der Töne 3, 4, 5, 6, u. s. f. Man stelle sich

 

[Manuskriptseite 134]

also viel gleichgespante und gleichdikke Saiten vor, die in Ansehung der Länge sich verhalten wie folgende Zalen:

 

[Ib-10-1780-0421]
1, 1/2, 1/3, 1/4, 1/5, 1/6, 1/7, 1/8, 1/9 u. s. f.

 

[Ib-10-1780-0422]
so ist der Klang der Saite 1 aus den Klängen aller übrigen Saiten zusammengesezt, und ein feines Or unterscheidet wenigstens die vier oder fünf ersten, mit ziemlicher Deutlichkeit. Daher komt's, daß der Klang der Saiten, besonders der Bassaiten etwas so vergnügendes hat. - Seltsam ist's, daß unser Tonsystem einige der vorhererwänten harmonischen Tön' einzeln ausgeschlossen hat, als den Ton 1/7, 1/11 und andre. Man solte wenigstens den Ton 1/7, der in unserm System zwischen A und B fallen würde, einfüren. - -" S. 23. 24. 25.

 

[Ib-10-1780-0423]
3) Über die Sinlichkeit.

 

[Ib-10-1780-0424]
"Es ist unendlich leichter, den Weg der Vernunft, der ganz gerad' ist, als die krumme Ban der Sinlichkeit zu erforschen. Es giebt nur eine Art die Vernunft zu überzeugen; aber auf unzälige Arten kan die Sinlichkeit angegriffen werden." S. 84.

 

[Ib-10-1780-0425]
4) Vom Unterschiede zwischen den Sprachen der Völker.

 

[Ib-10-1780-0426]
"Die Erfinder der Namen haben die Wörter aus der Nachamung des Tones hergenommen, den die Sach' hat hören lassen. Hieraus würde folgen, daß alle Sprachen der Welt viel gemeinschaftliche Grundwörter haben müssen. Davon bin ich auch überzeugt. Nur mus man bedenken,

 

[Manuskriptseite 135]

daß nicht iedes Or die natürlichen Töne gleich bestimt hört, und nicht ieder Mund sie gleich bestimt nachamt; einer glaubte das Brüllen des Stieres gut durch 's Wort Ochs, der andre durch 's Wort @@@ nachamen; beide Wörter sind im Grund' einerlei. So sehen wir täglich, daß ein Deutscher, ein Franzos und ein Engländer, ein und eben dasselbe ihm unbekante Wort, z. B. polnische oder russische Wort, ieder nach seiner Art nachspricht. Hätten alle Menschen dasselbe Gehör, und dieselben Werkzeuge der Sprache, so würden die Stamwörter aller Sprachen der Welt genau mit einander übereinkommen. In den abgeleiteten Bedeutungen zeigt sich ein noch grösserer Unterschied. Ein Mensch wurde bei'm Stier durch die Grösse gerürt, und machte daher von dem Worte @@@ eine Ableitung, um etwas Grosses auszudrükken; einen andern rürte bei demselben Tier die plumpe Dumheit, und dieses bewog ihn, einen grobdummen Menschen einen Ochsen zu nennen. Aus diesen beiden Anmerkungen läst sich der grosse Unterschied zwischen den Sprachen der Völker erklären, die ursprünglich aus Nachamung eben derselben Tön' entstanden sind. Hätten alle Menschen gleiche Sinnesart, so würden auch die abgeleiteten Bedeutungem der Wörter in allen Sprachen einerlei sein." S. 127.

 

[Ib-10-1780-0427]
5) Bemerkung, den Karakter des Dichters zu erkennen.

 

[Ib-10-1780-0428]
"Es ist unmöglich Empfindungen auszudrükken, die

 

[Manuskriptseite 136]

man selbst nicht hat. Daraus folgt, daß man den sitlichen Karakter eines Dichters aus dem beurteilen könne, was er nicht auszudrükken im Stand' ist. -" S. 152.

 

[Ib-10-1780-0429]
6) Von den Leidenschaften.

 

[Ib-10-1780-0430]
"Man kan sagen, daß der Mensch nirgend grösser, auch nie kleiner erscheint, als im leidenschaftlichen Zustand. Er kan darin unsre Bewunderung und unsre Verachtung verdienen, weil er da im Guten und Bösen das äusserste, dessen er fähig ist, sehen läst." - S. 155.

 

[Ib-10-1780-0431]
7) Über 's Licht - in Rüksicht in die Malerei.

 

[Ib-10-1780-0432]
"Die Stärke des Lichts verändert die Farb' eines Gegenstandes; zwar nicht die Art der Farbe, aber ihre Höhe. Rot bleibt immer rot, so lang ein merkliches Licht darauf fält; aber bei ieder Veränderung der Stärke des Lichts verändert sich dieses Rote, und wird heller, oder dunkler. Nur das allerhöchste wieder abquellende Licht, ändert die Farbe ganz und macht die Stelle, wo 's auffält, weis, die Farbe des Körpers mag sein, von welcher Art man wolle. Es wird in der Naturlere gezeigt, daß man sich 's Sonnenlicht, welches auf den Erdboden fält, als gerad' und einander parallellaufende Linien vorstellen könne, und daß die Stärke des Lichts auf ieder Stelle, aus dem Abstand der Punkte, in welchen zwei nächst an einander liegende Linien auffallen, könne geschäzt werden. Dieses vorausgesezt, stelle man

 

[Manuskriptseite 137]

sich sich] darüber Zeichnung Jean Pauls: SCANNEN und Bilddatei mit Text verknüpfen! - Verwendung von Kapitälchen zwar irritierend, weil in der präsentierten Zeichnung nicht enthalten, aber nicht zu vermeiden, weil sonst im Text z. B. ein unmarkiertes "ab" stünde - MIWI in dieser Figur die geraden parallellaufenden Linien aA, 1I, 2II u. s. f. als Stralen des Sonnenlichts vor, und ab sei eine gefärbte Linie, z. B. ein roten Faden, der die Lichtstralen in rechten Winkeln durchschneidet; be ein Faden von derselbigen Farbe, der die einfallenden Stralen schief durchschneidet; A, I, II, B aber ein Faden von derselben Farb' in einen Zirkelbogen gekrümt.

 

[Ib-10-1780-0433]
Das blosse Anschauen der Figur zeigt, daß über der ganzen Länge des Fadens ab, das Licht in gleicher Stärke verbreitet sei; weil die Punkte a1, 12, u. s. f. in welchen die Stralen auffallen, durch die ganze Länge der Linie gleich weit von einander abstehen. Darum wird der Faden ab in seiner ganzen Länge dieselbe Farbe zeigen. Eben so sieht man, daß auf dem Faden bc das Licht auch durch seine ganze Länge gleich ist; weil die Punkte c1', 1'2 u. s. f. ebenfals durch die ganze Länge der Linie bc gleich

 

[Manuskriptseite 138]

weit aus einander stehen. Also wird auch dieser Faden durchaus einerlei Farb' haben; aber sie wird eine andre Schattirung haben, als die Farbe des Fadens ab, weil das Licht, das auf den Faden bc fält, um so viel schwächer ist, als das, was auf ab fält, um soviel als die c1' länger ist, als die Linie a1. Der Faden bc wird also ein duklers Rot haben, als der Faden ab.

 

[Ib-10-1780-0434]
Mit dem Faden AIB verhält's sich ganz anders: Man sieht aus der Figur, daß die Stärke des Lichts sich in ieder Stelle verändert; denn bei B fallen die Stralen näher an einander auf den Faden, als bei A. Der Abstand der Punkte AI ist der gröste, I, II, etwas kleiner, II, III, wieder etwas kleiner u. s. f. Darum ist 's Licht zwischen A und I am schwächsten; zwischen I und II etwas stärker; zwischen II und III wieder etwas stärker, und so nimt 's an Stärk immer zu, bis in B, wo es am stärksten ist.

 

[Ib-10-1780-0435]
Daraus folgt, daß der Faden AB auf ieder Stell' eine andre Schattirung seiner roten Farb' habe. Bei B wird sie am helsten sein, und immer dunkler werden bis nach A: was aber unterhalb dem Punkt A ist, wird wegen gänzlichem Mangel des Lichts seine Farbe völlig verlieren, und schwarz scheinen.

 

[Ib-10-1780-0436]
Man stelle sich nun eine runde, glatte Kugel vor, die von der Sonn' erleuchtet wird; diese Kugel mus, vermöge der oben erwänten Beobachtung auf der

 

[Manuskriptseite 139]

Hälfte, die erleuchtet wird, alle mögliche Schattirungen der Farbe, die sie hat, zeigen. Da, wo 's höchste Licht auffält, wird sie am helsten, und da wo gar kein Licht hinfält, wird sie schwarz sein. Zwischen diesen beiden Stellen aber wird die eigentümliche Farbe der Kugel auf ieder Stell' eine besondre Schattirung haben: hingegen bei einem flachen Teller wird die Schattirung seiner Farb' in iedem Punkte desselben dieselbe sein. Also macht die von der höchsten Stelle des Lichts bis auf den völligen Schatten, almälig abnemende Stärke desselben, und die daher entstehende Mannigfaltigkeit der Schattirungen der eigentümlichen Farbe der Kugel, daß wir sie als eine Kugel, und nicht, als einen flachen Teller, sehen. - -" Seit. 159. 160. 161.

 

[Ib-10-1780-0437]
8) Was eine Metapher ist.

 

[Ib-10-1780-0438]
"Die Sprachlerer sagen insgemein, die Allegorie sei eine ausgedente oder fortgesezte Metapher: richtiger und dem Ursprung dieser Dinge gemässer würde man sagen, die Metapher sei eine kurze und im Vorbeigehen angebrachte Allegorie. Denn diese ist eher, als die Metapher gewesen." S. 236.

 

[Ib-10-1780-0439]
9) Über küne Metaphern.

 

[Ib-10-1780-0440]
"Der Grund der künen Wortmetaphern lag in der ersten Erfindung: aber wie? wenn spät nachher, wenn schon alles Bedürfnis weggefallen ist, aus blosser Nachamungslust oder Liebe zum Altertum, dergleichen Wort= und Bildergattungen bleiben? Und gar noch ausge

 

[Manuskriptseite 140]

dent und erhöht werden? Denn, o denn, wird der erhabne Unsin, das aufgedunstene Wortspiel daraus, was es im Anfang eigentlich nicht war. Dort war 's küner, mänlicher Wiz, der dann vielleicht am wenigsten spielen wolte, wenn er am meisten zu spielen schien; es war rohe Erhabenheit der Phantasie, die solch Gefül in solche Wort' herausarbeitete; aber wenn im Gebrauche schaler Nachamer, one solches Gefül, one solche Gelegenheit - ach! Ampullen von Worten one Geist. -" S. 238.

