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Faszikel Ib-09-1780
 

Transkription und digitale Edition von Jean Pauls Exzerptheften

Vorgelegt von: Sabine Straub, Monika Vince und Michael Will, unter Mitarbeit von Christian Ammon, Kai Büch und Barbara Krieger. Universität Würzburg. Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition (Leitung: Helmut Pfotenhauer)

Förderung: Fritz Thyssen Stiftung (11/1998-12/2000) und Deutsche Forschungsgemeinschaft (01/2001-12/2005)
Projektleitung: Michael Will
Gesamtleitung: Helmut Pfotenhauer

Transkriptionsgrundlage: Nachlass Jean Paul. Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Fasz. Ib, Band 9

Bearbeitungsschritte:
Herbst 2000 MIWI Transkription Oktober 2000 MIWI Autopsie Berlin 11.03.2003 MIWI Konvertierung von WORD in XML/TEIXLITE 21.07.2005 MV Anpassung an XML-Codierungen 23.08.2005 MV Zweite Korrektur 06.04.2006 MIWI Zweite Korrektur

[Titelblatt/1]

Exzerpten.

Neunter Band.

1780.

 

[Titelblatt/2]

Verschiedenes aus den neuesten Schriften.

Neunter Band.

Hof,– –. 1780.

 

[Manuskriptseite 1.]

[Ib-09-1780-0001]
I.

 

[Ib-09-1780-0002]
Thomas Abbt's weil. Gräfl. Schaumburg=Lippischen Hof= und Regierungsrath freundschaftliche Korrespondenz. Berlin und Stettin, bei Friedrich Nikolai, 1771.

 

[Ib-09-1780-0003]
1) Vom Positiven und Negativen, in der Mathematik und Metaphysik.

 

[Ib-09-1780-0004]
"In Absicht auf stetige Grössen ist's gleich viel, welches von den gegenüberstehenden Seiten wir positiv oder negativ nennen wollen. In so weit' intensive Grössen, zur Berechnung, durch extensive Grössen vorgestelt werden, kan 's auch in Absicht auf diese gleichgültig sein, wie wir die Zeichen sezzen wollen, und es ist also wahr, daß die negative Grösse so gut etwas wirkliches ist, als die positive Grösse, und nur auf einer andern Seit' angebracht wird. Im metaphysischen Verstand' hingegen giebt 's keine positive Begriffe, die sich als solche einander entgegengesezt wären. Von entgegengesezten Begriffen, mus der eine wirklich beiahend, der andre wirklich verneinend sein; daher man der eigentlich der wahren Realität nichts als eine wahre Negazion entgegensezzen kan. Wenn Realitäten sich zu wiedersprechen scheinen; so ist dieses vermöge der ihnen zu

 

[Manuskriptseite 2]

kommenden Modifikazionen: denn man kan sich dieselbe Realität unter verschiednen Abänderungen vorstellen, die nicht zusammen bestehen können, in welchem Falle wirklich eine Entgegensezzung, aber nicht zwischen Realität und Realitiät; sondern zwischen Einschränkung und Einschränkung, entsteht. Wenn die Realität A sowol mit der Abänderung b als mit der Abänderung nicht b gedacht werden kan; so ist Ab dem A–nicht–b entgegengesezt, weil die Modifikazionen sich einander widersprechen. Lust und Unlust z.b. sind sich entgegengesezt, nicht in soweit sie Empfindungen sind, sondern weil iene eine Empfindung der Realität, diese aber eine Empfindung des Mangels ist. Realität und Mangel aber sind sich wirklich entgegengesezt. Bewegung ist eigentlich nur dem Mangel der Bewegung entgegengesezt; aber weil die Bewegung auch verschiedner Richtungen fähig ist, die sich einander wechselsweis' aufheben; so kan man in diesem Verstand' auch eine Bewegung der andern entgegensezzen. Man sieht hieraus, daß keine wirklich beiahende Eigenschaft der Ding' einer andern beiahenden Eigenschaft

 

[Manuskriptseite 3]

anders entgegengesezt werden könne, als in so weit ihre Schranken und Modifikazionen sich einander wechselsweis' aufheben. Da so wol Ab als A–nicht–b beiahende Begriffe sind; so ist 's gleichviel, welches von beiden man mit + oder mit – bezeichnen wil. Das Zero bedeutet den Übergangspunkt von der Modifikazion b, auf die Modifikazion nicht–b, und führt sowol von + auf –, als von – auf +. Sobald man aber eine Realität ihrer Negazion entgegensezt, und diese Negazion mit Zero bezeichnet; so führt dieses Zero rükwärts weder auf eine negative noch auf eine positive Grösse, denn die Verneinung einer Realität ist der Beiahung derselben Realität schnurstraks entgegengesezt, und leidet keinen weitern Fortgang. Ein Beispiel aus der Mechanik: Wenn der Ruhestand aus den Gegeneinanderstrebungen entgegenstehender Richtungen der Bewegungskräft' erfolgt; so kan die positive Geschwindigkeit in eine negative verwandelt werden. Wenn wir uns aber den Ruhestand, als eine Aufhebung aller Bewegungskräfte denken, so kan dieses Zero weder auf eine positve noch negative Geschwindigkeit führen. –" Seit. 24. 25. 26.

 

[Manuskriptseite 4]

[Ib-09-1780-0005]
2) Von unsrer Bestimmung.

 

[Ib-09-1780-0006]
"Es sterben Säuglinge? – Antw. Nicht ohn' irgend eine Fähigkeit ihrer Seel' ausgebildet zu haben, wär' es auch nur 's Vermögen zu fühlen, das die Geburt im Mutterleibe schon übt. Was für Veränderungen, (ich erstaune, wenn ich sie überdenke,) bevor ein Samenthierlein in seiner neuen Bildung Hunger, Wärm' und Nässe fühlen lernt? Und sie es sol dadurch nicht tüchtiger werden, die Absichten seines Schöpfers zu erfüllen? Iedes Samenkörnlein, das nicht zur Befruchtung kömt, mus gleichwol durch diese Bildung tüchtiger geworden sein, in der darauf folgenden Organisazion die Absichten Gottes zu erfüllen.–" S. 225. 226.

 

[Ib-09-1780-0007]
3) Von den Modifikazionen unsrer Triebe.

 

[Ib-09-1780-0008]
"Alle Neigungen, die 's Wol der Mitmenschen zum Endzwek haben, entstehen aus einer dem einzigen Trieb der Geselligkeit, Uneigennüzzigkeit. Nur das medium resistens, der Inbegrif aller übrigen Neigungen der , Seele, die dieser geselligen Neigung widerstehen, verändern ihre Richtung, Geschwindigkeit und den Grad ihrer Wirksamkeit. Wer die Grundtriebe seiner Seele kennen wil, mus, den Widerstand bei Seite gesezt, wie in der Mechanik, die Wirkungen in

 

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medio non resistenti betrachten. Gewohnheit, Erziehung, Übung, Beispiel, Vorurtheil u.s.w. können die Wirksamkeit der Triebfedern vermehren, aber keine Lust, keine Begierde, Neigung u.s.w. erzeugen, die nicht da gewesen. Sobald wir also wahrnehmen, daß der ausgebildete, der richtigdenkende Mensch nur einigen Eifer bei sich verspührt, das algemeine Beste zu befödern; so mus die Grundlage, das Angeborne dieser ausgebildeten Neigung bei'm rohesten Menschen anzutreffen sein, und nur durch den Widerstand, den sie bei ihm findet, eingeschränkt und gehemt werden. In der That ist die Neigung seines Gleichen nicht zu schaden, die man bei'm Wilden antrift, mit dem Eifer 's algemeine Beste zu befödern, im Grund' einerlei, und nur dem Grade nach von demselben unterschieden. Sie findet bei'm Wilden grossen Widerstand in seiner natürlichen Trägheit, in seinem Unvermögen, in seiner Achtlosigkeit u. s. w. Der vernünftige Mensch besiegt diese widerstrebende Neigungen durch Überlegung und anhaltende Übung, und vermehrt durch die nämlichen Mittel die Kraft der geselligen Neigung. Sezt den Widerstand bei Seite; so findet ihr bei beiden den nämlichen Grundtrieb.– –" S. 227. 228. 229.

 

[Manuskriptseite 6]

[Ib-09-1780-0009]
II.

 

[Ib-09-1780-0010]
David Hartlei's Betrachtungen über den Menschen, seine Natur, seine Pflicht, und Erwartungen. Aus dem Englischen übersezt und mit Anmerkungen und Zusäzzen begleitet (von A. H. Pistorius.) Erster Band. Rostok und Leipzig, bei Iohann Christian Koppe. 1772.

 

[Ib-09-1780-0011]
1) Von den Empfindungen und ihrer Entstehung.

 

[Ib-09-1780-0012]
a) Dieses ist die Art, die Empfindungen zu erklären, die Hartlei scharfsinnig vertheidigt. Daß dieses System zum Materialism führt, ist Einbildung. Denn man mag von der Verbindung zwischen Seel' und Körper glauben was man wil, so mus man doch alzeit zugeben, daß beide von einander abhängen. Die Art, die von Abhängung und Verbindung, die Hartlei angiebt, ist eine von den möglichen – und auch wahrscheinlichen.

 

[Manuskriptseite 7]

Die Schwingungen, die bei ieder Empfindung oder Idee im Gehirnmark vorgehen, sind nicht die Empfindung oder Ideen selbst, sondern nur ein Zeichen, Ausdruk, begleitender Umstand derselben. –– –– " Aber wie können die Schwingungen der Sehnerven und des Gehirns, die so wenig Abänderungen zulassen, die tausend verschiednen Bilder der äusserlichen Obiekt' ohne Verwirrung der Seele zuführen – sind so viele Schwingungen möglich, daß für iedes Bild eine besondre Schwingung bestimt sein kan? – Allerdings ist dies eine Schwierigkeit – die wir nicht ganz, aber doch einigermassen auflösen können. a) ... können] als Fußnote auf den Seiten 6 und 7, fortgesetzt auf den Seiten 8 und 9

 

[Manuskriptseite 8]

1) Es macht schon die Stärke des Eindruks und also die ihm proporzionirte Schwingung etwas aus, um die rothe, grüne, weisse pp. Farbe zu unterscheiden. 2) Es sind viele zitternde Theile beisammen – und können 's wegen ihrer Feinheit – daß also die starke oder geringe Anzahl der zitternden Theilgen die klei Grösse des Bildes bezeichnet 3) Diese Nerven und Gehirntheilgen sind feiner und viel mehrerer Modifikazionen fähig, als uns die gering scheinende Anzahl

 

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derselben vermuthen liesse. Iede Gröss' ist relativ. Also sind auch die Nerventheilgen verhältnismässig klein und wegen der Kleinheit scheinen sie aus wenigern Theilen zusammengesezt zu sein. Aber sie sind 's nicht wirklich. Wie viele Theile sind nicht im Raum eines Punktes möglich? – Mir scheint ferner die Beschaffenheit der Nerven mit keiner andern Materie verglichen werden zu können – ie ist eine eigne Art. – Alle Schwierigkeiten in Ansehung der Verbindung der Seele und des Körpers werden doppelt unauflösbar, wenn man's Leibnizzische Monadensystem nicht annimt. M. A. "Es ist ausgemacht, daß ieder Veränderung in den Ideen, eine Veränderung im Hirnmark entspricht. Da aber diese leztere Veränderung in nichts anders als in einer Bewegung bestehen kan, so fragt 's sich, was dies für eine Bewegung sei. Hier scheint nun die Erfahrung, daß die Empfindungen, die ein Gegenstand durch seine Wirkung auf die Werkzeuge der Sinnen verursacht, noch fortdauern, wenn gleich der Gegenstand nicht mehr wirkt, für die zitternde Bewegung, oder eine Bewegung,

 

[Manuskriptseite 7]

die in Schwingungen, oder Oszillazionen besteht, den Ausspruch zu thun. Diese Erfahrung ist bei den Empfindungen durch 's Gesicht deutlich wahrzunehmen. Wenn eine brennende Kohl' in einem Kreise schnel bewegt wird, so daß sie ohn' Unterlas herumgedreht wird, so wird der ganze Kreis' wie ein Feuer erscheinen, wovon dies die Ursach ist, daß die Empfindung der Kohl' in den verschiednen Stellen dieses Kreises in dem Sensorium so lange zurük bleibt, bis dieselbe wieder in die vorige Stelle zurük gekommen ist. – Auf gleiche Weise bemerkt man, wenn man eine Zeitlang ein brennendes Licht, ein Fenster, oder sonst einen andern hellen und bestimten Gegenstand im Gesicht gehabt hat, daß ein klares und bestimtes Bild von demselben im Sensorium oder in der Seel' eine Zeitlang nachher, wenn man bereits die Augen zugeschlossen, zurükbleibt. Zum wenigsten wird man 's bemerken, wenn man nicht alzuwenig oder alzusehr darauf aufmerksam ist. Denn beides verhindert die Wahr

 

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nehmung dieser Erscheinung, und zwar die zu starke Aufmerksamkeit dadurch, daß sie einen andern oder neuen Zustand der Einbildungskraft hervorbringt. *...* Beim Sinne des Geruchs und Geschmaks läst sich dies nicht so wahrnehmen, doch ist's wahrscheinlich – wenn man 's gleich nicht so deutlich wahrnimt. Bei dem Sinne des Gefühls scheint die Fortdauer der Hizze, nachdem der hizzende Körper entfernt ist, und die Fortdauer der Empfindung des Schlagens, nachdem die Wunde bereits geschlagen ist, mit 'm angeführten Umstand bei 'm Gesicht einerlei zu sein. Wenn diese Erfahrung richtig ist; so erfodert dieselbe zum Empfinden in den Theilen des Körpers, die dabei geschäftig sind, eine zitternde Bewegung. Denn eine solche Bewegung kan eine kurze Zeit in den kleinsten markigten Partikeln der Nerven und des Ge

 

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hirns, ohne sie zu zerrütten, fortdauern und alsdann aufhören. Aber keine andere Bewegung kan in irgend einem Theilgen auch nur einen Augenblik fortdauern und der obenangeführten Fortdauer der Empfindungen entsprechen. – Die einmal entstandene Bewegung oder Schwingung geht nach der Länge der Nerve fort in 's Gehirn, und zwar blos in 's Mark, weil die andern Theile desselben einen andern Bau haben, und die Zitterungen der Nerve nicht annehmen, die markigte Substanz aber wegen ihrer Einförmigkeit, Stetigkeit, weicher Beschaffenheit und Thätigkeit geschikt ist, zitternde Bewegung anzunehmen, fortzupflanzen und zu erhalten. Über dieses Mark, das mit den Nerven den gleichen Bau hat, erstrekken sich nun die Schwingungen ganz frei, und nehmen nach und nach ab, nachdem sie mehr Materie

 

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in Bewegung gesezt haben. – – Die Schwingungen können von einander verschieden sein 1. in Ansehung des Grades, d. i. nachdem sie stärker oder schwächer sind, oder die Partikeln in einer gegebnen Zeit ein grösseres oder kleineres Räumchen durchbeben oder oszelliren, welches der Wirkung der Gegenständ' allemal proporzionirt ist. 2. in Ansehung der Art, ie nachdem sie mehr oder weniger zahlreich in einem gegebnen Zeitpunkt sind. 3. in Ansehung des Orts, ie nachdem sie diese oder iede Region der markigten Hirnsubstanz ursprünglich betreffen, und endlich 4. in Ansehung der Direkzionslinie, ie nachdem sie durch verschiedne Nerven in's Gehirn gebracht, fortgeführt werden.

 

[Ib-09-1780-0013]
All' unsre stärkere Empfindungen werden Vergnügen oder Schmerz genant, und diese leztere unterscheiden sich von den blossen Empfindungen blos durch ihre vorzügliche Stärke. Hier scheint nun die Hypothese von den Schwingungen zu erfodern, daß ieder Schmerz von dem entsprechenden und entgegenstehenden Vergnügen blos dem Grade nach unterschieden, oder daß der Schmerz weiter nichts als ein über die gehörige Gränze getriebenes Vergnügen sein müsse. Denn von den gemeldeten vier Unterscheidungen

 

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der Schwingungen sind hier drei gegeben, nämlich der Art, des Orts, der Direkzionslinie, in welchen nämlich die korrespondirenden und entgegengesezten angenehmen und unangenehmen Empfindungen übereinstimmen müssen. Es bleibt mithin nichts anders übrig, wodurch Schmerz und Vergnügen sich von einander unterscheiden können, als den Unterschied des Grades. Es lehrt uns auch die Erfahrung, daß iedes Vergnügen in Schmerz übergeht, wenn die wirkende Ursache, die Ingression, die Dauer, die Empfindlichkeit des sinlichen Werkzeuges vermehrt wird. So kan durch Vermehrung oder durch die längere Dauer eine angenehme Wärm' in eine beschwerliche Hizze verwandelt werden; und eben dies gilt vom Reiben, dem Licht' und dem Schalle. Dieser Theorie ist 's ferner gemäs, daß eine iede Trennung des Stetigen in den lebendigen Theilen des Körpers Schmerz verursacht. Denn dieselbe sezt den Grad der Heftigkeit in den Schwingungen zum voraus, der die Gränze des Vergnügens überschreitet und dem Schmerz eigenthümlich ist. Auch läst 's sich mit dieser Lehre vereingen, daß die häufige Wiederholung eben derselbigen äussern Eindrükke vermögend ist, ursprünglich unangenehme Empfindungen in angenehme,

 

[Manuskriptseite 12]

und angenehme Empfindungen in blosse Sensazionen, d. i. in unmerkliche angenehme Empfindungen zu verwandeln, so wie 's auch die Erfahrung lehrt. Denn alles dies kan durch eine solche Veränderung in den Organen und dem Gehirne geschehen, vermöge der die Organen immer schwächere Schwingungen dem Gehirne zuschikken, so oft einerlei Eindruk nach einander wiederholt wird, und's Gehirn immer weniger geschikt wird, starke Schwingungen anzunehmen, wenn gleich die Eindrükk' einerlei Kraft, Schwingungen mitzutheilen, behalten solten. Hieher gehört auch noch diese Bemerkung, daß wenn wir eine Zeitlang eine gewisse Empfindung gehabt haben, eine entgegengesezte Empfindung, so bald die erste aufhört, in uns zu entstehen pflegt, und zwar bisweilen gleichsam von selbst, und bisweilen aus solchen Ursachen, die zu andern Zeiten eine solche Empfindung entweder gar nicht, oder wenigstens nicht in einem solchen Grade würden hervorgebracht haben. Denn der fortgesezte Eindruk eben desselben Gegenstandes wird den Empfindungsnerven und der denselben entsprechenden Region des Gehirns eine Tendenz zu gewissen Schwingungen dergestalt mitgetheilt haben, daß die Eindrükk' einer entgegen gesezten oder verschiednen Art von Schwingungen dem Gehirn' eine mehr als gewöhnliche

 

[Manuskriptseite 13]

Gewalt thun, d. i. eine sehr merkliche Empfindung von einer entgegengesezten Art erregen müssen. –" Seit. 3-9.

 

[Ib-09-1780-0014]
"Die Schwingung der Sensazionen, wenn sie oft wiederholt werden, verursachen in dem Hirnmark eine Disposizion zu kleinern ihnen entsprechenden Schwingungen, die man Miniaturschwingungen nennen kan. Nach dem Eindrukk' äusserlicher Empfindungen geht 's Hirnmark anfänglich wieder in seinen natürlichen Zustand zurük, nach und nach aber, wenn die äusserliche Empfindung oft wiederholt wird, verliert 's den angenommenen Zustand immer schwerer, und endlich bleibt's gar in demselben, folglich wenn neuere Empfindungen von eben der Art erzeugt werden, sezt sich 's Hirnmark viel leichter in die erst wiederholte und schon gewöhnliche zitternde Empfindung Bewegung, als in all' andre Arten von Bewegung. Diese Miniaturschwingungen haben mit den ursprünglichen eine volkomne Ähnlichkeit, nur daß sie schwächer sind. –" S. 13.14.

 

[Ib-09-1780-0015]
2) Von den Assoziazionen.

 

[Ib-09-1780-0016]
"Man stelle sich vor, daß die beiden Schwingungen A und B gleichzeitig assoziirt worden sind. Nun ist offenbar, daß die Schwingung A, indem sie sich über dieienigen Gegenden des Hirnmarks, die ursprünglich von der Schwingung B affizirt worden, zu verbreiten sucht, in gewisser Masse dies B. modifiziren wird, so daß die

 

[Manuskriptseite 14]

Schwingung B von demienigen, was dieselbe, allein eingedrükt, sein würde, ein wenig verschieden machen wird. Aus eben dieser Ursache wird auf die Schwingung A selbst in ihrem ursprünglichen Sizze, durch die Bemühung der Schwingung B, sich über die ganze markigte Substanz auszubreiten, ein wenig abgeändert werden. Man nehm' an, dies gescheh' oft. Wenn demnach die Schwingung A allein erregt wird, so kan sie nicht mehr völlig eben so entstehen, als sie sein würde, wenn sie vom Gegenstand' an und für sich selbst erregt würde, sondern sie wird sich selbst in ihrem ursprünglichen Sizze den ihr von B, während der oftmals wiederholten Assoziazion, beigebrachten Modifikazionen nähern, und zwar immer mehr nähern, ie mehr sie sich von ihrem ursprünglichen Sizz' entfernt, und wenn sie bis an den Siz der Schwingung B gelangt, wird sie die Miniaturschwingung von B, so wie dieselbe von ihr ein wenig modifizirt ist, hervorbringen. –" S. 16. 17.

 

[Ib-09-1780-0017]
"So wie einfache Ideen durch die Assoziazion in zusammengesezte verwandelt werden, so werden die zusammengesezten durch eben dieselbe wieder zu (decomplex) Ganzen, deren Bestandtheile zusammengesezt sind. Aber hier verhindern die Mannigfaltigkeiten der Assoziation, die sich mit den grössern Zusammensezzun

 

[Manuskriptseite 15]

gen vermehren, daß die Vereinigung zwischen den Bestandtheilen eines Ganzen, das aus zusammengesezten Theilen erwachsen ist, so genau wird, als zwischen den einfachen Theilen eines Ganzen von der ersten Gattung. Und hiemit ist's analogisch, daß in den Sprachen die Buchstaben der Wörter genauer an einander hangen, als die Wörter der Sentenzen beides im Sprechen und Schreiben. – –" S. 23.

 

[Ib-09-1780-0018]
"Wenn eine Menge verschiedner Ideen assoziirt werden, so vertrit die sichtbare Idee, weil sie die helste und deutlichste ist, die Stell' einer Symbol' in Ansehung aller übrigen. Hierinnen findet sich etwas ähnliches mit 'n ersten Buchstaben eines Worts, oder 'n ersten Wörtern einer Sentenz, deren man sich oft bedient, um 's ganze Wort oder 'n ganzen Spruch in 's Gedächtnis zu bringen. –" Seit. 24.

 

[Ib-09-1780-0019]
"Wenn 's Vergnügen oder der Schmerz, so eine Sensazion oder Idee begleiten, beträchtlich sind, so werden alle dahingehörige Assoziazionen sehr beschleunigt und verstärkt. Denn die in diesen Fällen erregten heftigen Schwingungen überwältigen bald die natürlichen Zitterungen, und hinterlassen auch nach wenigen Eindrükken eine starke Tendenz im Gehirne zu diesen heftigen Schwingungen. Die Assoziazionen werden folglich schneller und stärker geknüpft, als in gewöhnlichen Fällen, welches mit der Erfahrung übereinstimt. –" S. 25.

 

[Manuskriptseite 16]

[Ib-09-1780-0020]
3) Von der Trägheit der Materie.

 

[Ib-09-1780-0021]
"Sol die vis inertiae der Materie die Kraft sein, einer ieden Bewegung zu wiederstehen, oder nur einer gewissen bestimten Bewegung? Nur im ersten Falle würde man sagen können, daß die Materie ein blos leidendes Ding, nicht aber im leztern. Allein 's würd' alsdann auch im erstern Verstande die Materie niemalen eigentlich thätig sein können, und alle sogenante thätige Kräfte, welche sie zu äussern scheint, würden nichts als unmittelbare Eindrükk' einer Kraft eines immateriellen Wesens sein, und sie selbst würde gar keine Kraft haben, weder zu wirken noch zu widerstehen. Denn was ist der Widerstand anders, als eine Kraft, die einer andern Kraft entgegen wirkt? Und sezt also nicht 's Leiden und die Fähigkeit zu leiden auch zugleich eine Fähigkeit zum Wirken voraus? Wir würden also wol richtiger die vim inertiae eine Kraft, einer gewissen bestimten Bewegung zu wiederstehen, nennen müssen. Und in der That scheint sie nichts anders zu sein, als eben die Kraft der Bewegung selbst, die aber, weil sie in ihrer Äusserung iedesmal bestimt sein mus, einer ieden andern Bewegung, die ihrer bestimten Richtung entgegengesezt ist, nothwendig widerstehen mus. Die Kraft zu widerstehen wird also nur durch die Kraft der Bewegung möglich, oder

 

[Manuskriptseite 17]

mit andern Worten, die vis inertiae ist nicht die erste Kraft die sich bei der Materie gedenken läst. Sie sezt die Kraft sich zu bewegen zum voraus, und ist weiter nichts, als eine Modifikazion derselben. So widersteht z. B. ein Stein der Kraft, die ihm eine horizontale Bewegung geben wil, weil er eine Schwere oder eine Kraft hat, sich zum Mittelpunkt der Erde zu bewegen. Und daß diese Richtung seiner bewegenden Kraft der Grund des Widerstands gegen die Kraft sei, die seiner Bewegung eine andre Richtung geben wil, erhelt daraus, daß der Widerstand, den er thut, iedesmal der Grösse seiner Schwere, oder der Stärke der bestimten Bewegungskraft proporzionirt ist. Wir müssen also schliessen, daß er, wenn er gar keine bestimte Bewegungskräft' äusserte, und also auch gar keine solche Kräft' hätte, er überal keinen Widerstand leisten würde, oder mit andern Worten, wenn die Materie keine würkende Kraft hätte, so würde sie auch keine Kraft haben zu leiden. Und so mus die Kraft der Bewegung in unsrer Vorstellung das erste, und die Kraft des Widerstand das zweite sein, weil nämlich die lezte die erstere immer voraussezt und in sich schliest, und weil wir der Materie schlechterdings alle Kraft absprechen, wenn wir nicht eine ursprüngliche Kraft sich zu bewegen, in ihr annehmen wollen." – S. 145. 146.

 

[Manuskriptseite 18]

[Ib-09-1780-0022]
4) Von der Leibnizzischen Monadologie.

 

[Ib-09-1780-0023]
"So lange man annimt, daß die Materie eine Realität sei, so läst sich 's Gegentheil derselben, die Immaterialität, der Geist, nicht auch als eine Realität angeben – denn eine Realität kan nicht der andern entgegengesezt sein – und daher musten alle die Realitäten, die man einer immateriellen Substanz beilegte, wenn man sie zum Beispiel' ein einfaches Ding nente, nichts als gleichbedeutende Worte mit der Immaterialität sein, wodurch in der That nichts neues gesezt ward. Dies sahe Leibniz ein, der, um sich aus dieser Verlegenheit zu helfen, die Materie und Ausdehnung, so wie sie in unsre Sinne fallen, für eine Erscheinung erklärte, ihr den Namen einer wahren Substanz absprach, und sie für 's Resultat der Wirkungen vieler Substanzen ausgab, die, weil sie von unsern Sinnen nicht unterschieden werden können, als Eines, und zwar als ein Ganzes, das seinen Bestandtheilen ganz unähnlich und davon verschieden ist, angesehen wird. Die Bestandtheile, oder vielmehr dieienigen Dinge, die den Grund dieser Erscheinung ausmachen, sind nach dieser Theorie nicht weiter zusammengesezt, sondern schlechterdings untheilbar und einfach. Da aber dieser Begrif der Einfachheit wied'rum für unser Begreifungsvermögen ein verneinender Begrif ist,

 

[Manuskriptseite 19]

so must' er, um ihn beiahend zu machen, seinen einfachen Dingen eine Kraft beilegen, wodurch sie zu reellen Dingen würden. Diese Kraft nun, wozu er sie machte, war 's Vorstellungsvermögen, weil bei einer ieden andern, als etwa der bewegenden Kraft eben der Vermuthungsgrund stat findet, daß dieselbe nur eine Erscheinung, eben so wie die Materie selbst, in welcher wir diese Kraft wahrnehmen, sein möchte. Nur die einzige einfache Vorstellungskraft war dieser Einwendung nicht ausgesezt. Sie konte keine Erscheinung sein, weil eine Erscheinung allemal eine Vorstellungskraft zum voraus sezt, die sich eine Sach' anders vorstelt, als sie ist, und man also annehmen müste, daß die Vorstellungskraft in einem Dinge durch die Vorstellungskraft in einem andern Dinge würklich würde, welches ungereimt ist. Man kan auch aus dieser ursprünglichen Vorstellungskraft aller Bestandtheile der Materie, aus ihren verschiednen Abänderungen und Graden, ihren Ge Wirkungen und Gegenwirkungen alle Phänomena, die wir an der Materie wahrnehmen, zu erklären. –" S. 149. 150.

 

[Ib-09-1780-0024]
5) Die gewöhnliche Definizion von der Freiheit des Menschen ist falsch – oder m. a. W. der Mensch ist nicht frei.

 

[Ib-09-1780-0025]
"Man kan sich den Menschen, in so fern' er ein Ge

 

[Manuskriptseite 20]

fühl von Freiheit hat, in einem dreifachen Zustande vorstellen: eh' er wählt; indem er wählt, und nachdem er gewählt hat. Wil man dies vorgegebne Gefühl richtig beurtheilen, so mus man diese drei verschiednen Zeitpunkte wol unterscheiden. Im ersten Zustande, da der Mensch die Gründe seiner Wahl entweder noch gar nicht, oder noch nicht gehörig überdacht und auseinander gesezt hat, sondern sie etwa nur im Groben übersieht, weis er 's selbst noch nicht, welche Bewegungsgründ' ihn bestimmen, und auf was für eine Seite sie ihn lenken werden. So lang' er nun in diesem Zustand' ist, und seine Seele sich mit Abwägung der Motiven beschäftigt, mus er eine gewisse Handlung oder ihr Gegentheil, beide noch in seinen Umständen für gleich möglich halten, so wie eine Wagschaale, in welche auf beide Seiten noch nicht die Gewichte gelegt sind, und die noch hin und herschwankt, den Ausschlag auf diese oder iene Seite, nach unserm vorläufigen Urtheile, haben kan. In diesem Zustand' hat nun freilich der Mensch 's Gefühl von Freiheit, daß er unter eben diesen Umständen zwei verschiedne und ganz entgegengesezte Dinge wählen könne, aber er hat 's blos darum, weil er noch schwankt, und nicht bestimt ist. Allein, er wird bestimt, und dies ist der Zustand, und der Punkt der Wahl. Er hat nun, so weit 's seinen Umständen gemäs war, die Bewegungsgründ' abge

 

[Manuskriptseite 21]

wogen, und seine Seel' hat die gehörigen Gewichte bekommen. In diesem Zustand ist er sich der Bewegungsgründe, die ihn bestimmen, entweder deutlich bewust, oder nicht. Im ersten Falle fühlt er 's auch, daß er seinen eignen Gründen nicht zu widerstehen vermag, und er ist sich der Gewalt bewust, die sie über seine Entschliessung ausüben. Wenn er sich aber keiner Bewegungsgründe deutlich bewust, so frägt 's sich, ob er dem ohngeachtet durch Bewegungsgründe bestimt werde, oder ob 's alsdann gar keine Bewegungsgründe gebe, und der Mensch in diesem Fall' ohne Grund und Ursach' und von ohngefähr bestimt werde. Wil man's leztere nicht zugeben, und kan man nicht leugnen, daß Trieb, Neigung, Leidenschaft, in so fern sie Operazionen der Seele sind, würklich aus einer Menge nicht genug unterschiedener und folglich nicht deutlich erkanter Vorstellungen vom Guten und Bösen zusammengesezt sind; so darf man in diesem keinem Fall' aus dem Mangel deutlich vorgestelter Bewegungsgründ' auch auf die Abwesenheit der klar oder dunkel vorgestelten schliessen. Ausserdem würde man anstat eigentlicher Bewegungsgründ' und Triebfedern des Willens, die man leugnet, ein blindes Ohngefähr annehmen müssen, wodurch der Mensch bestimt würde. Denn das heist nichts gesagt, daß man ihm ein ursprüngliches Vermögen

 

[Manuskriptseite 22]

beilegen wil, sich selbst ohne weitern Grund zu entgegengesezten Dingen zu bestimmen. Denn eben dies Vermögen ist 's Ohngefähr, weil demselben die Bestimmung zu A und zu nicht A zu gleicher Zeit, unter völlig eben denselben Umständen gleich möglich ist. Und dies wäre bei dem allen doch nur ein Vermögen, das der Mensch in den wichtigsten Handlungen seines Lebens, so oft er mit Vernunft und Überlegung zu Werke, gehet, nicht bei sich empfindet.