 

[Ib-10-1780-0441]
10) Wie man die Höh' eines Tons bestimmen könne.

 

[Ib-10-1780-0442]
"Die Länge, die Dikke und die Spannung einer Saite bestimmen die Höhe des Tons, den sie giebt. Damit man aber deutlich sehe, was für Veränderung in der Höhe des Tons durch Änderung eines der bemeldeten drei Stükken verursacht werde, mus man 's Gesez von den Schwingungen solcher Saiten vor Augen haben. Dieses Gesez drükt Euler durch folgende symbolische Vorstellung aus:

 

[Ib-10-1780-0443]
v = 355/113 . ? ?] Achtung Sonderzeichen! - MIWI 3166 n/a

 

[Ib-10-1780-0444]
deren Sin wir vor allen Dingen erklären müssen. Durch v wird die Anzal der Schwingungen ausgedrükt, die die gezupfte Sait' in einer Sekunde Zeit macht. Durch n wird die Stärke der Spannung der Sait' angedeutet. Sie mus aber durch ein Gewicht so ausgedrükt werden, daß n anzeigt, wie vielmal 's das Gewichte der Sait' übersteigt. Durch a wird die Länge der Sait' ausgedrükt, und wenn man obiges Grundgesez ganz auf Zalen bringen wil, so so mus diese Länge

 

[Manuskriptseite 141]

nach Skrupeln des Reinländischen Fusses gemessen werden, deren 1000 einen Fus ausmachen: Wenn also die Saite drei und einen halben Fus lang wäre, so müste man stat a, die Zal 3500 sezzen. Endlich ist noch zu merken, daß das Zeichen ? ?] Achtung Sonderzeichen! - MIWI formal bedeute, daß man von der Zal, vor welcher 's stehet, die Quadratwurzel nemen müsse. Wir wollen iezt dies Gesez anzuwenden suchen. Wenn eine Saite von gegebner Länge, Dikk' und Spannung gegeben ist, so kan man allemal finden, wie viel Schwingungen sie in einer Sekunde mache: Z. B. die Saite sei 2 ½ reinländische Fus lang, das ist 2500 Skrupel; so wird diese Zal stat a gesezt. Ferner sei 's Gewichte, wodurch sie gespant wird, 10000 mal schwerer, als die Saite, so wird diese Zal stat des Buchstabens n gesezt. Alsdan wird 's Gesez der Schwebungen so ausgedrükt:

 

[Ib-10-1780-0445]
v = 355/113 . ? ?] Achtung Sonderzeichen! - MIWI 3166 . 10000/2500

 

[Ib-10-1780-0446]
Dieses bedeutet nun soviel: die Anzal der Schläge, welche diese Sait' in einer Sekunde macht, oder v werde gefunden, wenn man 3166 durch 10000 multiplizirt, das, was herauskomt, durch 2500 dividirt, aus dem Quozienten die Quadratwurzel auszieht, und diese hernach durch den Bruch 355/113 multiplizirt. Fürt man diese Rechnung aus, so findet man, daß diese Sait' in einer Sekunde 353 ½ Schläge tut. -" Seit. 569. 570.

 

[Ib-10-1780-0447]
11) Scherz und Ernst sind nahe verwandt.

 

[Ib-10-1780-0448]
"Es ist anmerkungswürdig, daß die ware Gabe zu scherzen selten leichten Köpfen und Menschen, deren Ka

 

[Manuskriptseite 142]

rakter herschende Frölichkeit ist, zu Teile wird. Die vorzüglichsten Scherzer sind die ienigen, in deren Karakter viel Ernst und grosse Gründlichkeit liegt, und die deswegen zu wichtigen Arbeiten aufgelegt sind - wie z. B. ein Zizero. Die Natur wil damit anzeigen, wie nah' Ernst mit warem Scherz verwandt sei." S. 601.

 

[Ib-10-1780-0449]
XVIII.

 

[Ib-10-1780-0450]
Vom Reiche Gottes. Ein Versuch über den Plan der götlichen Anstalten und Offenbarungen. Vom Verfasser der Geschichte Iesu. Erste Hälfte. Zürich, bei Orel, Gesner, Fueslin , und Komp. 1774.

 

[Ib-10-1780-0451]
1) Bemerkungen.

 

[Ib-10-1780-0452]
"Es war ein küner Gedanke, der sich zu erst ein Leben nach dem Tode dachte." S. 62.

 

[Ib-10-1780-0453]
"Iene Urväter, ein Adam, Noa, Abraham pp. dachten sich Got noch nicht so philosophisch, so geistig - wie wir verfeinerte Christen. Es war blos Kindesbegrif. Es dürfte nichts schaden, wenn man etwan daran dächte, wie man sich etwa selbst in seiner Kindheit - - die Gotheit vorgestelt hat." S. 121.

 

[Ib-10-1780-0454]
"Bei der feierlichen Zusage Gottes, welche dem Abraham nun nicht blos zalreiche Nachkommen, sondern auch schon für diese das Glük, den Iehova zum Schuzgot zu haben , verhies, ward durch einen ausdrüklichen Befel iener Gebrauch eingefürt, von dessen eigentlicher Bedeutung und Nuzzen so vieles gemutmast worden; nämlich die Beschneidung. Da unmittelbar vorher von ausseror

 

[Manuskriptseite 143]

dentlicher Fruchtbarkeit seiner Nachkommen in so starken Ausdrükken geredet wird; da eben diese Fruchtbarkeit eine von den feierlichsten götlichen Verheissungen ist; - so wil mir die Meinung, die schon Philo hegte, ser einleuchten, daß gerade dieser so feierlich eingefürte Gebrauch auf die Beförderung der Fortpflanzung eine Beziehung gehabt. So hängt alles recht genau zusammen: "Ich wil dich ausnemend fruchtbar - Du, und deine Nachkommen müssen aber auch meinem Vertrage gemäs handeln; - was ihr euerseits diesem Vertrage gemäs leisten solt, ist dieses: - Allem Mänlichen unter euch sol die Vorhaut weggeschnitten werden." - Es ist in der Tat ser warscheinlich, daß hier 's Wegschneiden der Vorhaut, als etwas der Fortpflanzung beförderliches eingeschärft wird. - -" S. 133. 134.

 

[Ib-10-1780-0455]
"Aus dem felerhaften und widerwärtigen Betragen des Iudenvolks sind dem menschlichen Geschlechte grössere Vorteile zugewachsen, als nie erfolgt wäre, wenn eben dies Volk seinem Schuzgot getreu, immer so gedacht, und so gehandelt hätte, wie 's seinem Privatinteress' am zuträglichsten gewesen wäre. - An der Geschichte Ioseph's hab' ich ein frappantes Beispiel, wie die Fürsehung aus dem schlimsten Karakter und Betragen der Menschen mer gutes herauszuziehen weis, als im Fal eines bessern Betragens nicht erfolgt wäre. - Böse müssen in der Welt sein - und wo sie sind, sind sie an dem Orte besser als gute an ihrer Stelle." S. 203. 204.

 

[Manuskriptseite 144]

[Ib-10-1780-0456]
"Zu David's Zeiten waren auch andre Staten, sie mögen nun übrigens mer zu den Monarchien, oder zu den Aristokratien gehört haben, in gewissem Sin teokratisch: in wiefern nämlich die geglaubte Gotheit der Nazion als Regentin, und die Fürsten, als oder Statsbeamt' als ihre Diener (Priester) betrachtet wurden. Da nun dies die angenomne Denkensart derselben Zeiten war, so bestand das Eigne und Unterscheidende der israelitischen Teokratie, (welche übrigens eine Monarchie oder Aristokratie sein könte,) darin, daß gerade diese Gotheit die Regentin dieses Volks war, und daß sie sich auch wirklich mit der Regierung desselben mer und eigentlicher abgab, als eine andre, geglaubte Gotheit freilich nicht konte. Dies war also eine ware Teokratie, zum Unterschied von blos eingebildeten Teokratien. -" S. 208.

 

[Ib-10-1780-0457]
2) Opfer - und ihr Ursprung.

 

[Ib-10-1780-0458]
"Die Regierungsform der Iuden paste zum damaligen Zeitalter, und zur Lage, worin Israel sich gegen andre Nazionen befand. Iede andre Nazion z. B. pflegt' ihre Gotheiten mit Opfern zu vereren; und 's gehörte mit zu der Stats Verfassung, daß diese gesezmässig durchgebracht würden. Israel hatte dies auch. Sie kanten die Opfer schon aus der Gewonheit andrer Nazionen und ihrer eignen Stamväter. Wir haben den Ursprung der Opfer im ersten sinlichen Umgang des Menschen mit d einer Gotheit gefunden, und sie als Handlungen betrachtet, wodurch dieselbe am

 

[Manuskriptseite 145]

Guten, was sie bescherte, hinwiederum Teil zu nemen; und das Beste davon mitzugeniessen eingeladen wird. So simpel anfangs diese Handlung war, so viel Kunst und Mannichfaltigkeit wurde nach und nach daran gebracht. Seit 's Schlachten und Essen der Tier' aufgekommen, ward 's auch bei'm Opfergebrauch eingefürt, weil man nach der damaligen sinlichen Denkungsart glaubte, daß es, wo nicht zu einer Speise, oder zu einem angenemen Geruch für die Gotheit, doch zu einem Zeichen diente; daß man ihr gerne das Beste davon abtreten und ihr damit Vergnügen machen möchte. Und da man diese Handlung in vielen Fällen vornam, z. B. wenn man die Götter um eine Woltat anflehte, oder ihnen öffentlich dankte, oder, nachdem man sie beleidigt zu haben glaubte, sie wieder begütigen wolte; so entstanden merere Arten von Opfer: Dankopfer, Sönopfer. - Nach und nach mischten sich andre Begriffe darein, die anfangs zur Idee eines Opfers nicht gehörten. Bei Bündnisschliessungen z. B. kam bei'm Abschlachten des Tiers natürlich der Gedank' hinzu, so, wie 's Tier erwürgt werde, so solte der Bundbrüchige dem Schwerd heimfallen. Bei Sönopfern schien 's Tier die Strafe dessen zu tragen, der durch das Opfer die der Gotheit angetane Beleidigung aussönen wolte. Das Blutvergiessen nam dem Tier sein köstlichstes, das Leben. Wo nun dies durch Übertretung eines Gesezzes verwirkt war, da schien 's Leben des Tiers das Leben des Opfers loszukaufen, u. s. w.

 

[Manuskriptseite 146]

Alle diese sinliche und bedeutsame Ausdrükke der Dankbarkeit, der Vererung u. s. w. wurden in der israelitischen Teokratie schiklich beibehalten. -" S. 210. 211. 212.

 

[Ib-10-1780-0459]
"Der Iehova bewies sich seine Israeliten blos als einen Nazional Got - und sie kanten ihn blos als einen solchen. Selbst da Iehova von Sinai vernemlich mit ihnen redete, und den tiefsten sinlichen Eindruk von seiner Maiestät auf sie machte, stelt' er sich nicht so fast als den Hern der ganzen Welt vor, sondern als den, "der sie aus Ägypten gefürt habe." Hätt' er sich da mer nach seiner Beziehung auf die Menschen überhaupt zu erkennen gegeben, so wäre die besondre und engere Relazion, in welcher er sich mit Israel als Schuzgot eingelassen, nur verdunkelt worden, und diese solte doch mit Fleis hervorstehen und die Basis ihres Gottesdienstes sein. Hieraus läst sich nun derselbe genauer begreifen. Der Hohepriester z. B. solte nicht eine Mittelsperson zwischen Got, in wiefern er aller Menschen Got ist, und den Menschen als Geschöpfen sein; sondern blos der oberste Beamte des Gottes Israel's bei solchen Verrichtungen, die, kraft seiner Beziehung gegen diese Nazion, zu seiner Bedienung musten vorgenommen werden. Die Priester und Leviten waren gleichsam Hofbediente dieses Gottes, und nicht überhaupt Diener des höchsten. Das Versamlungszelt und die Bundeslade solten nicht so fast die Gegenwart oder Wonung Gottes bei den Menschen überhaupt, als seine besondre Art, mit den Israeliten umzugehen,

 

[Manuskriptseite 147]

und unter ihnen zu residiren, ausdrükken. Die Opfer musten sich gerade zu diesem und zu keinem andern Gottesdienste schikken. - Das Opfer als Opfer - (dergleichen ia alle Götterdienst' hatten) war 's nicht, das Got die Israeliten angenem machte, sondern das beim Opfer, was sich auf seine Gotheit bezog, mithin der von ihm gemachten Einrichtung gemäs war, kurz die Rüksicht auf ihn, den einzigen, den unabbildlichen, den Got der Väter, den der aus Ägypten gerettet hatte. Da nun durch's Opfern eine Bekantschaft mit der Gotheit unterhalten wurde; indem die Gotheit mit dem, dessen Opfer sie annam, Umgang zu pflegen, und sein Gast geworden zu sein schien, (zufolge des herschenden Begrifs vom Opfer) so bekante sich der, der dem Got Israel's opferte, (welches nun aber nicht, one der mosaischen Opferordnung beizutreten, geschehen konte) als einen Teilhaber am Umgang mit Iehova, und an der Gunst desselben; sein Dankopfer war ein Beweis, daß er sein Gutes dieser Gotheit zu danken zu haben glaubte, sein Sönopfer, daß er diese Gotheit durch seinen Feltrit beleidigt zu haben, und sie wieder zu begütigen zu können glaubte; das Bündnis Opfer, welches die Nz Nazion bald nach der öffentlichen Gesezgebung brachte, ein Beweis, daß sie nun mit dieser Gotheit in der engsten Verbindung zu stehen glaubte. -" S. 220-224.

 

[Ib-10-1780-0460]
"Sünde hies bei den Israeliten nicht so fast überhaupt das, was dem Gewissen und dem Naturgesez, als was der Beziehung zuwider war, in deren sie mit Got Iehova

 

[Manuskriptseite 148]

standen; was seinen Gesezzen - er war nun ihr Gesezgeber und König - entgegen lief. Die gröste unter den Sünden war also der Abfal, oder die Abgötterei, so wol die, die nur einen andern, als die, die merere andre Gotheiten, vererte. Sie war ein Statsverbrechen. Nächst der Abgötterei war alles das Sünde, was zur Abgötterei verleitete, Anhänglichkeit an Zauberei, Warsagerei, Traumdeutung, und der Bilderdienst, auch wenn er auf Iehova selbst gienge - Dan die moralische Vergehungen, die hier nicht so fast als an sich böse, sondern als dem Gesez zuwider betrachtet wurden - Auch der Begrif von Erlösung bekam durch diese Anstalt eine bestimtere Bedeutung. Eine moralische Erlösung dachte sich der sinliche Israelite wol nicht: Erlösung erinnert' ihn an die höchste Nazional=Woltat von - die Ausfürung aus Ägypten. -" Seit. 229. 230. 231.

 

[Ib-10-1780-0461]
"Der Philosoph giebt uns wol eine Teorie von der götlichen Regierung, aber er zeigt sie uns nicht. Denn sie ist, in ihrer Wirklichkeit betrachtet, Geschichte." S. 382.

 

[Ib-10-1780-0462]
XVIIII.

 

[Ib-10-1780-0463]
Untersuchungen über den menschlichen Willen, dessen Naturtriebe, Veränderlichkeit, Verhältnis zur Tugend und Glükseligkeit und die Grundregeln, die menschlichen

 

[Manuskriptseite 149]

Gemüter zu erkennen und zu regieren von Iohan Georg Heinrich Feder, Professor der Philosophie auf der G. A. Universität zu Göttingen. Erster Teil. Göttingen und Lemgo, im Verlage der Meier'schen Buchhandlung 1779.

 

[Ib-10-1780-0464]
1) Der Mensch - nie sich selbst änlich!

 

[Ib-10-1780-0465]
"Hier liegt der Mensch unter seinem Himmel, oder in einer Felsenkluft, oder in einer rauchichten Hütte. Dort wont er in aufgetürmten Pallästen, und findet in einer unabsehligen Reihe von Zimmern kaum Raum genug für sich. Kleider hält iener für unnatürlichen Zwang, läuft nakt, ziert sich mit Farben, oder Knochen, die er durch die Haut stekt, oder behängt sich mit Tierfellen. Dieser würde sich für unglüklich, für verächtlich halten, wenn er nicht für iede Iarszeit, vielleicht für ieden Tag, ein ander Kleid anzuziehen hätte.

 

[Ib-10-1780-0466]
Dort sind Völker, die sich scheuen, Tiere zu tödten und ihr Fleisch zu essen. Hier sind andre, die aus Rach' ihren Feind verzeren, und Menschenfleisch zu Markte bringen. Bald scheint dem Menschen kein Opfer zu gros, das er nicht der Freundschaft, der Vaterlandsliebe zu bringen, sich entschliessen könte, bald kein Verbrechen zu scheuslich, keine Niederträchtigkeit zu verächtlich, die er nicht um seines Eigennuzzes, um seine Leidenschaften zu befriedigen, begienge.

 

[Ib-10-1780-0467]
Iezt scheint er 's geselligste Wesen zu sein, bereit, lieber

 

[Manuskriptseite 150]

alles zu dulden, als sich von der Geselschaft zu trennen und allein zu sein. Ein andermal flieht er menschenscheu, verschliest sich, flucht der Geselschaft. Hier stelt sich ein kleiner Haufe freiheitsliebender Republikaner einem unzälbaren Her' entgegen, und stirbt lieber, als daß er wiche; eine Handvol Betler, wie der übermütige Feind sie nent, zwingt den Beherscher eines Gebiets, in dem die Sonne nie untergeht, erst sie für unabhängig zu erklären, bald auch ihre Freundschaft zu suchen. Dort zittern Millionen in der niedrigsten Sklaverei vor einem zum Despoten gebornen Kinde, oder einem aus dem Staub' erhobnen Priester. Wiederum steht mitten unter den Völkern, die ihren Regenten mit der grösten Ererbietung begegnen, und in einer besondern der Erfurcht geheiligten Sprache sie anreden, unvermutet ein Haufe gutartiger Schwärmer auf, und erlaubt sich gegen eben diese Beherscher das Zeremonial des ersten Naturstandes.

 

[Ib-10-1780-0468]
Unzälbar ist die Menge der Blödsinnigen, die ein Tier, das vor ihren Füssen kroch, als den Hern ihres Schiksals vereren, oder einen Knochen zum Gegenstand' ihrer begeisterten Furcht und Hofnung erheben. Und andre scheinen zu stolz, einen Schöpfer der Welt anzubeten!

 

[Ib-10-1780-0469]
Hier weis man von keinem Range, als den persönliche Eigenschaften geben, Geschiklichkeit auf der Iagd und Fischerei, Mut gegen den Feind, Erfarung des Alters. Dort

 

[Manuskriptseite 151]

zält man so viele Rangordnungen der Menschen, als Narungsarten; iede derselben würde sich auf immer enteren, wenn sie mit der andern ässe; und Liebe treiben mit einer Person aus einer niedrigen Klasse kan sogar das Leben kosten. Auf Kleinigkeiten stolz, ist oft der Mensch geneigt, seinen Verstand für den volkommensten zu halten. Und eine Kleinigkeit, die er nicht begreift, ist auch oft nur nötig, um einen andern schwachen Sterblichen für einen Himmels Son zu halten.

 

[Ib-10-1780-0470]
Hier wält er ekel seine Narung aus hundert Gerichten, und würde glauben, Tod und Schande durch wolfeile Speisen sich zuzuziehen. Dort findet er noch viel verachtetere wolschmekkend, und scheint kaum zu wissen, daß ein Unterschied dabei stat findet. -" S. 4-8.

 

[Ib-10-1780-0471]
2) Nuzzen, den man aus den Träumen ziehen kan.

 

[Ib-10-1780-0472]
"Die Träume sogar, sind ein Hülfsmittel, unsre Triebe, unsre Neigungen unverhült zu entdekken. Denn nur die Vorstellungen in den Träumen sind anders als bei'm Wachen, sind losgebundener von einander; die Grundgesezze des Willens sind dieselben." S. 12.

 

[Ib-10-1780-0473]
3) Vom wechselseitigen Abhängen des Verstandes und Willens.