 

[Ib-09-1780-0026]
Wird also der Mensch, wie wir annehmen müssen, auch alsdann, wenn er sich seiner Bewegungsgründ' in dem Punkt seiner Wahl nicht deutlich bewust ist, durch dieselbe bestimt, so fühlt er auch in der That den innern Zwang, womit Begierd' und Leidenschaft ihn hinreisset. Allein dieser Zustand dauret gemeiniglich nicht lange, und ist bereits alsdann verschwunden, wenn wir anfangen über unsre Wahl und Entschliessungen ernstliche Überlegungen anzustellen. Begierd' und Leidenschaft haben alsdann von ihrer Stärke nachgelassen, und nun glaubt der Mensch in diesem Zustande nach der Wahl, daß er das ienige, wozu Begierd' und Affekt ihn trieben, in eben den Umständen auch hab' unterlassen können,

 

[Manuskriptseite 23]

weil er 's iezt unterlassen kan. Er verwechselt den Zustand seiner Seele nach der Wahl mit dem Zustande derselben in der Wahl, und in der Verwechslung dieser zwei sehr verschiednen Zuständ' ist dies eingebildete Gefühl von Freiheit, oder vielmehr dieser Trugschlus aus einem wahren Gefühl lediglich gegründet. Der Mensch darf nur wieder in iene Begierd' und Leidenschaft hineingesezt werden, so verschwindet dies Gefühl von Freiheit auf einmal. Ist der Mensch durch Gründe, deren er sich deutlich bewust war, in seiner Entschliessung bestimt worden, so wird er nach der Wahl, so oft er seine Gründe wieder überdenkt, die Nothwendigkeit derselben fühlen. Nur, wenn er nicht auf alle Gewichte, die damals auf seine Seele wirkten, gehörig aufmerksam ist, wird er sich einbilden, daß er anders habe wählen können. Wie oft sagen wir nicht, wenn wir einen wichtigen mit reifer Überlegung gefasten Entschlus ruhig wieder überdenken, daß wir nicht anders haben wählen können, und noch so wählen würden, wenn wir uns noch einmal entschliessen solten. In diesem Fall' haben wir auch nicht einmal nach der Wahl dies vorgegebne Gefühl der Freiheit. Wir haben 's nur alsdan, wenn wirklich der

 

[Manuskriptseite 24]

Zustand der Seele nach der Wahl von ihrem Zustand' in der Wahl merklich verschieden ist, oder, wenn derselben bei der Prüfung ihrer Wahl dieienigen Bewegungsgründe, die sie bestimten, nicht gegenwärtig sind, und ihrer Natur nach, weil 's eine Menge dunkler und unmerklicher Vorstellungen war, die ohn' eine Spur verlöscht sind, und iezt in der Seele schweigen, durch 's Gedächtnis nicht zurükgerufen werden können. Wenn alsdann die Seele noch einmal anders wählt, als sie vorhin wählte, und ihre Entschliessung wiederruft, so bereuet sie ihre vorige Wahl. Denn die Reu' ist nichts anders, als der Wiederruf des Urtheils, in Absicht auf eine gewisse Entschliessung, die, nachdem sie gefast ist, noch einmal, als wäre sie noch erst zu fassen, untersucht und gewählt wird. Wählt man als dann noch eben dasselbige, so ist keine Reue möglich. Dies ist der Fal, wenn man entweder ganz, oder gröstentheils, durch deutliche Vorstellungen bestimt worden. Denn da bei einem gehörigen Nachdenken über die Wahl sich diese deutliche Vorstellungen, vermöge der Erinnerung, in der Seele wieder einfinden, so ist gleich iener Zustand derselben wieder da, der sie zur Wahl bestimmet. Ist hingegen die Entschliessung auf Antrieb der Begierden und Leidenschaften gefast worden, so fehlt unsrer Seele

 

[Manuskriptseite 25]

bei'm ruhigen Nachdenken 's Gewicht, wodurch Begierd' und Leidenschaft auf die Seele wirkten. Man findet alsdann, daß unsre gegenwärtige, deutliche Vorstellungen uns zu einem ganz andern Entschlusse bestimmen, und zu demienigen, wozu uns die Begierd' angetrieben hatte, fühlen wir iezt einen Mangel von Bewegungsgründen. Die Seele gleicht der empfindlichsten Wagschaale, die sich nur gedenken läst. Man lasse die deutlich vorgestelten Bewegungsgründe die eigentlichen Gewichte, die dunkeln aber den Staub sein, der sich an die Gewichte gehängt, oder in die Schaale gesezt hat. Mit diesem Staube wird die Wagschaal' einen Ausschlag haben, der sich aus dem eigentlichen Gewichte nicht erklären läst. Allein, der Staub verfliegt und wird weggeblasen. Man wiegt noch einmal, und bekömt einen ganz andern Ausschlag. Wenn man nun den Staub nicht bemerkt und in Anschlag gebracht hatte, so kan man nicht begreifen, wie bei einerlei Wagschaale, bei einerlei Gewichten so verschiedner Ausschlag kommen konte. Grade so verhält sich 's mit der Seele, wenn sie sich einmal durch Begierd' oder dunkle Vorstellungen, und hernach

 

[Manuskriptseite 26]

durch deutliche bestimt. Es läst sich also dies vorgegebne Gefühl von Freiheit aus dem System der Nothwendigkeit sehr wol erklären. Allein auch die Empfindung der Reue, aller Arten und Grade derselben lassen sich aus demselben erklären. Die Reue nämlich ist nichts anders, als der Wiederruf unsers Urtheils in Ansehung einer gewissen Handlung, oder der Kontrast des Zustandes der Seel' in und nach der Wahl. So oft ein solcher Kontrast stat findet, da entweder auf dunkle und klare Vorstellungen deutliche, oder diese auf iene in Beziehung auf eine gewisse Entschliessung folgen, so oft ist Reue da, und 's kan daher der Mensch sowol eine gute als böse Handlung bereuen.– –

 

[Ib-09-1780-0027]
Das System der Nothwendigkeit unterdrükt auch die Reue nicht. Wolte man dies behaupten, so müste man zugleich annehmen, daß wir uns durch die böse Handlung weder unvolkomner noch unglüklicher gemacht haben, daß sie weder natürliche noch positive Strafen nach sich ziehen könne. Man mus also, um dem Misvergnügen der Reu' auszuweichen, in der That 's System der Nothwendigkeit nur halb ha annehmen, es in sofern gelten lassen, als es unsre Verschuldung aufhebt; es verwerfen, in so fern auch unser Leiden dadurch nothwendig wird. Sobald wir 's vermög' einer unläugbaren Erfahrung erkennen, daß unsre Handlungen, aller

 

[Manuskriptseite 27]

Nothwendigkeit ohngeachtet, mit welcher sie geschehen mögen, uns und andern nüzlich oder schädlich sind, so kan bei der Entdekkung der Nuzbarkeit das Vergnügen der Billigung, und bei Erblikkung der Schädlichkeit das Misvergnügen der Reue ode Misbilligung oder die Reue nicht ausbleiben. Ia 's können nun auch positive Strafen, wenn sie weiter nichts als heilsame Arzneien, oder nothwendige Vorbauungsmittel sind, weder ungerecht noch unnüz sein, sondern sie sind vielmehr gütig, weil sie nothwendig sind. –

 

[Ib-09-1780-0028]
Der bessere Vorsaz, den die Reue bewirkt, wird durch mein System sowenig ausgeschlossen oder widersinnig gemacht, daß er vielmehr nach demselben erst vernünftig und heilsam wird, da er bei vorausgesezter Herschaft des Ohngefährs, d. i. bei vorausgesezter Freiheit der Gleichgültigkeit keines von beiden sein würde. Ie ernstlicher ich mir 's vorsezze, in künftigen ähnlichen Fällen, die nun als schädlich erkante Entschliessung nicht abermals zu fassen, desto weniger werden völlig gleiche Umstände für mich zurükkehren. Denn könt' auch meine künftige Lage derienigen, worin ich vormals fehlte, sonst in allen Absichten gleich werden, so wird dennoch die in der Seele zurük gebliebne Spur der gefühlten Reue, und des gefasten bessern Vorsazzes einen so beträchtlichen Unterschied verursachen, daß ich hoffen darf, in

 

[Manuskriptseite 28]

der Stunde der Versuchung nicht abermals zu gleicher Thorheit bestimt zu werden. – Man sieht, daß aus 'm System der Nothwendigkeit sich sowol 's Gefühl von Freiheit als von der Reu' erklären läst, und zwar dergestalt, daß eben diese Erklärung 's System selbst bestätigt. Aber nach dem gegenseitigen System des Ohngefährs läst sich weder begreifen, woher die Reu' entstehe, noch warum sie entstehe. Nicht, woher sie entstehe – denn der nach diesem System einzig angegebne Grund der Reu' über eine Handlung, dieser nämlich, daß sie unglüklich ausgefallen ist, ist nicht der wahre und einzige Grund derselben. Wir fühlen von einer Entschliessung oft die unangenehmsten Folgen, und können dennoch dieselbe nicht bereuen, sondern müssen sie billigen – weil wir nämlich das unvorhergesehene Unglük einem uns verborgnen Umstande, der in unsre Entschliessung keinen Einflus haben konte, zuschreiben müssen. Auch alsdann bringt uns der üble Ausgang unsrer Entschliessung nicht zur Reue, wenn wir denselben deutlich vorausgesehen, und nichtsdestoweniger die Begehung der Handlung nach deutlichen Vorstellungen für ein grösseres Gut gehalten haben. Eben so ist die Selbstbilligung nicht eigentlich im glüklichen Erfolge der Handlung, sondern in dem Umstande gegründet, daß wir nach abermaliger Musterung

 

[Manuskriptseite 29]

unsrer Motiven iezt eben noch einmal die Motiven Entschliessung fassen würden, die wir gefast haben. Da also der Umstand, daß eine Wahl glüklich oder unglüklich ausgefallen ist, das Wesentliche der Selbstbilligung und der Reue nicht ausmacht, obgleich beide Empfindungen dadurch erhöhet, und auf verschiedne Weise modifizirt werden können; so müste von den Vertheidigern der Freiheit der Gleichgültigkeit eine andre Verknüpfung der Handlung, die gebilligt oder bereuet wird, mit der Billigung und der Reu' angegeben werden, wenn wirklich die Handlung und die darauf folgende Billigung oder Reue zusammenghängen sollen. In diesem Falle müst' in der Handlung selbst irgend ein Umstand angetroffen werden, der den Grund zur Billigung oder Reu' enthielte. Hat man aber von ohngefähr, oder aus blindem Wilkühr gewählt, so läst sich in einer solchen Wahl sonst kein Umstand, worin Reue gegründet sein solte, entdekken, als etwa dieser, daß wen nicht von ohngefähr oder nach blindem Wilkühr hätte wählen sollen. Wie aber, wenn nun eben dieser Umstand nach dem Begriffe unsrer dieser Philosophen das Wesen der Freiheit aus macht, und wenn gar keine freie Wahl auf eine andre Wahl geschehen kan,

 

[Manuskriptseite 30]

so kan dies unmöglich der Grund der nachfolgenden Reue sein, weil alsdann iede freie Wahl müste bereuet werden. Man müst' also ferner annehmen, daß, so wie die freie Wahl ohne zureichenden Grund geschehen, so sei die Billigung oder Bereuung dieser Entschliessung gleichfals eine freie Handlung der Seele, die eben so, wie die Wahl, auf welche sie sich beziehen, ohne zureichenden Grund, d. i. von ohngefähr oder nach blindem Wilkühr geschieht. Und 's ist in diesem Falle völlig eben so unbegreiflich, warum der Mensch eine gewisse Entschliessung gefast hat, als warum er diese Entschliessung billigt oder bereuet. Wenn wirklich eine Handlung mit der darüber empfundnen Reu' oder Billigung zusammenhängt, eins aus 'm andern, der Zustand der Seele nach der Wahl aus 'm Zustande der Seel' in der Wahl, als die Wirkung aus der Ursache, oder 's Gegründete aus dem Grunde nach gewissen psychologischen Gesezzen sich erklären läst, alsdann werden auch mit diesem leztern Zustande der Seele künftige Zustände derselben, wenn sie wiederum zu wählen hat, zusammenhängen, und darin so gegründet sein, daß ihre gegenwärtige Empfindungen von Reu' oder Billigung auf ihre künfitge Entschlies

 

[Manuskriptseite 31]

sungen einen nothwendigen und heilsamen und heilsamen Einflus haben müssen. Dies ist die Endursach' oder der Nuzzen nach dem System der Nothwendigkeit. Aber bei der Freiheit der Gleichgültigkeit fält auch dieser leztere Zusammenhang, der Reue nämlich oder der Billigung mit unsern künftigen Entschliessungen, und also auch diese Endursach' oder dieser Nuzzen völlig, oder wenigstens in der Maasse weg, als der Mensch eine solche Freiheit der Gleichgültigkeit besizt und gebraucht. –

 

[Ib-09-1780-0029]
Einige Philosophen haben, um diesen Folgen der Freiheit auszuweichen, ein Mittelding zwischen beiden, oder eine Freiheit, die weder völlig bestimt, noch unbestimt sein sol, zu finden gesucht. Nach ihrem Begriff' ist die menschliche Freiheit ein Vermögen, die Wahl aufzuschieben, und bei der Vorstellung eines überwiegenden Guten dennoch in der Unentschlossenheit zu bleiben, sich zu bedenken, Schaden und Vortheil noch immer weiter gegen einander abzuwägen, ein Vermögen, das ihnen eine ursprüngliche Kraft ist, der 's eigenthümlich sein sol, daß sie weiter keinen Grund ihres Gebrauchs und Nichtgebrauchs

 

[Manuskriptseite 32]

nöthig hat. Allein 's läst sich leicht zeigen, daß dies in der That nichts anders als die verworfne Freiheit der Gleichgültigkeit ist, nur ein wenig anders ausgedrükt. Nach dieser Mittelfreiheit hat der Mensch das Vermögen, seinen stärksten Bewegungsgründen zu widerstehen, und er hat 's zugleich nicht, er hat 's nur auf eine Zeitlang. Unter eben denselbigen Umständen wird die Wahl aufgeschoben und beschleunigt. Und warum wird sie denn endlich beschlossen? Warum nicht länger aufgeschoben? Warum bleibt der Mensch nicht ewig unschlüssig? Sagt man, die Bewegungsgründ' und 's Verhältnis seines Verstandes zu denselben machen ihn endlich schlüssig, so verfält man in 's System der Nothwendigkeit. Denn dies ist 's eben, was die Vertheidiger desselben behaupten. Allein dies sol die Meinung nicht sein. Es sollen vielmehr all' Umstände bei'm Aufschub der Wahl völlig eben so gewesen sein, als bei'm endlichen Beschlusse derselben. Es ist weder in den Bewegungsgründen, noch in den Verhältnissen des Verstandes zu denselben eine Änderung vorgefallen. Es sind weder neue Bewegungsgründ' hinzugekommen, noch die vorigen dem Verstande klärer, lebhafter und deutlicher geworden. Widrigenfals würd' in diesen Veränderungen der nächste Grund liegen, warum die vorher aufgeschobene Wahl

 

[Manuskriptseite 33]

nun beschlossen wird. Es bleibt also nichts anders übrig, es mus der Beschlus der Wahl in einer ursprünglichen Kraft gegründet sein, deren Gebrauch und Nichtgebrauch in weiter nichts gegründet, folglich etwas schlechterdings unbegreifliches ist. Oder, daß ich mich iezt bestimme, und mir nicht noch mehrere Zeit zur Überlegung lasse, daß ich mich übereile, oder, daß ich reiflich alles überdenke, diese ganz entgegengesezten Ding' haben gar keinen Grund, geschehen also nach dem eigentlichen Begriffe, den wir von diesem Wort' haben, von ohngefähr und nach blindem Wilkühr, gerad' auf eben die Art, wie nach Epikur's träumerischen Atomen die Welt entstand. – – " Seit. 208 – 227. b) Den Einwurf, den man vielleicht gegen dies System machen könt' und macht: "Wenn die Umstände, in denen sich der Mensch befindet, ihn determiniren, daß er so handeln mus, wie er handelt, so ist auch der Böse determinirt, und also eben so wenig strafenswürdig, wie der Gute – denn beide werden nur durch die Umstände so gebildet, wie sie sind. So fält also aller sitliche Unterschied weg – so ist Gott die Ursache der Sünde." könte vielleicht so widerlegt werden. Die Volkommenheit des Menschen besteht in Entwikkelung, in Erhöhung seiner Kräfte. Die Ding' in der Welt, die sich sein Verstand vorzüglich vorstelt und seine Neigungen am b) ... Neigungen am] Fußnote fortgesetzt auf Seiten 34, 35, 36, 37 und 38 unten

 

[Manuskriptseite 34]

meisten begehren, sind der Weg, sie zu entwikkeln. Ieder Mensch hat einen andern Körper, einen andern Geist, eine andre Wirkungssphäre – und eben des wegen auch ieder eine andre Art, sich zu vervolkomnen. – Die Menschen, die zu unvermögend sind, die feinen Angränzungen und Übergäng' der Volkommenheit eines Geistes zur Volkommenheit des andern zu bemerken – zu kurzsichtig, um die genauen Fügungen des einen Glieds der grossen Geisterkett' in 's andre zu erkennen, haben diese in einem fortgehende Reihe getrent – die Kett' in zwei getheilt, und die Eintheilung der Menschen in gute und böse ausgebrütet. Für den weniger Nachdenkenden mag dieses seinen Nuzzen haben. Nur mus man darauf nicht Wahrheiten bauen und schliessen wollen, als wäre wirklich die Kette getrent. Der Böse Gute vervolkomt sich, der Böse auch – dieser weniger, iener mehr. Dieser bildet diese Kräft' aus, iener andre. Der Böse vervolkomt sich auch – – Last ihn z. B. geizig sein. Tag und Nacht wird er seine Seelenkräft' anstrengen, dieser Neigung genug zu thun – d. h. er ]Fortsetzung der Fußnote auf folgender Seite

 

[Manuskriptseite 35]

wird listig, verschlagen, sorgsam sein – Wird er nun nicht in etlichen Iahren seinen Verstand auf eine merkliche Weise geübt haben? alle die Ideen von den Dingen, die sich auf seine Neigung beziehen, mehr durchgedacht und kurz seine physischen und moralischen Kräfte mehr erhöht haben? Ia! er wird sogar hierinnen weiter gekommen sein, als der, der sparsam ist und also tugendhaft ist. Worinnen liegt aber der Fehler? Er überbildet gleichsam diese Seelenkraft – andre läst er verrosten – seine Seel Kräft' harmoniren nicht mit einander – diese Neigung unterhält er beständig und die Neigung, die mit dieser nicht bestehen kan, unterdrükt er – hier ist der Misklang. Unsre Glükseligkeit aber besteht darinnen, unsre Kräfte, an den, sich auf sie beziehenden, Dingen zu äussern und durch diese Äusserung das Vergnügen, das der Schöpfer damit verknüpft hat, zu geniessen. Für so ]Fortsetzung der Fußnote auf folgender Seite

 

[Manuskriptseite 36]

verschiedne Gegenstände sind verschiedne Kräfte. Wenn aber die Eine Kraft zu stark ist, so kan eine andre weniger wirken, so wird sie durch dieselbe eingeschränkt oder gar unterdrükt und mit ihr das sie begleitende Vergnügen. Dadurch fühlt die Seel' einen Mangel des Vergnügens – sie dünkt sich unglüklich. Aber eben dieses macht sie wieder aufmerksam, und reizt die unterdrükte Kraft zur Thätigkeit an; dadurch nun werden die Kräfte wieder in Harmonie gebracht. Ienes nent man Strafe, dieses die Besserung. Also ist der Mensch, der böse handeln mus, gar wol der Strafe fähig – denn sie ist Arznei für die Seele, macht sie wieder volkomner. Es ist also dieses nicht Ungerechtigkeit von Gott, der aus Güt' alles in seiner besten Welt so geordnet hat, daß iedes Geschöpf volkommen werden mus. Umgekehrt aber würde keine Strafe den Bösen erst unglüklich machen – denn die unterdrükte Kraft würd' immer mehr vernachlässigt werden, und die übergebildete immer mehr wachsen und sich also's Vergnügen dadurch einschränken. "Ia! so ist doch der Gute noch volkomner, noch glüklicher als der böse. ]Fußnote auf folgender Seite fortgesetzt

 

[Manuskriptseite 37]

Wenigstens ist er relativ unglüklich. Und dies sol der Schöpfer wollen?" – Ich geb 's zu: er ist minder glüklich als der Gute – allein er geniest doch auch sehr viel Gutes. "Er ist aber doch relativ unglüklich?" Recht – aber in wessen Augen? in seinen? – – keinesweges. Denn er kent's Glük des Tugendhaften nicht. Oder in des andern Augen? – was thut das ihm – So sind al die tausend Thiere relativ unglüklich – denn der Mensch ist viel glüklicher als sie. Und was hat denn der Sterbliche für Recht vom Schöpfer zu fodern, so glüklich must du mich machen – so glüklich, im Anfange meines Seins? Können wir alle Seraph's sein? ist nicht Mannigfaltigkeit die Schönheit der Schöpfung? Weist du, ob eine Welt vol ganz volkomner Menschen möglich war? ob die Guten ohne Vermischung mit Bösen noch Gute sein könten? – – du siehst ia, wie der Menschenvater hier dem Bösen keine positiven Strafen, Strafen – die ihn noch mehr verunvolkommnen könten – auflegt – wie er dem Bösen, eben die Sonne scheinen läst, die er dem Guten! Und wenn alles Böse, dessen Nuzzen wir nicht kennen, aus dieser Welt verbant sein sol – so sind al die physischen Übel Ungerechtigkeit des Schöpfers. Was haben die Thiere gethan, daß sie so viel leiden müssen? – Der räuberische Wolf erfült Gottes ]Fußnote auf folgender Seite fortgesetzt

 

[Manuskriptseite 38]

Absichten neben dem sanftmüthigen Lam erfüllen und eben so der Böse neben dem Guten. Und wil Gott die Mit Absicht, sol er die Mittel nicht hassen? – – – Moses Mendelsohn denkt über diese Materie fast eben so – Siehe den 5ten Band dieser Auszüge Seit. 33. 34. M. A.

 

[Manuskriptseite 34]

[Ib-09-1780-0030]
"Ferner. Anzunehmen, daß ein Mensch die Handlung A oder deren Gegentheil a verrichten könne, heist behaupten, daß eine von ihnen ohn' Ursach' entstehen könne. Denn eben dieselbigen vorgängigen Umstände können nicht die Ursache von zwo entgegengesezten

 

[Manuskriptseite 35]

wird listig, verschlagen, sorgsam sein Wirkungen sein. Wenn nun irgend ein Ding ohn' eine Ursach' entstehen kan, so können aus gleichen Gründen 's auch alle Dinge, – welches doch dem Grund' entgegen ist, worauf man die Beweise für's Dasein und die Eigenschaften Gottes errichtet hat. Sagt man, daß der freie Wille die Ur

 

[Manuskriptseite 36]

sach' ist, so ist dies ein identischer Saz, weil damit gesagt wird, daß das Vermögen, verschiedne Dinge zu thun, wobei die vorhergehenden Umständ' eben dieselben bleiben, die Ursache sei, daß dies könne ge

 

[Manuskriptseite 37]

than werden, nämlich daß entweder A oder a aus eben denselben vorgängigen Umständen erfolgen können. – " Seit. 251.

 

[Manuskriptseite 38]

[Ib-09-1780-0031]
"Die Freiheit kan nicht mit der Macht Gottes bestehen, weil diese durch dieselbe eingeschränkt würde, und aufhörte, unendlich zu sein. In so fern nämlich der Mensch diese Freiheit ausübt, ist er ein von Gott unabhängiges Wesen. Man könte zwar sagen, daß er diese Freiheit von Gott habe, und also in Ansehung des Besizzes derselben von Gott abhängig sei: allein so bald er sie gebraucht, hört er auf unter der Macht Gottes zu stehen, und entzieht sich dessen, über alles sich erstrekkenden Einflusse. Und wenn Gott dem Menschen eine solche Freiheit gegeben hat, so hat er ihm ein Vermögen verliehen, sich von seiner Unterwürfigkeit los zu machen, welches widersinnig ist. –

 

[Ib-09-1780-0032]
Wir können uns vom Einflusse der götlichen Macht schlechterdings keinen andern Begrif machen, als daß sie entweder mittelbar oder unmittelbar auf einen Gegenstand wirke. Ein drittes läst sich nicht denken, eben so wenig als eine Macht ohne Wirkung und Einflus. Unmittelbar wirkt Gott nicht

 

[Manuskriptseite 39]

auf den Menschen, in so fern er die philsophische Freiheit äussert, denn alsdann ist die Nothwendigkeit wieder da. Aber auch mittelbar wirkt er nicht, denn so müst' er vermöge des Grundes und Gegründeten, oder vermöge der Unterursachen wirken und einfliessen. Dies findet bei'm Gebrauch der philosophischen Freiheit nicht stat. Denn hier wird der Faden der Ursachen abgeschnitten. Die grosse Kette, woran Gott alle Ding' hält und zieht, wird vom Menschen, so er sich dieser philosophischen Freiheit bedient, zerhauen. Er selbst wird entweder Schöpfer, oder vielmehr der Zufal wird Herr der menschlichen Handlungen, und formirt entweder eine neue Kette, die so lange fortgeht, bis ein neuer Zufal sie abbricht, oder 's entstehen vielmehr durch denselben nichts als Glieder, die in keine andere Glieder einfassen. Was vermöge der philosophischen Freiheit geschieht, hätt' in so fern den entfernten Grund seiner Möglichkeit im Willen Gottes, daß durch diesen Willen der Zufal eingeführt und gleichsam bevolmächtigt worden, menschliche Handlungen hervorzubringen. Aber, daß eine von mehrern möglichen und entgegengesezten Handlungen wirklich werde, das läst sich nicht weiter aus einem Willen Gottes begreifen. Denn eben, weil dies dem Zufal, zu bestimmen, von Gott überlassen worden, hat er selbst in so fern seine Macht einge

 

[Manuskriptseite 40]

schränkt und sich im voraus gefallen lassen, was der blinde Zufal, den er sich gleichsam als einen Nebenschöpfer an die Seite gesezt hat, hervorbringen würde, eine gewisse Handlung oder deren Gegentheil. In Absicht solcher Handlungen nun kan er eben so wenig einen beschliessenden Willen gehabt haben, als ein Mensch in Absicht eines Ausganges haben kan, den er dem blinden Zufal der Würfel überläst. Niemand kan in diesem Fall beschliessen, daß er gewinnen oder verlieren wolle. Nicht an anders verhält 's sich mit Gott bei der Voraussezzung der philosophischen Freiheit. Es ist da immer ein Zufal, über den er keine Macht und Einflus hat, eben darum, weil's ein Zufal ist. Wolte man sagen, daß er durch die Einrichtung und Lenkung der Umständ' einfliessen könne, so würde das nur in so fern geschehen können, als der angenommene Zufal eingeschränkt oder gar aufgehoben würde, oder in so fern der Mensch bei'm Gebrauch seiner Freiheit wirklich bestimt würde. Wolte man sagen, Gott habe sich so einschränken müssen, wenn er freie Menschen erschaffen wollen, so ist dies eine grundlose Voraussezzung der philosophischen Freiheit. Sagt man ferner, daß bei'm Menschen sonst keine moralische Zunehmung hätte stat finden können, wenn sich

 

[Manuskriptseite 41]

Gott nicht so eingeschränkt hätte, so kan ausser der schon gegebnen Antwort, auch noch dies entgegengesezt werden, daß, wenn bei b einer solchen Freiheit die freien Handlungen des Menschen dem Ohngefähr unterworfen werden, in diesem Ohngefähr eben so wenig als in der Nothwendigkeit eine eigentliche Zurechnung gegründet sein könne. Werden die Atomen des Epikurs's darum mehr einer Zurechnung oder einer Bestrafung fähig, wenn sie etwa durch ihren Zusammenstos an stat regelmässiger einen unförmlichen Klumpen gebildet hatten, weil sie unter der Gewalt des Zufals, als weil sie unter dem Gesezze der Nothwendigkeit stehen? Ist Zurechnung und Bestrafung ungereimt, so sind sie 's bei 'm Ohngefähr unendlich mehr, weil sie hier völlig ohn' allen Nuzzen sind. Wolte man endlich vorgeben, daß Gott freiwillig seiner Macht Gränzen gesezt, daß man 's also nicht als eine Schmälerung seiner Gröss' anzusehen habe: so bedenkt man nicht, daß dies eine solche Einschränkung seiner Macht sein würde, wodurch ihm die Erhaltung und Regierung der Welt, wo nicht gänzlich, doch grossentheils unmöglich werden müsse. Geschöpfe, die mit einer philosophischen Freiheit begabt

 

[Manuskriptseite 42]

sind, sie mögen sich derselben nun immer oder nur zuweilen bedienen, sind einer moralischen Regierung ganz unfähig. Der Zwek einer solchen Regierung ist, die Menschen durch vorgelegte Bewegungsgründe zu gewissen Absichten zu leiten. Wenn diese Bewegungsgründ' ein gewisses Verhältnis zum Verstand' und Willen der Unterthanen haben, und sich ihre Kraft und Wirksamkeit auf die Gemüther derselben bestimmen und angeben läst, so lassen sich solche Menschen regieren, oder man kan die vorgesezten Endzwekke mit ihnen und durch sie erreichen. Wil man aber durch Bewegungsgründe dieses ausrichten, so müssen die Unterthanen nicht ein Vermögen haben, den Motiven, die ihnen die stärksten sind, zu widerstehen, oder sie müssen keine philosophische Freiheit haben. Denn durch den Gebrauch derselben würden sie auf einmal die weisesten Anstalten ihres Regenten vernichten, und ob er ihnen gleich alle mögliche Motiven zum Gehorsam gegeben, dennoch, wider all' Einsicht ihres eignen Bestens, ungehorsam und halsstarrig bleiben. Dies findet immer stat, man mag Gott oder Menschen für den Regenten solcher Unterthanen annehmen. Ein menschlicher Regent ist freilich nicht immer vermögend, die gehörigen Motiven herbeizuschaffen, und oft weis er 's nicht, welche Motiven die stärksten und dringensten in iedem Falle

 

[Manuskriptseite 43]

sein würden. Er kan also seine Unterthanen zu seinem Endzwek nicht so völlig leiten, wie er wil, noch eine volkommene Herschaft über sie ausüben. Aber dem alweisen Gott, der zugleich weis, welches in iedem Falle die stärksten Motiven sind, und der sie herbei schaffen kan, solte die volkommenste und uneingeschränkteste Regierung über seine vernünftigen Geschöpfe zustehen. Aber die philosophische Freiheit hebt sie ganz auf. – –

 

[Ib-09-1780-0033]
Hr. Moses Mendelssohn beweiset auf eine neue Art, daß Gott, bei Voraussezzung der philosophischen Freiheit, nicht einmal eine wahrscheinliche Präszienz der Handlungen der Menschen könne zugestanden werden. Hätte Gott eine wahrscheinliche Präszienz in Ansehung unsrer freien Handlungen, so müst' ein Grad dieser Wahrscheinlichkeit bestimt sein, weil eine Quantität ohn' einen bestimten Grad nicht vorhanden sein kan, wenn sie, wie in diesem Fall' endlich sein sol. Sol nun der Grad der götlichen Wahrscheinlichkeit bestimt sein, so mus das Verhältnis der ihm bekanten Wahrheitsgründe zur Gewisheit gegeben sein, weil der Grad der Wahrscheinlichkeit aus diesem Verhältnisse zu schäzzen ist. Wahrheitsgründe sind nämlich alle dieienigen Data, aus denen die Wahrheit erkant wird, und die, wenn ich sie all' habe, mir die Gewisheit, und nachdem

 

[Manuskriptseite 44]

ich mehrere oder wenigere davon habe, einen höhern oder geringern Grad der Wahrscheinlichkeit geben. Woher nimt nun Gott die Wahrheitsgründe? Nothwendig aus den Umständen, in welchen sich 's freiwillig handelnde Wesen befindet, und aus den Bewegungsgründen, die seine Wahl bestimmen. Nun reichen die Umstände, darin sich's freie Wesen befindet und alle daraus hergenommene Bewegungsgründe nicht zu, eine Gewisheit auszumachen, welche Wahl 's freie Wesen treffen werde. Aus dem Verhältnisse der positiven Bewegungsgründe zu den positiven und negativen zusammengenommen kan also der Grad der Wahrscheinlichkeit nicht bestimt werden. Hingegen sollen diese Bewegungsgründe doch einigen Grund enthalten, warum sich dieses freie Wesen vielmehr so als anders bestimmen wird. Ie mehr positive oder ie mehr negative Bewegungsgründ' also auf unsern Willen wirken werden, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, daß wir etwas thun oder lassen werden. Wenn 's demnach möglich wäre, daß unendlich viele Bewegungsgründe zum Besten einer Handlung auf unsern Willen wirken könten, so würden sie einen unendlich grossen Grad der Wahrscheinlichkeit oder eine Gewisheit ausmachen, weil nach der Meinung dieser Weltweisen das Maximum unsrer freien Handlungen nirgends anders als im infinito zu suchen ist. Da nun in einem ieden besondern Falle nur eine endliche Anzahl von Bewegunsgründen auf uns

 

[Manuskriptseite 45]

wirken, so verhält sich die Wahrscheinlichkeit der götlichen Präszienz in einem ieden besondern Fal zur Gewisheit, wie die endliche Macht der Bewegungsgründe, die unsre Wahl veranlassen, zu einer unendlichen Zahl derselben, oder dem Grade der götlichen Präszienz = 0.

 

[Ib-09-1780-0034]
Wolte man sagen, Mendelssohn hab' ohne Grund angenommen, daß alle Umstände, in welchen sich 's freie Wesen befindet, noch keine Gewisheit ausmachen, und daß diese nur von unendlich vielen Bewegungsgründen entstehen könte – sondern daß schon eine endliche Anzahl Bewegungsgründe den Willen auf eine Seite neigen könne; so antwort' ich: daß nach dem bestrittenen System, die Umstände, in welchen 's freie Wesen sich iedesmal befindet, unmöglich eine Gewisheit ausmachen können. Denn so oft sie eine Gewisheit ausmachen, so ist auch das freie Wesen durch die Umstände wirklich bestimt, so mus es dieser Bestimmung gemäs und kan nicht anders handeln, folglich fält in einem ieden solchen Falle die Freiheit der Gleichgültigkeit, vermöge welcher der Mensch seinen iedesmaligen stärksten Gründen widerstehen kan, völlig weg. Denn kan er widerstehen, so bestimmen ihn die Umstände nicht. Bestimmen ihn die Umstände nicht, so geben sie gar keinen Erkentnisgrund seiner Entschliessung. Kan eine gegebne Anzahl von Bewegungsgründen den

 

[Manuskriptseite 46]

Willen gewis auf eine Seite neigen, so darf sich derienige, der diese Bewegungsgründ' alle weis, nicht mehr mit iener wahrscheinlichen Voraussicht begnügen, sondern ihm kömt unstreitig in diesem Fall' eine gewisse Präszienz zu. –

 

[Ib-09-1780-0035]
Unsre Handlungen können nicht unbestimt und ungewis sein, (wie 's doch die philosophische Freiheit voraussezt) weil sie in diesem Fall' überal nicht, weder von Gott, noch sonst von einem Geiste könten vorhergewust werden, so, wie das, was schlechterdings unmöglich ist, eben so wenig ein Gegenstand der götlichen als sonsten irgend einer andern Macht sein kan. In sich unbestimt, schlechterdings ungewis sein, und doch als bestimt und gewis vorausgesehen werden, ist der offenbarste Widerspruch. Denn eines hebt 's andre auf. Weil Gottes Erkentnis unendlich ist, so kan sie sich deswegen nicht auf widersprechende Ding' erstrekken. Aber ungewis und zufällig sein, und dennoch als gewis und nothwendig vorhergesehen werden, ist ein Nichts. – –" Seit. 254-263.

 

[Ib-09-1780-0036]
6) Etliche Zweifel gegen die gewöhnliche Lehre von der Inspirazion.