 

[Ib-10-1780-0474]
"Der Will' hängt vom Verstand' ab: dies ist ausgemacht. Aber sagt man nicht auch, daß der Verstand, daß Vorstellungen und Urteile vom Willen abhängen? Und macht

 

[Manuskriptseite 152]

dies nun zusammen nicht einen sonderbaren Zirkel? - Keinesweges. Der Verstand hängt vom Willen ab, heist erstlich so viel: der Mensch gebraucht seine Verstandeskräfte, wie die Gliedmassen seines Körpers, nach Lust und Belieben; er richtet seine Aufmerksamkeit auf etwas, oder entzieht sie ihm; öfnet seine Sinne, oder verschliest sie, wendet sie ab. Es sind dan aber doch allemal Erkentnisse (Perzepzionen), die ihm diese Lust erwekken, oder ihn nach einen andern Gegenstand' hinziehen; Empfindungen nämlich, oder Vorstellungen. Die lezten Gründe dieses Vermögens des Willens über die Erkentnis liegen dan also doch, wenigstens zum Teil, im Zustande des Erkentnisvermögens, in andern gleichzeitigen, oder vorgehenden Bestimmungen desselben. Der Will' hat aber auch dadurch Macht über den Verstand, daß er, mittelst der Antrieb' und des Einflusses seiner Neigungen, grosse Veränderung in den Vorstellungen und Urteilen bewirken kan. Eben darum dadurch nämlich bewirkt er 's, daß er die Aufmerksamkeit auf das eine lenkt, und vom andern abzieht; und daß er einigen Bemerkungen Klarheit und Gründ' aus den herschenden, von den Leidenschaften rege erhaltnen Vorstellungen verschaft, die andern aber unentwikkelt und unaufgeklärt läst. Aber der Verstand erkent, und urteilt doch nicht geradezu so, blos darum, weil 's der Wille so begert; sondern zunächst nur darum, weil er solche Beschaffenheiten und solche Verhältnisse sich vorstelt. -" S. 30. 31.

 

[Manuskriptseite 153]

[Ib-10-1780-0475]
4) Der Wille wird alzeit durch Beweggründe bestimt.

 

[Ib-10-1780-0476]
"Die Beobachtung entscheidet hier: sie lert

 

[Ib-10-1780-0477]
1) daß der Wille ser wol im Stand' ist, Beweggründen sich zu widersezzen, aber daß immer ein andrer Beweggrund alsdenn da ist, der diesen Widerstand bewirkt. Nicht immer ist 's eine vernünftige oder deutliche Vorstellung, sondern eine unentwikkelte Empfindung oder dunkle Erinnerung, ein vermengtes Gefül, eine Phantasie; ein Schwarm kleiner Phantasien kan 's auch sein.

 

[Ib-10-1780-0478]
2) daß von einem schon gefasten Entschlus abzulassen möglich ist, so oft man Lust dazu hat. Aber diese Lust hat allemal ihren Grund in einer neuen Vorstellung; wär' es auch nur, die Probe zu machen, daß man 's könne. -" Seit. 46.

 

[Ib-10-1780-0479]
5) 3) daß der Warum Eltern die Kinder mer lieben, als diese iene

 

[Ib-10-1780-0480]
"Der Grund ist: die Vorstellung, Vater, Urheber, Son, Untergebner Oberer zu sein, ist angenemer, als die andre, Son, Untergebner, Abkömling zu sein. Also kan ein Mensch sich selbst in seinen Kindern leichter, als in seinen Eltern lieben. -" Seit. 65.

 

[Ib-10-1780-0481]
6) Sind die Neigungen angeboren?

 

[Ib-10-1780-0482]
"Wenn man die Bestimmungen oder Eigenschaften einer menschlichen Sele, in denen der Grund liegt, weswegen Empfindungen und Vorstellungen, wenn sie entstehen, Wollen oder Nichtwollen erwekken, Neigungen,

 

[Manuskriptseite 154]

und die Beschaffenheiten ihrer Kraft, um welcher willen sie, bei entstehenden Anlässen und Reizen, iust auf eine gewisse Art wirksam wird, Triebe nennen wil: so mus man eingestehen, daß Neigungen und Trieb' angeboren werden; daß nicht on' alle Neigungen und Trieb' ein Begerungsvermögen und tätige Kraft in sich enthaltendes Wesen ie sein kan. In dieser Bedeutung der Worte wird auch nicht leicht iemand dagegen streiten, daß z. B. Selbstlieb' und Trieb sich zu erhalten angeboren, ia ursprünglich der Sel' anerschaffen sein. Aber daß Begierden, oder durch wirklich vorhandne Vorstellungen erregte Willensäusserungen, und Neigungen, in der Bedeutung durch Vorstellungen gegründeter, entfernter Disposizionen des Willens zu gewissen Begierden, ursprünglich der Sel' angeboren und sein; dies ist etwas anders und unerweislich.

 

[Ib-10-1780-0483]
Dies folgende ist zwar war. Wie viele Macht über den Willen den Vorstellungen, und mittelst derselben den Dingen auch eingeräumt werden mus; so ist doch in ihnen nicht allein der ganze Grund noch nicht enthalten, weswegen iust solche Willensäusserungen in einem Menschen sich hervortun. Iedwede Veränderung, die in einem Dinge durch die Kraft eines andern bewirkt wird, hat immer einigermassen ihren Grund auch in der Natur und dem vorhergehenden Zustande desienigen Dinges, in welchem sie

 

[Manuskriptseite 155]

bewirkt wurde; darin, daß dies Ding solchen Widerstand tat, so mitwirkte, oder leidend sich verhielt, u. s. w. Eben also ist leicht zu begreifen, daß die Beweggründe, die einen Willen wozu bestimmen, ihn nicht iust so würden haben bestimmen können, wenn 's nicht ein solcher Wille wäre. Eh' noch irgend eine Veränderung mit dem menschlichen Geiste sich eräugnet; müssen die Gründe zu seinen Veränderungen, in's besondre auch zu den Willensäusserungen, eingermassen schon in ihm liegen. Denn nichts ist vorhanden, one daß es gewisse Eigenschaften hat; und nach diesen müssen sich allemal auch die Veränderungen richten, die in demselben entstehen. - - Dies alles ist war: aber deswegen folgt noch nicht, daß die Neigungen angeboren sind. Man wendet zwar folgendes von den Kindern hergenommen, ein. Sie begeren sich zu nären, und wenden ihre Kräfte dazu an, richten die Gliedmassen ihres Körpers dazu ein, daß sie ihrer Narung teilhaftig werden. Bei solchen offenbar angebornen Kunstfertigkeiten, meint man, lasse sich am Dasein angeborner Neigungen und Triebe, die Ideen zum Grund' haben müssen, nicht zweifeln. Ferner. Warum füre sonst das Kind in der Wiege, schon in den ersten Tagen nach seiner Geburt, so schrekhaft zusammen, wenn etwas fält, oder die Tür hart zugeschmissen, oder schnel mit einigem Geräusche geöfnet wird? Warum scheut 's sich, und verbirgt sein Gesicht vor gewissen Gesichtern, da 's andern

 

[Manuskriptseite 156]

gern sich naht? Ideenadsoziazion, vermöge gehabter Erfarungen, kan hier nichts tun. Und was sind 's anders, als angeborne Ideen und Neigungen, wodurch die wildesten Menschen, wie eben auch Tiere, die ihnen unschädlichen Narungsmittel auszufinden im Stande sind? -

 

[Ib-10-1780-0484]
Aber aus diesen Beobachtungen schliest man mer, als darinnen enthalten ist. Das Kind zeigt gleich nach der Geburt Triebe, und einige Fertigkeit, sich seine Narung zu verschaffen. Aber woher weis man, daß dieser Trieb auf Ideen und Vorerkentnisse sich gründe, und nicht blos durch Mechanism und gegenwärtige Empfindung bestimt werde? Und wenn Ideen zum Grunde liegen müssen; könten die nicht durch die Empfindungen im Mutterleib' erzeugt worden sein; wo doch's Vermutung, schon Gelegenheit und Reiz' hat, Säfte durch den Mund einzusaugen. Oder man kan 's für Wirkung der Organisazion halten, die der Schöpfer so veranstaltet hat, um durch mechanische Gesezze den Anstalten der Vernunft vorzuarbeiten. - -" S. 52-56.

 

[Ib-10-1780-0485]
7) Kurze Bemerkungen.

 

[Ib-10-1780-0486]
"Man müste gegen das Herz eines Menschen mistrauisch werden, der das Bret, mittelst dessen er sich bei'm Schifbruch das Leben gerettet, am Ufer kaltblütig verbrennen könte." S. 62.

 

[Manuskriptseite 157]

[Ib-10-1780-0487]
"Der Zorn teilt sich unter allen Leidenschaften am wenigsten, oder eigentlich gar nicht, durch blosse Sympatie mit. Der Zornige sieht aus, wie einer, der beleidigen wil. Sein Anblik erregt im Zuschauer den Trieb, sich gegen ihn zu verwaren." S. 97.

 

[Ib-10-1780-0488]
"Die Affekte können genau betrachtet, noch so eingeteilt werden. Einige wirken auswärts, lassen sich gleichsam im Sturm aus. Andre wirken im Innern, drükken, nagen und verzeren. Iene gehen in's gemein eher vorüber; indem teils die äussern Kräft' in einem so gewaltsamen Zustand nicht lang' aushalten, teils diese Offenbarung des Affekts der Sele zu richtigen Beurteilung eher behülflich ist. Denn was den äussern Sinnen vorkömt, läst sich leichter erkennen und unterscheiden, als was im Innern vorgeht. In'sbesondre kan's zur Legung des Affekts viel beitragen, wenn er sich in Worten ausläst. Denn dadurch werden nicht nur die Vorstellungen deutlicher, sondern der Sele wird auch leichter, als wenn sie der natürlichen Bestrebung der gereizten Werkzeuge Widerstand tun mus. - Ein geübter Geist kan durch seine Affekten gebessert werden. Er lernt sich kennen, schämen, vorsichtig sein, vorbauen, ausweichen. Er lernt auch andre billiger und richtiger beurteilen. -" S. 123. 124.

 

[Ib-10-1780-0489]
8) Von der Freude.

 

[Ib-10-1780-0490]
"Der Freud' ist 's besonders eigen, den Eindruk unangenemer Vorstellungen, und die Achtsamkeit auf dieselben zu

 

[Manuskriptseite 158]

verhindern. Denn was den herschenden Vorstellungen und stärkern gegenwärtigen Eindrükken entgegen ist, findet nicht leicht Eingang. Daher macht die Freude so leicht nachlässig in Beobachtung des Wolstandes, überhaupt aber sorglos gegen die Zukunft. Daher hat 's die Klugheit zur Regel gemacht, bei ser erfreulichen Nachrichten die kleinsten, widrigen Umständ' in Erwägung zu ziehen, und seine Aufmerksamkeit zu verdoppeln. Der so oft angeklagte Wechsel des Glüks hat vielleicht öfter als gerne glaubt, seinen Grund in uns selbst. -" S. 131. 132.

 

[Ib-10-1780-0491]
9) Über die unangeneme Gemütszustände.

 

[Ib-10-1780-0492]
"Die Ursach' unsrer Unzufriedenheit denkt man sich bisweilen als ein unvermeidliches Schiksal, nicht durch iemandes Schuld hervorgebracht; dan entsteht Traurigkeit. Denkt man sich aber die Ursache seines unangenemen Zustandes, als durch iemandes Schuld entstanden; so ist die Empfindung Verdrus. Wo man sich ein Übel, als an sich vermeidlich, durch iemandes Schuld entstanden, vorstelt; da erwachen natürlicher Weise die Triebfedern der Tätigkeit. Hingegen sinken die Kräfte zusammen bei der Vorstellung des unveränderlichen, eisernen Schiksals. Traurigkeit, Betrübnis, machen daher untätig, niedergeschlagen; Verdrus äussert sich durch Tätigkeit. Zorn ist ein hoher Grad

 

[Manuskriptseite 159]

von Verdrus; insbesond're aber heist so der Verdrus über Versehen oder Vergehungen eines andern. Bei der Unzufriedenheit über seine eignen Vergehungen entstehen Reue, mittelst der Erkentnis der Falschheit und Schädlichkeit der Beweggründe, denen man gefolgt ist; und Scham, mittelst der Erkentnis der Kleinheit, der Schwäche, die ein solches Betragen beweiset. Beide können bald mer vom Zorne, bald mer von der Traurigkeit an sich nemen; ie nachdem der Gedanke von Vermeidlichkeit der felerhaften Handlungen, wenn man nur gewolt hätte, oder der Gedanke, daß das Geschehene nun nicht mer zum Ungeschehenen gemacht werden kan, der Sel' obschwebt. -" Seit. 134.

 

[Ib-10-1780-0493]
10) Grund, warum man mer Böses in der Welt anzutreffen glaubt als Gutes.

 

[Ib-10-1780-0494]
"Es giebt ser viele Arten von angenemen Gemütszuständen - wir haben sie nur nicht alle mit Namen benent. Aber daß es hier nicht eben sowol geschehen ist, als bei den unangenemen Gemütszuständen, davon man viel' Arten unterscheidet; davon läst sich vielleicht als Ursach' angeben, daß bei den angenemen Empfindungen die Erwekkung zum Nachdenken, Unterscheiden und Anmerken, nicht so natürlich, und daher bei den meisten Menschen nicht so gemein ist, als bei den unangenemen. Iene kan man leichtsinnig und gedankenlos hinnemen; von diesen sucht man sich zu befreien; und so lernt man sie genauer kennen. Auch ist dem Menschen in'sgemein mer daran gelegen, von diesen andre zu benachrichtigen als von ienen. –" Seit. 136.

 

[Manuskriptseite 160]

[Ib-10-1780-0495]
11) Über die Traurigkeit.

 

[Ib-10-1780-0496]
"Bei allen Arten unangenemer Gemütsbewegungen, entsteht leicht Vergrösserung des Übels, indem sich die Imaginazion bei der Erwekkung und Zulassung der Ideen immer nach dem Haupteindruk richtet. Bei der Traurigkeit geschieht dies um so viel mer, da die Empfindung oder Vorstellung unsrer Schwäche, der Unmöglichkeit, dem Übel abzuhelfen, alle Reize der Tätigkeit unterdrükt, und die Gewisheit des Übels den Lauf der unangenemen Vorstellungen durch keine Hofnung leicht unterbrechen läst. Freilich schwächt auch umgekert die starke Empfindung des erlittenen Übels das Bewustsein unsrer noch übrigen Kräft' und Volkommenheiten.

 

[Ib-10-1780-0497]
Wenn denn die traurigen Vorstellungen so völlig die Oberhand gewinnen: so entsteht auch wol der Glaube, daß es für einen gar keine Freude mer gebe, daß man derselben nicht mehr fähig sei; zur Geselschaft der Fröligen sich nicht mer schicke. Selbst die Freuden, die man vorher genossen hat, kommen einem iezt unschmakhaft vor; weil man 's Organ dazu, die enthülte Sele, nicht hat . Oder als verderblich, selengefärlich; wegen der Verwandschaft der Traurigkeit mit der Furcht.

 

[Ib-10-1780-0498]
Der Traurige flieht daher vor den Gelegenheiten der Aufheiterung und Zerstreuung, liebt die Einsamkeit, sucht sich Gegenständ' aus, die, wie er denkt, zu seinem Gemütszustande sich am besten schikken, finstre Gegen

 

[Manuskriptseite 161]

den und melancholische Lektüre. - Ausser der almäligen Zerstreuung der traurigen Bilder durch iedwede neue Eindrükke, giebt 's in'sbesondre zwei Gemütsbewegungen, durch welche die Traurigkeit oft überwältigt wird. Dies sind plözlich erregte Furcht und Liebe. Iene, indem sie Triebe der Tätigkeit erwekt, und den Geist aus den gewonten Vorstellungen herausreist, in die er eingekerkert ist war, kan zu ermunternden, mutmachenden Gefülen verhelfen; wenigstens doch neue, die alten zerstreuende Vorstellungen aufbringen. Dies kan sich in 's Gemüt des Traurigen unter der Gestalt des Mitleidens einschleichen, welches er teils für sich zu erwekken, teils auch andern zu erweisen geneigt ist. Es ist ihm auch dazu der Hang zur Betrachtung und Ausschmükkung der Eindrükke, die einmal die Phantasie empfangen hat, behülflich.

 

[Ib-10-1780-0499]
Indem die Traurigkeit für die meisten äusserlichen Gegenstände, besonders die lebhaften, am meisten zerstreuenden Vergnügen unempfindlich; indem sie den Gang der Lebensgeister langsamer; indem sie furchtsam und mistrauisch macht; ist sie dem tiefen Nachdenken vorteilhaft.

 

[Ib-10-1780-0500]
Eben dadurch macht sie auch gewisser feinerer, angenemer Empfindungen fähig, welche die Lebhaftigkeit des Frölichen, oder die Stärk' äusserlicher angenemer Eindrükke nicht aufkommen läst. Überhaupt sind Vergnügen und Traurigkeit nicht so entfernt von einander, daß sie sich nicht mannichfaltig zusammengesellen und auseinander entfernen können. - -" Seit. 137-139.

 

[Manuskriptseite 162]

[Ib-10-1780-0501]
12) Bemerkungen über Zorn, Furcht, Scham.

 

[Ib-10-1780-0502]
"Das Bewustsein, im Zorn schon zu weit gegangen zu sein, oder selbst beleidigt zu haben, trägt nicht immer zur Einschränkung dieser ausschweifenden Ideenverknüpfung und zur Mässigung des Zorns etwas bei. Wenn's zu schwach ist gegen die Eitelkeit Eigenliebe: so wird 's vielmer ein Antrieb, iene Veränderungen der Vorstellungen zu befördern, um einige Rechtfertigung seines Verhaltens zu Stande zu bringen. Ia, es giebt Menschen, welche, wenn sie sich gegen andre vergangen haben, stat über sich selbst böse zu werden, über den ergrimmen, den sie beleidigt haben; weil er, als der Gegenstand oder die Veranlassung ihres Übelverhaltens, ihnen verhast ist. Proprium humani ingenii* ingenii est, odisse, quem laeseris, sagt Takitus . -" Seit. 141. 142.

 

[Ib-10-1780-0503]
"Die Furcht schwächt, nach dem Urteile des Kard. von Rez , unter allen Leidenschaften den Verstand am meisten. Das ungeschikte Betragen sonst verständiger Leut' in Gegenwart vornemer Personen, auch in solchen Dingen, die an sich ihnen nicht ungewont sind, das Unvermögen der Kinder, in einem solchen Falle sich auf dasienige zu besinnen, was sie noch so gut wusten, geben Beweise. Eben daher kan es auch kommen, daß einer in wirkliche Gefar gerät, indem er denenienigen ausweichen wil, die seine beunruhigte Einbildungskraft ihm vorstelt. - Es scheint, daß, um der Gefar zu entfliehen, die Sele sich allen Vorstellungen zu entziehen suche; wie Kinder auch die Augen sich zuhalten, wenn sie sich vor Erscheinungen fürchten. Desto mer aber kan die Imaginazion tun, wenn die Sele nicht ihre tätige Aufmerksamkeit anwendet. -" S. 148.

 

[Ib-10-1780-0504]
"Gleichwie dir Furcht die Kräfte zu benemen scheint; also scheint der Mut sie zu verdoppeln. Eigentlich aber

 

[Manuskriptseite 163]

hindert nur iene das Gefül, und den Gebrauch derselben; und dieser befördert ihn. Man unternimt nichts, was man für unmöglich hält oder wovon man sich einen schlimmen Ausgang vorstelt; da hingegen die lebhafte Vorstellung des gewissen Vorteils macht, daß man die Hindernisse nicht achtet. Gewis ist's, daß blos die Furcht Ursach' ist, daß die Menschen vieles nicht zu tun geschikt sind, was ausserdem ihre Kräfte gar nicht übertrift, oft ganz leicht ist. Auf einem schmalen Brette zu gehen, wenn's auf einem sichern Boden liegt, fält niemandem schwer. Aber wie wenige vermögen's, wenn 's über einem tiefen Strom, oder über Häuser weggehet? Der Nachtwandler unternimt dergleichen one Schaden, warscheinlich darum, weil er keine Idee von der Gefar hat, die seine Organen erschüttern und wanken machte, und seine Aufmerksamkeit teilte. Er ist unglüklich, so bald er erwacht, und die Idee der nahen Gefar bekömt. So kan also die Gewonheit auch dadurch etwas leicht machen, daß sie die Furcht benimt.?" S. 153.

 

[Ib-10-1780-0505]
"Mut und Furcht sind eben nicht leicht zu beurteilen. Die Furcht kan machen, daß einer ungestüm tobt, um Mut zu zeigen, oder um die ihm gros scheinende Gefar geschwind abzuwenden; und der Mut kan machen, daß sich einer stille verhält, weil keines von beiden ihm - nötig scheint. -" S. 156.

 

[Ib-10-1780-0506]
"Bei einem hohen Grade der Scham kan der Mensch die Gegenwart oder den Anblik des andern nicht ertragen. Der dabei entstehende unbestimte Antrieb, sich geschwind merere Volkommenheit zu geben, und seine Unvolkommenheit, oder wenigstens das eigne Gefül derselben zu verbergen, bringt die Verlegenheit, die sich im Blik und in der Stellung offenbaren, und one Zweifel auch's Erröten hervor. - -" Seit. 161.