 

[Ib-09-1780-0037]
"Petrus sagt vom Apostel Paullus, daß Ding' in seinen Briefen vorkommen, die schwer zu verstehen sind. c) Siehe den 7ten Band dieser Auszüge Seit. 1 folg. Kaum läst sich begreifen, wie dies mit Grunde von seinen Schriften zu sagen sei, wenn sie ihm in der That wörtlich vom Geiste Gottes w in die Feder gegeben

 

[Manuskriptseite 47]

worden. Denn an und für sich wäre doch wol eine leichtere Schreibart einer schwerern vorzuziehen. Wil man sagen, der h. Geist hätte gerade so diktirt, wie Paullus von selbst würde geschrieben haben, so scheint dies Diktiren unnöthig gewesen zu sein, zumal, wenn 's nichts dazu beigetragen, den Ideen des gelehrten Apostels mehr einleuchtende Ordnung und Deutlichkeit zu geben. Ferner sagt eben dieser Apostel, Paullus habe geschrieben nach der Weisheit, die ihm gegeben ist. Wozu braucht' er Weisheit, wenn er nichts als ein blosser Schreiber war? Wozu Gelehrsamkeit, und tiefe Erkentnis, wenn nicht sein Verstand, sondern blos seine Zung' oder seine Hand bei 'm Vortrage der evangelischen Lehren geschäftig war? –

 

[Ib-09-1780-0038]
Die Apostel machen nie, wenn sie mündlich oder schriftlich lehren, auf eine unmittelbare Eingebung ihrer Wort' Anspruch. Wenn Paullus Gewissensfäll' entscheidet, Vorschriften für gewisse Personen und unter gewissen Umständen ertheilt, spricht er nicht selten mit einer Art von Zweifelhaftigkeit und unschlüssigen Bedenklichkeit, und zwar nicht ohn' Ursache. Denn wenn er die ihm geoffenbarten Hauptsäzz' und Vorschriften des Christenthums aus einander sezte, sie entwikkelt' und auf besondere Fäll' anwendete, so muste seine Gewisheit, daß eine Lehrmeinung oder eine Vorschrift eine Lehr' und Gebot des Hern sei, in der Maass' abnehmen, ie weiter sie von diesen Hauptsäzzen entfernt war, und durch sie ie

 

[Manuskriptseite 48]

mehrere Zwischenideen mit derselben verbunden werden muste. Daher kam's denn auch, daß er sich bisweilen nicht getrauete, seinen Ausspruch für höher als für seine Privatmeinung auszugeben, und, welches *** mir wichtig scheint, von den götlichen Geboten unterschied. Nicht ich, sagt' er, sondern der Herr; ich, und nicht der Herr, 1 Kor. 7, 10, 12. Diese Äusserungen passen nicht mit der Inspirazion zusammen. –

 

[Ib-09-1780-0039]
Die zufällige Einstreuung persönlicher, häuslicher und mit den Lehren des Christenthums in keiner genauen Verbindung stehender Umstände beweisen, daß ihnen der Geist Gottes nicht in die Feder diktirt habe. –

 

[Ib-09-1780-0040]
Die Evangelisten liefern uns stat der ausführlichen Reden Iesu oft nur einen kurzen Auszug derselben, der etwa dasienige enthält, was ihnen besonders merkwürdig gewesen, und woran sie sich mit hinlänglicher Deutlichkeit und Gewisheit erinnerten. Oft verursacht diese abgebrochene Kürz' einige Dunkelheit, wie z. B. in der bekanten Bergpredigt, von welcher uns vermuthlich kaum der geringste Theil aufgezeichnet worden. Der eine erzählt diese Reden Iesu so, der andre durch Hinzusezzung oder Weglassung anders. Zum Beispiel kan die Anführung der Worte Iesu bei'm Abendmal dienen, die ieder Evangelist anders hat. d) Siehe den 6ten Band Seit. 133. Wenn 's ihnen nun der h. Geist alles eingegeben hat, so muste dieser doch das, was Iesus wirklich sagte, genau wissen. Was kont' ihn also hindern, daß er iedem Evangelisten nicht einerlei Wahrheit

 

[Manuskriptseite 49]

diktirte? Warum wurden geflissentlich abweichende Protokoll' einer und derselbigen Red' ausgefertigt? Wär' es nicht die Sache des h. Geistes gewesen, diese Lükken des Gedächtnisses auszufüllen? – " Seit. 299 308.

 

[Ib-09-1780-0041]
7) Vermuthung!

 

[Ib-09-1780-0042]
"Vielleicht wird die Nachwelt noch entdekken, wie eine iede Sekt' in der Religion, ieder Schwärmer und Enthusiast – ia selbst Unglaube, Atheiisterei und Zweifelsucht – I jeder Irthum zu der und der Zeit, iede Wahrheit beigetragen haben zur Vervolkomnung des Ganzen, das ohn' eben diese Übel nicht das hätte werden können, was es geworden ist." Seit. 482.

 

[Ib-09-1780-0043]
III.

 

[Ib-09-1780-0044]
Iacob Ionas Björnståhl, Prof. der morgenländischen Sprachen zu Lund, Brief' auf seinen Reisen an den königlichen Bibliothekar C. C. Gjörwell. in Stokholm. Aus'm Schwedischen übersezt von I. E. Groskurd. Des dritten Bandes erstes Heft welches Brief' aus Savoien und der Schweiz enthält. Leipzig und Rostok, bei I. Ch. Koppe. 1779.

 

[Ib-09-1780-0045]
1) Ursprung der deutschen Wörter "Halm" und "Haus".

 

[Ib-09-1780-0046]
"Die Gothen und Vandalen, so wie iezt die Toskaner, sprachen das C, K, oder Q, wie ein doppeltes H aus, also anstat casa, calamo, sagten sie hasa, halamo – von welchen beiden Wörtern das deutsche Haus, Halm komt." S.15.

 

[Manuskriptseite 50]

[Ib-09-1780-0047]
2) Von der Gefahr derer, die an den Alpen wohnen.

 

[Ib-09-1780-0048]
"Ein klein wenig Schnee, nur wenn ein Vogel in der Höhe (auf den Alpen näml.) darin scharret, wird bald im Fallen ein Schneebal, und vergrössert sich hernach zu einem grossen Schneeberge, der mit einem erschreklichen Fal und Getös' herunterstürzt und ganze Dörfer verschüttet." S. 16.

 

[Ib-09-1780-0049]
3) Von der eingeschobnen Stell' 1 Ioh. V. 7.

 

[Ib-09-1780-0050]
"In Beda's Erklärung über verschiedne Bücher des N. T. auf Pergamen aus 'm 9ten Iahrhundert findet sich in seiner Erklärung der Brief' Iohannis nicht ein Wort von den drei Zeugen im Himmel. Also war dieser Spruch zu Beda's Zeiten, das ist im Anfange des achten Iahrhunderts, nicht in der Bibel. Es ist doch merkwürdig, daß Beda überal der lateinischen Vulgata folgte, worin er also damals auch nicht stand; denn in keiner ächten griechischen Handschrift hat er sich bisher gefunden. Also ein starker Beweis, daß er nachher in die Vulgat' eingeflikt worden ist. – " Seit. 60. 61.

 

[Ib-09-1780-0051]
4) Anekdote von Voltaire.

 

[Ib-09-1780-0052]
"Ein Frauenzimmer antwortete Voltairen artig, als er sie mon coeur nante: ich wünschte lieber, sagte sie, daß Sie mon esprit sagten." S.97.

 

[Manuskriptseite 51]

[Ib-09-1780-0053]
IIII.

 

[Ib-09-1780-0054]
Iakob Ionas Björnståhl's, Prof. der morgenländischen Sprachen zu Lund, Brief' auf seinen Reisen an den königlichen Bibliothekar C. C. Gjörwell in Stokholm. Aus 'm Schwedischen übersezt von I. E. Groskurd. Der morgenländischen Briefe erstes Heft, welches Brief' aus Konstantinopel enthält. Leipzig und Rostok, bei I. C. Koppe. 1779.

 

[Ib-09-1780-0055]
1) Aus der Sprache lernt man ein Volk kennen.

 

[Ib-09-1780-0056]
"Die Sprach' eines Volks ist alzeit in dessen Sitten und Gebräuch' eingegossen; und wer wissen wil, ob diese oder iene Sach' in einem Lande vorhanden ist, hat keinen kürzern, keinen sichern Weg, als die Landessprache zu studiren; diese ist nichts anders als ein Verzeichnis der Begriffe, Denkungs= und Lebensart einer Nazion, der bekanten Landesprodukte, Künste und dgl. Dies beweiset, wie viel Philosophie in Sprachen liegt, wenn sie recht studirt werden; und daß sie nicht leere Kentnis von Worten, eine blosse Gedächtnissache sind. Wie viele Folgen lassen sich nicht aus der Sprach' eines Volks ziehen? Wenn man z. B. in der noch so kriegerischen Sprache der alten Römer keine Wörter für Schiespulver, Kanonen, Geschüz, Artillerie mit allem Zugehör antrift, so beweist das hinlänglich, im Fall' auch sonst keine Geschichte vorhanden wäre, daß diese Beherscher der Welt

 

[Manuskriptseite 52]

das alles nicht gehabt haben. Die Grönländer, Finnen und Lappen haben keine Wörter, König, Gesez, Reich u. dgl. auszudrukken: ein Beweis, daß sie keine Regierung kanten, weil dergleichen bei ihnen nicht stat hatte; so daß dieienigen, die 's Christenthum zuerst in Grönland predigten, das: Dein Reich komme, nicht schlechthin in die Landessprach' übersezzen konten, sondern eine lange Umschreibung brauchen musten: es komme die glükliche Herlichkeit, wovon die Priester predigen. Eben so kan ein Schwede sich von Aquaeductus, Cisterna, u. dgl. ohne weitläuftige Beschreibung keinen Begrif machen, weil dergleichen im ganzen Norden keine gefunden werden, und fast gar nicht nöthig sind. In der türkischen Sprache giebt 's keine Namen für Hut, Hutmacher, Perükke, Puder, Quarantäne, Wappenkunst, Taktik, Advokaten u.s.w. Beweis genug, daß dergleichen bei ihnen nicht vorhanden ist. Sie haben keinen eignen Namen für Papier, Brief, Buch, u. s. w., sondern nur die Arabische; dies zeigt uns, wie die Türken etwa vorhin gewesen sind, ehe sie die Schreibekunst, und mit ihr alle Politur von den Arabern erhalten haben. – – " S. 61. 62. 63.

 

[Ib-09-1780-0057]
2) Karakterisirung der Türken.

 

[Ib-09-1780-0058]
"Die Türkei ist ein verkehrtes Europa. – So sind die Türken in den Kleidern, Gebräuchen u. a. S. völlig das Widerspiel von den Europäern. –" S.83.

 

[Manuskriptseite 53]

[Ib-09-1780-0059]
V.

 

[Ib-09-1780-0060]
Gedichte von Gotfried August Bürger. Frankfurt und Leipzig. 1778.

 

[Ib-09-1780-0061]
1)

 

[Ib-09-1780-0062]
Aussichten in die Ewigkeit – nach dem Leiden.
"Mit dem nasgeweinten Schleier
Wisch' ich meine Zähren ab;
Und mein Auge schauet freier,
Durch das Leben; bis an's Grab.
Geist erhabner Prophezeihung,
Gottes Geist erleuchtet mich!
Lebensodem zur Erneuung
Weht gewis auch über mich.
Iedes Drangsal dieses Lebens,
So dein weiches Herz gedrükt,
Zeuget, daß du nicht vergebens
Oft nach Trost hinaus geblikt.
Nein! Nicht schwelgenden Gewürmen
Ewig überlasner Raub,
Noch ein Spiel den Erdenstürmen
Bleibt guter Herzen Staub.
Hier in diese Wüsteneien
Sind wir ewig nicht gebant.
Keine Zähre mag uns reuen;
Denn sie fiel in Gottes Hand.
Was auf diese dürren Auen
von der Unschuld Thränen fält,

 

[Manuskriptseite 54]

Wird gesamlet, zu bethauen
Die Gefilde iener Welt;
Die Gefilde, wo vom Schnitter
Nie der Schweis der Mühe ran,
Deren Äther kein Gewitter
Und kein Nebel trüben kan.
Seufzer, deines Grames Zeugen,
Werden auf gen Himmel geh'n,
Werden einst von Palmenzweigen
Kühlung dir herunterweh'n.
Von dem Schweisse deiner Mühen,
Der hier Undankbaren quilt,
Werden dort einst Blumen blühen,
Wie sie hier kein Lenz enthült.
Wann Verfolgung ihren Köcher
Endlich auf dich ausgeleert;
Wann dein Gold sich, vor dem Schwächer
Seines Glanzes, rein bewährt;
Und, zur Erntezeit der Saaten,
Da das Korn geworfelt wird,
Aus gestreuter Edelthaten
Reine Frucht im Siebe schwirt.–
Heil der Schönsten schöner Stunden,
Die sich um dein Leben dreh'n,
Die, von Sklaverei entbunden,
Dich zur Freiheit wird erhöh'n! –
Zeuch mich dir, geliebte Fromme,
An der Liebe Banden nach!

 

[Manuskriptseite 55]

Daß auch ich zu Engeln komme,
Zeuch, du Engel, dir mich nach!
Mich begleite iede Wahrheit,
So du schmeichelnd mir vermählt,
Zu dem Urquel aller Klarheit,
Wo kein Reiz sich mehr verhehlt! – –"

Seit. 50. 51. 52.

 

[Ib-09-1780-0063]
2)

 

[Ib-09-1780-0064]
Der Hund aus der Pfennigschenke.
"Es gieng, was ernstes zu bestellen,
Ein Wandrer seinen stillen Gang,
Als auf ihn los ein Hund, mit Bellen,
Und Rasseln vieler Halsbandschellen,
Aus einer Pfennigschenke sprang.
Er, ohne Stok und Stein zu heben,
Noch sonst sich mit ihm abzugeben,
Hub ruhig weiter Fus und Stab,
Und Klifklaf lies vom Lermen ab.
Des Wegs kam auch, mit Rohr und Degen,
Flink, wolgemuth, kek und verwegen,
Ein Herchen Krauskopf herspaziert.
Klifklaf sezt an; und hochtuschirt
Hält von dem Hunde sich das Herchen.
Und Herchen Krauskopf ist ein Närchen,
Fängt mit dem Kläffer Händel an,
Greift fix nach Steinen in die Runde,
Und schleudert, was er schleudern kan,
Und flucht und prügelt nach dem Hunde.
Der Köter knirscht in ieden Stein,
Zert bald an meines Herchens Stokke

 

[Manuskriptseite 56]

Bald an dem Degen, bald am Rokke,
Beist endlich gar ihm in das Bein,
Und belt so wütig, daß mit Haufen,
Die Nachbarn alle, gros und klein,
Zu Fenstern und zu Thüren laufen.
Die Buben klatschen und iuchhein,
Und hezzen gar noch obendrein.
Nun fieng sich 's Herchen an zu schämen,
Umsonst so sehr sich abzumüh'n.
Es muste sachtchen sich bequemen,
Um dem Halloh sich zu entzieh'n,
Wol fürbas seinen Weg zu nehmen,
Um einzustekken Hohn und Schmach.
Denn alle Strassenbuben gaften,
Und alle Klafkonsorten klaften
Noch weit zum Dorf hinaus ihm nach.
Dies Fabelchen führt Gold im Munde:
Weicht aus dem Rezensentenhunde! –"

S. 147. 148.

 

[Ib-09-1780-0065]
3)

 

[Ib-09-1780-0066]
"Das Mädel, das ich meine."
"O was in tausend Liebespracht,
Das Mädel, das ich meine, lacht!
Nun sing, o Lied, und sag mir an!
Wer hat das Wunder aufgethan:
Daß so in tausend Liebespracht
Das Mädel, das ich meine, lacht?
Wer hat, wie Paradieses Welt,
Des Mädels blaues Aug' erhelt?
Der liebe Gott! der hat's gethan,
Der 's Firmament erleuchten kan;

 

[Manuskriptseite 57]

Der hat, wie Paradieses Welt,
Des Mädels blaues Aug' erhelt.
Wer hat das Roth auf Weis gemalt,
Das von des Mädels Wange stralt? –
Der liebe Gott! der hat 's gethan,
Der Pfirsichblüthe malen kan;
Der hat das Roth auf Weis gemalt,
Das von des Mädels Wange stralt.
Wer schuf des Mädels Purpurmund
So würzig, süs und lieb und rund? –
Der liebe Gott! der hat 's getahn,
Der Nelk' und Erdbeer würzen kan;
Der schuf des Mädels Purpurmund
So würzig; süs, und lieb und rund.
Wer lies vom Nakken, blond und schön,
Des Mädels seidne Lokken weh'n? –
Der liebe Gott! der gute Geist!
Der goldne Saaten reifen heist;
Der lies vom Nakken, blond und schön,
Des Mädels seidne Lokken weh'n.
Wer gab, zu Liebesred' und Sang,
Dem Mädel holder Stimme Klang? –
Der liebe, liebe Gott that dies,
Der Nachtigallen flöthen hies;
Der gab zu Liebesred' und Sang
Dem Mädel holder Stimme Klang.
Wer hat, zur Fülle süsser Lust,
Gewölbt des Mädels weisse Brust? –

 

[Manuskriptseite 58]

Der liebe Gott hat 's auch gethan,
Der stolz die Schwäne kleiden kan;
Der hat, zur Fülle süsser Lust,
Gewölbt des Mädels weisse Brust.
Durch welches Bildners Hände ward
Des Mädels Wuchs so schlank und zart? –
Das hat die Meisterhand gethan,
Die alle Schönheit bilden kan;
Durch Gott, den höchsten Bildner, ward
Des Mädels Wuchs so schlank und zart.
Wer blies so lichthel, schön und rein,
Die fromme Seel' dem Mädel ein? –
Wer anders hat 's, als Er gethan,
Der Seraphim erschaffen kan;
Der blies so lichthel, schön und rein
Die Engelseel' dem Mädel ein. –
Lob sei, o Bildner, deiner Kunst!
Und hoher Dank für deine Gunst!
Daß du dein Abbild ausstaffirt,
Mit allem, was die Schöpfung ziert.
Lob sei, o Bildner, deiner Kunst!
Und hoher Dank für deine Gunst!
Doch ach! für wen auf Erden lacht
Das Mädel so in Liebespracht? –
O Gott! bei deinem Sonnenschein!
Bald möcht' ich nie geboren sein,
Wenn nie in solcher Liebespracht
Das Mädel mir auf Erden lacht."

S. 172. 173. 174.

 

[Manuskriptseite 59]

[Ib-09-1780-0067]
4)

 

[Ib-09-1780-0068]
Fragment.
"Wenn einsam eine Nachtigal
Ihr Wunderlied euch sänge,
Und brächt' in euch, mit süssem Schal,
Den Odem in 's Gedränge;
Ihr lauschtet zu am Wasserfal,
So stil! um 's Herz so enge!
Und dann begännen überal
Von Staaren eine Menge,
Und ahmten nach die Nachtigal,
Und ihre Haingesänge;
Und brächten ihren süssen Schal
Mit Schnirschnar in 's Gedränge,
Der euch so iämmerlich fatal,
Wie mir Balladen, klänge,
Die u.s.w. –"

S. 232.

 

[Ib-09-1780-0069]
5)

 

[Ib-09-1780-0070]
Auch ein Lied an 'n lieben Mond.
"Ei! schönen guten Abend dort am Himmel!
Man freuet sich, ihn noch fein wol zu seh'n.
Wilkommen mir, vor allem Sterngewimmel!
Vor allem Sterngewimmel lieb und schön! –
Was lächelst du so bitlich her, mein Theurer?
Wilst du vielleicht so was von Sing und Sang?
Ganz recht! Wofür auch wär' ich sonst der Leirer,
Das Saitenspiel bisher – so so! – noch klang?

 

[Manuskriptseite 60]

Es wäre ia nicht halb mir zu verzeihen,
Das mus ich selbst treuherzig eingesteh'n,
Da alle Dichter die ein Schärflein weihen,
Wolt' ich allein dich stum vorüber geh'n.
Besonders da ich iezt mit einem Bande,
Vol meiner Reimereien, her und hin,
Im ganzen wehrten Deutschen Vaterlande,
Hausiren umzugeh'n entschlossen bin.
Auch bist du 's werth, mein sanfter, holder, lieber = = =
Ich weis nicht recht, wie ich dich nennen sol?
Man oder Weib? – Schon lange war ich über
Und über deines warmen Lobes vol.
So wissen 's dann die Iungen und die Alten,
Was immerdar auch meine Wenigkeit
Vom schönen lieben Monde hat gehalten,
Und halten wird in alle Ewigkeit!
Die Sonn' ist zwar die Königin der Erden.
Das sei hiermit höchstfeierlich erklärt!
Ich wäre ia von ihr beglänzt zu werden,
Verneint' ich dies, nicht eine Stunde werth.
Wer aber kan, wann sie im Stralenwagen
Einher an blauer Himmelsstrasse zieht,
Die Glorie in seinem Aug' ertragen,
Die ihre königliche Stirn umglüht?
Du, lieber Mond, bist schwächer zwar und kleiner,
Ein Kleid, nur recht und schlecht, bekleidet dich;
Allein du bist so mehr, wie Unsereiner,
Und dieses ist gerade recht für mich.

 

[Manuskriptseite 61]

Ich würde mir's fürwahr nicht unterstehen,
Mit ihrer hocherhabnen Maiestät
So brüderlich und traulich umzugehen,
Wie man noch wol mit dir sich untersteht.
Die Sonne mag uns tausend Seegen schenken.
Das wissen wir und danken 's herzlich ihr.
Doch weis sie auch es wieder einzutränken,
Und sengt und brent oft desto bas dafür.
Du aber, aller Kreaturen Freude!
Den ieder Mund so treu und froh begrüst,
Bist immer gut, thust nimmer was zu Leide.
kein Biederman hat ie durch dich gebüst.
Wär' ohne sie die Welt nur hel und heiter,
Und frör' es nur nicht lauter Eis und Stein,
Und Wein und Korn und Obst gediehe weiter,
Wer weis? so so liess' ich Sonne Sonne sein.
Dich liess' ich mir in Ewigkeit nicht nehmen nehmen,
Wofern mein armes Nein 'was gelten kan.
Ich würde bis zum Kranken mich zergrämen,
Verlör' ich dich, du trauter Nachtkumpan!
Wen hätt' ich sonst, wenn um die Zeit der Rosen,
Zur Mitternacht mein Gang um 's Dörfchen irt,
Mit dem ich so viel liebes könte kosen,
Als hin und her mit dir gekoset wird?
Wen hätt' ich sonst, wenn überlange Nächte,
Entschlummern mich, du weist wol was, nicht läst,
Dem alles ich so klagen könt' und möchte,
Was für ein Weh mein armes Herz zerprest? –"

S. 233. 234. 235. 236.

 

[Manuskriptseite 62]

[Ib-09-1780-0071]
VI.

 

[Ib-09-1780-0072]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des neun und dreissigsten Bandes zweites Stük. Berlin und Stettin, verlegt 's Friedrich Nikolai 1780.

 

[Ib-09-1780-0073]
1) Vom Gesez.

 

[Ib-09-1780-0074]
"Die Stelle Röm. 2, 12. kan man so erklären: Welche ohne Gesez, ohne das geschriebene götliche Gesezbuch, die Schriften des A. T. zu haben, gesündigt haben, der durch 's Licht der Vernunft von ihnen mehr oder weniger erkanten Wahrheiten ungehorsam geworden und geblieben sind, Röm. 1, 18. die werden auch ohne dies Gesezbuch verloren gehen werden; und welche am Gesez, da sie die Schriften des A. T. hatten, gesündigt, auf die darin enthaltene Aussprüche von der Rechtfertigung vor Gott durch den Glauben, Röm. 4, 2. f. und die prophetische Anweisungen zur Annahme der algemeinen messianischen Religion nichts geachtet haben; die werden durch 's Gesez, durch diese götliche Schriften, verurtheilt werden. – dann daß @ @@@@@ öfters das ganze Gesezbuch der Iuden, das A. T., heisse, kan nicht geläugnet werden. Nun versündigten sich ia die damalige Iuden vorzüglich an diesem Gesezbuch, da sie den Erinnerungen Christi und der Apostel aus demselben kein Gehör gaben, aus eigensinniger Anhänglichkeit an 's mosaische Gesez, wodurch sie ihren Vorzug vor den Heiden behaupten wolten. Als sie

 

[Manuskriptseite 63]

Paullus von ihrem verdammungswürdigen Zustand' überzeugen wolte; so führt' er sie vornämlich auf Aussprüch' aus den Psalmen. Röm. 3, 10. f. – Ferner sezt Paullus Röm. 3, 21. die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, dem Gesez – und v. 29. den Glauben den Gesezzeswerken entgegen, so, daß ienes und diese ausgeschlossen werden. Wie kan man aber sagen, daß die @@@@@@@@@ @@ @@@ das algemeine sitliche Gesez ausschliesse, da Gott all' Anstalten dazu gemacht hat, daß die Menschen moralisch gut und gerecht werden? Der Glaub' ist ia dem moralischguten Betragen so gar nicht zuwider, daß er dasselbe vielmehr bewirkt, dem Menschen tugendhafte Gesinnungen und Neigungen einflöst. Also durch Gesez und Gesezzeswerke können hier um so weniger das algemeine moralische Gesez und ihm gemässe gute Neigungen und Handlungen verstanden werden, als der Apostel nur den Unterschied aufheben wolte, den 's mosaische Gesez unter Iuden u. Heiden machte, und deswegen behauptete v. 29, daß Gott sowol dieser als iener ihr Got sei, welchen Unterschied aber nicht das algemeine sitliche, sondern das besondre mosaische Gesez festgesezt hätte. – Röm. 3, 31. steht nicht, wir richten 's sittliche Gesez auf; dann davon war im vorhergehenden die Rede gar nicht; sondern der Apostel antwortet blos auf den gemachten Einwurf; wir geben dem mosaischen Gesez die rechte Stellung, nach der 's blos einen partikulären Werth haben solte bis auf Christum, da der Glaube kam; den Büchern des A. T. dem Gesez und den Propheten widersprechen wir durch die Lehre vom Glauben so gar nicht, daß wir vielmehr durch dieselbe darin bestätigt werden, dann sie

 

[Manuskriptseite 64]

zeugten zum Voraus davon v. 21. und wer die Aussprüche Gottes von Abraham und seiner Rechtfertigung durch den Glauben Röm. 4, 3 – 8. gelten läst, der wird unsre Lehre vom Glauben gern annehmen – Durch 's Exempel Abraham's wolte Paullus den Iuden seiner Zeit recht augenscheinlich darthun, daß man vor Gott gerecht werd' ohne die Haltung des mosaischen Gesezzes, wodurch sie eigentlich die Gunst Gottes verdienen wolten; dann dies Gesez sei dazumal noch nicht in der Welt gewesen, und doch sei Abraham gerechtfertigt worden, nämlich durch den Glauben, den er, der Apostel, iezt weit volständiger predige. Das ganze Kapitel bekräftigt diese Erklärung,Röm. 7, 4. 6. Gal. 2, 19. steht deutlich, wir Christen seien dem Gesez getödet, abgestorben; wie kan man aber dieses auf 's moralische natürliche Gesez deuten, dessen Foderungen und Vorschriften algemein und ewig verbindlich sind? – Im mosaischen Gesezbuch kommen zwar auch manche sitliche Vorschriften und moralische Gründe vor, in so fern äusserliche zur Ordnung des iüdischen Staats gehörige Handlungen dadurch unterstüzt werden. Das geschieht bei allen Gesezbüchern. Allein sie sind nicht dazu da, daß man 's Moralgesez daraus lerne; dies wird von ihnen voraus gesezt, und wenn sie auch abgeschaft werden, so bleibt dies doch. Aber der V. behauptet, im mosaischen Gesezbuch sei 's ganze algemeine sitliche Gesez schon enthalten gewesen;

 

[Manuskriptseite 65]

Christus hab' es blos daraus gezogen, und nicht volständiger gemacht, welches doch wider Matth. 5. offenbar streitet. Überhaupt drängt der V. das algemeine Moralgesez gar zu sehr in die Form eines bürgerlichen Gesezzes. Es zeigt sich aber dabei ein grosser und mannigfaltiger Unterschied, worauf bei diesem Streit' ungemein viel ankomt. Bei einem bürgerlichen Gesezze spricht der Regent laut und verständlich, schreibt gewisse äusserliche Handlungen vor, sezt auf den Ungehorsam bestimte Strafen, der Unterthan mag sonst für Kentniss' haben, was er für welche wil, das alles ändert am Gesez nichts, das mus beobachtet werden. Hingegen bei'm algemeinen Moralgesez hört man oft Gott gar nicht, oder sehr leise sprechen, das Gewissen irt sich häufig, innere Neigungen und Gesinnungen lassen sich nicht befehlen, sie müssen eher gereizt und erwekt werden, ihre Richtung und 's Maas ihrer Stärk' ist so mannigfaltig, sie sollen der Wahrheit, dem eigenthümlichen Werthe der Dinge, gemäs angeordnet sein, die Wahrheit erkent man oft gar nicht, oder blos im Dunkeln, iede moralische Verirrung hat zwar widrige Folgen, wodurch sich die Gerechtigkeit Gottes an allen Menschen legitimirt; aber wer kan sie sankzionsmässig als Strafen bestimmen, nach dem Maase der Verschuldung ordnen und beschreiben; mit der weitern Erkentnis der Wahrheit erweitert sich auch für ieden 's moralische Gesez, deswegen kan 's nicht für

 

[Manuskriptseite 66]

alle gleich bestimt, ia nicht einmal für einen Menschen auf alle Zeiten gleichförmig eingerichtet werden; wie viel Rüksicht mus man dabei nicht nur auf den Unterschied der Erkentnisfähigkeit, sondern auch der Empfindlichkeit des Gefühls nehmen, und wie kan doch Gott bei allem diesem vom Menschen überhaupt eine volkomne und schlechterdings ununterbrochne Richtung aller auch der innersten, geheimsten Kräft' und Regungen des Menschen nach dem Urbild seiner Heiligkeit fodern? Auch Adam, wann er nicht gefallen wäre, hätte diese moralische Volkommenheit nie erreicht, sondern zu derselbigen immer mehr durch Erkentnis, Glauben und Übung wachsen müssen. Wie können aber iezt unsre Neigungen und Triebe, die durch Unwissenheit und die Reizungen der Sinlichkeit so sehr verstimt worden, in eine gottgefällige Ordnung kommen, und moralisch gut werden? Dazu hat uns Christus geholfen: Er hat uns Gott, seine gnädige und liebreiche Gesinnungen gegen 's ganze menschliche Geschlecht, seine väterliche Vorsehung über alles, seine Absichten mit uns auf die Ewigkeit pp. deutlich geoffenbart; durch den Glauben an Christum, und die durch ihn kund gewordne Wahrheiten; wird unser Herz in eine heilsame Bewegung gesezt, unsre Neigungen werden zum Guten erwekt und unterhalten, und damit sie die gehörige Richtung und 's rechte Maas treffen möchten, hat

 

[Manuskriptseite 67]

uns Christus nicht nur hiezu sichere und menschenfreundliche Anweisungen gegeben, sondern ist hierin uns auch mit seinem volkommensten Exempel vorangegangen, daß wir ihm nachahmen, und an ihm lernen sollen, wie weit man 's durch den Glauben bringen könne. Ie mehr evangelische Wahrheiten nun unser Glaube fast, ie stärker und lebendiger er wird, desto mehr komt's Moralgesez bei uns in Gang, und desto mehr nehmen wir am Glük Antheil, das uns Gott aus lauter Gnade bereitet, und durch Christum verheissen hat. – –" S. 361 – 364.

 

[Ib-09-1780-0075]
VII.

 

[Ib-09-1780-0076]
David Hartlei's Betrachtungen über den Menschen, seine Natur, seine Pflichten und Erwartungen aus 'm Englischen übersezt und mit Anmerkungen und Zusäzzen begleitet. Zweiter Band. Rostok und Leipzig, bei Ioh. Christian Koppe. 1773.

 

[Ib-09-1780-0077]
1) Bemerkung vom Nuzzen des Christenthums.

 

[Ib-09-1780-0078]
"Bei der Frage, vom Nuzzen des Christenthums, mus man nicht blos darauf sehen, wie viel positive Verbesserungen dasselbe in die Welt hineingebracht, sondern auch wie viele und grosse Verschlimmerungen durch dasselbe sind verhütet – nicht blos darauf, wie sehr die praktischen Grundsäzz' und 's Betragen der Menschen durch die christliche

 

[Manuskriptseite 68]

Offenbarung berichtigt und verbessert worden, sondern auch wie viel ärger 's in dieser Absicht in der Welt würde geworden sein, wenn diese Offenbarung nicht dazwischen gekommen wäre – nicht blos darauf, welche neue und über unsre Vernunft gehen sollende Säzze durch sie sind offenbart worden, sondern welche alte minder unterstüzte durch sie mit neuen Beweisen sind befestigt, und welche iezt den Menschen zu der Zeit unerfindbare Wahrheiten (durch sie) sind kund gethan geworden." S. 509.

 

[Ib-09-1780-0079]
2) Von der (ewigen) Verdamnis.

 

[Ib-09-1780-0080]
"Aus den Schriften der ältesten Kirchenväter erhelt nicht, daß sie den Worten des N. T. einen solchen Verstand beigelegt haben, daß die Ewigkeit der Höllenstrafen daraus gefolgt wäre. Und da man diese Lehr' in den alten Glaubensbüchern ausgelassen hat, so beweist dies, daß daß sie keine ursprüngliche Lehr' ist, oder nicht als eine wesentliche angesehen ward, welches doch nicht sein konte, wenn sie geglaubt worden wäre, oder daß manche angesehene Personen vor einigen Iahrhunderten von einer andern Meinung gewesen sind. Und in der That scheint die Lehre vom Fegfeuer, wie sie iezt von den Papisten gelehrt wird, eine Ausartung der ächten Lehre der alten Kirchenväter von einem reinigenden Feuer zu sein.

 

[Ib-09-1780-0081]
Es kan vielleicht sein, daß die absolute Ewigkeit der Strafen nicht eher angenommen wird, als bis die metaphysischen Subtilitäten über die Zeit, Ewigkeit u. dgl. und die Art und Weise, diese auszudrükken, eingeführt wurden, d. i., nicht eher, als bis die heidnische Philoso

 

[Manuskriptseite 69]

phie und eitler Betrug sich mit dem Christenthume vermischt, und dasselbe verderbt hatte. –" S. 570.

 

[Ib-09-1780-0082]
"Könten die götlichen Drohungen von der Verdamnis reduplikative verstanden werden, so würd' aus denselben nicht folgen, daß, wenn die Sünd' einmal aufhören, und die Sünder dereinst in der Ewigkeit bekehrt werden könten, die Strafen noch länger und zwar die ganze Ewigkeit durch fortdauern müssen. Sie beziehen sich auf die Sünde, und sezzen dieselbe als wirklich vorhanden zum voraus. Sie gehören für den Sünder, in so fern er ein Sünder ist. Aber hört er auf, es zu sein, so scheint, daß auch seine Strafen aufhören müssen. Es giebt ähnliche Redensarten in der Bibel, die diese Erklärung begünstigen. Wenn es z. B. 1 Ioh. 5, 18. heist: Wer von Gott gebohren ist, der sündigt nicht, so mus man diese Einschränkung dabei denken, so lang' und in so fern er vor Gott gebohren ist. Denn er kan aufhören, es zu sein, und dann sündigt er gewis. Eben so mus man bei den Aussprüchen der Bibel: "der Zorn Gottes bleibt über den Gotlosen" – und "Hurer, Abgöttische pp. k werden 's Reich Gottes nicht ererben" denken. Ein noch näher Beispiel ist dies. Der Prophet Ionas erhielt den Auftrag von Gott, den lasterhaften Niniviten anzukündigen, daß ihre Stadt nach 40 Tagen untergehen solte. Dies war eine unbedingte Drohung Gottes, und 's ward den Niniviten keine Hofnung gegeben, daß ihre Bekehrung den angekündigten Untergang ab

 

[Manuskriptseite 70]

wenden würde. Man kan dies aus dem Stilschweigen des Propheten schliessen, der bei seiner Ankündigung eine zu hoffende Milderung des strengen Urtheils bei erfolgender Besserung mit keinem Worte gedenkt. Wenn uns aber dies noch nicht hinlänglich scheinen möchte, die Drohung des Propheten für unbedingt anzunehmen, so werden wir nicht länger daran zweifeln können, wenn wir bedenken, wie unmuthsvol der Prophet ward, daß die von ihm ausgesprochene Drohung nicht erfült ward. Und wie hätt' er 's werden können, wenn er die Drohung, die er überbrachte, so vorgetragen hätte, daß er den Niniviten zugleich Hofnung gemacht hätte, durch ihre Bekehrung würden sie sich vor der Volziehung derselben sichern können; oder wenn er sie nur selbst so verstanden hätte? Unmöglich hätt' er denn glauben können, daß er durch die Aufhebung derselben nach erfolgter Bekehrung der Niniviten als ein Lügenprophet blos gestelt sei, unmöglich würd' er haben zürnen können; daß Gott die angedrohete Straf' erlies, die er im Falle der Bekehrung zu erlassen verheissen hatte. Auch die belehrende Antwort, die Gott dem misvergnügten Propheten ertheilte, da er sich unterstand, seinen zornigen Unmuth zu rechtfertigen, hätte ganz anders lauten müssen, anstat nämlich, daß Gott dem Propheten nur seine Barmherzigkeit vorhielt, und dadurch sein Verschonen der Niniviten gleichsam rechtfertigte, wär' es genug gewesen, demselben nur geradezu seine Unbilligkeit zu verweisen, vermöge der er etwas von Gott verlange, wozu sich derselbe nicht anheischig gemacht, eine Erfüllung zu fodern,

 

[Manuskriptseite 71]

die der ausgesprochnen Drohung geradezu entgegen liefe. Ob die Niniviten berechtigt gewesen, die Erfüllung der götlichen Drohungen nur unter der Bedingung, wenn sie sich nicht bekehren würden, zu erwarten, in wiefern sie Grund gehabt, zu hoffen, daß ihre aufrichtige Busse die verdiente Straf' abwenden würde, hierüber entscheidet nun der wirkliche Erfolg, und die dem Iona ertheilte Antwort Gottes. Frägt man Beides lehrt uns, daß man in ähnlichen Fällen von der Barmherzigkeit Gottes alles erwarten, und seine Drohungen, wenn sie gleich unbedingt ausgesprochen werden, bedingt verstehen dürfe. Die Ursache mag sein, (daß sie nämlich unbedingt ausgesprochen wurde) damit die Drohung einen desto tiefern Eindruk und also eine desto grössere Wirkung hervorbringen möchte. -" S. 88. 89 – " S. 585. 586. 587.

 

[Ib-09-1780-0083]
"Gegen den Saz: die Strafen nach dem Tode bessern den Sünder, sagt man: "wie leicht könt' es aber nicht geschehen, daß sie den Sünder noch mehr verhärteten, so wie 's hier in der Welt geschieht?" – Hierauf läst sich so antworten: wenn ein Mensch, troz seiner bessern Einsicht, ein Sklave des Lasters bleibt, so wird er durch die Gewohnheit des Lasters, durch die Macht körperlicher Fertigkeiten an dasselbe gefesselt, so gewährt ihm die Ausübung desselben noch mehr Lust und Befriedigung als die Unterlassung, so hat er noch Gelegenheit zu sündigen, und das Vermögen, durch wiederholte Handlungen des

 

[Manuskriptseite 72]

Lasters iene Gewohnheit und Fertigkeiten, die ihn fesselten, zu vermehren, mit einem Worte, das Laster ist ihm, wenn er auch für die Begehung desselben büssen mus, doch noch nicht genug verleidet, oder er sieht auch die natürlichen Strafen, die auf seine Ausschweifungen folgen, nicht für so unzertrenliche Folgen derselben an, daß er nicht hoffen dürfe, ohne vom Sündigen abzulassen, dennoch denselben ausweichen, oder sich die Empfindung derselben wenigstens erleichtern zu können. Was man ihm auch für eine richtige Einsicht in seinen wahren Vortheil zutrauen mag, so ist diese Einsicht dennoch nichts beständiges bei ihm, sondern verschwindet, so bald 's Gefühl seiner Strafen nachläst, und alsdann trit die viel stärkere Vorstellung vom überwiegenden Vergnügen, das ihm die Sünde verspricht, wiederum ein, und übt ihre ganze tyrannische Herschaft aus. Dies aber wird nach der Voraussezzung nicht die Beschaffenheit und der Zustand ewig Verdamter sein. Alle die Anreizungen, die Gegenstände zum Sündigen fallen weg pp. Seit. 591.

 

[Ib-09-1780-0084]
VIII.

 

[Ib-09-1780-0085]
Christliche Religions Theorie für 's gemeine Leben, oder Versuch einer praktischen Dogmatik von D. Gotfried Less. Prof. der Theol. Göttingen, im Verlage der Vandenhökschen Buchhandlung. 1779.

 

[Ib-09-1780-0086]
1) Algüte Gottes.

 

[Ib-09-1780-0087]
"Ein Tropfen Gottes Güt' ist mehr als die Güt' aller Menchen zusammengenommen. Sie ist ganz unermeslich in Absicht ihres Gegenstandes: denn sie erstrekt

 

[Manuskriptseite 73]

sich auf eine unermesliche Menge von vernünftigen und empfindenden Geschöpfen. Wer kan die empfindenden Geschöpfe nur auf unsrer Erde zählen? Und diese Erd' ist nur ein Sonnenstäubchen in Gottes Staat. Die fünf andern Hauptplaneten unsers Sonnen Systems! Und die elf Nebenplaneten! Und die vielen Kometen! Und die Sonne! Und die zahllosen Sonnen und Sonnen Systeme, die wir des Nachts am Himmel glänzen sehen! Und die noch zahlloseren, die wir nicht sehen! Herr! Wer kan sie zählen, sie denken, die Millionen die sich Deiner freuen! – – Unermeslich in Absicht ihrer Erweisung. Und hier verliert sich aller menschliche Verstand noch mehr; wenn wir daran denken, daß Gott iedem empfindenden Geschöpfe, in ienen unzähligen Welten, in iedem Augenblikke wolthut. Blos auf unserm Erd Hügel öfnet sich ein unergründliches, unabsehliges Meer von Liebesproben des Schöpfers. Iede Wissenschaft und Kunst, die Seelenlehre, Botanik, Anatomie, Medizin, Astronomie, Physik, Dichtkunst, Theologie besonders, iede Wissenschaft und Kunst ist eine Samlung von Wundern der Liebe Gottes. Unermeslich auch in Absicht ihrer Volkommenheit. So ganz und gar uneigennüzzig! Geleitet durch eine nie irrende Weisheit! Verbunden mit der reinsten Heiligkeit und volkommensten Gerechtigkeit! –" S. 124. 125.

 

[Manuskriptseite 74]

[Ib-09-1780-0088]
2) Vom Wort $$$.

 

[Ib-09-1780-0089]
ganze Seite scannen hebr. Text

"1) Zuerst zeigte man dadurch den Athem, Hauch an. Dies ist die Grundbedeutung, 1 Mos. 2, 7. vergl. 7, 22. Iesaias 38, 16. Ps. 146, 4. – – In diesem Sinne wandt' es die Kindersprache der Urwelt auf Gott an, und dachte sich darunter, bald die Macht Gottes Hiob 33. 4. Ps. 33, 6. vergl. V. 9. Ps. 139, 7.10. bald seinen Zorn; 2 Sam. 22, 16.

 

[Ib-09-1780-0090]
2) Die Ähnlichkeit des Windes mit dem Athem machte, daß man auch diesen, $$$ nante. 1 Könige 19, 11. Ies. 40, 7. 1 Mos. 1, 2., vergl. Ps. 33, 6. Mit dem Beisaz, $$$$ oder $$$$$ der hebräischen Anzeige des Superlativ's, heist ein heftiger Wind, ein Orkan, ein Wind Gottes.

 

[Ib-09-1780-0091]
3) Die alte Welt, wie wir noch an den Wilden sehen, hielt' alles, was sich bewegt, für belebt durch einen Geist; und diesen Geist dachten sie sich, als einen subtilen Körper, gleich dem Hauch, Athem. Deswegen heist nun $$$ auch, ein Geist, nicht in unserm philosophischen, sondern in ienem sinlichen Verstande. Pred. Salom. 12, 7. Auch Lateiner und Griechen brauchen einerlei Wort, für Athem und Geist; anima, @@@@@@. – – Diese neue Bedeutung erzeugte verschiedne tropische: nämlich a) Stärke Ies. 31, 3. Richt. 14, 6. b) Verstand, Klugheit 2 B. Mos. 31, 3. c) Gemüthsart, Gesinnung, wie auch unser deutsches Geist, Geist der Eifersucht, Weisheit u.s. 4 B. Mos. 5, 14. Is. Ies. 10, 1. 29, 10. 63, 10. d) ingleichen Gemüths Zustand, ein heiteres

 

[Manuskriptseite 75.]

Gemüth heist da, ein guter Geist, und ein melancholisches, ein böser Geist, 1 Sam. 16, 14. – – Vermuthlich dachte sich auch die älteste Welt alle diese Dinge, als Wirkungen eines höhern Geistes. –" S. 148. 149.

 

[Ib-09-1780-0092]
3) Etymologie des Worts "Welt"

 

[Ib-09-1780-0093]
"Es komt eigentlich von alten Worte Weren her, d. i. Wesen, heist, alles, was da ist. Es ist von Werelt in Welt zusammengezogen." S. 186.

 

[Ib-09-1780-0094]
4) Das Schlagen des Herzens.

 

[Ib-09-1780-0095]
"Unbegreiflich sind uns die Wirkungen der menschlichen Kräfte. Das Herz z. B. schlägt mit einer Kraft, welche im Stande wäre, tausend Pfund aufzuheben; ohne dennoch unsre Brust zu zerschmettern: dieser Schläge thut 's in ieder Stund' auf sechstausend: und unaufhörlich, ohn' einen einzigen Augenblik, Tag und Nacht zu ruhen: und oft siebzig, ia hundert Iahre nach einander: und das alles, ohne das allergeringste Zuthun des Menschen. – – Ieder Schlag unsers Herzens ist also ein fühlbarer Beweis der für uns wachenden Vorsehung." – S. 228. 229.

 

[Ib-09-1780-0096]
5) Ursprung des Worts Teufel.

 

[Ib-09-1780-0097]
"Das deutsche Wort Teufel komt vom griechischen @@@@@@@@@." S. 260.

 

[Ib-09-1780-0098]
6) Cherubim – was es ist?–

 

[Ib-09-1780-0099]
"Cherubim, 1 Mos. 3, 24. Ezechiel 1. und 10. sind keine Engel, sondern die Pferde, welche den Wagen Gottes

 

[Manuskriptseite 76]

ziehen: bei iedem Trit dieser Pferde fahren Blizz' aus, und iedes Rollen des Wagens ist ein Donner. Ein vortrefliches, und gewöhnliches Bild von Gottes Gegenwart und Wirkung." Seit. 263.

 

[Ib-09-1780-0100]
VIIII.

 

[Ib-09-1780-0101]
Adam Ferguson's Grundsäzze der Moralphilosophie. Übersezt und mit einigen Anmerkungen versehen von Christian Garve. Leipzig, in der Dykkischen Buchhandlung, 1772.

 

[Ib-09-1780-0102]
1) Etwas zur Bestätigung der Lehre von der Nothwendigkeit.

 

[Ib-09-1780-0103]
"Die geistigen Vorstellungen sind Folgen eines vorhergegangnen Nachdenkens; dieses Nachdenken ist die Folg' eines vorhergegangnen Entschlusses die Sache zu untersuchen; dieser Entschlus ist die Folge neuer Vorstellungen; und so zurük, scheint 's, mus ich zulezt auf Vorstellungen kommen, die mein Nachdenken nicht hervorgebracht hat; die also in der Natur meines Geistes, meines Körpers, oder der Umstände liegen. Die Kett' ist also hier lang, an welcher meine gegenwärtige Handlung hängt; sie geht lang' innerhalb meiner selbst, und innerhalb meiner eignen Handlungen und Vorstellungen fort; aber endlich endigt sie sich doch mit einem Gliede, das ausser mir liegt; nämlich mit dem Wesen, das meine ursprüngliche Natur gebildet hat, oder mit der Ordnung und der Reihe der Dinge, unter die ich gesezt worden bin." S. 293. 294.

 

[Manuskriptseite 77]

[Ib-09-1780-0104]
2) Der Unterschied zwischen thierischen und vernünftigen Trieben.

 

[Ib-09-1780-0105]
"Propensity bezeichnet die in der Natur der Seele selbst liegende Arten der Thätigkeit, in so weit sie sich unterscheiden lassen, ohne noch auf die Gegenstände zu sehen, mit welchen diese Thätigkeit umgeht. Ein solcher Trieb, gerichtet gegen einen bestimten äussern Gegenstand, ist Begierde. – Bei 'm Thier ist ieder Trieb zugleich Begierde nach einer gewissen Sache. Bei 'm Menschen trit zwischen beide noch 's Urtheil, welches den Gegenstand bestimt, der zur Stillung des Triebes, oder zur Beschäftigkeit Beschäftigung der ursprünglichen Thätigkeit, das Mittel sein sol. Dieses Urtheil ist nicht ganz unbestimt und wilkürlich: denn 's giebt gewisse unveränderliche Eindrükke, welche andre Körper auf den unsrigen machen; und 's giebt unveränderliche Wirkungen, welche sie in demselben hervorbringen, wenn sie mit ihm vereinigt werden. Kein Urtheil kan bitter süsse, und Gift zu einem Nahrungsmittel machen. Aber 's ist auch nicht so einfach und eingeschränkt, als bei den Thieren; denn unsre Empfindungen von den Dingen hängen sehr von unsrer eignen Gesinnung, unserer Denkungsart, und der Gewohnheit des Körpers ab; und selbst die Wirkungen der Ding' auf unsre Erhaltung, können entweder durch ihre Bearbeitung, oder durch die Abhärtung und Gewöhnung unserer selbst, weit mehr verändert werden, als es bei den Thieren möglich ist.

 

[Ib-09-1780-0106]
Dies wird uns den Unterschied zwischen thierischen und vernünftigen Trieben aufklären. Iene gehen nur

 

[Manuskriptseite 78]

auf ein gewisses äusseres Ding, entstehen nur bei 'm Anblik desselben, oder gehen nur mit der Aufsuchung desselben um. Diese gehen auf 's Wesen selbst, welches diese Trieb' hat. Das hungrige Thier sieht nur sein Futter; der hungrige Mensch sieht sich selbst und seine Ernährung; das Thier wil die Sache, der Mensch wil die Wirkung derselben; das Thier empfindet sich nur, insofern ein äusseres Ding seinen Körper verlezt oder befriedigt; der Mensch empfindet sich selbst abgesondert von den äussern Dingen, und verlangt diese, nicht an sich, sondern weil er den Einflus derselben über sich einsieht. – Wenn ich sage, der Mensch handelt so: so behaupt' ich nicht, daß er nicht iene thierische Trieb' auch habe, daß er bei'm Anblik der Speis' oder der Lust nicht auch einen unmittelbaren Zug fühle; aber ich behaupte, daß wenn er nichts weiter fühlt, wenn er sich selbst ganz aus den Augen verliert, wenn er ganz im Gegenstande seiner Begierd' existirt: so sei er nur Thier. –

 

[Ib-09-1780-0107]
Ich glaube, daß iedes Obiekt einer thierischen Begierde, auch 's Obiekt einer vernünftigen Begierde werden kan. Nur in der Art des Begehrens ist ein Unterschied. In iener macht die Sache blos einen unmittelbaren Eindruk, und äussert einen unmittelbaren Zug; in dieser wird sie erst auf den Menschen selbst bezogen, und äussert ihre Gewalt nur vermittelst des Vortheils, den sie diesem verspricht. Bei den thierischen Begierden, wil der Mensch nur die Sache geniessen, und vergist sich selbst: bei den vernünftigen wil er sich selbst und seine Volkommenheit geniessen,

 

[Manuskriptseite 79]

und denkt an die Sache, weil sie ihm diesen Genus befödert oder hindert.

 

[Ib-09-1780-0108]
Nur kömt noch der Umstand dabei vor, daß gewisse Obiekt' einen solchen unmittelbaren Eindruk gar nicht machen, und also uns ganz gleichgültig sein würden, wenn wir sie nicht als Hülfsmittel zu unsrer Verbesserung ansähen; andre hingegen einen so gewaltsamen unmittelbaren Eindruk auf den Körper machen, daß es uns kaum möglich ist, die Beziehung derselben auf unser eigen Wesen zu denken. – Ienes würden alsdann die Gegenstände der blos thierischen, dieses die vernünftigen Begierden, sein.

 

[Ib-09-1780-0109]
Man zählt von ienen drei, den Hunger, den Trieb zur Fortpflanzung, und die Neigung zum Schlaf; von diesen vier, die Sorge für die Selberhaltung, die Zuneigung der Ältern und Kinder, die Neigung der Geschlechter gegen einander, die Geselligkeit, und die Begierde nach Volkommenheit. – Man hätte die erstern kürzer und volständiger so eintheilen können; Anfüllung und Ausleerung. Der gesunde natürliche Zustand ist der, auf welchen der thierische Trieb überhaupt geht. Von diesem weicht der Körper aus, entweder, wenn Theile abgehen, oder wenn sich andre häufen. Die körperliche Lust entsteht, wenn iener Mangel ersezt, oder dieser Überflus weggeschaft wird; auf so vielfache Art dies geschehen kan, so viel find' ich körperliche Triebe. Unter den leztern, scheint mir nur die Begierde nach

 

[Manuskriptseite 80]

Volkommenheit, eine ganz reine vernünftige Begierde zu sein, weil sie ganz allein auf den Menschen selbst geht; die aber niemals so unvermischt wirklich existirt, sondern sich immer mit dem sinlichen Eindruk irgend eines Gegenstandes vermischt, einem Eindrukke, der von der Volkommenheit, die durch ihn hervorgebracht oder befödert wird, ganz unterschieden ist. – So liegt im Triebe der Geselligkeit, erstlich der natürliche Zug, der durch die blosse Empfindung einer ähnlichen Gestalt und ähnlicher Bewegungen, in der ganzen thierischen Schöpfung, die lebendigen Wesen einander nähert; dies ist die Geselligkeit der Thiere, die blos in Heerden beisammen leben, ohne sich beizustehen. Dann die aus den Vortheilen der Geselschaft entspringende Neigung. Diese Vortheile bezieh'n sich nun entweder wieder auf gewisse andre blos sinliche Eindrükke; so ist diese Geselligkeit bei den Thieren, die gemeinschaftlich iagen oder bauen; – oder sie beziehn sich auf die Verbesserung des Menschen; die Ausbildung seiner Kräfte, die Beschäftigung seiner Thätigkeit; und dann ist 's die Geselligkeit des vernünftigen Geistes.

 

[Ib-09-1780-0110]
Dies ist die Geschichte, auf welche Weise nach und nach aus den thierischen Trieben die vernünftigen bei'm Menschen erwuchsen. Nämlich so. Der Trieb der Erhaltung, und der Reiz der sinlichen Lust, sezt zuerst den Menschen wie 's Thier, in Thätigkeit; er

 

[Manuskriptseite 81]

lernt die Ding' andrer Menschen und seine Handlungen gegen sie erstlich dadurch schäzzen, weil sie ihm Vergnügen verschaffen. So wie sich die Anzahl der Ding' erweitert, deren Wirkungen er erfährt, so breiten sich seine Begierden aus; so wie sich der Weg verlängert, auf welchem er zu diesen Wirkungen gelangt, so werden seine Begierden künstlicher. Hier ist die erste Gränzscheidung zwischen Mensch und Thier, und hier findet sich selbst ein Unterschied zwischen einer Thierart und der andern. Bei wenig Thieren folgt die Handlung des Fressens unmittelbar auf die Begierde des Hungers; die Hizze der Iagd, oder der Fleis des Samlens geht vorher. Aber bei keinem Thier' erfolgt die Befriedigung der Begierde so spät auf die Anstalten, die 's zu diesem Ende macht, als bei'm Menschen; bei keinem wird die Bestrebung des Thiers durch eine so lange Kette von Mitteln und Absichten fortgeführt, eh' sie bis an dieses lezte Glied gelangt. Wie weit sind die Arbeiten des Handwerksmans oder des Akkerbauers, wenn sie all' auf nichts weiter abzielen, als ihm Brod oder ein Kleid zu verschaffen, doch von diesem lezten Ziel' entfernt? Aber das ist noch nicht alles. Wenn die Mittel der Erhaltung für den Menschen, durch Errichtung der Geselschaft, reichlicher werden; wenn er Überflus für sich findet; zu dessen Herbeischaffung er nicht seine ganze Zeit und Kräfte braucht; wenn er zugleich durch die Mittheilung der Ideen aufgeklärt wird: dann fängt er

 

[Manuskriptseite 82]

an, einen Endzwek seiner Handlung in sich selbst zu finden; denn bemerkt er, daß, wenn er auch völlig sat, bekleidet, unter einem guten Dach, mit allem Hausgeräthe versehen ist: doch noch für ihn etwas zu thun übrig bleibe. – Er geht noch einen Schrit weiter, er wird gewahr, daß in diesen Handlungen selbst, wodurch der Mensch sich Nahrung und Bequemlichkeit verschaft hat, insofern sie aus gewissen Kräften eines Geistes entstehen, insofern sie diese Kräft' üben, ein höheres Gut liege, als in den äussern Endzwekken selbst, die durch sie erreicht werden. Von diesem Augenblikk' an, arbeitet er zwar in Geselschaft mit dem übrigen menschlichen Geschlecht, und mit dem Reich aller lebendigen Wesen, dazu, sich zu erhalten, und sich und seinen Freunden die Hülfsmittel des physischen Lebens zu verschaffen; – denn was wolt' er anders thun? welche andre Sphäre von Thätigkeit könt' er sich schaffen, wenn er aus dieser heraus gienge? Aber er weis nun, daß die Natur nicht sowol diese vielen Trieb' im Menschen erwekt hat, um ihm iene Bequemlichkeiten zu gewähren: als ihn vielmehr den Reiz iener Vergnügungen und Vortheil' aufstelle, um diese Trieb' in Bewegung zu sezzen, um einem denkenden Wesen Materie zu Vorstellungen, einem empfindlichen Geist Stof zu Empfindungen, einem wolwollenden Geiste Mittel der Gutthätigkeit, einem thätigen Gelegenheit zu Beschäftigungen zu geben. – Denn nimt iede Sache, leblose und lebendige, eine andre Gestalt für ihn an. Die Gegenständ' und Veränderungen wurden zuerst von ihm nur angesehen,

 

[Manuskriptseite 83]

in so fern sie ihm Vergnügen oder Verdrus machen; iezzo, in sofern sie Handlungen und Äusserungen seiner Volkommenheiten veranlassen. In iener Betrachtung sind die Vorfälle bald gut bald böse; in dieser sind sie all' auf gleiche Weise gut. Denn 's ist keiner, wo nicht die Ausübung einer Tugend oder die Beschäftigung einer besondern Fähigkeit möglich wäre. – Zuerst liebt' er die Menschen, weil er glaubte, daß sie ihm nuzzen können; iezzo liebt er sie noch mehr, weil er 's Wolwollen für den Zustand eines volkommenen Geistes hält. Ein Wesen, welches die Dinge nur unter dieser einzigen Beziehung sähe, unter der Beziehung inwiefern sie gewisse Handlungen erfodern und veranlassen; ein solches Wesen müst' ein ganz reiner Geist sein. Dieses Wesen allein könt' ein durchaus immer gleich glükliches Wesen sein. Wir kennen nur Ein solches Wesen. – Ein Wesen, das diese Beziehung gar nicht bemerkte, gesezt daß sie auch existire, das nur allein den Unterschied der Empfindungen kente, bei welchen 's selbst leidend ist, ein solches Wesen müste nothwendig oft elend sein; denn die Wirkungen der Dinge sind verschieden und abwechselnd, weil die Natur mannichfaltig und zusammengesezt ist. Solche Wesen sind, so viel wir wissen, die Thiere. – Wenn 's zwischen diesen beiden ein mitleres oder ein aus beiden zusammengeseztes Wesen giebt; das zwar die Verschiedenheit der sinlichen Eindrükke von den äussern Dingen empfindet, diese Verschiedenheit nicht aufheben, die Begierd' oder den Abscheu

 

[Manuskriptseite 84]

nicht vernichten kan, welche aus dieser Verschiedenheit folgen; ein Wesen, das anfangs und eine lange Zeit, ganz allein durch diese Verschiedenheit in Bewegung gesezt worden; das aber doch zulezt, wenn auch spät, wenn auch nur zuweilen, gewahr wird, daß es selbst und seine Handlungen mehr wehrt sein, als alle die Dinge, die 's durch seine Handlungen sucht oder sich verschaft: – dieses Wesen mus einer beständigen und unwandelbaren Glükseligkeit desto näher kommen, ie lebhafter es die Vorstellung der leztern Beziehung der Dinge, und ie schwächer es die erste machen kan. Ein solches Wesen ist der Mensch. Die Vorsehung führt alles, was lebt, auf einem immer gleichen Wege, durch Übung ihrer Kräfte, zur Volkommenheit. Das Thier, indem sie 's mit seinem Futter, seiner Gattin oder seinen Iungen beschäftigt. Den Menschen, indem sie ihn zum Akkersmanne, Künstler und Regenten macht. Aber einigen ihrer Geschöpfe, die noch nicht reif genug sind, ihre Geheimnisse zu verstehn, hat sie ihre wahre und lezte Absicht verborgen. Dem besten, edelsten Menschen hat sie etwas davon offenbart. Arbeite, sagte sie zu ihm, um dein Brod zu gewinnen, dein Vermögen in Sicherheit zu stellen, dein Ansehn zu vermehren; um deinen Freunden, deiner Stad, deinem Vaterland' alle diese Vortheile zu verschaffen: aber wisse, daß du selbst weit mehr der Endzwek bist, warum iene Sachen von mir auf deinen Weg gelegt worden, damit du dich mit demselben bearbeiten, deinen Verstand brauchen,

 

[Manuskriptseite 85]

dein Herz mit Neigung anfüllen, deinen Fleis und deinen Muth üben könnest; als daß die Erwerbung iener Sachen der Endzwek wäre, warum ich dich gemacht habe. Daher, wenn du alle diese Sachen verfehlst: so bleibt dir noch immer der höchste Endzwek unverlezt. –" S. 313 – 325. "Die Materie ist die erste Veranlassung zu den Handlungen der Geister. Und wie kan sie diese Gelegenheit werden? – indem sie Lust oder Schmerz erregt. Die Erlangung der Lust ist die erste Absicht, um derenwillen der Mensch handelt; die Handlungen des Menschen selbst sind die lezte Absicht, um welcher willen die lezte Natur ihm Lust gewährt." S. 342

 

[Ib-09-1780-0111]
3) Wie bei'm Menschen die Wahrnehmung des Unterschiedes zwischen Pflicht und Verbrechen hervorgebracht.

 

[Ib-09-1780-0112]
"Dieser Unterschied mus derowegen in der Natur des Menschen liegen; es mus ihn also auch ieder Mensch in sich selbst finden können. Aber der Weg dazu ist lang. Erst mus er den Unterschied von Vergnügen und Schmerz kennen lernen; dann den Unterschied von Nuzzen und Schaden, d.h. von der Kraft der Dinge, Vergnügen oder Schmerz zu machen; dann mus er diesen Nuzzen oder Schaden weit auf die Zukunft voraussehen, und das iezt schon wählen oder verwerfen lernen, was zu einer ungewissen Zeit eine noch unbestimte Lust verspricht, oder einen unbestimten Schmerz droht; dann mus er

 

[Manuskriptseite 86]

insbesondre den Nuzzen oder Schaden einsehen, der ihm aus andrer Menschen Handlungen zuwächst; von dem Nüzlichen oder Schädlichen der einzelnen Menschen mus er zur Erkentnis, oder vielmehr zur Empfindung (denn zur Einsicht ist dies Obiekt schon zu weitläuftig) der Vortheile fortgehen, die ihm aus der menschlichen Geselschaft überhaupt zuwachsen; von da mus er nun weiter seine Handlungen unterscheiden, in sofern sie diese Geselschaft erhalten, oder zerrütten; von Handlungen, die einzeln der Geselschaft vortheilhaft sind, mus er zu solchen hinaufsteigen, wovon keine allein genommen einen merklichen Einflus hat, sondern die nur zur Erhaltung der Geselschaft beitragen, insofern sie algemein angenommen und ausgeübt werden: Und dann ist er endlich bei'm Begrif Gerechtigkeit. Aber er ist noch nicht bei'm Begrif Tugend. Nun mus er noch diese Handlungen, die er bisher betrachtete nach ihren Folgen, auch betrachten nach ihrem Ursprunge; er mus empfinden, daß der Zustand seiner Seele, in welcher er die gerechten Handlungen am leichtesten am öftersten thut, zugleich der Zustand der Volkommenheit und Glükseligkeit sei.

 

[Ib-09-1780-0113]
Diesen Weg nun gieng 's menschliche Geschlecht, um zu diesen kostbaren Ideen, unserm Ruhm in der thierischen Schöpfung, zu gelangen; aber der einzelne Mensch geht ihn nun nicht mehr. Der findet in der Sprache schon Wörter; in den Reden seiner Ältern und Gespielen

 

[Manuskriptseite 87]

Urtheile; in ihrem Betragen beobachtete Regeln: welche ihm die Begriffe von Recht und Unrecht beibringen, eh' er sie selbst noch aus seinen Empfindungen hat entwikkeln können. – Den Unterschied von Vergnügen und Verdrus lehrt ihn die Natur; den Unterschied von Nuzzen und Schaden erfindet er bald selbst. Aber er sieht, daß sich iene Wörter und iene Regeln noch aus diesen Unterschieden nicht gänzlich verstehen lassen. Er nimt sie also an, als Merkmale, daß noch Verschiedenheiten bei den menschlichen Handlungen vorkommen, die er zwar noch nicht empfindet, von denen er aber auf 's Ansehen der übrigen Menschen glaubt, daß sie vorhanden sind. Er beobachtet diese Regeln, ob er gleich den Trieb dazu in sich selbst noch nicht fühlt, und ihren Grund nicht einsieht. Vielleicht bleibt ein grosser Theil der Menschen hiebei stehen: und in einem gesitteten Lande, bei guten Gesezzen, und einem vernünftigen äussern Gottesdienste kan man bei diesen blos auf Treu und Glauben angenomnen Regeln des Rechts ein ehrlicher und gutthätiger Man sein; aber ein tugendhafter glüklicher Mensch kan man nicht werden. Dazu gehört, daß man den Ursprung iener Begriffe, und die Ursachen zu der Festsezzung iener Regeln in seiner eignen Natur aufsuche; daß man sie da finde; und daß diese anfangs erkünstelte Neigung die Neigung der Tugend, in eine natürliche verwandle, indem man sie mit den uns immer beiwohnenden Grundneigungen unsrer Natur in Zusammenhang bringt." – S. 345. 346. 347. 348.

 

[Manuskriptseite 88]

[Ib-09-1780-0114]
4) Unterschied zwischen Stolz und Eitelkeit.

 

[Ib-09-1780-0115]
"Es giebt wirklich zwei ganz unterschiedne Karaktere, für welche, wenn diese Namen (Stolz und Eitelkeit) nicht gelten, wir doch andre suchen müssen: einen der zur Verachtung andrer, zur Unterdrükkung, zur Tyrannei führt, der gebiethrisch und insolent macht, das ist Stolz; einen andern der zur Prahlerei, zur ängstlichen Bettelei um Lob und Bewundrung, zu Lügen führt, der beschwerlich und lächerlich macht, das ist Eitelkeit. Begierde nach Werth und Einbildung, ihn zu besizzen, ist bei beiden. Aber diese Begierd' und diese Einbildung hat bei 'm Stolze mehr den Karakter der Leidenschaften, die aus dem Zorn' entspringen, und bei der Eitelkeit mehr den Karakter der Leidenschaften, die aus Wollust entspringen. Die Griechen würden gesagt haben: der Stolz gehört zu @@@@@, und die Eitelkeit zu @@@@@@@@. – Stolz ist eine weit gefährlichere Leidenschaft: denn wenn die Verachtung algemein wird, so verlöscht 's Wolwollen; und der, welcher das menschliche Geschlecht verachtet, ist zu keiner guten Handlung mehr fähig. Aber Stolz kan doch die Leidenschaft einen und starken Seele sein: er kömt oft aus einem Gefühl seiner Kräfte; und er zeigt immer eine gewisse Unabhängigkeit von andern an. Eitelkeit hin

 

[Manuskriptseite 89]

gegen kan mit einem ziemlichen Grade von Gutherzigkeit bestehen: aber sie ist 's sichere Zeichen eines kleinen und schwachen Geistes; sie ist immer mit Zaghaftigkeit verbunden, und unterwirft den Menschen der Gewalt aller derer, die über ihn urtheilen. –" S. 352. 353.

 

[Ib-09-1780-0116]
5) Unterschied zwischen Vergnügen und Hochachtung.

 

[Ib-09-1780-0117]
"Vergnügen ist die Empfindung, welche aus der Wirkung selbst, der Verbesserung unsers Zustandes entsteht; Hochachtung ist die Empfindung, welche aus der Vorstellung des Urhebers entsteht, wenn dieser Urheber ein Geist ist. – Aber warum empfinden wir bei einem Vergnügen, das uns von einem Geiste verschaft worden, mehr? Was kömt zum Eindruk einer uns labenden Frucht hinzu, wenn sie uns von der Hand eines Menschen gereicht wird? – Dies, daß wir bei der Frucht selbst nur auf unsern Zustand sehen, der verbessert worden ist; bei 'm Menschen sehen wir zugleich seinen Zustand, als den Zustand eines bessern und volkomnern Geistes. Hochachtung ist die Sympathie mit der Glükseligkeit dessen, der etwas Gutes gethan hat. Noch ein Umstand ist merkwürdig. Leblose Dinge

 

[Manuskriptseite 90]

können wir nur lieben, wenn sie uns wirklich Gutes thun; Menschen können wir auch hochachten, blos weil sie uns nicht Schaden thun. Denn was ist die Gerechtigkeit anders? und wer schäzt nicht den volkommen gerechten Man hoch? Wie kan eine blosse Negazion eine positive Empfindung erregen? Wie kan ich gegen das, was gar keine Wirkung gegen mich äussert, doch eine gewisse bestimte Gesinnung bekommen? – So kan ich 's, weil ich allenthalben, wo 's auf Menschen ankömt, nicht von den Veränderungen blos gerührt werde, die er in mir macht, sondern von der Verfassung, der Neigung, dem Zustand seines Geistes, die er mir anzeigt. Und diesen kan er mir eben so wol durch das entdekken, was er unterläst, als durch das, was er thut. Also ist 's doch die Verfassung des Geistes aus der die Handlung stamt, die ich billige, nicht blos die Wirkung, welche sie hervorbringt. – Aber dies eben wollen wir sagen, wenn wir von moralischen Unterschieden reden. –" S. 355. 356. 357.

 

[Ib-09-1780-0118]
6) Vom Begriffe von Gott.

 

[Ib-09-1780-0119]
"Das ist ohne Zweifel der erste Gedanke des Menschen, und den man als gleich alt mit seiner Natur ansehen kan: es müssten unsichtbare Wesen sein, die auf eben die Weise wie die Menschen denken und handeln, von welchen die Erscheinungen der Natur herkommen. Dieses dach

 

[Manuskriptseite 90]

ten sie, so oft sie von einer Veränderung oder von einem Gegenstande der Natur merklich gerührt wurden; und besonders wenn diese Veränderung neu und fürchterlich war. Diesen Gedanken von einem unsichtbaren Wesen, erneuerten sie, so oft solche Erscheinungen sich wiederholten. Aber ob 's das nämliche Wesen sei, welches sie schon vorher sich gedacht hatten, oder ein eignes, das konten sie ohne Zweifel nicht bei sich ausmachen: oder vielleicht dachten sie auch nicht daran.

 

[Ib-09-1780-0120]
Der Begrif der Einheit Gottes hat einen doppelten Ursprung; einen in der Unwissenheit, den andern in der Einsicht. Ich wil soviel sagen. Ohne Zweifel dachten sich die Menschen eher einzelne Theil' und Empfindunge Erscheinungen der Natur, eh' sie sich die ganze Natur dachten. Also entstand auch bei ihnen eher der Begrif von einem unsichtbaren Urheber einzelner Theile, als von einem unsichtbaren Urheber des Ganzen. Aber dieser Begrif, ob er gleich von ganz verschiednen Gegenständen und Vorfällen erregt wurde, und deren Verbindung unter sich sie noch nicht eingesehen hatten, war doch immer derselbe. Denn was konten sie sich für Verschiedenheiten bei den Wesen denken, die sie nur durch ihre eigne Schlüsse von denselben, kanten. Gesezt also auch, daß sie der Sonne, den Planeten, den Bäumen, den Strömen,

 

[Manuskriptseite 92]

verschiedne Namen von Gotheiten gaben, so war 's doch immer nur Ein Begrif, den sie dabei hatten.