 

[Manuskriptseite 164]

[Ib-10-1780-0507]
13) Bemerkungen über Schwermut, Langweile, Hofnung.

 

[Ib-10-1780-0508]
"Der Schwermütige weint bei den natürlichsten Quellen der Freude; es mischt sich wenigstens immer etwas Ängstliches in sein Vergnügen. - Die Schwermütigkeit hat merenteils ihren Grund im Körper; in der Volblütigkeit, Verstopfung der Absonderungsgefäss' und andern übeln Beschaffenheiten. Und 's läst sich begreifen, wie dieselben körperlichen Ursachen den einen verdrüslich, und den andern schwermütig machen können; ie nachdem einer von sanfter oder heftiger Gemütsart, mer zur Traurigkeit oder mer zum Zorn geneigt ist. - Die Traurigkeit verwandelt sich bisweilen in Schwermütigkeit, dergestalt, daß die Eindrükke, aus denen die Gefüle der Traurigkeit entspringen, fortdauern, obschon 's Bewustsein der Ursache sich verloren hat. -" S. 164. 165.

 

[Ib-10-1780-0509]
"Man hat angemerkt, daß bei'm Anfang der reifenden Iugend, sonderlich das weibliche Geschlecht, zu einer gewissen Schwermut aufgelegt ist, die nichts schmerzhaftes, oder etwas drükkendes, beklemmendes hat, und den Namen einer süssen Melancholie zu verdienen scheint. In diesem Zustand' erweichen die Eindrükke des neuen Frülings mer, als sie ermuntern; mer eine sanfte Auflösung, als neue Lebenskraft scheinen sie zu prophezeien. Die Lieder der Nachtigal rüren bis in 's Innerste; aber zu vol des Wonnegefüls schmachtet das Herz nach Erleichterung, und sympatisirt mer mit den ziehenden Klagtönen, als den hellen Schlägen der Sängerin. Der Körper, in welchem Alter und Iarszeit zur gleichen Wirkung zusammenstimmen, ist die vornemste Ursache. - - -" S. 166.

 

[Manuskriptseite 165]

[Ib-10-1780-0510]
"Alle Menschen, sagt Zimmerman, sind der langen Weil' unterworfen; ein gemeiner Kopf fült dieselbe am meisten im Umgange mit sich selbst; ein aufgeklärter am meisten im Umgange mit andern." Seit. 171.

 

[Ib-10-1780-0511]
"Die Langweile fürt der Völlerei und Unzucht mer Menschen zu, als die eigentlich darauf abzielenden tierischen Triebe. Sie ist die Ursache, daß der heftigen Kälte des Klima's ungeachtet, die Neigung für die körperliche Lieb' in Siberien so äusserst gros ist. Und nach eben d Aus Langweile fallen einsame Mädchen und auf dem Lande gänende Damen nur aus lange in die Sünde des Fleisches." S. 173. 174.

 

[Ib-10-1780-0512]
"Die Hofnungen des Greises sind mässig; und die des Iünglings die stärksten. Das ist die Ursache, warum bei ungewisser Todesgefar iener am meisten zagt, und dieser, den die Hofnung unterstüzt, am wenigsten; bei gewissem Verlust des Lebens aber die Standhaftigkeit des erstern, weil er weniger zu verlieren hat, weniger Hofnungen vereitelt sieht, grösser ist. - -" S. 178. 179.

 

[Ib-10-1780-0513]
14) Eine Gemütsbewegung wird heftiger, wenn sie auf eine entgegengesezte folgt.

 

[Ib-10-1780-0514]
"Diese Erscheinung ist aus den Wirkungen des Kontrasts begreiflich. In manchen Fällen auch daher, daß bei'm ersten Zustand' einigen Trieben Gewalt angetan wird; die also um so viel heftiger sich aus lassen, wenn sie frei werden, ie mer das innere Bestreben durch den Widerstand wuchs. Wenn der Traurige erfreut wird: so ist vielleicht

 

[Manuskriptseite 166]

eine doppelte Ursache des Wolbefindens vorhanden, Befreiung vom Übel und Erlangung eines neuen positiven Gutes. Wenn auf Lieb' Has folgt: so kommen zur erlittenen Beleidigung, oder was sonst die nächste Ursache davon ist, noch die Scham, sich so in seinem Urteile von andern betrogen zu haben, und die Reue, so viele Beweise der Lieb' an einen Unwürdigen verschwendet zu haben, hinzu. Wenn einer vom Zorn zur Lieb' übergeht: so kan die Begierde, das Versäumte einzubringen, das Unrecht gut zu machen, die Antriebe des Wolwollens vermeren. Die allersonderbarste Erscheinung hiebei machen selte die nicht seltnen Beispiele vom Übergang aus der religieusen Schwärmerei in die wollüstige. Die Sache würd' unbegreiflicher sein, wenn die religieusen Gemütsbewegungen der Menschen immer aus den erhabnen und gereinigten Begriffen von Got herkämen; wenn nicht die sinlichen und die intellektualen Begriff' in ihrem ersten Ursprunge so nahe mit einander verwand wären; wenn nicht die Menschen so geneigt und geschikt wären, den schönsten, wenn gleich schwächsten Teil ihres Karakters, sich selbst und andern zum Betruge, zum hervorstechendsten, zur Aussenseite, zur Maske zu machen. -" Seit. 182-189.

 

[Ib-10-1780-0515]
15) Die Bemerkung des Änlichen ist leichter, als des Unänlichen.

 

[Ib-10-1780-0516]
"Das Bemerken der Einerleiheit ist überhaupt leichter und dem Menschen natürlicher. Dies lert die Erfarung. Man wird von Kindern und allen denen, die sich der natürlichen Ideenknüpfung überlassen, viel häufiger einiges Nachdenken verratende Bemerkungen der Änlichkeit, als der Verschiedenheit hören. Allein auch aus

 

[Manuskriptseite 167]

der Natur der Sach' ist 's klar. Änliche Ideen erwekken einander von selbst, und geben dadurch Anlas zu ihrer Vergleichung. Verschiedne Ideen aber stellen sich nicht von selbsten zu einander, sondern nur durch Vorsäzz' oder vorhergegangene Übungen. Änlichkeit unter merern Dingen zu bemerken, braucht man nur die eine, aus dem Änlichen der merern Eindrükke von selbst sich hervorhebende und aufklärende Idee. -" Seit. 212. 213.

 

[Ib-10-1780-0517]
16) Vom Geize.

 

[Ib-10-1780-0518]
"Die Ursachen, woraus der Geiz entsteht, sind folgende. Ein solches Temperament des Körpers oder des Gemüts, bei welchem die Vorstellungen von Übeln in grösserer Anzal und lebhafter da sind, als die Vorstellungen, die Begierden erwekken, zum Genus reizen. Da kan die Vorstellung von blos möglichen und entfernten Übeln der Armut mer tun, als die Vorstellungen des nahen Genusses. - Zweitens, eine solche Gemütsart, bei welcher die Ideale von Glükseligkeit immer wachsen, wie 's Vermögen, sie zu erreichen, zunimt; und immer über dieses hinausstreben. Dem zufolge wird der Grund Genus immer weiter hinausgesezt, und das Proiekt dazu verbessert. Erst sparte man nur, um sich ein Pferd anschaffen zu können, und dan, als man dieses gekont hätte, wartete man lieber noch, bis man Kutsch' und Pferd anschaffen konte. Alsdenn aber schien ein Landgut das Mittel zum Anfang eines vergnügten Lebens zu sein. Nun must' aber auch - für ein anständiges Ein

 

[Manuskriptseite 168]

kommen der Witwe und die Erbteile der Kinder gesorgt werden. Und so schien immer mer nötig, als da war; und die Zeit des Genusses vergieng über der Anstalt darzu.

 

[Ib-10-1780-0519]
Schon auf diese Weise kan die Fertigkeit erzeugt werden, am eingebildeten Genusse sich zu weiden, und den wirklichen bei Seite zu sezzen. Sie kan aber auch sonst schon gegründet sein. Zu den natürlichen Ursachen des Geizes scheint sie allemal zu gehören. Und um einzusehen, wie viele dieselbe dabei tun kan, mus man nur bedenken, wie der Geizige, so lang' er sein Geld noch hat, sich alle mögliche Vergnügen vorstellen kan, die sich dadurch erlangen lassen. Wenn er's einmal ausgegeben hat, so fielen mit einem die andern alle weg. Selbst die Wal unter so vielen möglichen Vergnügen zu treffen, ist für manchen zu schwer; er möchte sie gern alle haben, und eben darum erlangt er keines. Endlich unterstüzt auch der Trieb der Gewonheit den Geiz. Was man aus Absicht lange getan hat, tut man zu lezt, blos weil man 's so lange getan hat. Und die erste Absicht wird dabei um so viel leichter vergessen, oder den Mitteln aufgeopfert, wenn diese sonst noch irgend einen Reiz, oder auch nur diesen Reiz der Gewonheit für sich haben; ie mer die Reize iener Absicht sich verloren haben. Wenn man in den Iaren der Munterkeit nur für 's Vergnügen aufsparte; so spart man im Alter, weil man des Vergnügens nicht mer fähig ist. - -" S. 239. 240. 241.

 

[Manuskriptseite 169]

[Ib-10-1780-0520]
17) Warum man bei der Rache so leicht das Mas der erlittenen Beleidigung überschreitet.

 

[Ib-10-1780-0521]
"Daher - Das Übel, das einem selbst wiederfaren ist, hat man empfunden; mist 's also nach einem lebhaftern Eindrukke, und schäzt 's daher leicht für grösser, als dasienige, was man dem andern antut, nicht eigentlich empfindet, nur sich vorstelt. Dan macht die Eigenliebe, daß man auf sich einen grössern Wert sezt, als auf den andern; und demnach auch die Beleidigungen, die einem wiederfaren, hieher gerechnet, als dieienigen, die man andern antut. Endlich hat der Mensch eben so ser Wolgefallen am Gefül seiner sich auslassenden Kraft, an den Beweisen seiner Übermacht; als die Empfindung seiner Onmacht ihm unangenem ist. - - -" Seit. 366.

 

[Manuskriptseite 170]

[Ib-10-1780-0522]
Verzeichnis der neuen Schriften.

 

[Ib-10-1780-0523]
I. Sulzer's Teorie der schönen Künste. Erster Teil. Von A bis J. Seit. 1.

 

[Ib-10-1780-0524]
II. Kampe's Kinderbibliothek. Drittes Bändchen. 10.