 

[Ib-09-1780-0121]
Das, was sie wirklich wusten, war, daß ohn' ein lebendiges und geistiges Wesen sich der Ursprung der Dinge, welche entstehen, und die Pänomene der Dinge, und die welche sich verändern, nicht begreifen lassen. Das, was sie nicht wusten, war, daß alle diese Ding' und diese Pänomene zusammengehören, daß sie nur Ein Ganzes ausmachen. Sie kanten die Sonne, den Mond, den Himmel, die Erde; aber sie hatten noch keine Begriffe von der Welt. Nachdem aber einmal diese grosse erhabne Idee, die Idee des algemeinen Zusammenhangs, in einen menschlichen Kopf gekommen war; nachdem die Menschen eingesehen hatten, daß es nur Ein Phänomen gebe, welches zu erklären, nur Ein Werk, dessen Urheber zu finden sei, nämlich die ganze Natur: so verändert sich zwar nicht die Idee von Gott; – es blieb die Idee eines Geistes, der unsichtbare Ding' hervorbringt und regiert; aber 's war iezt nur eine einzige Anwendung von dieser Idee möglich. Die Menschen erkanten nur Einen Gott, weil sie einsahen, daß es nur Eine Welt gebe. Diese Idee wurde zugleich grösser, indem sie einfacher wurde. Wer von einem Baumeister schlechterdings nichts als seinen Pallast kent, der wird von ienem besser oder schlechter urtheilen, nachdem er diesen sorgfältiger oder nachlässiger untersucht. Überdies, so lange die Menschen in ihren Göttern nur die Urheber und Regierer einzelner Theile der Welt

 

[Manuskriptseite 93]

sahen: so lange musten sie ihnen all' die Unvolkommenheiten und Unordnungen zuschreiben, die in diesen Theilen sichtbar sind, und die sich nicht heben lassen, so lange man diese Theile getrent von einander betrachtet. Aber sobald sie Gott für den gemeinschaftlichen Urheber und Regierer des ganzen Zusammenhangs aller Ding' erkanten: so bald musten sie ihn ohn' all' Unvolkommenheit annehmen, weil sich in diesem Zusammenhange kein Übel, keine Unordnung mehr entdekken läst. –" Seit. 367. 368. 369. 370.

 

[Ib-09-1780-0122]
7) Beweis für die Immaterialität der Seele.

 

[Ib-09-1780-0123]
"Mich dünkt, die Einbildung, daß Ich, der ich mir meiner bewust bin, etwas materielles sein könne, muste sogleich wegfallen, sobald die Täuschung wegfiel, die mir ieden Körper als Ein Ding vorstelt. Was ich Materie nenne, ist ein Haufen vieler Dinge, und ich bin eines. Was ich Zusammensezzung nenne, ist blos eine Lage der Dinge gegen einander; und ich bin ein Ding selbst.

 

[Ib-09-1780-0124]
Wenn ich frage, ob die Seel' immateriel sei? so frag' ich nicht, ob sie ausgedehnt oder unausgedehnt sei; ich weis es nicht, ob 's Dinge geben könne, die untheilbar und doch räumlich sind. Sondern das frag' ich: entstand das Denken, als eine Anzahl von Dingen, welche nicht dachten, in eine gewisse Nähe gegen einander traten, und sich in eine gewisse Lage sezten? Was entsteht durch die Zusammensezzung neues? Zehn

 

[Manuskriptseite 94]

Elemente, wil ich sezzen, haben vorher in der Welt an zehn verschiednen Orten existirt: Iezt existiren sie in Einem beisammen; so nahe beisammen, daß mein Auge nicht mehr weis, wo ihre Gränzen sind. In dieser Nähe gegen einander dauren sie fort, durch Kräfte, die ich nicht weis, und die ich die Kohäsion nenne. – Bisher ist also noch nichts als der Ort iedes Elements verändert worden. – Aber der Einflus, den der Ort immer über die Sach' hat, den hat er auch hier; er bestimt nämlich, welches die Gegenstände sein sollen, auf welche die Sache zunächst wirkt, und von welchen auf sie gewirkt wird. Iedes der zehn Element' also ist durch die neun andern etwas umgebildet, iedes hat wieder etwas beigetragen, die neun andern umzubilden. – Aber noch ist immer keine Eigenschaft, die so zu sagen aus der Mitte von allen hervorspränge, allen gemeinschaftlich wäre, und in keinem der Elemente besonders existirte. Es ist also kein neu Ding entstanden; es ist nur an iedem der Dinge, die vorher da waren, etwas geändert worden.

 

[Ib-09-1780-0125]
Wo sol ich mich dann nun also unter den Elementen, die mich zusammensezzen, finden? Nicht in den einzelnen Theilen, denn die denken nicht; nicht in Etwas, was aus ihrer Zusammensezzung derselben entstanden ist, denn das sind nur neue Eigenschaften dieser einzelnen Theile, – Eigenschaften,

 

[Manuskriptseite 95]

die ebenfals viele und von einander getrent sind, wie die Theile selbst, denen sie zukommen; nicht in der blossen Lage der Theil' ohne Rüksicht auf ihre Einwirkung, denn wenn ich hievon abstrahire, so ist die Lage eine blosse Idee, die der Verstand sich macht, welcher die Ding' anschaut.

 

[Ib-09-1780-0126]
Was vor der Zusammensezzung da war, das sind mehrere einzelne Dinge, iedes mit seinen Kräften und Eigenschaften; was nach der Zusammensezzung vorhanden ist, das sind eben diese mehrere Dinge, aber iedes mit andern Handlungen, weil 's andre Vorwürf' hat, gegen welche es handelt, iedes mit einem andern Zutande, weil 's andre Einflüsse bekömt. Wo ist dann nun der Punkt der Vereinigung? wo ist das dem ganzen Kompositum gemeinschaftliche, das entstanden ist? wo ist das aus den vielen erwachsende Neue?

 

[Ib-09-1780-0127]
Wenn also aus zwei Dingen, welche zusammen kommen, in Ewigkeit kein drittes wird; sondern immer nur zwei bleiben: so bin ich entweder gar kein wirkliches Ding, oder ich bin eines der einzelnen, welche zusammenkamen. Und das kan sehr wol mein Fal sein. Ich kan vielleicht Kräft' haben, die ich aber nicht anders äussern kan, als wenn andre Dinge zu mir hinzukommen, gegen welche ich sie äussere; ich kan eines Zustandes fähig sein, in den ich doch erst durch die Wirkung anderer gesezt werden mus. – " Seit. 371. 372. 373. 374.

 

[Manuskriptseite 96]

[Ib-09-1780-0128]
8) Physisches und moralisches Übel.

 

[Ib-09-1780-0129]
"Was ist eigentlich die Natur des Übels? Das physische Übel bezieht sich ganz auf Schmerz und Tod.

 

[Ib-09-1780-0130]
Aber wo geht eigentlich die Änderung vor, wenn ich Schmerz leide? – in den materiellen Theilen meines Körpers. Die, welche beisammen waren, trennen sich; die, welche mit andern untermischt waren, kommen zusammen; die Elemente, welche bisher Fleisch, Blut, Adern ausmachten, nähern sich dem Zustande, wo sie wieder unter ihrer ursprünglichen Gestalt von Wasser, Erde, Öl, fort existiren werden. – Die Dinge, welche diese Veränderung eigentlich angeht, leiden kein absolutes Übel: denn was liegt diesen Elementen daran, an welchem Orte sie da sind, oder mit welchen andern sie vermischt sind? Aber ich leide. – Das heist, ich werd' einen Zustand eines andern Dinges, das mit mir verbunden ist, gewahr, der mir misfält, vielleicht auf 's äusserste misfält; aber mein eigner Zustand wird eigentlich nicht geändert; ent ich empfinde nicht Schmerz, weil ich schlimmer werde, sondern weil ich glaube, daß etwas ausser mir schlimmer wird.

 

[Ib-09-1780-0131]
Aber dieser mit mir verbundne Körper, dessen Auflösung mir Schmerz macht, ist die Sphäre meiner Aktivität. Alle meine Gedanken wurden durch die verschiednen Zustände desselben erregt, alle meine

 

[Manuskriptseite 97]

Kräfte wurden durch die Empfindungen, die ich von diesen Zuständen hatte, aufgeboten. Wenn ich nicht für seine Erhaltung zu sorgen gehabt hätte: so hätt' ich keine Trieb der Thätigkeit, keine Begierde, kein Leben gehabt. – Aber wenn ich für seine Erhaltung sorgen solte: so must ich erfahren, in was für einen Zustand' er sich befindet; ich muste Wolgefallen finden an der Empfindung, die mir sagt, daß er fortdauern werde, und Misfallen an der Empfindung, welche mir sagt, daß er sich auflösen werde. Wäre kein Abscheu in meiner Seele, so wär' auch keine Begierde; und ohne Begierden bin ich kein lebendiges Wesen mehr; aber Abscheu sezt Schmerz voraus.

 

[Ib-09-1780-0132]
Mehr Beschäftigungen der Seele, mehr Einsicht des Verstandes, mehr Stärke des Geistes, mehr Tugend wird darauf verwandt, Schmerz zu vermeiden, als Vergnügen zu erwerben; und wenn 's keinen Schmerz gebe, so wäre nichts mehr zu vermeiden.

 

[Ib-09-1780-0133]
Es bleibt also noch 's moralische Übel. – Wir wollen das gröste Laster nehmen, was wir kennen; den Mord. Man kan ihn in zwei Gesichtspunkten betrachten; in seinen Folgen und in seinem Ursprung. In seinen Folgen ist er nichts ärgers als der Tod eines Menschen, der doch durch Krankheit oder Alter würde getödtet worden sein; den auch ein Wetterstral, oder der Einsturz eines Hauses

 

[Manuskriptseite 98]

hätt' umbringen können. In seinem Ursprung' ist er ein Zustand eines hassenden, übelwollenden, rachgierigen, mit einem Wort der Zustand eines unvolkomnen Geistes. Aber nicht eines durchaus unvolkomnen: denn eben dieser Mensch hat noch viele Ideen, die richtig sind, viel Triebe die gut, viele Thätigkeiten, die edel sind; also nur eines minder volkomnen.

 

[Ib-09-1780-0134]
Demnach, wenn bei'm Laster auf 's Übel gesehen wird, welches es in der menschlichen Geselschaft anrichtet: so sehen wir, daß es ein physisches Übel sei, d.h. eine Veränderung, die auch ohne Laster, durch den natürlichen Lauf der Dinge, durch die heiligste und gütigste Veranstaltung der Vorsehung doch erfolgt sein würde. Wenn bei'm Laster auf die Verfassung des Mesnchen gesehen wird, der 's Laster thut, so finden wir ihn nur weniger volkommen; wir finden ihn auf der Leiter der Geister weiter zurük. Laster ist nur ein ungewöhnlich geringer Grad der moralischen Volkommenheit; so wie Tugend ein ungewöhnlich grosser ist: aber wer kan sagen, ob nicht ieder Geist erst durch die niedern Stufen hindurch mus, eh' er sich zu den höhern erheben kan? – " S. 375-378.

 

[Ib-09-1780-0135]
9) Ist ausser der Tugend ein Gut?

 

[Ib-09-1780-0136]
"Alles, worauf dem Menschen etwas ankömt, ist sein Leiden oder sein Thun ; seine Empfindungen, oder seine Handlungen. Zu beiden konkurriren zwei Sachen, die Beschaffenheit des äussern Dinges, welches die Empfindung

 

[Manuskriptseite 99]

erregt, und die Handlung veranlast; und die Beschaffenheit seiner selbst, welche die Art des Eindruks bestimt, und die Art der Handlung entscheidet – Wenn irgend etwas, es sei die Beschaffenheit des Menschen selbst, es sei die Beschaffenheit und die Ding' ausser ihm, gut heist: so ist 's insofern, als in ihnen die Ursache liegt, daß seine Empfindungen angenehm, und seine Handlungen volkommen sind.

 

[Ib-09-1780-0137]
Nun fragt sich 's, durch welches von beiden wird' s nun eigentlich bestimt, wie die Empfindungen und wie die Handlungen des Menschen sein sollen; kömt 's darauf an, was er selbst sei, oder darauf, was für Obiekt' ihn umgeben?

 

[Ib-09-1780-0138]
So viel sehen wir, daß dieselbe Sache bald Vergnügen, und bald Schmerz machen kan, nachdem sie auf einen anders gebauten Körper, oder eine anders gesinte Seele wirkt; daß derselbe Vorfal bald eine tugendhafte, bald eine lasterhafte Handlung veranlassen kan, nachdem die Neigungen des Geistes sind, welcher * handeln sol. Nur sind die Empfindungen, welche iede Sach' erregen sol, weit mehr durch ihre Natur selbst bestimt, als die Handlungen, welche sie veranlassen sol.

 

[Ib-09-1780-0139]
Auf der andern Seit' hingegen sehen wir, daß die Beschaffenheit des Menschen selbst, nur Eine Art von Folgen hat, und immer gleichförmige. Sie ist 's, welche macht, daß der Mensch in ieder Lage gut oder böse handelt; sie ist's, welche macht, daß der Mensch von allen Vorfällen

 

[Manuskriptseite 100]

auf gleiche Weise weniger leidet, oder mehr ergözt wird. – Nur ist ihr Einflus nicht so gros über die Eindrükke, die der Mensch bekömt, als über die Thätigkeit, die er äussert. Dies nun also macht die Verwirrung und den Streit. – Läg' es eben so in der Natur gewisser Vorfälle, ob sie eine boshafte Handlung aus uns erzwingen, als ob sie ein widriges Gefühl in uns erregen sollen: so hätten die Peripatetiker durchaus Recht. Es gäb' auch ein Übel ausser dem Laster.

 

[Ib-09-1780-0140]
Hieng' es auf der andern Seit' eben so wol von der Beschaffenheit der Seel' ab, was für Eindrükke die Ding' auf sie machen sollen, als es von derselben abhängt, wie sie gegen dieselbe handeln sol: so hätten die Stoiker ohn' all' Ausnahme Recht, es gäbe kein Gut als die Tugend. Aber da 's nun auf der einen Seite Ding' ausser uns giebt, die unveränderlich und gleichförmig auf alle Menschen, und bei ieder Beschaffenheit derselben. Eindrükke der Lust oder des Schmerzens machen; und da 's auf der andern Seit' einen Zustand der Seele giebt, der unveränderlich und gleichförmig bei allen Vorfällen die bessere Handlung hervorbringt: wie sol dieser Streit entschieden werden?

 

[Ib-09-1780-0141]
Ohne Zweifel so, indem man 1) untersucht, welcher von den beiden Endzwekken, auf welche alles sich vereinigt, Empfindungen und Handlungen, der höchste Endzwek ist; 2) ob die Beschaffenheit der Seele mehr Gewalt habe, die Empfindungen zu ändern und Schmerz

 

[Manuskriptseite 101]

in Vergnügen zu verkehren; oder ob die Beschaffenheit der Vorfälle mehr Gewalt habe, die Handlung zu ändern, und den Tugendhaften lasterhaft zu machen.

 

[Ib-09-1780-0142]
Und da sagen nun die Stoiker: 1) die Handlungen, die der Geist thut, sind das lezte und höchste, die Empfindungen, welche er bekömt, sind von der Natur als Mittel bestimt, iene zu veranlassen. Iene (die Handlungen) entspringen eigentlich aus dem Zustande des Geistes selbst, kündigen ihn an, oder machen vielmehr denselben aus; diese (die Empfindungen) entspringen immer aus dem Zustande des Körpers, und sind blosse Anzeichen von gewissen Veränderungen einer materiellen Natur, in der an und für sich nichts gut und nichts böse sein kan. – 2) Was das zweite betrift: so ist klar, daß Gewohnheit des Körpers und Abhärtung der Seele, die Eindrükke der nämlichen Dinge sehr abändern kan; daß die Geduld und der Muth, den Schmerz bis auf einen gewissen Grad mildern; und mänliches Wesen und Gelassenheit die Lust mässigen kan. – Ob nun gleich der Grad, bis wie weit der Mensch, indem er sich selbst ändert, auch die Empfindung der äussern Ding' ändern könne, unausgemacht ist: so ist 's doch gewis, daß der Tugendhafte mehr Gewalt über seine Umständ' habe, sich dieselben angenehm, als die Umständ' über ihn, ihn böse zu machen.

 

[Ib-09-1780-0143]
Überdies wenn auch die Tugend nicht die Steinschmerzen

 

[Manuskriptseite 102]

wegnehmen, oder machen kan, daß man auf glühenden Kohlen so sanft als auf einem Bette von Rosen liege: so hat sie doch dadurch mehr Recht zum Namen Gut, als iedes Ding, was man ausser ihr so benent; weil sie allein immer gleichförmige Wirkungen, ieder andre zuweilen entgegengesezte Wirkungen thut. - Den Schmerz kan die Tugend nicht wegschaffen, aber sie wirkt allemal zur Linderung desselben: alle Art Lust kan sie nicht gewähren; aber sie wirkt durchaus immer zu einem frölichern Genus derer, welche man hat.

 

[Ib-09-1780-0144]
All' andre Ding' hingegen wirken bald zur Glükseligkeit und bald zum Elende; nuzzen dem einen und schaden dem andern; geben Gelegenheit zu guten und verleiten zu bösen Handlungen.

 

[Ib-09-1780-0145]
Aber noch scheint in der Sach' eine Zweideutigkeit zu sein. Freilich, kan man sagen, hängt die Glükseligkeit des Menschen mehr von seiner Beschaffenheit, als von seinen Umständen ab. Aber nicht diese ganze Beschaffenheit ist moralisch; auch von den natürlichen Gaben des Menschen, auch von seinem Temperament' hängt die Glükseligkeit ab. – Wenn man behauptet, die Tugend macht allein und macht immer glüklich, so vermischt man die Volkommenheit des Geistes überhaupt, sie mag natürlich oder erworben sein, mit der selbst erworbnen Volmmenheit, die allein Tugend heist.

 

[Ib-09-1780-0146]
Darauf könte, glaub' ich, der Stoiker mit Recht antworten.

 

[Manuskriptseite 103]

Tugend ist allerdings weiter nichts als Volkommenheit des Geistes, in sofern er Geist ist; d. h. in sofern ich ihn vom Körper getrent, und von der Organisazion desselben unabhängig denke.

 

[Ib-09-1780-0147]
Freilich giebt 's auch natürliche Unterschiede, die sich unter den menschlichen Geistern, wenigstens so lange sie im Leibe wohnen, äussern; – und diese Unterschiede werden auch auf ihre Tugenden einen Einflus haben. Man mag Tugend erklären, wie man wil: so gehört ein gewisser Grad von Aufklärung des Kopfs dazu; und zur Aufklärung des Kopfs gehören Naturgaben. – Sokrates sagte, die Tugend sei ein Geschenk der Götter. D. h., um den volkommensten Menschen hervorzubringen, mus die Vorsehung viele Umstände veranstalten. Alle Menschen können durch sich der Volkommenheit näher kommen; diese Annäherung ist der eigentliche moralische Theil: aber wie nahe sie derselben schon iezt sein sol, das hängt von mehr als von ihren moralischen Handlungen, das hängt vielleicht von ihren vorhergehenden Umständen ab – das ist, mit einem Worte, ein Geheimnis der Vorsehung.

 

[Ib-09-1780-0148]
Auf der andern Seit' ist klar, daß, was in der Beschaffenheit der Seele, im Verstand' und im Herzen, nicht eigentlich moralisch ist, beinah ganz im Körper seinen Grund zu haben scheint, und also insofern nicht zur Volkommenheit des Geistes selbst gehört. – Der Unterschied der Talente scheint vornämlich in der verschiednen Organisazion, und der Unterschied der Temperament' in der Ver

 

[Manuskriptseite 104]

schiedenheit der Spannung der festen, oder Mischung der flüssigen Theile seinen Grund zu haben. Bin ich also ein Wesen, das Eigenschaften und Kräft' hat, die der Körper nicht hervorbrachte, sondern die er blos übt; so würd' auch eigentlich nur der Theil meines Zustandes, der in mir selbst und nicht im Körper seinen Grund hat, für mich wichtig sein: und dies ist Tugend.

 

[Ib-09-1780-0149]
Was ist also die Summe von diesem allem? Diese: wenn alle Vorfäll' in Absicht der Gelegenheit, die sie uns geben, Gutes zu thun, gleichgültig; in Absicht der sinlichen Empfindungen, die sie erregen, veränderlich und schwankend sind; wenn hingegen die eigne Beschaffenheit des Menschen selbst, in beider Absicht, unwandelbare und gleichförmige Folgen hat; und wenn unter den Eigenschaften, die dem Menschen selbst zugeschrieben werden, keine ihm als einem vom Körper abgesonderten Wesen mehr zugehören, als die moralischen: so sind diese im eigentlichsten Verstande gut. –" Seit. 379-387.

 

[Ib-09-1780-0150]
"Bin ich selbst etwas, das seine Natur, seine eigne Einrichtung, seine Volkommenheit, seine Mängel unabhängig vom Körper hat: so mus auch meine Glükseligkeit eigentlich davon abhängen, was ich selbst für ein Wesen sei. – Dieses mein Wesen abgesondert vom Körper empfind' ich iezt noch nicht rein; ich vermische mich noch immer mit meinem Blut und meiner Haut. Nur in

 

[Manuskriptseite 105]

meinen Handlungen, insofern sie moralisch sind, find' ich eigentlich mich selbst. Eben deswegen geb' ich diesen Handlungen den Namen Tugend und Laster, weil ich nur in ihnen meinen eignen Zustand als den Zustand eines Geistes erkenne. Ich begreife nun, daß wenn ein Geist zunächst und hauptsächlich auf einen Körper wirkt; der volkomnere Geist auch gewöhnlicher Weise so wirken werde, wie 's diesem Körper am vortheilhaftesten ist. Ich begreife, daß ein ruhiger, mässiger, wolwollender, muthiger Geist auch seinen Körper am gesündesten erhalten, sich die meisten Freunde verschaffen, die gröste Sicherheit und den meisten Beistand in Absicht seines physischen Lebens erlangen werde. Aber ich begreif' auch, daß nicht diese Sicherheit, dieser Beistand, das physische Leben selbst, mit allen seinen Erhaltungsmitteln, die Ursachen sind, warum iene Eigenschaften schäzbar sein: daß sie selbst etwas höheres, etwas länger daurendes, etwas mir inniger zugehörendes sind, als das Leben; daß ich sie in iede neue Verknüpfung, in die mich die Vorsehung sezzen wird, mit mir nehmen werde; daß mit einem Worte, Vergnügen, Nuzzen, das Verhältnis andrer Dinge gegen meine Glükseligkeit ausdrükt, die von mir getrent werden können, und die zu einer Zeit getrent werden müssen, Tugend aber 's Verhältnis, das ich selbst zu meiner Glükseligkeit habe, ich, das Wesen, von dem ich niemals abgesondert werden kan. –" S. 398. 399.

 

[Manuskriptseite 106.]

[Ib-09-1780-0151]
10) Der Unterschied zwischen der Arbeit des Geistes bei 'm Spiel, und bei 'm Studiren.

 

[Ib-09-1780-0152]
"1) Bei'm Studiren müssen wir die Ideen selbst in uns erwekken, bei'm Spiel werden sie uns angeboten; dort müssen wir den Gegenstand sozu sagen, selbst in unserer Seel' hervorbringen, hier werden die Gegenstände durch die zufälligen Verbindungen des Spiels hervorgebracht. Zu sehen ist leicht; etwas aufsuchen ist schwer. Allenthalben, wo Begriff' in uns abwechseln, durch die Abwechselung der Dinge selbst ausser uns, da wird unsre Kraft geschont; wo Begriff' in uns abwechseln sollen, durch 's Fortrükken unsrer eignen Aufmerksamkeit, da wird unsre Kraft angestrengt. 2) Bei der Arbeit mus eine gleichförmige Reihe von Ideen verfolgt, ein einziger Gegenstand mus unverwandt angesehen werden: bei'm Spiel ist eine beständig veränderte Reihe; immer neue Auftritte. 3) Bei der Arbeit ist gemeiniglich entweder die Einförmigkeit zu gros, oder die Mannichfaltigkeit zu verwikkelt; bei 'm Spiel, bei 'm Kartenspiel insbesondre, geben die Regeln, die man einmal weis, Einförmigkeit, die veränderten Fälle, auf welche man sie anwendet, Mannichfaltigkeit. 4) Bei der Arbeit ist der Zwek entfernt, und der Erfolg lange zweifelhaft; bei 'm Spiel ist der Zwek nahe, und der Erfolg wird bald entschieden.

 

[Ib-09-1780-0153]
Das Spiel ist also 1) eine Reihe kleiner abwechselnder Aufgaben, die man erstlich nicht suchen darf, sondern die uns gegeben werden: zweitens deren Auflösung nicht

 

[Manuskriptseite 107]

ganz neu erfunden, sondern nur nach gewissen bekanten Regeln bestimt werden darf; es ist 2) eine Reihe kleiner zufälliger Begebenheiten, die uns in Erwartung sezzen, ehe sie erfolgen, und in einige Verwunderung, wenn sie geschehen sind. –" Seit. 407. 408.

 

[Ib-09-1780-0154]
11) Ursprung der Recht' und des Eigenthums.

 

[Ib-09-1780-0155]
"Ich wil leben, sagte der Mensch zu sich selbst, und wil mich erhalten. Ich liebe die andern; ich wil, daß auch sie erhalten werden sollen. In diesen meinen eignen Empfindungen erkenn' ich 's gemeinschaftliche Gesez der menschlichen Natur. Ich sehe voraus, daß andre zu leben wünschen, wie ich 's wünsche; daß sie mich nicht hassen wie ich sie nicht hasse. Die Empfindungen meiner eignen Natur treiben mich an, nicht zu schaden, wo ich nicht mus; meine sympathetische Empfindung von der Natur andrer überredet mich, daß auch sie mir * nicht schaden werden, wenn sie nicht müssen. –

 

[Ib-09-1780-0156]
Diese gegenseitige Erwartung, diese in den Empfindungen meiner Natur gegründete Voraussezzung, daß andre mir nicht schaden werden, so lang' ich ihnen nicht schade; dies ist mein Recht. –

 

[Ib-09-1780-0157]
Dies ist die Art von Dasein, welche die Rechte der Menschen haben, so lange sie ruhen, so lange sie nicht geübt werden. Und sie werden eigentlich nur geübt, wenn sie gekränkt worden sind.

 

[Manuskriptseite 108]

[Ib-09-1780-0158]
Alsdann aber ist 's eben diese Natur, welche macht, daß ich meine Erhaltung als das erste und vornehmste ansehe; und den Menschen, der mir schadet, nicht mehr als einen Menschen betrachte, der mir ähnlich ist, und den ich liebe, sondern als ein mir schädliches Wesen, das ich wegschaffen und zerstören mus. Er verliert seine moralische Beschaffenheit; und wird blos zu einer physischen Quelle des Übels. Ich vernicht' ihn, wenn ich desselben nicht anders los werden kan.

 

[Ib-09-1780-0159]
Aber woher entsteht der Unterschied zwischen Rechten, die ich erzwingen kan, und solchen, die ich erbitten mus?

 

[Ib-09-1780-0160]
1) Zu Unterlassungen kan ich zwingen; wirkliche Handlungen (den Fal des Vertrags ausgenommen) mus ich erbitten. Alle Zwangspflichten gehen blos darauf, daß wir nicht schaden, daß wir uns ruhig verhalten, daß wir nichts thun ** sollen: alle Gewissenspflichten darauf, daß wir nuzzen, daß wir uns thätig erweisen, daß wir etwas hervorbringen. Ienes hängt blos vom Willen, dies hängt auch von den Kräften und Umständen ab.

 

[Ib-09-1780-0161]
2) Die Pflicht von der ich gewis, in allen Fällen gewis überzeugt sein kan, daß sie dem andern obliege, die darf ich auch mit Gewalt fodern. Die Pflicht, deren Verbindlichkeit von solchen Umständen abhängt, die niemand wissen kan, als der, welcher sie thun sol: eine solche Pflicht darf nicht erzwungen werden. Daß ich iezt eben die Schuldigkeit habe, Almosen zu geben: wie kan dies der Betler beurtheilen? Er müste meine ganzen Umstände, mein Vermögen,

 

[Manuskriptseite 109]

die Armen, denen ich schon gegeben habe, und denen ich geben mus, er müste mein ganzes Verhältnis gegen ihn kennen. Daß ich iezt eben die Schuldigkeit habe, diesen Betler nicht zu mishandeln, das kan er wissen, ohne meine Umständ' im geringsten zu kennen, wenn er nur weis, daß er und ich Menschen sind.

 

[Ib-09-1780-0162]
3) Wenn irgend iemand die Erlaubnis hat, zu schaden, so kan die Geselschaft nicht bestehen; wenn aber auch viele sind, die andern nicht nuzzen, so können diese andre doch noch für sich selbst sorgen. Ohne Wolthätigkeit bei blosser Gerechtigkeit, behält ieder noch seine eignen Kräfte, um seine Wolfarth zu schaffen: die Ungerechtigkeit hingegen hebt alle Möglichkeit auf, daß Menschen bestehen können.

 

[Ib-09-1780-0163]
4) Es giebt Handlungen, deren einzelne Ausübung nüzlich ist, und die um dieses besondern Nuzzens willen, den sie iedesmal stiften, Schuldigkeit werden: es giebt andre Handlungen deren algemeine Gewohnheit nüzlich ist; die nicht so wol um der Vortheile willen, die iede derselben hervorbringt, als um des Nuzzens willen, den die algemeine Gewohnheit so zu handeln hervorbringt, für gut gehalten werden. – Alle Gewissenspflichten sind von der ersten, alle Zwangspflichten sind von der andern Art. – Wo ich also von der Pflichtmässigkeit meiner Handlung blos nach der Nüzlichkeit derselben urtheilen mus: da bin ich allein Richter darüber. Da, wo ich die Pflichtmässigkeit aus der Nothwendigkeit der algemeinen Regel, worunter sie steht, erkenne: da kan auch die andre Parthei Richter sein." – Seit. 412–417.

 

[Manuskriptseite 110]

[Ib-09-1780-0164]
X.

 

[Ib-09-1780-0165]
D. Iohann Gottlieb Tölner's theologische Untersuchungen. Des ersten Bandes erstes Stük. Riga, bei Iohann Friedrich Hartknoch. 1772.

 

[Ib-09-1780-0166]
1) Von der Gotheit Christi – in Rüksicht auf Vertheidiger und Läugner derselben.

 

[Ib-09-1780-0167]
"Die Dreieinigkeitslehrer und Arianer kommen darin mit einander überein, daß klärere Aussprüche der Schrift von der Person Christi zum Grunde gelegt, und die übrigen darnach erklärt werden müssen. Sie trennen sich nur bei Bestimmung der Stellen, welche die klärern sind; ob 's Wort Iohannis: der Logos war Gott: oder 's Wort Paullus, wir haben nur einen Gott den Vater, und Christi, daß sie dich den allein wahren Gott erkennen? Ob 's Wort, ich und der Vater sind eins; oder das, der Vater ist grösser als ich? Ob 's Wort Christi, ich bin ein Hirte, des die Schaf' eigen sind; oder 's Wort Paullus, er hat ihn gesezt zum Erben über alles?" Seit. 28. 29.

 

[Ib-09-1780-0168]
"Es sol der Sohn Gottes mit dem Menschen Iesus, die götliche Natur mit der menschlichen zu Einer Person vereinigt worden sein: und 's wird daher der leztern die Persönlichkeit abgesprochen. Aber der Mensch Iesus war doch ein volkomner volständiger Mensch; und die Persönlichkeit scheint mit dem Wesen eines volständigen Menschen unzertrenlich verbunden zu sein. Nun entsteht die Schwierigkeit, wie zwo Personen Eine Person sein und werden können. – " S. 29. 30.

 

[Manuskriptseite 111]

[Ib-09-1780-0169]
2) Von den Akkommodazionen, die im 1 K. an die Ebr. vorkommen.

 

[Ib-09-1780-0170]
"Die Stelle, die der V. des B. a. d. Ebr. aus dem 102ten Psalm anführt, handelt daselbst offenbar nicht vom Messias. Die Verheissung: ich wil sein Vater sein, und er sol mein Sohn sein, war eine Verheissung die Gott dem David für den Salomo ertheilte, 2 Sam. 7, 14. Die Worte: es sollen ihn all' Engel Gottes anbeten Ps. 97, 7. hätten übersezt werden sollen, es sollen alle Götter vor ihm niederfallen, und beziehen sich auf den wahren Gott. Und selbst die folgende Stelle aus dem 45sten Psalm geht zunächst auf den Salomo." – Seit. 51. 52.

 

[Ib-09-1780-0171]
3) Von der Freud' aus bösen Handlungen – zur Verbesserung der Lehre von der Erbsünde.

 

[Ib-09-1780-0172]
"Wir beschliessen nie eine Handlung, mit welcher wir uns nicht eine Volkommenheit zu erhalten versprechen. Also auch keine böse Handlung; der Unterschied ist blos blos, daß wir uns dabei irren. Also ist keine böse Handlung, die ganz ohne Freude wäre. Wer eine solche Handlung beschliest, freut sich vorher über 's Gute, daß er damit zu erlangen hoft. Es mag immer nichts gutes, sondern vielmehr böses sein: er hält 's doch für sich ihn gut. Nun freuet er sich, weiter unter der Handlung, daß er sich nicht gehindert befindet, sie zu thun. Und hinterher theils aus dem Scheingute, daß er nun erlangt hat; theils daß er nicht gehindert

 

[Manuskriptseite 112]

worden, die Handlung zu vollenden. Es ist wahr, daß sich die Freude nach volbrachter Handlung häufig in Reu' und Misvergnügen verwandelt: wenn das dabeivorgestelte Gute nicht erhalten, oder wenigstens von üblen Folgen überwogen wird. Aber wie, wenn nun einem bösen Menschen sein ganzer böser Vorsaz gelingt? Wie, wenn ein Dieb 's Glük hat, daß ihm seine Dieberei gelingt? Und wenn auch alle Freude nach der bösen Handlung und bei derselben wegfallen solte; so fält doch die bei Beschliessung derselben nicht hinweg: die Freud' an dem aus der Handlung erwarteten Guten. Es ist keine einzige böse Handlung ohn' alle Freude.

 

[Ib-09-1780-0173]
Aber damit ist nicht allezeit eine Freud' an der Handlung selbst verbunden. Es giebt unzählige böse Handlungen, die dem, der sie thut, blutsauer werden: entweder wegen der beschwerlichen auch höchst gefährlichen Mühe, welche sie erfodern; oder wegen des Widerspruchs gegen seine sonstige Neigung. Der Dieb unterliesse den gewaltsamen Einbruch gern, wenn er ohne denselben seinen Zwek erreichen könte. Und er findet gar kein Vergnügen daran, Unschuldige zu ermorden. Er flucht und verabscheuet vielleicht die Handlung; aber er hält sie zu seinem Zwekke für nothwendig. Sie gefält ihm an sich gar nicht; sie gefält ihm blos als Mittel zu dem damit zu erhaltenden Scheingute. Und diese Bewandnis hat's mit allen den bösen Handlungen, deren Verrichtung entweder beschwerlich, oder gefährlich, oder iemandes sonstiger Neigung zuwider ist. Und daher

 

[Manuskriptseite 113]

gewis mit der grösten Hälfte der bösen Handlungen. Aber nicht mit allen. Es giebt auch böse Handlungen, welche unmittelbar mit angenehmen Empfindungen begleitet sind, und die eben wegen der damit verknüpften angenehmen Empfindung geschehen. Hieher gehören all' Handlungen der Wollust. Aber auch andre, z. B. die Rache, die Verspottung andrer u. s. w. Bei diesen Handlungen fält die Freude des bösen Menschen auf die Handlungen selbst. Er thut sie gern und um ihrer selbst willen. Die übrige bei ieder bösen Handlung mögliche Freude kan bei diesen auch sein; aber sie verursachen selbst Freude. Und daher mögen wir erklären, warum diese Handlungen viel gemeiner sind, als iene: warum Unzucht und Völlerei viel gemeiner ist, als Stehlen und Morden. Nicht daß Geiz und Habsucht nicht so gemeine Laster * wären, als Wollust und Unmässigkeit; sondern weil Unzucht und Völlerei mit angenehmen Empfindungen begleitet sind, und daher an sich gefallen; Stehlen und Morden aber nicht.

 

[Ib-09-1780-0174]
Was wir von der Freud' aus den bösen Handlungen bemerkt haben, das gilt augenscheinlich auch ganz bei den guten. Es ist keine einzige gute Handlung ohne Freude. –

 

[Ib-09-1780-0175]
Also wär' in dieser Absicht bei bösen und guten Handlungen alles einerlei: und bei diesen sowol durchgängige Freude, auch sinliche Freude, als bei ienen. Aber nicht nur eben sowol Freude, und allein wahre Freude, sondern auch mehr Freude. Der Mensch, der eine böse Handlung thut,

 

[Manuskriptseite 114]

hat dabei alzeit eine gewisse Volkommenheit für sich zum Endzwek. Das ist ein Zwek, den er in unzähligen Fällen nicht erreicht, und also fält seine Freud' an der volbrachten Handlung hinweg. – Ein rechtschafner Mensch hat bei seinen guten Handlungen einen Zwek, den er alzeit erreicht: den Zwek, Gott zu gefallen. Und wenn er sich auch über 's Mittel dazu geirt haben solte, wenn die Handlung auch nicht wirklich gut war, die er für gut hielt; so kan sein guter Wille bei Gott nicht unbemerkt und unbelohnt bleiben. Es bleibt ihm alzeit die Freude, nach seinem Gewissen gehandelt zu haben.

 

[Ib-09-1780-0176]
Es ist entschieden, daß bei der Tugend mehr Freud' ist, als bei dem Laster, und so viel mehr ungestöhrt bleibende Freud' unmittelbar, daß, wenn auch kein weiteres Leben wäre, wir dasselbe an der Hand der Tugend durchleben müsten. Bei der Tugend ist im gegenwärtigen mehr Glük, als bei'm Laster. Nun entstehen zwo Untersuchungen. Die erste: wie ist 's denn zu erklären, daß gleichwol der Hang zu den bösen Handlungen gemeiner und grösser ist, als zu den guten? Unsre Natur begehrt Freude, und bei diesen ist mehr Freude, als bei ienen. Und die zweite: Konte Gott die Dinge nicht so einrichten, daß mit den bösen Handlungen gar keine Freude verbunden war? und wenigstens hindern, daß es keine durch sich selbst erfreuende mit angenehmen Empfindungen begleitete böse Handlungen gab; unsre Natur konte doch dem Reiz' der angenehmer Empfindungen nicht widerstehen. Wie konte denn Gott nicht den Versuchungen zu so viel bösen Handlungen vorbeugen? und kont' er selbst

 

[Manuskriptseite 115]

durch die angenehmen Empfindungen, welche er in unsrer Natur mit denselben verknüpft hat, Urheber derselben werden? Diese beiden Untersuchungen sind mein Zwek. –

 

[Ib-09-1780-0177]
Der Mensch wird mit gewissen Neigungen geboren, welche der Tugend hinderlich sind – so viel sol 's Wort Erbsünd' heissen. Aber damit ist die Sache noch lange nicht erklärt. Sie wär' es, wenn 's mit der Erbsünde so stünde, wie sie gemeiniglich vorgestelt wird, wenn 's eine angeborne Neigung zu allem Bösen, und Abneigung von allem Guten in allen Menschen gäbe. Allein diese Vorstellung hat die Erfahrung wider sich. Die sämtlichen Naturtriebe sind an sich Neigungen zu guten Handlungen. Und die Temperamentstugenden! Wie könte denn gelehrt werden, daß der Mensch natürlich blos zum Bösen geneigt sei? Aber eben diese Naturtriebe vergrössern die Unbegreiflichkeit des menschlichen Verderbens. Der Mensch begehrt Glükseligkeit; und allein bei der Tugend ist Glükseligkeit; Freude: und bei den guten Handlungen ist mehr Freud' als bei den bösen. Wer erklärt uns die Widersprüch' in dem Menschen? oder sind sie nur anscheinende? Ein Bestreben, glüklich zu sein, und auch seine Glükseligkeit zu hindern: das Gefühl für Freud' und die Unempfindlichkeit für das, was wahre Freude giebt? Man weicht diesen aus, wenn man annimt, daß alles von Irthum über die Mittel herzuleiten sei. Aber woher denn der grosse Hang, darüber zu irren? Wenn man von einer angebornen Blindheit und Unwissenheit in Ansehung des wahrhaftig Guten und Bösen

 

[Manuskriptseite 116]

redet: so nent man die Sache, aber man erklärt sie nicht. Und nur so weit reicht die gewöhnliche Theorie von der Erbsünde. Wir begehren zu wissen, warum der Mensch geneigter ist, eine empfangene Beleidigung zu rächen, als zu verzeihen pp. und warum durchgängig mehr dazu gehört, damit böse Menschen gut, als damit gute böse werden. Und die Antwort ist: Weil wir mit einem überwiegenden Hange zu bösen Handlungen geboren werden. Diese Antwort scheint mir nichts weiter zu enthalten, als daß das Verderben nicht erst bei uns entsteht. Vielleicht kan auch daraus die Stärk' und Fortdauer desselben, so lang' unsre gegenwärtige Natur fortdauert, erklärt werden. Aber nun dürfte doch noch der Zusammenhang desselben mit unsrer Natur, und die eigentliche Beschaffenheit desselben zu erklären sein. Es ist nicht genug zu sagen: es ist etwas in der Natur des Menschen. Man zeig' uns, was es in derselben ist, und wie 's mit der übrigen Natur des Menschen zusammenhängt.

 

[Ib-09-1780-0178]
Wirklich rükt man der Sache näher, wenn man 's Verderben aus einer herschenden Sinlichkeit bei'm Menschen herleitet. Nur sind die Begriffe von dieser Unart nicht durchgängig eben dieienigen, nach welchen sie als die Quell' aller unsrer Verirrungen betrachtet werden kan. Einige begreifen darunter ein unmässiges Bestreben nach angenehmen Empfindungen. Aber daraus kan höchstens der Hang zu bösen Handlungen erklärt werden, welche mit angenehmen Empfindungen begleitet sind. Woher denn auch zu den mühsamen? und wie geht 's denn zu, daß ein Mensch bei solchem Durste nach angenehmen Empfindungen, nicht eben wegen

 

[Manuskriptseite 117]

der gegenseitigen weit grössern und zahlreichern unangenehmen Empfindungen, welche auf die sündlichen Vergnügungen folgen, dieselben verabscheut? Andre erklären die Sinlichkeit durch eine Fertigkeit, blos Glükseligkeit für 's gegenwärtige Leben zu begehren. Aber die Tugend gehört zur Glükseligkeit des gegenwärtigen Lebens sowol, als des zukünftigen. Also kan daraus der Hang zum Laster nicht hergeleitet werden. Wenn die herschende Sinlichkeit in die Fertigkeit gesezt wird, blos die kleinern Güter dieses Lebens zu schäzzen und zu begehren; so wird wenigstens die wahre Gestalt unsers Verderbens gezeichnet: Geiz, Wollust und Ehrsucht, die drei Hauptlaster, in welche sich wirklich all' übrigen endigen, entspringen offenbar aus einer unmässigen Begierde nach freilich an sich wahren aber doch nur kleinern Gütern dieses Lebens. Und wenn der Mensch auch häufig auf blosse Scheingüter fält, und selbst diese kleinern Güter bei sich hindert; so geschieht solches nur, weil er sich in Ansehung derselben irt. Der Freigeist bringt sich durch seine Spöttereien um die Achtung und 's Vertrauen andrer Menschen; aber er glaubt, sich damit das eine und 's andre zu erwerben. Es geschieht keine böse Handlung ohn' eine Aussicht auf Lust, Ehr' oder Vortheil. Folglich ist aus der unmässigen Begierde nach diesen Dingen 's ganze Verderben herzuleiten. Darum opfert der ungebesserte Mensch Gott und gutes Gewissen, die grössern Güter, gedankenlos auf, wenn er sie nicht ohne Verläugnung der kleinern haben kan. Allein bei dem allen dürfte doch auch darin mehr blos

 

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die wahre Beschaffenheit des Verderbens, als der Grund desselben bestimt und mehr die wahre Gestalt desselben gezeichnet, als die Quelle desselben entdekt sein. Wenigstens würde nun weiter nachzuforschen sein, warum denn der Mensch geneigt ist, blos die kleinern Güter dieses Lebens zu begehren und so unmässig zu begehren. Die Begierde nach denselben ist doch eine Folge der Begierde nach Glük. Aber dazu sind die grössern und wichtigern Güter der Seele so nothwendig, und noch nothwendiger, als die kleinern Güter des Leibes. Wie geht 's denn zu, daß der Mensch so geneigt ist, nicht nur sich mit einer mangelhaften und verstümmelten Glükseligkeit zu begnügen; sondern sogar eine volständigere von sich zu stossen?

 

[Ib-09-1780-0179]
Im Menschen ist herschende Sinlichkeit und unordentliche Selbstliebe – aus diesem versteh' ich zuerst den Hang zu denienigen bösen Handlungen recht wol, welche angenehme Empfindungen verursachen: zu allen Arten der Wollust. Und damit zugleich die Abneigung von allen den guten Handlungen, die entweder mit beschwerlichen Empfindungen begleitet, oder nicht ohne Verläugnung angenehmer möglich sind. Die Empfindungen sind die klärsten und stärksten von allen unsern Vorstellungen: und 's war kein Mittel, uns die Wolthat des Daseins empfindlich zu machen, als daß wir mit der möglichsten Empfindlichkeit für angenehme Empfindungen versehen würden. Es ist auch der Reiz äusserer angenehmer Empfindungen ordentlicher Weise grösser, als der innern, weil dabei unsre ganze Natur, Leib

 

[Manuskriptseite 119]

und Seele zusammen empfindet. Die Empfindungen, an welchen der Körper Theil nimt, sind, wenn sonst alles gleich ist, an sich alzeit stärker, als dieienigen, welche blos in der Seele sind. Folglich auch die angenehmen und unangenehmen. Ich kan auch wol erklären, woher der Eindruk von den unangenehmen Empfindungen, welche doch sündliche Vergnügungen in der Folge nach sich ziehen, ordentlicher Weise so schwach ist. So fern solche zukünftig sind, werden sie nur vorausgesehen; Vorhersehungen aber sind, wenn sonst alles gleich ist, alzeit schwächere Vorstellungen als Empfindungen. Und in den meisten Fällen hoft der Böse den bösen Folgen seiner Handlungen ausweichen zu können. – So urtheilen viele Menschen im Ernste, daß es thörigt sein würde, gegenwärtige gewisse Freuden einem zukünftigen ungewissen Misvergnügen zu aufzuopfern. Und so auch gegenwärtige fühlbare Beschwerden um eines künftigen ungewissen Vergnügens willen zu übernehmen.

 

[Ib-09-1780-0180]
Aus diesem läst sich auch erklären, woher 's komme, daß der Mensch seinen lasterhaften Gewohnheiten mit so vieler Müh' entsagt. Entweder 's ist eine, mit einem sinlichen Vergnügen verbundne, böse Handlung, die ihm zur Gewohnheit geworden war; oder nicht. Im erstern Fall' hat er die Handlung oft gethan, und das damit verbundne sinliche Vergnügen empfunden. Die Empfindungen nun, die wir öfters gehabt, auch wol durch die Einbildungskraft uns wieder vorgestelt haben, werden lebhafter vorhergesehen, als andere.

 

[Manuskriptseite 120]

Also sieht der Lasterhafte das mit der bösen Handlung verknüpfte Vergnügen sehr lebhaft vorher: und daher wird 's ihm so schwer, dasselbe zu verleugnen. Im andern Fall' aber mus doch ein Mensch, wenn ihm einmal eine böse Handlung zur Gewohnheit geworden ist, wenigstens eine geraume Zeit ausnehmend auf sich Acht geben, damit er sie nicht auch ohne vorläufiges Bewustsein fortsezze. Das erfodert aber eine gewisse beschwerliche Aufmerksamkeit auf sich selbst. Und 's kan das Vorurtheil hinzukommen, daß die Fertigkeit in der bösen Handlung zu gros geworden sei, um dieselbe bei sich ausrotten zu können.

 

[Ib-09-1780-0181]
Aber 's sind doch nicht alle böse Handlungen angenehm: und nach allen angenehmen Empfindungen, mit welchen sie zum Theil begleitet sind, ist doch in der Tugend mehr Freude, und angenehme Empfindung. Wie geht's denn zu, daß gleichwol die Abneigung von derselben so gros und gemein, und der Mensch so schwer zur Tugend zu bringen ist? Eine grosse Anzahl guter Handlungen ist beschwerlich und mit unangenehmen Empfindungen verknüpft. Warum nun diese nicht, ist schon erklärt worden. Viele gute Handlungen verlangen die Aufopferung vieler sinlicher Güter. Schlechterdings mus die Seel' eine Richtung zu einem gewissen Gute bekommen, welches alle die kleinern Güter dieses Lebens aufwiegt, und sie für die Verleugnung derselben schadlos hält. Dieses Gute nun ist die Liebe Gottes, das Verlangen, ihm zu gefallen. Alles kömt daher auf die Frag' an: Woher ist keine Liebe Gottes im Menschen? Daher.

 

[Ib-09-1780-0182]
Die Liebe Gottes sezt Erkentnis Gottes voraus. Und was für eine Erkentnis? Nur feinere Seelen sind fähig, Gott

 

[Manuskriptseite 121]

wegen seiner anbetungswürdigen Volkommenheiten zu lieben; der ordentliche Mensch ist nur der dankbaren Lieb' empfänglich. Und das mag immer sein. Das ist ohnedem die dringendste Liebe. Aber sie ist nicht ohne die Überzeugung möglich, daß wir alles Gute, das wir haben, von Gott haben, und daß wir lauter Gutes von ihm haben. Keinem Menschen nun ist diese Überzeugung angeboren. Er mus sie erst durch Unterricht erlangen. Und dieser? – Der gröste Theil der Menschen bekömt ihn ziemlich spät: nachdem sich die Fertigkeit, blos sich zu lieben, und kein höher Gut, als zu seinem eignen Wolgefallen zu handeln, zu kennen, bereits sehr festgesezt hat. Und viele Menschen bekommen ihn niemals. Dann last 's uns doch nur bekennen, daß der gemeine Unterricht von Gott wol dazu gemacht ist, Furcht und Schrekken vor Gott, aber nicht Freud' an Gott,- zu erwekken. – Und zur Überzeugung, daß alles Gute, was wir haben, von ihm ist, und daß wir lauter gutes von ihm haben, gehört auch nicht wenig. – Dieses Wolgefallen Gottes ist ferner zwar ein alles überwiegendes Gut. Aber kein in die Sinne fallendes Gut. Das was ich ihm aufopfern mus, ist mir anschauernder, lebhafter; die Folgen vom Wolgefallen Gottes seh' ich nur voraus, was ich aufopfern mus, empfind' ich schon iezt: ienes ungewisser, dieses gewisser. "Aber die Ruhe der Seele, die daraus folgt, wird empfunden?" Ia – vom Tugendhaften. Aber nicht vom Lasterhaften, der ha gar keinen Erfahrungsbegrif davon hat. –

 

[Manuskriptseite 122]

[Ib-09-1780-0183]
"Der Lasterhafte liebt die sinlichen Güter sosehr und wird deswegen lasterhaft – da sie ihm die Tugend doch noch besser und im grössern Masse verschaffen könte." Ich antworte: Zuvörderst scheint doch in vielen Fällen 's Laster ein kürzeres, sicheres und leichteres Mittel dazu zu sein: Stehlen ein gewisser Mittel etwas zu erwerben, als Arbeit: Lügen ein sichrer Mittel, sich aus einer Verdrieslichkeit zu ziehen, als zu bekennen. – Ich glaube fest, daß Irthum und Unwissenheit daran schuld sind, wenn und so oft ein Mensch aus Verlangen nach zeitlichen Vortheilen sich eher zu einer bösen als guten Handlung bestimt, wenn doch diese ein sicherer und gewisser Mittel darzu ist als iene, auch nicht mehr Mühe verursacht als iene: und daß es dabei gar nicht eines grössern Hanges zur bösen Handlung bedarf. Der lasterhafte Mensch thut eine Menge guter Handlungen, weil er's Verhältnis und die Nothwendigkeit derselben zu seiner zeitlichen Wolfarth einsieht. Und ie mehr Erkentnis und Erfahrung Iemand von den natürlichen Folgen der guten und bösen Handlungen hat, desto weniger böse Handlungen thut er. – – Bei allem dem moralischen Verderben des Menschen läst sich doch kein Hang zu bösen Handlungen als bösen Handlungen erweisen. –

 

[Ib-09-1780-0184]
Ich komme zur zweiten Untersuchung. Hat denn Gott die Sachen nicht dergestalt einrichten können, daß allein Freude bei

 

[Manuskriptseite 123]

der Tugend war? und wenigstens so einrichten können, daß allein gute Handlungen an sich und unmittelbar mit Freude verknüpft waren? und also alle die Versuchungen zum Bösen von uns entfernen können, welche aus der Wollust, die doch mit einem grossen Theile derselben verknüpft ist, entspringen? Und das ist die Versuchung zu den gemeinsten Sünden. Man kan antworten, und wenn er 's nach seiner Almacht konte; so kont' er 's nicht nach seiner Weisheit und Güte. So hätte die Tugend aufgehört Tugend zu sein. So wär' uns auf gewisse Weise natürlich unmöglich geworden, uns zu bösen Handlungen zu bestimmen: indem alle Gründe weggefallen wären, böse Handlungen zu begehren. Aber die Sache war selbst kein Vorwurf der götlichen Macht.

 

[Ib-09-1780-0185]
Bei allen bösen Handlungen ist Freud' an dem dabei vorgesezten Guten und der Handlung, als Mittel dazu: vorher und nachher: überdem, wenn sie nicht gehindert wird, Freud' an der Volbringung derselben. Aber wenn diese Freude nie hätte sein sollen: so hätt' entweder aller Irthum verhindert werden, oder die ganze Natur der Seel' eine andre sein müssen. Nach der Natur derselben kan vom Anschauen einer Volkommenheit für uns, und mithin vom Urtheil, daß etwas uns gut oder ein Mittel zu unsrer Glükseligkeit sein werd' oder geworden sei, die Freude davon nicht getrent werden. Freilich ist die Freud' an einer bösen Handlung alzeit eine falsche Freude. Entweder das dabei vorgestelte Gut' ist ein blosses Scheingut; und so ist der Irthum im Zwekke.

 

[Manuskriptseite 124]

Oder's ist ein wahres Gut; und so ist der Irthum im Mittel. Aber konte denn unsrer Natur die Volkommenheit beigelegt werden, daß sie gegen allen Irthum der einen und der andern Art gesichert würde? Oder dieselbe so eingerichtet werden, daß sie gegen allen Irthum mit dem Urtheile, das ist dir gut, nur alsdenn Freude verknüpft war, wenn 's Urtheil wahr, und keine, so oft 's falsch war? Und die Freud' an der Nichthinderung der bösen Handlung! wenn diese nicht sein solte; so müste Gott alle böse Handlungen und die Ausführung derselben hindern. Das erfoderte unablässige Wunder. Aber die Wollust, die mit so vielen bösen Handlungen an sich verbunden ist! Es ist eine besondre Güte Gottes, daß mit allen denienigen Handlungen angenehme Empfindungen verbunden sind, welche zur Erhaltung der Menschen schlechterdings unentbehrlich sind waren: mit der Ernährung, der Ruhe, dem Schlafe, der Fortpflanzung u. s. w. Damit ist dafür gesorgt worden, daß sie geschehen. Mit den meisten wider unsre Erhaltung streitenden Veränderungen sind daher schmerzhafte oder doch beschwerliche Empfindungen verbunden, uns desto zuverlässiger von Verursachung derselben abzuhalten. Nun fast alle die bösen Handlungen, die uns angenehme Empfindungen verursachen, bestehen in unmässiger oder unerlaubter Verrichtung der zur Erhaltung des Menschen nöthigen Handlungen: Unmässigkeit, Müssiggang, Unzucht. Wie hätte nun

 

[Manuskriptseite 125]

Gott die Annehmlichkeiten bei denselben verhindern können? Kont' er machen, daß Speis' und Trank nur so lange den Geschmak vergnügten, als sie zur Nothdurft und Gesundheit, und folglich gar nicht oder gar übel schmekten, als sie zur Unmässigkeit genossen wurden? oder 's so einrichten, daß iede sinliche Ergözzung nur so lang' ergözte, als sie mässig genossen ward, oder eine erlaubte Ergözlichkeit war, und die Wirkung nicht hatte, so oft 's Gegentheil war? Nein, die angenehmen Empfindungen sind an die Handlungen und nicht an die Rechtmässigkeit derselben, und dergestalt an die Handlungen geknüpft, daß Wunder nöthig wären, sie von denselben so oft zu trennen, als die Handlungen aufhören, rechtmässige Handlungen zu sein. Es ist genug, daß mit dem unmässigen Gebrauch der sinlichen Ergözzungen die grösten Übel verbunden sind. Mehr konte nicht gesehen zur Hinderung derselben geschehen. – – All' die moralischen Übel daher sind nicht Mängel, die ein einziger Sündiger über eine ganze Reih' Unschuldiger gebracht hat, über die wir uns als Ungerechtigkeiten des Schöpfers beklagen könten – sie sind nur Einschränkungen unsrer Natur, nothwendige Folgen unsrer Einschränkungen, ohne die der Mensch nicht Mensch hätte sein können." S. 64-107.

 

[Ib-09-1780-0186]
4) Bemerkung an wen oft Paullus in seinen Briefen redet.

 

[Ib-09-1780-0187]
"Paullus redet hie und da blos zu den Lehrern in den Gemeinen, und unterscheidet solche durch die Benennung der Brüder von den übrigen." – S. 257.

 

[Manuskriptseite 126]

[Ib-09-1780-0188]
5) Hat die Philosophie in der Theologie Schaden angerichtet?

 

[Ib-09-1780-0189]
"Woher komt die Unverständlichkeit im theologischen Lehrgebäude? Nicht vom Philosophiren über die Glaubenssäzze, sondern von den philosophischen Worten und Distinkzionen, in welche man sie gefast hat. Man vermeng' also nicht die philosophische Sprache, und die philosophische Erkentnis. – Hiernächst ist 's gar nicht einerlei, über die Glaubenswahrheiten philosophiren und eine gewisse Philosophie auf dieselben anwenden und sie darnach formen. Über die Glaubenswahrheiten philosophiren heist nicht, seine habende Philosophie, sondern die Vernunft bei denselben anwenden. Man darf 's also der Philosophie nicht zuschreiben, wenn falsche Lehren in der Theologie vorkommen – ia, man kan's nicht einmal der barbarischen Philosophie Schuld geben. Die Irlehren hatten ganz andre Quellen: und nun erst, nachdem man sie zu behaupten gut befunden hatte, schmükte man sie, wie's noch geschieht, mit Hülfe der Philosophie aus, und bemühte sich ihnen 's Ansehen der Vernunft zu verschaffen. Man nehme den Irthum von der Brodverwandlung, und den Aberglauben mit den Sakramenten überhaupt. Nicht die Spizfündigkeiten der Schul' haben ihn hervorgebracht; sondern nachdem er nun da war, und nun zum Trozze der Vernunft behauptet werden solte, rief man sie zu Hülfe. Der Aberglaub' in Ansehung der Taufe war nichts anders, als die iüdische Meinung von der Beschneidung: und der mit dem Abendmal gar ursprünglich nichts anders, als eine Folge der

 

[Manuskriptseite 127]

Benennung. Diese Unsinnigkeiten würden nie in die Theologie gekommen sein, wenn man philosophirt hätte. –" S. 285-288.

 

[Ib-09-1780-0190]
6) Es ist völlig zweklos, den Leuten Wahrheiten einzuschärfen, die sie nicht verstehen.

 

[Ib-09-1780-0191]
"Man nehm' ein rührendes Gebot der Schrift z. E. @@@ @@@@ @@@@@@@, und übergeb' iemanden, der nicht griechisch kan, solches griechisch, mit der beweglichsten Ermahnung, es auszuüben. Zu was denn die beweglichste Ermahnung? und warum solche ohne den geringsten heilsamen Erfolg? Ohnläugbar weil der Ermahnte nicht versteht, was er ausüben sol? Es ist aber nicht blos, daß der gemeine Christ bei Wahrheiten, die er nicht versteht und verstehen kan, nichts denkt; er denkt häufig dabei falsches." – Seit. 297. 298.

 

[Ib-09-1780-0192]
XI.

 

[Ib-09-1780-0193]
D. Iohann Gottlieb Tölner's theologische Untersuchungen. Des ersten Bandes zweites Stük. Riga, bei Iohann Friedrich Hartknoch. 1773.

 

[Ib-09-1780-0194]
1) Das gegenwärtige Leben ist nicht blos eine Prüfungszeit.

 

[Ib-09-1780-0195]
"Aus drei Gründen scheint mir dies zu erhellen. Der erste ist, daß diese Prüfungszeit doch nicht zur ewigen Glükseligkeit durchaus nothwendig war. Da stirbt die Hälfte des Menschengeschlechts vor dem Alter, mit welchem die Prüfung anfangen solte: und Niemand unter uns bestreitet doch die Seligkeit der vor demselben verstorbenen. Es sei nun, daß sie noch in iener Welt ihren Prüfungsstand ha

 

[Manuskriptseite 128]

ben; oder 's sei, daß sie ohne denselben der Seligkeit der zukünftigen Welt theilhaftig werden: so war offenbar das gegenwärtige dazu nicht durchaus nothwendig. Und war 's nicht durchaus dazu nothwendig; so kan solches nicht die Hauptabsicht Gottes mit demselben gewesen sein. Wie solt' er den Menschen ohne Noth vorher in einen so versuchungsvollen Zustand gesezt, und das ewige Glük des Menschen mit einer so gefährlichen Probe gewagt haben? Wie unaufhörliches Wol oder Weh in Ansehung vieler Millionen an die Anwendung einiger Iahr' und oft einger Monath' oder Tage, die sie, einer Zurechnung ihrer Handlungen fähig, durchlebten, geknüpft haben? Kein weiser und gütiger Vater knüpft 's ganze Glük seines Kindes an eine überdem ungewisse Probe des Gehorsams, wenn 's nur ohne dieselbe möglich war. Man kan hier einwenden, daß wol Seligkeit, daß aber nicht Belohnung ohne dem möglich war. Aber das wäre doch nur so viel, als ein höherer Grad der Seligkeit; und konte denn die ewige Lieb' einem grössern Grade von Seligkeit zu gefallen die ganze Seligkeit wagen? oder damit eine kleinere Anzahl, von welcher sie vorhersahe, daß sie denselben erlangen würde, solchen wirklich erlangen möchte, eine ihr gleiche und noch grössere in dieselben Umstände versezzen, von welcher sie vorhersahe, daß sie der Seligkeit ganz verlustig gehen würde, zu welcher sie ohne die Prüfung gelangt sein würde? Und wenn diese unglüklichen, welche in derselben un

 

[Manuskriptseite 129]

terliegen, doch noch endlich glüklich werden: wozu denn gleichwol Zeitläufte von Elend und Strafen, die sie nicht verschuldet hätten, wenn sie nicht die Prüfung hätten hindurch gehen müssen? – Ist eine solche Lehre nicht völlig mit der Güte Gottes in Widerspruch?

 

[Ib-09-1780-0196]
Und wenn noch dies Leben sonst ganz unerklärlich wäre. Aber alles in demselben ist ohnedem zu erklären: das ist mein zweites: und damit zugleich die Nichtigkeit der vornehmsten Stüzze, auf welcher die gemeine Meinung beruht. Es ist wahr, daß es kurz ist: aber Paullus belehrt uns über den Grund und Zwek seiner Kürze: Gott hat die Zeiten und Gränzen ihrer Wohnung auf dem Erdboden zuvorbestimt Apost. 9. 17, 26. Das ist, die Länge des menschlichen Lebens nach den Einwohnern, die der Erdboden fast, und nach der Zahl, die er nähren und tragen konte, abgemessen. Es ist wahr, dies Leben ist mühselig; aber diese Mühseligkeit selbst ist zum gegenwärtigen Glük desselben nothwendig. Dies haben die Philosophen schon tausendmal bewiesen. – Ich versteh' auch, warum die Belohnungen nicht augenscheinlicher sind. Es sind nur Ausnahmen, wenn ie zuweilen bei der Tugend selbst in diesem Leben nicht mehr Glük ist, als bei 'm Laster. Ausnahmen, die nicht ohn' eine unmittelbare Dazwischenkunft Gottes verhindert werden konten: und ohne dergleichen beständige Dazwischenkunft Gottes war mehr Ebenmas in den Vergeltungen und mehr Ordnung in der Austheilung derselben nicht möglich. Was aber endlich die versuchungsvolle Beschaffenheit des

 

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Lebens betrift: so bedarf 's zum Verstande derselben am wenigsten des zukünftigen. In iedes Menschen Natur ist soviel Richtung zum Guten, so viel Same zur Tugend, als nur in derselben sein konte. Die Verderbnisse, welche gleichwol entstehen, und die Hindernisse, welche die Tugend überwinden mus, waren, wenn die Auswikkelung des Menschen nicht durch lauter Wunder geschehen solte, unvermeidlich. Ich sehe nicht, daß das geringste anders sein könt' und anders sein müsse, wenn sich die Absichten Gottes auch mit diesem Leben endigten: wenn nur soviel als möglich geschehen solte, Tugend und Freud' über den Menschen auf dem Erdboden zu verbreiten.

 

[Ib-09-1780-0197]
Aber daß ungemein vieles anders sein könte, und anders sein müste, wenn dies Leben nichts weiter als Vorbereitung zu einem bessern sein solte, das seh' ich auch: und das ist meine dritte Betrachtung. Erfodert 's zukünftige Leben eine Vorbereitungszeit, und ist das die Bestimmung des gegenwärtigen: so ist zweierlei mit Gottes Weisheit und Güte nicht zu vereinigen. Das eine ist, daß die Hälfte der Menschen vor dem Alter stirbt, da die Vorbereitung anfangen solte; und das andre, daß Gott nicht mehr thut, um die Vorbereitung wirklich zu machen: um die Menschen überal zu den Einsichten und Gesinnungen zu bringen, mit welchen die Vorbereitung zu einer seligen Ewigkeit zusammenhängt. Es ist gewis, daß noch mehr dazu geschehen geschehen könte: und 's ist auch gewis, daß er die sämtlichen

 

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und in diesen Stand der Vorbereitung eingeführten Menschen bis zu dem, derselben fähigen, Alter erhalten könte: und seine Absicht in solchem Fall' erfodert' es. Man wende mir nicht ein, daß zu dem einen und dem andern fortgehende Wunder nöthig sein würden. Es scheint mir, daß selbst natürlich mehr geschehen könte, die Religion algemeiner zu machen, und der grossen Sterblichkeit der Kinder zu steuren. Und wenn 's nicht ohne Wunder zu erhalten wäre: so sind solche und soviel Wunder der höchsten Weisheit gemäs, welche und so viele derselben zur Errichtung ihrer Absichten in der Welt schlechterdings nothwendig sind. Und ist das die ganze Bestimmung dieses Lebens, oder doch die Hauptbestimmung desselben, daß der Mensch die Ausbildung zu einem bessern erhalte: so ist die Absicht Gottes mit demselben an allen denienigen, verloren, und völlig verloren, die solche nicht wirklich haben: an allen denienigen verloren, die in der Kindheit sterben; (der Einfal, daß dies allein dieienigen treffe, von welchen Gott vorhersahe, daß sie in der Prüfung verloren gehen würden, hat nicht die geringste Wahrscheinlichkeit: und woher sterben denn nicht all' in der Kindheit, von welchen er solches vorhersahe?) und an allen den übrigen völlig verloren, denen 's an hinlänglichen Mitteln und Gelegenheiten der El Erleuchtung und Heiligung fehlte. Hier steht die Sache ganz anders, als in unsrer vorigen Betrachtung. Gott thut keine Wunder, dies Leben glüklicher und den

 

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Unterschied zwischen Tugend und Laster augenscheinlicher zu machen, weil 's zur Tugend nicht nöthig, nicht einmal nüzlich ist. Aber damit dies Leben Vorbereitung zu einem bessern würde, und durchgängig würde, wäre mehr nicht nur wo* möglich, sondern auch nöthig. Meine Ehrfurcht gegen die Weisheit und Güte Gottes erlaubt mir nicht, seine Absicht mit diesem Leben in eine Sache zu sezzen, zu deren Erreichung er nicht alles ihm mögliche thut. Und sie erlaubt 's mir noch weniger, wenn 's ihm nicht an Mitteln gefehlt haben solte, gleich bei der Bildung der menschlichen Seelen eine grössere Richtung derselben zum zukünftigen zu besorgen. Diese Stärke der Empfindungen war nöthig zum Genus des gegenwärtigen, also Mittel zur götlichen Absicht, wenn solche auf 's gegenwärtige entweder ganz oder doch vornämlich gerichtet war. Aber eine augenscheinliche Hindernis derselben, wenn wir blos für die Zukunft leben und handeln sollen. Das musten die Eindrükke vom zukünftigen stärker und nicht die Vorhersehungen die schwächsten von unsern Vorstellungen werden. Und nicht das gegenwärtige so sehr und das zukünftige so wenig bei uns vermögen. Und nicht bei dem Gedanken an die Zukunft die Natur schaudern, sondern sich ergözzen. Dies Leben solte nichts weiter, als Reise sein: also nichts als Hinsicht auf eine bessere Welt, und als Thätigkeit in dieselbe zu gelangen: und nun doch, soviel Wollust auf dem Wege, daß der Reisende nichts mehr fürchtet, als ihn zu vollenden? und soviel zu thun auf der Reise selbst,

 

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daß fortgehende Beschäftigung mit dem Ende der Reis' unmöglich wird? So viel dem Menschen ordentlicherweise zu seinem Wol im gegenwärtigen Leben zu thun nöthig, das doch Gott ohnfehlbar wil, daß er nicht berufen sein kan, nicht so wol und so sehr zum kün gegenwärtigen als zum zukünftigen zu handeln.