 

[Ib-10-1780-0525]
III. Kampe's Kinderbibliothek. Viertes Bändchen. 13.

 

[Ib-10-1780-0526]
IIII. Zimmermann vom Nazionalstolze. Vierte Auflage 15.

 

[Ib-10-1780-0527]
V. Kampe's Kinderbibliothek. Zweites Bändchen. 29.

 

[Ib-10-1780-0528]
VI. Shakespear's Schauspiele. Sechster Band. 37.

 

[Ib-10-1780-0529]
VII. Shakespear's Schauspiele. Siebenter Band. 39.

 

[Ib-10-1780-0530]
VIII. Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Achtzenter Band. 40.

 

[Ib-10-1780-0531]
VIIII. Der Philosoph für die Welt. Von Engel . Erster Teil. 54.

 

[Ib-10-1780-0532]
X. Der Philosoph für die Welt. Von Engel . Zweiter Teil. 62.

 

[Ib-10-1780-0533]
XI. Pope's sämtliche Werke. Zweiter Teil. 71.

 

[Ib-10-1780-0534]
XII. Lebensläufe nach aufsteigender Linie nebst Beilagen A. B. C. Meines Lebenslaufs erster Teil. 74.

 

[Ib-10-1780-0535]
XIII. Die Geschichte des Selbstgefüls. 85.

 

[Manuskriptseite 176]

[Ib-10-1780-0536]
XIIII. Bakon's moralische, politische und ökonomische Versuche. Aus dem Lateinischen. Seit. 102.

 

[Ib-10-1780-0537]
XV. Philosophische Gespräch' über die unmittelbare Bekantmachung der Religion und über einige unzulängliche Beweisarten derselben. 110.

 

[Ib-10-1780-0538]
XVI. Das Wochenblat one Titel. Erstes Bändchen. 129.

 

[Ib-10-1780-0539]
XVII. Sulzer's Teorie der schönen Künste. Zweiter Teil, von K bis Z. 131.

 

[Ib-10-1780-0540]
XVIII. Hes vom Reiche Gottes. Erste Häfte. 142.

 

[Ib-10-1780-0541]
XVIIII. Feder's Untersuchungen über den menschlichen Willen. Erster Teil. 148.

 

[Manuskriptseite 172]

[Ib-10-1780-0542]
Verzeichnis der exzerpirten Sachen.

 

[Ib-10-1780-0543]
1) Warum uns die Bemerkung der Änlichkeit ergözt - Seit. 1.

 

[Ib-10-1780-0544]
2) Von den Konsonanzen - - - - - 3.

 

[Ib-10-1780-0545]
3) Der Tag - - - - - - - - 10.

 

[Ib-10-1780-0546]
4) Des Morgens Sat Felde. - - - - - 11.

 

[Ib-10-1780-0547]
5) Freundschaft - - - - - - - - 13.

 

[Ib-10-1780-0548]
6) Wiegenlied - - - - - - - - - - - 13.

 

[Ib-10-1780-0549]
7) Bei'm Mondenschein - - - - - - - - - 14.

 

[Ib-10-1780-0550]
8) Vom Nazionalstolz' überhaupt - - - - - - - - - 15.

 

[Ib-10-1780-0551]
9) Vom Stolz' einzelner Menschen, und einzelner Arten von Menschen - - - - - - - - - - - 10.

 

[Ib-10-1780-0552]
10) Vom Stolze, der sich auf ware Vorzüge lent - 24.

 

[Ib-10-1780-0553]
11) Allerlei Bemerkungen - - - - - - - 28.

 

[Ib-10-1780-0554]
12) Der treue Hund - - - - - - - - - 29.

 

[Ib-10-1780-0555]
13) Gans und Ente - - - - - - - - - - - 31.

 

[Ib-10-1780-0556]
14) Badelied - - - - - - - - - - 32.

 

[Ib-10-1780-0557]
15) Die Güte Gottes - von Stolberg - - - - - - 34.

 

[Ib-10-1780-0558]
16) Abendlied - von Klaudius. - - - - - - 35.

 

[Ib-10-1780-0559]
17) An Menschen- - - - - - - - - - 36.

 

[Ib-10-1780-0560]
18) Aus dem Schauspiele "Antonius und Kleopatra" - - -

 

[Manuskriptseite 173]

[Ib-10-1780-0561]
19) Aus dem Schauspiele "Timon von Aten." - - - Seit. 38.

 

[Ib-10-1780-0562]
20) Aus dem Schauspiele "Die Irrungen" - - - - - - 39.

 

[Ib-10-1780-0563]
21) Von der Vorsehung Gottes - - - - - - - - 40.

 

[Ib-10-1780-0564]
22) Die Rechtmässigkeit des Verfarens Pharao's mit den Kindern Israel - - - - - - - - - - 41.

 

[Ib-10-1780-0565]
23) Von den Wundern, die bei der Ausführung der Kinder Israel aus Ägypten geschahen. - - - - - - - - 42.

 

[Ib-10-1780-0566]
24) Über 1 Iohannis V, 7. - - - - - - - - - 44.

 

[Ib-10-1780-0567]
25) Urgeschichte. - - - - - - - - - 45.

 

[Ib-10-1780-0568]
26) Geschichte vom Falle Adam's u. Eva - - - - - - 47.

 

[Ib-10-1780-0569]
27) Über Mosis Nachrichten von der Noachischen Flut. - - 50.

 

[Ib-10-1780-0570]
28) Von der Aussprache des griechischen @@. - - - - 51.

 

[Ib-10-1780-0571]
29) Was @@@@ @@@@ im N. T. bedeutet - - - - 52.

 

[Ib-10-1780-0572]
30) Vergleichung der Malerei auf einem Schmetterlingsflügel mit einem Meisterstük in mosaischer Arbeit - 52.

 

[Ib-10-1780-0573]
31) Quellen unsrer Misbräuche bei der Behandlung der Gegenstände - - - - - - - - - 53.

 

[Ib-10-1780-0574]
32) Vermuthung vom Gehirne des Menschen - - - 53.

 

[Ib-10-1780-0575]
33) Unrechtmässigkeit des Selbstmordes. - - - - - 54.

 

[Ib-10-1780-0576]
34) Der Karakter Werther's - - - - - - 55.

 

[Ib-10-1780-0577]
35) Über die verhältnismässige Grösse des Menschen 57.

 

[Ib-10-1780-0578]
36) Wie man gescheid wird. - - - - - 59.

 

[Manuskriptseite 174]

[Ib-10-1780-0579]
37) Bemerkungen - - - - - - - Seit. 60.

 

[Ib-10-1780-0580]
38) Zur Beruhigung dessen, dem alles in der Welt schwarz erscheint - - - - - - - - 60.

 

[Ib-10-1780-0581]
39) Über den Endzwek der Dichtkunst - - - - 62.

 

[Ib-10-1780-0582]
40) Von der Verschiedenheit der Rassen überhaupt - 65.

 

[Ib-10-1780-0583]
41) Um dem Edlen Tränen zu entlokken - - - - 71.

 

[Ib-10-1780-0584]
42) Eloïse über ihren Geliebten Abelard im Kloster - 71.

 

[Ib-10-1780-0585]
43) Schilderung eines herlichen Menschen - - - 73.

 

[Ib-10-1780-0586]
44) Moralische, psychologische und a. Bemerkungen - - 74.

 

[Ib-10-1780-0587]
45) Beschaffenheit des Selbstgefüls bei seinem Ursprung 85

 

[Ib-10-1780-0588]
46) Algemeine Bemerkungen über 's Selbstgefül - - 88.

 

[Ib-10-1780-0589]
47) Über die Langweile - - - - - - - 93.

 

[Ib-10-1780-0590]
48) Wirkungen der Einbildungskraft - - - 94.

 

[Ib-10-1780-0591]
49) Deutliche Begriff' erhöhen's Selbstgefül - - - 96.

 

[Ib-10-1780-0592]
50) Warum Volkommenheit das Selbstgefül erhöht - - 97.

 

[Ib-10-1780-0593]
51) Verschiedne Beobachtungen über den Menschen - 98.

 

[Ib-10-1780-0594]
52) Moralische u. a. Bemerkungen - - - - - - 102.

 

[Ib-10-1780-0595]
53) Von felerfreien Büchern - - - - - - 110.

 

[Ib-10-1780-0596]
54) Über 's Rechthaben - - - - - - -110.

 

[Ib-10-1780-0597]
55) Ist's zur Anname der Religion genug, nur zu wissen, daß sie von Got sei ist one von der Art und Weis' unterrichtet zu sein, wie sie von demselben sei - 110.

 

[Ib-10-1780-0598]
56) Von Glaubensgeheimnissen - - - - - - - 119.

 

[Manuskriptseite 175]

[Ib-10-1780-0599]
57) Ist der Beweis von der Notwendigkeit einer unmittelbaren götlichen Offenbarung, welcher von der Weisheit in Rüksicht auf die Bestimmung des Menschen hergenommen wird, volkommen gültig? - - - - - - Seit. 121.

 

[Ib-10-1780-0600]
58) In der iüdischen Religion entdekt man Spuren von ehmaligem Aberglauben - - - - - - - - - - 128.

 

[Ib-10-1780-0601]
59) Über den Kölerglauben - - - - - - 128.

 

[Ib-10-1780-0602]
60) Entdekt Freuden, wo 's möglich ist - - - - - - 129.

 

[Ib-10-1780-0603]
61) Der Iüngling am Grabe - - - - - - 129.

 

[Ib-10-1780-0604]
62) Auch Kälte, nicht blos Leidenschaft, sol ein Gegenstand der schönen Künste sein - - - - - - - - 131.

 

[Ib-10-1780-0605]
63) Über den Klang - - - - - - - 132.

 

[Ib-10-1780-0606]
64) Von der die Sinlichkeit - - - - - - 134.

 

[Ib-10-1780-0607]
65) Von Ursachen des Unterschieds zwischen den Sprachen der Völker - - - - - - - - - 134.

 

[Ib-10-1780-0608]
66) Wie man den Dichter aus seinen Werken erkennen kan 135.

 

[Ib-10-1780-0609]
67) Von den Leidenschaften - - - - - - 136.

 

[Ib-10-1780-0610]
68) Über 's Licht - in Rüksicht in die Malerei - - 136.

 

[Ib-10-1780-0611]
69) Was eine Metapher ist - - - - - 139.

 

[Ib-10-1780-0612]
70) Über küne Metaphern - - - - - - - - - - 139.

 

[Ib-10-1780-0613]
71) Wie man die Höh' eines Tons erkennen bestimmen kan - - - 140.