 

[Ib-09-1780-0198]
Nun, wozu denn dies Leben, wenn 's nicht blos oder doch vornämlich Prüfung und Vorbereitung zum ewigen ist? Die Sprüche Apostelg. 17, 18. 1. Mos. 1, 26. 28. sagen 's uns. Das ist eine so deutliche Erklärung der Schrift über die Bestimmung des Menschen auf dem Erdboden, als nur verlangt werden kan. Dazu ist er da, daß er das Gut' in diesem Leben geniessen, sich freuen, und seinen Urheber lieben solte. Nirgends sagt die Schrift, Gott schuf den Menschen und sezt' ihn auf die Erde, um auf derselben geprüft und also zu einem bessern Leben eingeweihet zu werden. Man schlos es nur daraus. Der Mensch ist nicht da, nicht blos um dereinst, wenn er nicht mehr da sein wird, glüklich zu werden; sondern um 's sogleich möglichst zu sein: zu gegenwärtiger Freude so wol da, als zu zukünftiger. Gott wolte nicht, daß ein so vortreflicher Theil der Schöpfung ungenuzt und ungenossen bliebe: und nun dazu der Mensch nach Volendung desselben in denselben von ihm eingeführt. Damit hört die Religion nicht im geringsten auf, ein Theil von der Bestimmung des Menschen auf der Erde zu sein, und der wichtigste Theil derselben. Denn ohne sie

 

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keine wahre Freude, keine Glükseligkeit, so wenig im gegenwärtigen als im zukünftigen. –

 

[Ib-09-1780-0199]
Also denn aber dies Leben nicht Reise, nicht Zeit der Saat? davon lös' ich nicht 's geringste auf. Das gegenwärtige Leben hängt am zukünftigen und umgekehrt. Ieder Theil unrer Dauer hat seine Folgen in dem folgenden. Eben so hier. Aber es sind ohnläugbar verschiedne Säzze: dies Leben ist nüzlich zum zukünftigen, und hat seine unausbleiblichen Folgen im zukünftigen, und der Saz: das zukünftige Leben ist die ganze oder vornehmste Bestimmung des gegenwärtigen. Ia, dies Leben ist Reise, aber nicht blosse Reise: auch Wohnung. Nur nicht bleibende Wohnung.

 

[Ib-09-1780-0200]
Der Endzwek Gottes von diesem ist der. Ich bin da, dies Leben möglichst zu geniessen: nicht erst glüklich zu werden, sondern es sogleich zu sein. Daher berufen, möglichst zu meinem Wol im gegenwärtigen zu handeln: nicht mit meinen Gedanken ausser der Welt, sondern auf der Erde zu sein. Und nicht um der Zukunft willen; sondern selbst zu meinem gegenwärtigen Glük Gott zu lieben, und mich und meine Mitmenschen zu lieben. Die Gotseligkeit hat die Verheissung dieses Lebens sowol, als des zukünftigen. Daher die schlimme der Schrift widersprechende Sittenlehre, nach welcher 's sich nicht der Mühe verlohnen sol, tugendhaft zu sein, wenn kein ander Leben wäre. Selbst die Verläugnungen, die schwersten Tugenden,

 

[Manuskriptseite 135]

welche nach dem gemeinen Urtheile blos für 's zukünftige auszuüben sind, erfodert meine Ruhe im gegenwärtigen. Young schreibt: der Gedanke vom Tod ist 's Steuerruder des menschlichen Lebens, wer dies aus der Hand legt, dessen Schifbruch ist gewis. Das ist schön, aber nicht wahr. Ich bin nicht berufen, wol zu sterben, sondern wol zu leben. Daher mir mein Tod von Gott so weislich verborgen: und fast bis zum Augenblik, da er kömt, noch längeres Leben wahrscheinlich, damit ich bis zum lezten Augenblikke des Lebens geniessen, und für den Genus desselben sorgen mögte. Und wenn ich nun wahrhaftig wol gelebt habe: so sterb' ich auch wol. Mensch sei nur glüklich (wahrhaftig glüklich:) und denn unbesorgt wegen des zukünftigen! – –" Seit. 12-27.

 

[Ib-09-1780-0201]
2) Von der Stelle Ioh. 3, 6.

 

[Ib-09-1780-0202]
"Womit kan man erweisen, daß unser Heiland in der Unterredung mit dem Nikodemus die Worte Fleisch und Geist in derselben Bedeutung nehm', in welcher sie Paullus verschiedentlich in seinen Briefen nimt? Handeln wir nicht regelmässiger, wenn wir 's Wort Fleisch hier so nehmen, wie 's sonst in diesem Evangelisten und in den Reden Iesu bei diesem Evangelisten vorkömt? So wie wir 's in den Aussprüchen das Wort ward Fleisch und das Brod, das ich gebe, ist mein Fleisch, zu nehmen haben. Aber so ergiebt sich folgende sehr leichte dem Zusammenhange gemässe Auslegung: durch die Geburt von Menschen entsteht ein blosser Mensch; damit aber ein geistlicher oder geheiligter

 

[Manuskriptseite 136]

Mensch werde, mus eine neue Geburt vom Geiste Gottes hinzu kommen. Nikodemus hatte vorher dem Unterrichte Christi von der Wiedergeburt die Unmöglichkeit entgegengesezt, daß Iemand in den Mutterleibe zurükkehren und also noch einmal geboren werden könne. Christus giebt diese Unmöglichkeit zu: und erweiset ihm den Misverstand aus der Unnüzlichkeit einer auch wiederholten menschlichen Geburt zu der durch die Wiedergeburt zu bewirkenden Veränderung. Durch die Geburt von Menschen würdest du, wenn solche auch noch so oft wiederholt werden könte, nichts weiter als ein Mensch werden; kein geheiligter Mensch. Da steht also nichts, daß wir durch die Geburt sündige und verderbte Menschen werden. – –" Seit. 139. 140.

 

[Ib-09-1780-0203]
3) Bemerkungen von der Furcht.

 

[Ib-09-1780-0204]
"Die Furcht, der Abscheu, die Bemühung, einen bösen Gedanken nicht zu haben, ist die Ursache, daß er nur desto länger fortdauert." – Seit. 210.

 

[Ib-09-1780-0205]
XII.

 

[Ib-09-1780-0206]
Herrn Karl Bonnets, verschiedener Akademien Mitglieds, philosophische Untersuchung der Beweise für 's Christenthum. Samt desselben Ideen von der künftigen Glükseligkeit des Menschen. Aus 'm Französischen übersezt, und mit Anmerkungen herausgegeben von Iohann Kaspar Lavater. Zürich, bei Füesslin und Kompagnie. 1769.

 

[Ib-09-1780-0207]
1) Kan eine einfache Substanz iemals der unmittelbare Gegenstand unsrer anschauenden Erkentnis werden? –

 

[Ib-09-1780-0208]
"Läst sich 's iezt schon mit Gewisheit entscheiden, daß dies

 

[Manuskriptseite 137]

im zukünftigen Leben schlechterdings unmöglich ist? – Sehen wir nicht izzo schon Flächen? Und können wir Flächen sehen, ohn' all' atomische Punkte derselben (wiewol nicht unterschiedentlich, sondern auf einmal konfus) zu sehen? Solt' es dann so schlechterdings als eine Unmöglichkeit entschieden werden können, daß sich unsre Sinn' in der Zukunft nicht so sehr vervolkommen, daß wir keine neue Sinn' erhalten könten, um einfache Substanzen einzeln zu sehen? – Oder wenn auch das, vermittelst aller Arten der Sinne, so unzählige es derselben immer noch geben kan, von denen wir uns keine Vorstellung machen können, – unmöglich sein solte; solte dann iezt schon mit Gewisheit dargethan werden können, daß sich in der menschlichen Seele niemals eine Fähigkeit, andre Seelen unmittelbar und anschauend zu erkennen, entwikkeln werde? – –" Seit. 25. 26.

 

[Ib-09-1780-0209]
2) Von unsern Bemerkungen über die menschliche Seele.

 

[Ib-09-1780-0210]
"Wir beobachten mehr den Menschen, als die menschliche Seele – und mehr diese, als einen reinen Geist. –" Seit. 28.

 

[Ib-09-1780-0211]
3) Die Fortdauer der Thierseelen.

 

[Ib-09-1780-0212]
"Mich dünkt, die meisten Einwendungen, die gegen die Fortdauer der Thiere gemacht werden, können gewissermassen, die Offenbarung auf die Seite gesezt, eben so gut gegen die Fortdauer der Menschen gemacht werden: Ia,

 

[Manuskriptseite 138]

vielleicht eben so gut, gegen eine Thatsache, d. i. gegen die wirkliche Existenz der Thiere. – Was der Almacht zu schaffen würdig war, solte das der Erhaltung unwürdig sein? – Freilich findet 's ein seichter Kopf lächerlich, ein häsliches Insekt sich unsterblich zu denken; – aber nichts ist im Grunde häslich, was Gott gemacht hat. – Sind ein Schwarm Insekten nicht unwürdig erschaffen und von Gott einen Tag oder 1000 Minuten erhalten zu sein, so können sie auch nicht unwürdig sein, 10000, 100000, 1000000, Minuten u. s. w. erhalten zu werden; so sind sie in Absicht auf Gott nicht unwürdig ohn' Aufhören fortzudauern, weil eine ewige Fortdauer nichts anders als die Samlung unzähliger tausend Minuten ist. Überdies: die allerhäslichsten Menschen, auch die welche der Unsterblichkeit beinah' eben so unwürdig scheinen als das häslichste Thier, sind, aller ihrer physischen und moralischen Häslichkeit ohngeachtet, dennoch unsterblich. Man bedenkt nicht, daß es wirklich Wesen geben kan und wirklich giebt, die gegen den Menschen in eben dem Verhältnisse stehen, in welchem der Mensch zu einem Insekte steht, das er mit Füssen trit. Würd' also die verhältnismässige Unbeträchtlichkeit eines Insektes ein Grund sein, warum 's der Unsterblichkeit unwürdig wäre, so müst' eben dieser Grund auch gegen die Unsterblichkeit des Menschen gelten, dem von höhern Wesen eine solche Unbetrachtlichkeit ebenfals vorgeworfen werden könte. –" Seit. 32. 33.

 

[Ib-09-1780-0213]
4) Von den Wundern.

 

[Ib-09-1780-0214]
"Ich begreife, daß sich 's Gebiet der Naturgesezze viel weiter erstrekke, als wir nicht denken. Es wird mir sehr klar, daß dasienige, was gemeiniglich für eine Aufhebung dieser Gesezze genommen wird was man Wunder

 

[Manuskriptseite 139]

nent, blos eine gewisse Ausspendung oder eine besondre Richtung dieser Gesezze sein könte. –

 

[Ib-09-1780-0215]
Und so begreif' ich, daß der grosse Werkmeister, von Anfang her, in der Maschin' unsrer Welt gewisse Stükk' und gewisse Springfedern könte verborgen haben, welche nicht spielen solten, bis im Augenblikke, da 's gewisse entsprechende Umständ' erfodern würden. Ich erkenn' also, daß es möglich wäre, daß dieienigen, welche die Wunder vom Gebiete der Naturgesezz' ausgeschlossen wissen wollen, sich im Fal eines in Absicht auf die Mechanik ganz unwissenden Menschen befänden, der, wenn er den Grund gewisser Spielungen einer schönen Maschine nicht errathen kan, zu einer Art von Zauberei, oder zu übernatürlichen Mitteln seine Zuflucht nehmen nimt." S. 74. 75. 76. 77.

 

[Ib-09-1780-0216]
"Wenn's unter den wunderbaren Begebenheiten, die sich meinem Nachdenken darbieten, solche geben solte, wobei ich mir keine physische Ursache, die vermögend wäre, dieselben zu bewirken, denken könte, so würd' ich mich wol hüten, über die absolute Unmöglichkeit einer diesen Begebenheiten entsprechenden physischen Vorherverordnung abzusprechen. Ich würd' es nicht vergessen, daß ich ein Wesen von sehr eingeschränkten Fähigkeiten bin, und dem die Natur höchstens durch einige ihrer Wirksamkeit Wirkungen bekant ist: Ich würde zu gleicher Zeit an andere Begebenheiten von derselben Art denken, wo ich die vorherverordneten physischen Ursachen, die vermögend waren, dieselben zu bewirken, merken kan.

 

[Manuskriptseite 140]

[Ib-09-1780-0217]
Wenn ich mir vom grossen Urheber des Weltals die höchsten Begriffe machen wil, so kan ich mir nichts für dies Wesen erhabners und würdigeres denken, als dies, daß Es durch eine einzige Wirkung seines Willens alles vorherverordnet hat, und daß es eigentlich nur ein einziges Wunder, welches die unermesliche Reihe der Dinge, die wir gewöhnlich oder ordentlich, und die viel geringere Anzahl der Dinge, die wir ausserordentlich nennen, in sich begriffen hat. Dieses, für ieden endlichen Verstand vielleicht unbegreifliche Wunder ist die Erschaffung. Gott wolte, und die Alheit der Dinge ward. Die sukzessiven Dinge, sowol die ordentlichen als die ausserordentlichen präexistirten also von Anfang her bis zu ihrer Erscheinung; und alle dieienigen, welche in der ganzen Fortdauer der Iahrtausende, und in der Ewigkeit selbst weiter an 's Licht kommen werden, sich sind bereits in dieser algemeinen Vorherbestimmung vorhanden, welche die Zeit und die Ewigkeit umspannet. –" S. 82. 83. 84. 85.

 

[Ib-09-1780-0218]
"Es wäre möglich, daß z. B. der Keim eines gewissen Blindgebornen, den Iesus heilte, auf eine solche Weis' in die Reihe der Generazionen gesezt worden wäre, daß dieser Blinde, vom Anfang der Ding' her, mit der Erscheinung dieses Gesandten verknüpft gewesen, und eben dadurch, daß er in der Zeit dieser Gesandschaft an 's Tageslicht käme, den Zwek, diese Gesandschaft durch 's Wunder, das an ihm geschehen solte, zu bestätigen, befördern hülfe. Die so merkwürdige Antwort des Gesandten,

 

[Manuskriptseite 141]

in Absicht auf diesen Blinden, scheint meine Idee zu bestätigen, und die Vorherverordnung, von der ich rede, anzuzeigen: "Dieser Mensch ist nicht blind geboren worden, weil er gesündigt, oder seine Ältern gesündigt haben, sondern damit die Werke Gottes an ihm offenbar würden." –

 

[Ib-09-1780-0219]
Ich kan also begreifen, daß die Augen dieses Blinden, von Anfang her, in einer bestimten Beziehung auf die Wirksamkeit der physischen und verborgnen Ursachen, welche in einer gewissen Zeit, und in einem gewissen bestimten Ort dieselben öfnen solten, präorganisirt gewesen. Es ist ein angenehmer Begrif, den Keim dieses Blinden, als 4000 Iahr' in der grossen Kette verstekt, und von so fernher für die Bedürfnisse des Menschengeschlechts zubereitet, zu betrachten." – Seit. 88. 89.

 

[Ib-09-1780-0220]
5) Von der Sprach' im künftigen Leben.

 

[Ib-09-1780-0221]
"Da ieder Punkt am menschlichen Körper ein unwilkürlicher, in der Natur der Verbindung der Substanzen, welche den Menschen ausmachen, und in seinem ganzen Bau gegründeter Ausdruk einer gewissen Seite, wenn ich so sagen darf, oder Situazion der Seel' ist, so läst sich schon aus diesem allein begreifen, wie unendlich volkommener die Sprach' im zukünftigen Leben sein müsse, wenn diese unendlich mannigfaltige, unbeschreiblich bedeutsame, tausend Ideen auf einmal ausdrükkende Natursprache verstanden wird. –" Seit. 411. 412.

 

[Manuskriptseite 142]

[Ib-09-1780-0222]
XIII.

 

[Ib-09-1780-0223]
Kleine Naturlehre oder die vier Elemente, nach ihren natürlichen Eigenschaften, Wirkungen und Nuzzen betrachtet von Iulius Heinrich Pott, Bürger von Aubonne im Kanton Bern. Leipzig, bei Christian Gotlob Hilscher, 1779.

 

[Ib-09-1780-0224]
1) Wie die Luft den Umlauf der Säfte der Pflanzen befödert.

 

[Ib-09-1780-0225]
"In den Pflanzen sind Gänge, davon einige die Nahrungssäft' in sich nehmen, andre die Luft durchlassen oder die Ausdünstung befödern. Die Luft, welche in die Luftröhren trit, um sich von da in die Blätter, die Stämme, Zweige, Wurzeln u. s. w. auszubreiten, wird durch die Wärm' ausgedehnt und erweitert diese Röhren; durch die Erweiterung werden die benachbarten Gänge zusammengedrükt, welche mit einem schwammigen Wesen versehen sind, worin sich die Nahrungssäfte befinden, und sich solchergestalt so wol nach unten, als nach obenzu ausleeren. Wenn hingegen die Luft durch die Kälte dichter gemacht wird, so drükken die Luftröhren nicht mehr auf die Gänge, welche die Nahrungssäfte zuführen, und diese können solche alsdenn wieder von neuen aus den Wurzeln, Blättern und Stamme samlen. Wird folglich die in den Bäumen und Pflanzen befindliche Luft bald ausgedehnt und bald zusammengedrükt, so haben die Nahrungssäft' einen freien Umlauf, und die Gewächse werden wachsen und zunehmen." S. 138. 139.

 

[Manuskriptseite 143]

[Ib-09-1780-0226]
2) Die Menge Luft, die der Mensch einathmet.

 

[Ib-09-1780-0227]
"Nach Muschenbrök's Rechnung zieht ein erwachsener Mensch durch 's Athemholen in Zeit von einer Stunde 3692 Kubik Zolle Luft ein, die sich mit dem Blute vermischt, ohne derienigen zu gedenken, die sich auf 's genauste mit den Verdauungssäften vereinigt und durch die Milchgefäss' in 's Blut geht." Seit. 147.

 

[Ib-09-1780-0228]
3) Vom Sumsen der Insekten.

 

[Ib-09-1780-0229]
"Man irt sich, wenn man glaubt, daß einige Insekten den Schal mit dem Maul' hervorbringen. Kein einziges ist solches zu thun im Stande, die mehresten verursachen ihn mit ihren sehr elastischen Flügeln. Die Grillen und die Maulwurfsgrillen schlagen ihre obern härtern Flügel auf die untern, und daher entsteht ihr Gesang. Nur die Mänchen thun 's, um die Weibchen zu lokken. Die Brumfliege verursacht ihr Gesumse, indem sie den Kopf auf die Brust herumtreibt. Denn wenn man sie erhascht und ihre Flügel hält, so sezt sie ihr Geräusch fort, ia vermehrt 's so gar durch ein heftigeres Anschlagen an ihre elastische Brust. Bei etlichen Gattungen von Zikaden findet man unter 'm Bauch besondre Schildchen, die durch ihre Spielung den Ton erregen. Bei der Heuschrekke rührt der Schal von einer Art von Trommel her, die sie im Bauch' hat; man findet auch eine Gattung dieser Insekten, die sich im Gebüsche verbergen, kleine Flügel haben und bei denen man diese Trommel auf dem Rükken wahrnimt." S. 166.

 

[Manuskriptseite 144]

[Ib-09-1780-0230]
4) Vom Echo.

 

[Ib-09-1780-0231]
"Die Fläche, von welcher der Schal zurükkehren sol, mus eine bestimte Entfernung von unserm Ohr haben, und weder zu entfernt, noch zu nahe sein. Es ist nicht schwer, diese bestimte Entfernung anzugeben. Ein geübter Violiniste kan in einer Sekunde Zeit nicht mehr als 9 deutlich abgesezte Tön' hervorbringen. Sie laufen zusammen, wenn er geschwinder spielen wil. Also mus die Entfernung der Fläche, die ein Echo geben sol, wenigstens so gros sein, als viele Füsse der Schal in dem neunten Theile der Zeit einer Sekunde dergestalt durchwandern kan, daß er so wol zur Fläch' hin, als auch von ihr herkommen könne. Da er nun eben einen so grossen Weg zur Fläch' hin, als von derselben zu uns zu gelangen, durchstreichen mus, so mus die nächste Fläche so weit vom Ohr' abstehen, als der Schal in dem achtzehnten Theil' einer Sekunde sich bewegen wird. Er bewegt sich aber in einer Sekunde durch 1142 Schuh' englisch, und davon ist der achtzehnte Theil etwas über 63 Schuhe. Daher kan keine Fläch' ein Echo geben, die nicht wenigstens 63 Schuhe von uns entfernt ist. Dies stimt mit der Erfahrung überein. Bemerkt man wol in einem mässigen Zimmer iemals ein Echo? –" S. 177. 178.

 

[Manuskriptseite 145]

[Ib-09-1780-0232]
5) Vom Wasser.

 

[Ib-09-1780-0233]
"Das süsse Wasser verdirbt, wenn man 's lange Zeit in Gefässen aufbehält. Sehr sonderbar ist die Bemerkung, daß es in Zeit von drei Monaten dreimal wieder trinkbar werden kan. Bei ieder dieser Veränderungen nimt man eine andre Art Würmer darin wahr – davon iede durch den Tod der andern entsteht." Seit. 204.

 

[Ib-09-1780-0234]
XIIII.

 

[Ib-09-1780-0235]
Sophron. Oder die Bestimmung des Iünglings für dieses Leben. Dem H. Probst Spalding gewidmet.

 

[Ib-09-1780-0236]
The proper study of Mankind is Man.

 

[Ib-09-1780-0237]
Mitau, bei Hinz, 1773.

 

[Ib-09-1780-0238]
1) Von den Beobachtungen über die Kinder.

 

[Ib-09-1780-0239]
"Eben weil 's Kind Kind ist, so ist 's desto aufrichtiger, verhehlt weder Verbrechen noch Volkommenheit, sondern bietet beide dem aufmerksamen Beobachter dar. –" Seit. 34.

 

[Ib-09-1780-0240]
2) Von der Entwiklung des Menschen.

 

[Ib-09-1780-0241]
"Der Mensch ist wie er auf die Welt komt, blosse Fähigkeit; das erste, wodurch sie sich zeigt, ist die Empfindung. – Seine übrige Fähigkeiten zu entwikkeln, mus er sein zweiter Schöpfer werden. – Mein Leben ist eine beständige Bemühung, die in mir eingewikkelte Fähigkeiten abzuwinden. Meine Kräft' arbeiten unaufhörlich an ihrer eignen Verbesserung. Ich mag als Säugling oder

 

[Manuskriptseite 146]

als Greis sterben, ich geh' allemal ausgebildeter von hinnen, als ich hergekommen bin. Und der Weg vom Embryo zum lallenden Kinde, ist vielleicht grösser, als der vom Schulknaben zum Neuton." Seit. 51.

 

[Ib-09-1780-0242]
3) Entschlossenheit und Beharlichkeit!

 

[Ib-09-1780-0243]
"Die Entschlossenheit ist hastig, die Beharlichkeit ist ausharrend, und was der entschlossene Kopf durch seinen Eigensin durchsezt, das sezt dieser blos durch Warten, durch eine unüberwindliche Geduld durch. Man nimt beid' oft für gleichbedeutend an, aber sie sind sehr weit unterschieden. Die Geduld wagt nicht 's geringste, sie versichert sich aller Umständ' und siegt durch blosse Beharlichkeit. Die Entschlossenheit, welche zugleich als ein Zeichen einer grossen Einbildungskraft gelten kan, wagt, wagt wieder, bis es ihr endlich gelingt. Die Geduld also ist ein Kenzeichen einer reifen Überlegung; ie grösser, ie ausharrender sie ist, desto mehr findet die Überlegung stat; sie versucht nie zween Wege, ehe sie völlig weis, daß sie auf dem vorigen zu ihrem Zwekke nicht gelangen kan, und versichert sich aller möglichen Fälle; da hingegen die Entschlossenheit all' ihre Kräft' auf einmal samlet, und von verschiedenen Seiten zugleich angreift. Ferner. Die Entschlossenheit entdekt, die Geduld erfindet, erweitert und bauet fort. Bei ienem hilft und entscheidet oft ein Ungefähr, bei diesem nichts als lange Überlegung. –" Seit. 64. 65.

 

[Manuskriptseite 147]

[Ib-09-1780-0244]
4) Die Rechtmässigkeit der Leidenschaften.

 

[Ib-09-1780-0245]
"Die Leidenschaften sind unsre Wolthäter und Beschüzzer, wenn sie durch ihre Gewalt über uns unser Bestes befödern. Es läst freilich von unsern Heiligen sehr schön, wenn sie sich rühmen, daß sie alle Leidenschaften überwinden, und alle Gelegenheit sich selbst machen, um sie hernach desto ruhmvoller überwinden zu können. Die moderne Stoiker lassen wir in ihrer eingebildeten Volkommenheit so lange ruhen, bis die Gelegenheit von ungefähr, oder der Eifer selbst in Vertheidigung ihrer Säzz' uns andre gemeine Menschenkinder überzeugt, daß auch sie nicht ohne Leidenschaft handeln. –" Seit. 66.

 

[Ib-09-1780-0246]
"Ein Mensch ohne Leidenschaft ist ein Unding, und ie weniger Leidenschaft von Natur, desto schwächerer Verstand." S. 68.

 

[Ib-09-1780-0247]
"Die Seele mus ganz unfähig sein, sich Bilder vorzustellen, wenn sie von ihnen keine Wirkung empfindet." S. 74. 75.

 

[Ib-09-1780-0248]
5) Von d einer feinen Ruhmsucht.

 

[Ib-09-1780-0249]
"Die scheinbare Verachtung des Ruhms, deren viele sich anmassen, ist verborgene Ruhmsucht. Und gewis desto heftiger, ie weniger sie diesselbe offenbaren. Man darf sie nur auf eine Probe sezzen, sie werden weit schwächer sein als wir übrige Menschenkinder. – –" Seit. 244.

 

[Manuskriptseite 148]

[Ib-09-1780-0250]
XV.

 

[Ib-09-1780-0251]
Beobachtungen über 's Gefühl des Schönen und Erhabenen. Von M. Immanuel Kant. Riga, bei Friedrich Hartknoch, 1771.

 

[Ib-09-1780-0252]
1) Vom Schönen und Erhabenen.

 

[Ib-09-1780-0253]
"Hohe Eichen und einsame Schatten im heiligen Haine sind erhaben, Blumenbetten, niedrige Hekken und in Figuren geschnittene Bäume sind schön. Die Nacht ist erhaben, der Tag ist schön. Gemüthsarten, die ein Gefühl für 's Erhabene besizzen, werden durch die ruhige Still' eines Sommerabends, wenn 's zitternde Licht der Sterne durch die braunen Schatten der Nacht hindurch bricht, und der einsame Mond im Gesichtskreise steht, almählig in hohe Empfindungen gezogen, von Freundschaft, von Verachtung der Welt, von Ewigkeit. Der glänzende Tag flöst geschäftigen Eifer und ein Gefühl von Lustigkeit ein. Das Erhabene rührt, das Schöne reizt. Die Mine des Menschen, der im vollen Gefühle des Erhabenen sich befindet, ist ernsthaft, bisweilen star und erstaunt. Dagegen kündigt sich die lebhafte Empfindung des Schönen durch glänzende Herlichkeit in den Augen, durch Züge des Lächlens, und oft durch laute Lustigkeit an. Das Erhabene ist wiederum verschiedner Art. Das Gefühl desselben ist bisweilen mit einigem Grausen, oder auch Schwermuth, in einigen Fällen blos mit ruhiger Bewunderung und in noch andern mit einer über üb einen erhabnen Plan verbreiteten

 

[Manuskriptseite 149]

Schönheit begleitet. Das erstere wil ich 's Schrekhafterhabene, das zweite das Edle, und das dritte das Prächtige nennen. Tiefe Einsamkeit ist erhaben, aber auf eine schrekhafte Art. Daher grosse weitgestrekte Einöden, wie die ungeheure Wüste Chamo in der Tartarei, iederzeit Anlas gegeben haben, fürchterliche Schatten, Kobold' und Gespensterlarven dahin zu versezzen.

 

[Ib-09-1780-0254]
Das Erhabene mus iederzeit gros, das schöne kan auch klein sein. Das Erhabene mus einfältig, das Schöne kan gepuzt und geziert sein. Eine grosse Höh' ist eben so wol erhaben, als eine grosse Tiefe: allein diese ist mit der Empfindung des Schauderns begleitet, iene mit der Bewunderung: daher diese Empfindung schrekhaft erhaben, und iene edel sein kan. Der Anblik einer ägyptischen Pyramide rührt weit mehr, als man sich aus aller Beschreibung es vorstellen kan: aber ihr Bau ist einfältig und edel. Die Peterskirch' in Rom ist prächtig. Weil auf diesen Entwurf, der gros und einfältig ist, Schönheit, z. B. Gold, mosaische Arbeit pp. so verbreitet ist, daß die Empfindung des Erhabenen doch am meisten hiedurch wirkt: so heist der Gegenstand prächtig. Ein Arsenal mus edel und einfältig, ein Residenzschlos prächtig, und ein Luftpallast schön und geziert sein.

 

[Ib-09-1780-0255]
Eine lange Dauer ist erhaben. Ist sie von vergangener Zeit, so ist sie edel; wird sie in einer unabsehligen Zukunft voraus gesehen, so hat sie etwas vom Schrekhaften an sich. Ein Gebäud' aus

 

[Manuskriptseite 150]

dem entferntesten Alterthum ist ehrwürdig. Haller's Beschreibung von der zukünftigen Ewigkeit flöst ein sanftes Grausen, und von der vergangenen starre Bewunderung ein.

 

[Ib-09-1780-0256]
Verstand ist erhaben, Wiz ist schön. Kühnheit ist erhaben und gros, List ist klein, aber schön. Wahrhaftigkeit und Redlichkeit ist einfältig und edel, Scherz und gefällige Schmeichelei ist fein und schön. Artigkeit ist die Schönheit der Tugend. Uneigennüzziger Diensteifer ist edel, Geschliffenheit (Politesse) und Höflichkeit sind schön. Erhabene Eigenschaften flössen Hochachtung, schöne aber Lieb ein. Leute, deren Gefühl vornämlich auf 's Schöne geht, suchen ihre redlichen, beständigen und ernsthaften Freunde nur in der Noth auf; den scherzhaften, artigen und höflichen Geselschafter aber wählen sie sich zum Umgange. Man schäzt manchen viel zu hoch, als daß man ihn lieben könne. Er flöst Bewunderung ein: aber er ist zu weit über uns, als daß wir mit der Vertraulichkeit der Lieb' uns ihm zu nähern getrauen.

 

[Ib-09-1780-0257]
Dieienigen, welche beiderlei Gefühl in sich vereinbaren, werden finden, daß die Rührung vom Erhabenen mächtiger ist, als die vom Schönen: nur daß sie ohn' Abwechselung oder Begleitung der leztern ermüdet, und nicht lange genossen werden kan. – Freundschaft hat hauptsächlich den Zug des Erhabenen, Geschlechterlieb' aber des Schönen an sich. Doch geben Zärtlichkeit und tiefe Hochachtung der leztern eine gewisse Würd' und Erhabenheit; dagegen gaukelhafter Scherz und Ver

 

[Manuskriptseite 151]

traulichkeit 's Kolorit des Schönen in dieser Empfindung erhöhen. Das Trauerspiel unterscheidet sich, meiner Meinung nach, vom Lustspiele vornämlich darinnen: daß im erstern 's Gefühl für 's Erhabene, im zweiten für 's Schöne gerührt wird. Im erstern zeigen sich grosmüthige Aufopferung für fremdes Wol, kühne Entschlossenheit in Gefahren und geprüfte Treue. Die Lieb' ist daselbst schwermüthig, zärtlich und vol Hochachtung; das Unglük anderer bewegt im Busen des Zuschauers theilnehmende Empfindungen, und läst sein grosmüthiges Herz für fremde Noth klopfen. Er wird sanft gerührt und fühlt die Würde seiner eignen Natur. Dagegen stelt 's Lustspiel seine Ränke, wunderliche Verwirrungen, und Wizzige, die sich herauszuziehen wissen, Narren, die sich betrügen lassen, Spass' und lächerliche Karaktere vor. Die Lieb' ist hier nicht so grämisch: sie ist lustig und vertraulich. Doch kan auch hier 's Edle mit dem Schönen in gewissem Grade vereinbaret werden.

 

[Ib-09-1780-0258]
Selbst die Laster und moralischen Gebrechen führen öfters gleichwol einige Züge des Erhabenen oder Schönen bei sich; wenigstens so, wie sie unserm sinlichen Gefühle erscheinen, ohne durch Vernunft geprüft zu sein. Der Zorn eines Furchtbaren ist erhaben, offenbare dreiste Rach' hat w etwas grosses an sich. Ein listig ausgedachter Entwurf ist fein und wird belacht. Koquetterie an einer sonst artigen Person ist wol tadelhaft, aber schön.

 

[Manuskriptseite 152]

Die Gestalt der Personen, die durch ihr äusseres Ansehen gefallen, schlägt bald in eine, bald in die andre Art des Gefühls ein. Eine grosse Statur erwirbt sich Ansehen und Achtung, eine kleine mehr Vertraulichkeit. Selbst die bräunliche Farb' und schwarzen Augen sind dem Erhabenen, blaue Augen und blonde Farbe dem Schönen näher verwandt. Ein etwas grösseres Alter vereinbart sich mehr mit den Eigenschaften des Erhabenen, Tugend aber mit dem Schönen. So ist 's auch mit dem Unterschiede der Stände bewandt, und in allen diesen nur erwähnten Beziehungen müssen sogar die Kleidungen auf diesen Unterschied des Gefühls eintreffen. Grosse ansehnliche Personen müssen Einfalt, höchstens Pracht in ihrer Kleidung beobachten, kleine können gepuzt und geschmükt sein. Dem Alter geziemen dunklere Farben und Einförmigkeit im Anzuge; die Iugend schimmert durch hellere und lebhaft abstechende Kleidungsstükke. –

 

[Ib-09-1780-0259]
In der menschlichen Natur finden sich niemals rühmliche Eigenschaften, ohne daß zugleich Abartungen derselben durch unendliche Schattirungen bis zur äussersten Unvolkommenheit übergehen solten. Die Eigenschaft des Schreklicherhabenen, wenn sie ganz unnatürlich wird, ist abentheuerlich. In sofern die Erhabenheit oder Schönheit 's bekante Mittelmaas überschreitet, so pflegt man sie romanhaft zu nennen.

 

[Manuskriptseite 153]

Unnatürliche Dinge, in so fern das Erhabene darinnen gemeinet wird, ob 's gleich wenig oder gar nicht angetroffen wird, sind Frazzen. Wer 's Abentheuerliche liebt und glaubt, ist ein Grillenfänger Phantast , die Neigung zu Frazzen macht den Grillenfänger. Andrer Seits artet 's Gefühl des Schönen aus, wenn 's Edle dabei gänzlich mangelt, und man nent 's Läppisch. Eine Mansperson von dieser Art Eigenschaft, wenn sie iung ist, heist ein Laffe; ist sie im mitlern Alter, so ist 's ein Gek. Weil dem höhern Alter das Erhabene am nothwendigsten ist: so ist ein alter Gek das verächtlichste Geschöpf in der Natur, so wie ein iunger Grillenfänger das widrigste und unleidlichste ist. Scherz' und Munterkeit schlagen in 's Gefühl des Schönen ein. Gleichwol kan noch ziemlich viel Verstand hindurchscheinen, und in sofern können sie mehr oder weniger dem Erhabnen verwandt sein. Der, in dessen Munterkeit diese Dazwischenkunft unmerklich ist, faselt. Der beständig faselt, ist albern. Man merkt leicht, daß auch kluge Leute bisweilen faseln, und daß nicht wenig Geist dazu gehöre, den Verstand eine kurze Zeit von seinem Posten abzurufen, ohne daß dabei etwas versehen wird. Derienige, dessen Reden oder Handlungen weder belustigen noch rühren, ist langweilig. Der Langweilige, in so fern er gleichwol beides zu thun geschäftig ist, ist abgeschmakt. Der Abgeschmakte,

 

[Manuskriptseite 154]

wenn er aufgeblasen ist, ist ein Nar. – – Seit. 4-17.