 

[Ib-10-1780-0614]
72) Scherz und Ernst sind nahe verwandt - - - - 141.

 

[Ib-10-1780-0615]
73) Teologische Bemerkungen - - - - 142.

 

[Manuskriptseite 176]

[Ib-10-1780-0616]
74) Opfer - und ihr Ursprung - - - - - - Seit. 144.

 

[Ib-10-1780-0617]
75) Der Mensch - nie sich selbst änlich - - - - 149.

 

[Ib-10-1780-0618]
76) Nuzzen, die man aus den Träumen ziehen kan - 151.

 

[Ib-10-1780-0619]
77) Vom wechselseitigen Abhängen des Verstandes und Willens 151.

 

[Ib-10-1780-0620]
78) Der Wille wird alzeit durch Beweggründe bestimt - - 153.

 

[Ib-10-1780-0621]
79) Warum Eltern die Kinder mer lieben, als diese iene 153.

 

[Ib-10-1780-0622]
10) Vom Stolze, der sich auf ware Vorzüge lent - 24.

 

[Ib-10-1780-0623]
11) Allerlei Bemerkungen - - - - - - - 28.

 

[Ib-10-1780-0624]
12) Der treue Hund - - - - - - - - - 29.

 

[Ib-10-1780-0625]
13) Gans und Ente - - - - - - - - - - - 31.

 

[Ib-10-1780-0626]
14) Badelied - - - - - - - - - - 32.

 

[Ib-10-1780-0627]
15) Die Güte Gottes - von Stolberg - - - - - - 34.

 

[Ib-10-1780-0628]
16) Abendlied - von Klaudius. - - - - - - 35.

 

[Ib-10-1780-0629]
17) An Menschen- - - - - - - - - - 36.

 

[Ib-10-1780-0630]
18) Aus dem Schauspiele "Antonius und Kleopatra" - - -

 

[Manuskriptseite 173]

[Ib-10-1780-0631]
19) Aus dem Schauspiele "Timon von Aten." - - - Seit. 38.

 

[Ib-10-1780-0632]
20) Aus dem Schauspiele "Die Irrungen" - - - - - - 39.

 

[Ib-10-1780-0633]
21) Von der Vorsehung Gottes - - - - - - - - 40.

 

[Ib-10-1780-0634]
22) Die Rechtmässigkeit des Verfarens Pharao's mit den Kindern Israel - - - - - - - - - - 41.

 

[Ib-10-1780-0635]
23) Von den Wundern, die bei der Ausführung der Kinder Israel aus Ägypten geschahen. - - - - - - - - 42.

 

[Ib-10-1780-0636]
24) Über 1 Iohannis V, 7. - - - - - - - - - 44.

 

[Ib-10-1780-0637]
25) Urgeschichte. - - - - - - - - - 45.

 

[Ib-10-1780-0638]
26) Geschichte vom Falle Adam's u. Eva - - - - - - 47.

 

[Ib-10-1780-0639]
27) Über Mosis Nachrichten von der Noachischen Flut. - - 50.

 

[Ib-10-1780-0640]
28) Von der Aussprache des griechischen @@. - - - - 51.

 

[Ib-10-1780-0641]
29) Was @@@@ @@@@ im N. T. bedeutet - - - - 52.

 

[Ib-10-1780-0642]
30) Vergleichung der Malerei auf einem Schmetterlingsflügel mit einem Meisterstük in mosaischer Arbeit - 52.

 

[Ib-10-1780-0643]
31) Quellen unsrer Misbräuche bei der Behandlung der Gegenstände - - - - - - - - - 53.

 

[Ib-10-1780-0644]
32) Vermuthung vom Gehirne des Menschen - - - 53.

 

[Ib-10-1780-0645]
33) Unrechtmässigkeit des Selbstmordes. - - - - - 54.

 

[Ib-10-1780-0646]
34) Der Karakter Werther's - - - - - - 55.

 

[Ib-10-1780-0647]
35) Über die verhältnismässige Grösse des Menschen 57.

 

[Ib-10-1780-0648]
36) Wie man gescheid wird. - - - - - 59.

 

[Manuskriptseite 174]

[Ib-10-1780-0649]
37) Bemerkungen - - - - - - - Seit. 60.

 

[Ib-10-1780-0650]
38) Zur Beruhigung dessen, dem alles in der Welt schwarz erscheint - - - - - - - - 60.

 

[Ib-10-1780-0651]
39) Über den Endzwek der Dichtkunst - - - - 62.

 

[Ib-10-1780-0652]
40) Von der Verschiedenheit der Rassen überhaupt - 65.

 

[Ib-10-1780-0653]
41) Um dem Edlen Tränen zu entlokken - - - - 71.

 

[Ib-10-1780-0654]
42) Eloïse über ihren Geliebten Abelard im Kloster - 71.

 

[Ib-10-1780-0655]
43) Schilderung eines herlichen Menschen - - - 73.

 

[Ib-10-1780-0656]
44) Moralische, psychologische und a. Bemerkungen - - 74.

 

[Ib-10-1780-0657]
45) Beschaffenheit des Selbstgefüls bei seinem Ursprung 85

 

[Ib-10-1780-0658]
46) Algemeine Bemerkungen über 's Selbstgefül - - 88.

 

[Ib-10-1780-0659]
47) Über die Langweile - - - - - - - 93.

 

[Ib-10-1780-0660]
48) Wirkungen der Einbildungskraft - - - 94.

 

[Ib-10-1780-0661]
49) Deutliche Begriff' erhöhen's Selbstgefül - - - 96.

 

[Ib-10-1780-0662]
50) Warum Volkommenheit das Selbstgefül erhöht - - 97.

 

[Ib-10-1780-0663]
51) Verschiedne Beobachtungen über den Menschen - 98.

 

[Ib-10-1780-0664]
52) Moralische u. a. Bemerkungen - - - - - - 102.

 

[Ib-10-1780-0665]
53) Von felerfreien Büchern - - - - - - 110.

 

[Ib-10-1780-0666]
54) Über 's Rechthaben - - - - - - -110.

 

[Ib-10-1780-0667]
55) Ist's zur Anname der Religion genug, nur zu wissen, daß sie von Got sei ist one von der Art und Weis' unterrichtet zu sein, wie sie von demselben sei - 110.

 

[Ib-10-1780-0668]
56) Von Glaubensgeheimnissen - - - - - - - 119.

 

[Manuskriptseite 175]

[Ib-10-1780-0669]
57) Ist der Beweis von der Notwendigkeit einer unmittelbaren götlichen Offenbarung, welcher von der Weisheit in Rüksicht auf die Bestimmung des Menschen hergenommen wird, volkommen gültig? - - - - - - Seit. 121.

 

[Ib-10-1780-0670]
58) In der iüdischen Religion entdekt man Spuren von ehmaligem Aberglauben - - - - - - - - - - 128.

 

[Ib-10-1780-0671]
59) Über den Kölerglauben - - - - - - 128.

 

[Ib-10-1780-0672]
60) Entdekt Freuden, wo 's möglich ist - - - - - - 129.

 

[Ib-10-1780-0673]
61) Der Iüngling am Grabe - - - - - - 129.

 

[Ib-10-1780-0674]
62) Auch Kälte, nicht blos Leidenschaft, sol ein Gegenstand der schönen Künste sein - - - - - - - - 131.

 

[Ib-10-1780-0675]
63) Über den Klang - - - - - - - 132.

 

[Ib-10-1780-0676]
64) Von der die Sinlichkeit - - - - - - 134.

 

[Ib-10-1780-0677]
65) Von Ursachen des Unterschieds zwischen den Sprachen der Völker - - - - - - - - - 134.

 

[Ib-10-1780-0678]
66) Wie man den Dichter aus seinen Werken erkennen kan 135.

 

[Ib-10-1780-0679]
67) Von den Leidenschaften - - - - - - 136.

 

[Ib-10-1780-0680]
68) Über 's Licht - in Rüksicht in die Malerei - - 136.

 

[Ib-10-1780-0681]
69) Was eine Metapher ist - - - - - 139.

 

[Ib-10-1780-0682]
70) Über küne Metaphern - - - - - - - - - - 139.

 

[Ib-10-1780-0683]
71) Wie man die Höh' eines Tons erkennen bestimmen kan - - - 140.

 

[Ib-10-1780-0684]
72) Scherz und Ernst sind nahe verwandt - - - - 141.

 

[Ib-10-1780-0685]
73) Teologische Bemerkungen - - - - 142.

 

[Manuskriptseite 176]

[Ib-10-1780-0686]
74) Opfer - und ihr Ursprung - - - - - - Seit. 144.

 

[Ib-10-1780-0687]
75) Der Mensch - nie sich selbst änlich - - - - 149.

 

[Ib-10-1780-0688]
76) Nuzzen, die man aus den Träumen ziehen kan - 151.

 

[Ib-10-1780-0689]
77) Vom wechselseitigen Abhängen des Verstandes und Willens 151.

 

[Ib-10-1780-0690]
78) Der Wille wird alzeit durch Beweggründe bestimt - - 153.

 

[Ib-10-1780-0691]
79) Warum Eltern die Kinder mer lieben, als diese iene 153.

 

[Ib-10-1780-0692]
80) Sind die Neigungen angeboren - - - - 153.

 

[Ib-10-1780-0693]
81) Kurze psychologische Bemerkungen - - - - 156.

 

[Ib-10-1780-0694]
82) Von der Freude - - - - - - - 157.

 

[Ib-10-1780-0695]
83) Über die unangenemen Gemütszustände - 158.

 

[Ib-10-1780-0696]
84) Grund, warum man mer Böses in der Welt anzutreffen glaubt, als Gutes. - - - - - - 159.

 

[Ib-10-1780-0697]
85) Über die Traurigkeit - - - - - - - 160.

 

[Ib-10-1780-0698]
86) Bemerkungen über die Affekten Zorn, Furcht, Scham 162.

 

[Ib-10-1780-0699]
87) Bemerkungen über Schwermut, Langweile, Hofnung 164.

 

[Ib-10-1780-0700]
88) Eine Gemütsbewegung wird heftiger, wenn sie auf eine entgegengesezte folgt - - - - - - 165.

 

[Ib-10-1780-0701]
89) Das Änliche ist leichter zu bemerken als das Unänliche 166.

 

[Ib-10-1780-0702]
90) Vom Geize - - - - - - - - 167.

 

[Ib-10-1780-0703]
91) Warum die Rache so leicht das Mas der erlitnen Beleidigung überschreitet - - - - - - 169.