 

[Ib-09-1780-0260]
"Wie vortreflich sind die Trieb' im Menschen geordnet! Wir tragen al die Triebe, die uns kurzsichtigen bös und schädlich scheinen, zur Erhaltung, zur Verschönerung des Ganzen bei! Dererienigen unter den Menschen, die nach Grundsäzzen verfahren, sind nur sehr wenige, welches auch überaus gut ist, da 's so leicht geschehen kan, daß man in diesen Grundsäzzen irre, und alsdann der Nachtheil, der daraus erwächst, sich um desto weiter erstrekt, ie algemeiner der Grundsaz und ie standhafter die Person ist, die ihn sich vorgesezt hat. Derer, so aus gutherzigen Trieben handeln, sind weit mehrere, welches äusserst vortreflich ist, ob 's gleich einzeln nicht als ein grosses Verdienst der Person kan angerechnet werden: denn diese tugendhafte Instinkte fehlen wol bisweilen, allein im Durchschnitte leisten sie eben so wol die grosse Absicht der Natur, wie die übrigen Instinkte, die so regelmässig die thierische Welt bewegen. Derer, die ihr allerliebstes Selbst, als den einzigen Beziehungspunkt ihrer Bemühungen, star vor Augen haben, und die um den Eigennuz, als um die grosse Achse, alles zu drehen suchen, giebt 's

 

[Manuskriptseite 155]

die meisten, worüber auch nichts vortheilhafteres sein kan, denn diese sind die ämsigsten, ordentlichsten und behutsamsten; sie geben dem Ganzen Haltung und Vestigkeit, indem sie auch ohn' ihre Absicht gemeinnüzzig werden, die nothwendigsten Bedürfniss' herbeischaffen, und die Grundlage liefern, über welche feinere Seelen Schönheit und Wolgreimtheit verbreiten können. Endlich ist die Ehrliebe in aller Menschen Herzen, obzwar in ungleichem Maasse, verbreitet worden, welches dem Ganzen eine bis zur Bewunderung reizende Schönheit geben mus. Denn wiewol die Ehrbegierd' ein thörichter Wahn ist, in sofern er zur Regel wird, der man die übrigen Neigungen unterordnet; so ist sie doch als ein begleitender Trieb äusserst vortreflich. Denn indem ein ieder auf der grossen Bühne, seinen herschenden Neigungen gemäs, die Handlungen verfolgt: so wird er zugleich durch einen geheimen Antrieb bewogen, in Gedanken ausser sich selbst einen Standpunkt zu nehmen, um den Anstand zu beurtheilen, den sein Betragen hat, wie's aussehe, und dem Zuschauer in die Augen falle. Dadurch vereinbaren sich die verschiednen Gruppen

 

[Manuskriptseite 156]

in ein Gemälde von prächtigem Ausdrukke, wo mitten unter grosser Mannichfaltigkeit Einheit hervorleuchtet, und 's Ganze der moralischen Natur Schönheit und Würd' an sich zeigt. –" Seit. 45. 46. 47.

 

[Ib-09-1780-0261]
"Iedes Geschlecht mus sowol das Erhabene als Schöne vereinbaren, doch so, daß von einem Frauenzimmer all' andre Vorzüge sich nur dazu vereinigen sollen, um den Karakter des Schönen zu erhöhen, welcher der eigentliche Beziehungspunkt ist, und dagegen unter den mänlichen Eigenschaften das Erhabene, als das Kenzeichen seiner Art, deutlich hervorsteche. Hierauf müssen all' Urtheile von diesen zwo Gattungen, so wol die rühmliche, als die des Tadels sich beziehen. All' Erziehung und Unterweisung mus dieses vor Augen haben, und alle Bemühung die sitliche Volkommenheit des einen oder des andern befödern; wo man nicht den reizenden Unterschied unkentlich machen wil, den die Natur zwischen zwo Menschengattungen hat treffen wollen. Denn 's ist hier nicht genug sich vorzustellen, daß man Menschen vor sich habe: man mus auch zugleich nicht aus der Acht lassen, daß diese Menschen nicht einerlei Art sind. –" Seit. 48. 49.

 

[Ib-09-1780-0262]
"Das Frauenzimmer hat ein vorzügliches Gefühl für's

 

[Manuskriptseite 157]

Schöne, so fern es ihnen selbst zukömt; aber für 's Edle, in so weit 's am mänlichen Geschlecht' angetroffen wird. Man hingegen hat ein entschiedenes Gefühl für 's Edle, das zu seinen Eigenschaften gehört: für 's Schöne aber, in so fern es am Frauenzimmer anzutreffen ist. Daraus mus folgen, daß die Zwekke der Natur darauf gehen, den Man durch die Geschlechterneigung noch mehr zu veredeln und das Frauenzimmer durch eben dieselbe noch mehr zu verschönern. –" S. 75. 76.

 

[Ib-09-1780-0263]
"Im ehligen Leben sol 's vereinigte Paar gleichsam eine einzige moralische Person ausmachen, welche durch den Verstand des Mannes und den Geschmak der Frau belebt und regiert wird. –" Seit. 79.

 

[Ib-09-1780-0264]
"Unter den Völkerschaften unsers Welttheils sind die Italiäner und Franzosen dieienigen, welche im Gefühle des Schönen, die Deutschen, Engländer und Spanier, aber, die durch 's Gefühl des Erhabenen sich unter allen übrigen am meisten ausnehmen. Holland kan für dasienige Land gehalten werden, wo dieser feinere Geschmak ziemlich unmerklich wird. Das Schöne selbst ist entweder bezaubernd und rührend, oder lachend und reizend. Das erstere hat etwas vom Erhabenen an sich, und das Gemüth in diesem Gefühl' ist tiefsinnig und entzükt, im Gefühle der

 

[Manuskriptseite 158]

zweiten Art aber lächelnd und fröhlich. Den Italiänern scheint die erstere, den Franzosen die zweite Art des schönen Gefühls vorzüglich angemessen zu sein. Im Nazionalkaraktere, der den Ausdruk des Erhabenen an sich hat, ist dieses entweder das von der schrekhaftern Art, das sich ein wenig zum Abentheuerlichen neigt, oder 's ist ein Gefühl für's Edle, oder für 's Prächtige. Ich glaube Gründe zu haben, das Gefühl der erstern Art dem Spanier, der zweiten dem Engländer, und der dritten dem Deutschen beilegen zu können. Das Gefühl für's Prächtige ist seiner Natur nach nicht Original, so wie die übrigen Arten des Geschmaks; und obgleich ein Nachahmungsgeist mit iedem andern Gefühl kan verbunden sein, so ist er doch dem für 's Schimmernderhabene mehr eigen: denn es ist dieses eigentlich ein gemischtes Gefühl, aus dem des Schönen und des Edlen, wo iedes für sich betrachtet kälter ist, und daher 's Gemüth frei genug ist, bei der Verknüpfung desselben auf Beispiele zu merken und auch deren Antrieb von nöthen hat. Der Deutsche wird demnach weniger Gefühl in Ansehung des Schönen haben, als der Franzose, und weniger von demienigen, was auf 's Erhabene geht, als der Engländer: aber in denen Fällen, wo beides verbunden erscheinen sol, wird's seinem Gefühle mehr gemäs sein, wie er denn auch die Fehler glüklich vermeiden wird, in die eine ausschweifende Stärk' einer ieden dieser Arten des Gefühls allein gerathen könte. –" S. 81. 82. 83.

 

[Manuskriptseite 159]

[Ib-09-1780-0265]
"Die Empfindung für die Ehr' ist am Franzosen Eitelkeit, am Spanier Hochmuth, am Engländer Stolz, am Deutschen Hoffarth, und am Holländer Aufgeblasenheit. Diese Ausdrükke sind verschieden. Die Eitelkeit buhlt um Beifal, ist flatterhaft und veränderlich, ihr äusseres Betragen aber ist höflich. Der Hochmüthige ist vol von fälschlich eingebildeten grossen Vorzügen und bewirbt sich nicht viel um den Beifal andrer, seine Aufführung ist steif und hochtrabend. Der Stolz ist eigentlich nur ein grösseres Bewustsein seines eigenen Werthes, der öfters sehr richtig sein kan, (um deswillen er auch bisweilen ein edler Stolz heist; niemals aber kan ich iemanden einen edlen Hochmuth beilegen, weil dieser iederzeit eine unrichtige und übertriebne Selbstschäzzung anzeigt,) das Betragen des Stolzen ist gegen andre ist gleichgültig und kaltsinnig (oft grausam). Der Hoffärthige ist ein Stolzer, der zugleich eitel ist. a) Es ist nicht nöthig, daß ein Hoffärthiger zugleich ein hochmüthig sei, d. i. sich eine übertriebne falsche Einbildung von seinen Vorzügen macht, sondern er kan vielleicht sich nicht höher schäzzen als er werth ist, er hat aber nur einen falschen Geschmak, diesen seinen Werth äusserlich geltend zu machen. Der Beifal aber, den er bei andern sucht, besteht in Ehrenbezeugungen. – Das Betragen eines Hoffärthigen im Umgange ist Zeremonie. Der Aufgeblasene ist ein Hochmüthiger, welcher deutliche Merkmale der Verachtung andrer in seinem Betragen äussert. Seine Aufführung ist grob. –

 

[Manuskriptseite 160]

[Ib-09-1780-0266]
In der Lieb' haben der Deutsche und der Engländer einen ziemlich guten Magen, etwas fein von Empfindung, mehr aber von gesunden und derben Geschmakke. Der Italiäner ist in diesem Punkte grüblerisch, der Spanier phantastisch, der Franzose vernascht. – Seit. 93. 94. 95.

 

[Ib-09-1780-0267]
"Der abentheuerliche Geschmak ist an sich selbst ein Grund etwas leichter zu glauben und von zweenen Menschen, deren der eine von diesem Gefühl' angestekt, der andre aber von kalter und gemässigter Gemüthsart ist, wird der erstere, wenn er gleich wirklich mehr Verstand hat, dennoch durch seine herschende Neigung eher verleitet werden, etwas Unnatürliches zu glauben, als der andre, welchen nicht seine Einsicht, sondern sein gemeines und phlegmatisches Gefühl vor dieser Ausschweifung bewahrt. Man hat sonst bemerkt, daß die Engländer, als ein so kluges Volk, gleichwol durch eine dreiste Ankündigung einer wunderlichen und ungereimten Sache können berükt werden, sie anfänglich zu glauben; wovon man viele Beispiel' hat. Allein eine kühne Gemüthsart, vorbereitet durch verschiedne Erfahrungen, in welchen manche seltsame Dinge gleichwol wahr befunden werden, bricht geschwinde durch die kleinen Bedenklichkeiten, von denen ein schwacher und mistrauischer Kopf bald aufgehalten wird, und so ohne sein Verdienst bisweilen vor dem Irthume verwahrt wird. –" S. 96. 97.

 

[Ib-09-1780-0268]
"Die Araber sind die Spanier des Orients, und die Perser die Franzosen von Asien. Die Iaponeser

 

[Manuskriptseite 161]

kan man als die Engländer dieses Welttheils ansehen. Der Geschmak der Indianer und Sineser ist abentheuerlich und läppisch." Seit. 100. 101.

 

[Ib-09-1780-0269]
"Ein Verzagter ist allemal ein strenger Herr den Schwächern, so wie auch bei uns derienige Man iederzeit ein Tyran in der Küch' ist, welcher ausser seinem Hause sich kaum erkühnt, iemanden unter die Augen zu treten." Seit. 106.

 

[Ib-09-1780-0270]
XVI.

 

[Ib-09-1780-0271]
Die Philosophie der Natur. Aus dem Französischen.

 

[Ib-09-1780-0272]
Nunquam aliud Natura, aliud sapientia dicit. Iuvenal. Satyr. XIV.

 

[Ib-09-1780-0273]
Erster Band. Frankfurt und Leipzig, 1773.

 

[Ib-09-1780-0274]
1) Verschiedene Bemerkungen.

 

[Ib-09-1780-0275]
"Wenn der Unterschied des Gerechten und Ungerechten die Natur nicht zur Grundlag' hat, so kan ich 's Band des Vorurtheils abreissen, welches mich an alles, was ich zärtlich liebe, verknüpft. Mein Vortheil verlangt 's, ich werde meinen Freund ermorden, meinen Vater vergiften, und meinem Vaterlande die Freiheit rauben. Die Tortur und die Scheiterhaufen werden zwar beweisen, daß ich ungeschikt, aber nicht, daß ich strafbar gewesen bin.

 

[Ib-09-1780-0276]
Das menschliche Gesez wird öfters meine Hand vom Bösen zurükhalten, weil ich 's Dasein dem Nichtdasein vorziehe: allein wird 's auch mein Herz zurükhalten? Meine Tugend wird also im Unvermögen, Böses zu thun,

 

[Manuskriptseite 162]

bestehen, und ich werde meine Philosophie nur meiner Schwäche zu danken haben. S. 6.

 

[Ib-09-1780-0277]
"Man schreibt selten das Glük der Völker in Marmor oder Erz; man verewigt darinnen gemeiniglich die Eitelkeit der Könige. –" S. 27.

 

[Ib-09-1780-0278]
"Der Pöbel eignet der Gotheit einen Körper zu, der pöbelhafte Philosoph einen Geiste: und beide formen selbige nach sich." S. 117.

 

[Ib-09-1780-0279]
"Got hat ganz gewis seine Eigenschaften; aber mein Verstand ist zu sehr eingeschränkt, als daß er sie richtig schäzze. Got ist nicht weise, aber mehr als weise; er ist nicht heilig, aber mehr als heilig; er ist nicht verständig, aber mehr als verständig. Mit einem Worte, er ist Got; und wenn ich sein Wesen begreifen könte, so würd' ich ihm gleich werden, und er würde nicht mehr Got sein. –" S. 122.

 

[Ib-09-1780-0280]
"Die grossen Verbrechen sind oft von ordentlichen Leidenschaften entworfen; aber nur grosse Leidenschaften können selbige ausführen." S. 153.

 

[Ib-09-1780-0281]
"Kan unser Weirauch und unser Kniebeugen noch den Ruhm dessen vergrössern, welcher Millionen Sonnen die Bewegung giebt? Ist nicht unser Gebet und unser Gottesdienst blos Dank, blos Anspornung zu grössern Tugenden?" S. 190.

 

[Ib-09-1780-0282]
"Wenn der Pöbel sich seine Götter macht, so macht er sie meistentheils vol Widersprüche, eitel und boshaft, wie

 

[Manuskriptseite 163]

er selbst ist; wenn er den vernünftigen Dienst des höchsten Wesens schon eingeführt antrift, so sieht er auch noch da diesen Got nicht so, wie er ist, sondern wie er ihn gemacht haben würde. –" S. 207.

 

[Ib-09-1780-0283]
"Selbst dem Verfolger kan die Verfolgung nicht nüzlich sein: denn sie beraubt ihn in den Augen der Menschen des Namens eines Menschen, und in den Augen Gottes eines Frommen. Noch weniger nüzt sie dem Verfolgten: denn die Henker haben die Gabe der Überredung nicht. Die Lehre, welche ich in meiner Freiheit als unrichtig sehe, wird gewis in meinen Augen nicht vernünftiger werden, wenn ich auf dem Scheiterhaufen bin. Ich gebe zu, daß man durch grosse Gewaltthätigkeiten endlich einen Bekehrten aus mir machen könne; war mein alter Glaube rein, so werd' ich ein Abgefallener; war er unvernünftig, so werd' ich ein schlechter Christ. Ein Fanatiker mus noch misvergnügter sein, wenn ich auf meinem Todenbette nicht dem Antriebe meiner Einsichten entsagen wil. Denn ist mein Gegner ein Christ, so übergiebt er mich auf ewig dem Zorne Gottes; bin ich ein Christ, so sezt er sich dem ewigen Vorwurf aus, das Blut eines Märtyrers vergossen zu haben. – Der Fanatiker ist die Geissel des menschlichen Geschlechts.

 

[Manuskriptseite 164]

[Ib-09-1780-0284]
Der Fanatiker erstikt in der Seel' alles Gefühl der Menschlichkeit; er gewöhnt mehr zur Unbarmherzigkeit, als die Kämpfe der Fechter, und die Mahlzeiten der Menschenfresser. Wie sol sich ein unangesehener ehrlicher Man wider seinen Mitbürger vertheidigen, welcher auf seine Schlüsse mit Dolchstössen antwortet? –" S. 239. 240.

 

[Ib-09-1780-0285]
XVII.

 

[Ib-09-1780-0286]
Die Philosophie der Natur. Aus dem Französischen.

 

[Ib-09-1780-0287]
Nunquam aliud Natura, aliud Sapientia dicit. Iuvenal. Satyr. XIV.

 

[Ib-09-1780-0288]
Zweiter und lezter Band. Frankfurt und Leipzig, 1774.

 

[Ib-09-1780-0289]
1) Einige Fragen – die Metaphysik betreffend.

 

[Ib-09-1780-0290]
"Da 's Ohngefähr nicht das erste Prinzipium sein kan, warum ist nicht alles, was da ist, nothwendig? –" S. 2.

 

[Ib-09-1780-0291]
"Wie geht der Mensch vom Zustand' eines zu empfinden fähigen Wesens zum Zustand' eines Wesens über, welches fühlt und denkt? –

 

[Ib-09-1780-0292]
Was ist die Ausdehnung? Da's Alterthum sie durch partes extra partes beschrieben hat, so hat sie es gesagt: Die Ausdehnung ist die Ausdehnung; und dieses ist eben so sehr deutlich nicht. –

 

[Ib-09-1780-0293]
Wer kan mir erklären, warum mich meine Empfindungen weniger betrügen, als mein Verstand? Ich halte keine Rose für eine Perle, aber alle Tag' halt' ich

 

[Manuskriptseite 165]

geringe Wirkungen für grosse Ursachen: es scheint, daß die Wahrheit mehr in den Gegenständen, als in meinem Geiste sei, der sie vergleicht. –

 

[Ib-09-1780-0294]
Welches sind die Verhältnisse der Begriffe, welche die Seele durch einen Sin, und der Begriffe, welche sie durch einen andern erhält? Warum hat die Mechanik eines ieden Sinnes seine besondre Regeln? Es ist ein unendlicher Raum zwischen dem Geruch einer Rose, und den glänzenden Farben des Neutonischen Prisma, und doch kan meine Seele zugleich zwo Empfindungen geniessen; sie vereinigt zwo unvereinbare Empfindungen. –

 

[Ib-09-1780-0295]
Ich bin frei, aber warum gehorchet mein Aug, meine Zung' und meine Hand meinem Willen, und warum gehorcht demselben mein Blut nicht? –

 

[Ib-09-1780-0296]
Können wir eine deutliche Vorstellung von den Modifikazionen der Seel' haben? Begreifen wir, wie sie roth wird, wenn sie Scharlach sieht, und wie sie Muskus riecht, wenn man dieses Rauchwerk dem Werkzeuge des Geruchs nähert?" Seit. 10-15.

 

[Ib-09-1780-0297]
2) Geschichte der Seele.

 

[Ib-09-1780-0298]
"Die Natur vermehrt die Wunder nicht, sie hat nur ein einziges gemacht, nämlich die Schöpfung der Welt: die Idee dieses Wunders ist ewig, wie sein Urheber.

 

[Ib-09-1780-0299]
Diese grosse Wahrheit leitet uns zur Lehre vom Vorher=Dasein des Samens. Kein Ding komt aus Nichts, alles

 

[Manuskriptseite 166]

aber, was wir sehen, wächset und entwikkelt sich; die Metalle wachsen, die Pflanzen bilden sich, die Thiere vermehren sich, und die Seele solt' im System der Wesen das einzige sein, welches nur durch die vervielfältigten Wunder der Schöpfung vorhanden wäre?

 

[Ib-09-1780-0300]
Nein, Nein! nichts entsteht in der Natur, und nichts hört auf, sondern alles ist Keim und Verwandlung.

 

[Ib-09-1780-0301]
Vom ersten Augenblikk' ist die Seel' im organischen Keim der Menschen. Dieses Dasein eines geistigen verständigen Wesen in einem ausgedehnten Punkt ist zwar ein Räthsel aber kein Widerspruch der Natur.

 

[Ib-09-1780-0302]
Die Seele kan vor der Befruchtung des Samens weder fühlen, noch denken, noch wollen. Sobald aber der Keim befruchtet ist, hat die Seele das Gefühl ihres Daseins. Dieses Gefühl aber ist äusserst schwach; unser Verstand mus sich vergrössern, damit man den geistigen Fötus entdekke, wie wir zur Entdekkung des materiellen Embryo's ein Vergrösserungsglas brauchen.

 

[Ib-09-1780-0303]
Dieser Embryo hat einen Kopf, mithin ein Sensorium, und die den Nerven eingedrükte Bewegung, welche damit übereinstimt, dauert durch die Ausbildung des Thierchens bis zur Zerstöhrung der Maschine.

 

[Ib-09-1780-0304]
Wenn iemand an der überaus reichen Pracht der Natur im unendlich kleinen zweifeln wolte, so würd' ich ihn bitten, zu bemerken, daß das Vergrösserungsglas im Eier

 

[Manuskriptseite 167]

stokk' einer Biene 9100 Eier entdekt, daß Leuwenhök 3181. Augen auf dem Augenfel eines Käfers gezählt, und der Sam' einer Baumlaus vor der sechsten Zeugung 5904900000 andre hervorgebracht hat. Wenn unsre Blikk' in den Abgrund des unendlich Kleinen nicht tiefer dringen, so ist blos die Schwäch' unsrer Gläser daran Schuld. Ein Keim ist eine Welt belebter Wesen, wovon iedes Individuum selbst der Keim von tausend Welten ist. Sobald die durch 's Gehirn gedrungene Geisterchen in die Nerven des Embrio's fliessen, so mus die Seele Fühlungen haben; es ist aber zu erweisen, daß das Werkzeug des Gefühls ganz allein einige Thätigkeit habe, all' andern sind ihm im Gefängniss' unnüz, worinnen er eingeschlossen ist, sie würden nur {durch} 's schmerzhafte Gefühl seines Daseins durch die Empfindung vergrössern.

 

[Ib-09-1780-0305]
Sobald die Seele durch 's Organon des Fühlens mit der Natur zusammenhängt, so hat sie einige Empfindungen des Vergnügens und noch mehr Fühlung des Schmerzens. Solange der Embryo unter der Gestalt eines Eis im Flüssigen des Amnios liegt, so lang' ist er ohne Bewegung und scheint in Unthätigkeit zu sein. Sobald aber der Körper sich entwikkelt, der Kopf sich bildet, und die Herzschläge fühlbar werden, so fängt der kleine Mensch an, sich in seinem Gefängnisse zu rühren: diese Bewegungskraft theilt sich der Intelligenz mit, und der Wirkung des Körpers auf die Seele folgt allemal eine Gegenwirkung.

 

[Ib-09-1780-0306]
Der Embryo entlehnt keinesweges die Seele seiner

 

[Manuskriptseite 168]

Mutter, er hat seine eigne. Ruhig im Innern des Amnios fühlt er, während die Leidenschaften das nervichte Gewebe, welches seine Wohnung umhült, zerreissen, durch die Organen des Gefühls, er bewegt sich in seinem Flüssigen, er hat aber noch keine Vorurtheile. Endlich komt die Stunde, in welcher der Embryo die Häutchen, welche ihn gefangen halten, durchbricht, einen Aufenthalt, welcher ihn nicht mehr fassen kan, verläst, und das erstemal Luft schöpft. Da öfnet sich seine Seele ganz dem Eindrukke des Schmerzens. Die Luft erschüttert seine Fibern, und drukt auf seine Organen; das Licht ermüdet seine Augen, welche anfangen sich zu öfnen, und die ersten Töne, welche seine Stimm' ausstöst, sind klagende Seufzer und iammerndes Schreien. Der Neugeborne lernt nur durch mühsame Anstrengungen den Gebrauch der Instrumente der Sinnen. Er probirt seine Organen, und iede Erfahrung ist mit einem neuen Schmerzen vergeselschaftet. Die ersten vierzig Tag' über schreit er beständig; hernach fängt er an zu weinen, und dieses ist ein Beweis, daß er weniger Schmerzen hat; bald werden die Spizzen des Schmerzens stumpf, die Finsternisse, welche das Gemälde des Lebens bedekten, zerstreuen sich und's Individuum gewöhnt sich an schmerzhafte Fühlungen, welche auf 's Vergnügen folgen, oder's ankündigen.

 

[Ib-09-1780-0307]
Bei der Geburt des Menschen fängt die Seele schon an, ihre Bewegungskraft zu entwikkeln. Sie ist noch nicht frei, aber sie gehorcht schon weniger, als im Amnios; sie fühlt

 

[Manuskriptseite 169]

schon, daß sie zum Herschen geboren ist. Es scheint gewis zu sein, daß die Seel' ihre Fähigkeit zu fühlen nach dem Verhältnis der Entwikkelung ihrer Organen ausübe: läst sich aber das nämliche von ihrem Verstande sagen? Welcher Philosoph ist so vermessen, die Zeit des ersten Gedankens zu bestimmen? – Zu welcher Zeit sich auch immer die Seel' ihrer Fähigkeit zu denken das erstemal bedienen mag, so ist doch ausser allem Zweifel, daß ihre erste Vorstellung äusserst schwach ist; diese Bewegung ist die Morgendämmerung des Verstandes. Es dünkt mich, daß man die erste Vorstellung eines Kindes mit der feinsten Vorstellung des Ourang=Outang in seinem besten Alter vergleichen könte. Warum solt' auch wirklich der angehende Mensch nicht dem volkommenen Thiere gleichen? Warum solte das Thier im Anfange seines Lebens nicht die Sinlosigkeit der ausgewachsensten Pflanzen haben? Warum solte die Pflanz' in ihrem Keim mit den Metallen keine Gemeinschaft haben? –" Seit. 19–27.

 

[Ib-09-1780-0308]
3) Von den Sinnen.

 

[Ib-09-1780-0309]
"Unter allen Sinnen ist das Aug der superfizielleste, das Ohr der hochmüthigste, der Geruch der wollüstigste, der Geschmak der abergläubischste und unbeständigste, das Gefühl der gründlicheste und philosophischeste Sin. – Nach meinen Gedanken müst' eine Geselschaft von fünf Personen, deren iede nur Einen Sin hätte, sehr lustig sein; diese Leute würden all' einander für Narren halten, und ich überlass' Ihnen die Untersuchung, mit welchem Grunde." – Seit. 90. 91.

 

[Manuskriptseite 170]

[Ib-09-1780-0310]
"Es ist dem Nervengebäu eben so beschaffen, wie mit einer Violine: man kan sich iede Sait' als einen unsrer Sinnen vorstellen. Die Saite des Gefühls zittert nicht wie die Saite des Gesichts, diese nicht wie die Saite des Geruchs; überdies mindert oder verstärkt sich auf der sinlichen Saite die Empfindung, wie sich die Töne nach den Verhältnissen der Instrumentalsaite von einander unterscheiden." S. 111.

 

[Ib-09-1780-0311]
"Ie weniger man Sinnen hat, ie volkommener sind sie von Natur. Der Geruch, vom Gesicht, vom Geschmak, vom Gehör und vom Fühlen abgesondert, erwirbt sich die höchste Feinheit; er zertheilt 's Angenehme verschiedener Wolgerüche, welche wir aus Gewohnheit mit einander vermengen; er macht die kleinen Eindrükke der wolriechenden Körperchen eindringender; er findet abwechselnde Vergnügen, wo der volkommene Mensch nur das Abgeschmakte der Einförmigkeit finden würde." – Seit. 119. 120.

 

[Ib-09-1780-0312]
4) Die Bildsäule des H. v. Kondillak – oder wie sich in unsrer Seele Begriffe bilden.

 

[Ib-09-1780-0313]
"Ich sahe die Pandora in der Werkstat' des Prometheus . Der Künstler hat neben sie einen Iasminzweig gestelt, dessen Balsamduft stark genug ist, ihr 's Dasein zu geben. Ihre ganz neue Seele sol sich mit aller Macht dem Eindruk, welcher aus ihrem Organ' entsteht, überlassen: sie sol mit Entzükken die ersten Minuten des

 

[Manuskriptseite 171]

Lebens schmekken, und das ist die Geburt der Aufmerksamkeit. Von diesem ersten Augeblik an geniesset sie; und wenn man an die Stelle des Iasmins einen widrigen Geruch brächte, so würde sie leiden: denn iedes fühlbare Wesen lebt nur durch's Vergnügen, oder durch den Schmerzen. Pandora verlangt noch nichts; sie befindet sich wol, ohne daß sie wünscht, sich besser zu befinden. Ihre Begierden werden mit ihren Kentnissen entstehen, und mit der Lieb' heftig werden. Der Iasmin ist weg, der Eindruk aber bleibt, nun ist 's Gedächtnis da.

 

[Ib-09-1780-0314]
Man hält der Pandora eine Rose vor: alsdann entwikkelt sich eine neue Fähigkeit ihrer Seele. Sie vergleichet diese neue Fühlung mit der vorhergehenden, und beurtheilt deren Verhältnisse. Ihre Begierden entstehen mit ihren Nothwendigkeiten, ihre Einbildung vergrössert ihre Sphäre der Thätigkeit. Wenn ihre Seele zuweilen leidend wird, so geschieht solches nur, wenn eine Fühlung lebhaft genug ist, ihre ganze Fühlbarkeit völlig einzunehmen: alsdann ist das Vergnügen eine Art der Trunkenheit, wo sie kaum geniesset; und der Schmerzen eine Betäubung, wo sie beinah' gar nicht leidet.

 

[Ib-09-1780-0315]
Pandora, welche der Ros' überdrüssig ist, wil den Iasmin haben, welchen sie nicht hat; ie mehr sie nach selbigen verlangt, ie mehr gewöhnt sie sich an 's Vergnügen: kurz

 

[Manuskriptseite 172]

diese Empfindung wächst zu einer Leidenschaft, und ihre unwissende Seele brennet – – für eine Blume.

 

[Ib-09-1780-0316]
Den Iasmin lieben, heist die Ros' hassen; ich irre mich, ihre heftige Begierde für oder wider ein Blumengeruch komt nur daher, daß sie nichts liebt, als sich selbst.

 

[Ib-09-1780-0317]
Schon lang' hoft Pandora die Zurükkunft des ersten Geruchs, und schon lange fürchtet sie die Fortdauer des gegenwärtigen. Wenn iezt Prometheus ihre Wünsch' erfült, so wird sie sich in der Zukunft erinnern, daß ihre Begierde befriedigt worden ist; sie wird alsdenn immer neuen Genus verlangen, und also einen Willen haben. Nachdem der Künstler die Fühlungen seiner Bildsäule bemerkt hat, so legt er sich auf die Bemerkung der Entstehung ihrer Ideen. Pandora, welche gesehen hat, daß ihr die Rose wechselsweis gefiel und misfiel, übt sich, die Idee des Vergnügens und Schmerzens von einander abzusondern, und nun ist sie im Lande der Abstrakzionen. Darauf bemerkt sie, daß diese Begriffe verschiedenen ihrer Arten gemein sind, und lernet, ihre Ideen veralgemeinern. – Sobald sie den Zustand, durch welchen sie geht, unterscheiden kan, so hat sie einen Begrif von der Zahl. Übrigens ist doch nichts eingeschränkter, als ihre Rechenkunst; ihr Gedächtnis kan nicht deutlich vier Einheiten fassen, und was über drei hinaus geht, hält sie für unendlich. Die Gewohnheit, mit welcher sie die Blumen auf ihrem Busen wechselsweis sieht, wird ihr diese Verände

 

[Manuskriptseite 173]

rung wahrscheinlich machen, und ihr den Begrif des Möglichen geben: vielleicht giebt ihr sogar die Gewisheit, welche sie hat, daß die verschiedenen Düfte, welche sie ausbreiten, sich nicht vermengen können, einen Begrif vom Unmöglichen. Sie erinnert sich, daß sie geniest, sie hoft, sie hat also eingeschränkte Kentnis vom Vergangenen, vom Gegenwärtigen, und vom Künftigen

 

[Ib-09-1780-0318]
a) Der Abt von Kondillak bemerkt hier, daß die Idee der Dauer nicht an und vor sich betrachtet schon möglich sei, und daß, wenn wir sagen, die Zeit verfliest geschwind oder langsam, diese Worte nichts anders bedeuten, als daß die Veränderungen, welche zur Abmessung der Zeit dienen, nicht mit unsern Ideen in einerlei Ordnung folgen. Wir wollen uns eine so zusammengesezte Welt, wie die unsrige ist, vorstellen, sie darf aber nicht grösser, als eine Haselnus sein. Ausser allem Zweifel werden darinnen die Gestirne mehr als tausendmal in einer von unsern Stunden auf und untergehen: es werden also, während daß die Erde dieser kleinen Welt um ihre Sonne laufet, ihre Bewohner so viel' Ideen haben, als wir in der Zeit haben, in welcher unsre Erde die gleichen Veränderungen hat; und da werden ihnen ihre Iahre so lang dünken, als uns die unsrigen.

 

[Ib-09-1780-0319]
Wir wollen noch eine andre Welt uns einbilden, unter welcher die unsrige so sei, als weit sie über die ]Fußnote wird auf folgender Seite fortgesetzt

 

[Manuskriptseite 174]

erstbesagte Welt ist. Ihre Bewohner würden in Ansehung unsrer sein, was wir in Ansehung der Haselnuswelt sind; und wenn wir über die Dauer die Thierchen und Riesen fragen, so werden die erstern Millionen Iahrhunderte rechnen, wenn die leztern, da sie kaum die Augen eröfnen, antworten werden, daß sie erst geboren worden sind. Aus diesem folgt, daß der Begrif der Dauer relativisch ist, weil sie von der Aufeinanderfolgung der Ideen abhängt. Ferner folgt, daß ein Augenblik der Dauer eines Wesens zugleich mit mehrern Augenblikken der Dauer eines andern bestehen kan: denn wir können uns Intelligenzen vorstellen, welche auf einmal Ideen fassen, welche wir nur nach und nach haben, und dieser Saz führt uns bis zum Begrif eines Geistes, welcher in einem Augenblik alle Kentnisse, welche die Geschöpfe nur in einer Folge von Iahrhunderten haben, in sich vereinigen würde: dieses höchste Wesen wird gleichsam ein Mittelpunkt dieser Welten sein, in welchen man so verschieden von der Dauer urtheilt, und indem 's auf einmal alles, was geschieht, wahrnimt, wird 's das Vergangene, das Gegenwärtige und die Zukunft im nämlichen Gemälde sehen. –. Ihre Träume stellen ihr ihre

 

[Manuskriptseite 174]

Vergnügungen und Kummer wieder vor, und sie bemerkt zwischen Schlafen und Wachen keinen Unterschied: sie weis eben so wol, daß sie ist, als sie sich dessen, daß sie gewesen ist, erinnert und diese zwo Empfindungen machen die Persönlichkeit

 

[Manuskriptseite 175]

aus. Aus dieser Erklärung folgt, daß die Bildsäule mit einem einzigen Sin all' unsre Fähigkeiten habe; ihr Verstand thut mit einem einzigen Sin Organ, was er mit fünf zusammen thun könte; das Gesicht, der Geschmak, das Gehör und besonders das Gefühl entwikkeln die Intelligenz der Pandora, allein der Geruch hat solche schon geschaffen.

 

[Ib-09-1780-0320]
Wenn Prometheus andre Sinnen gewählt hätte, seiner Bildsäule die erste Empfindung des Daseins zu geben, so würde der Gang Pandorens der nämliche gewesen sein, und man würde die nämliche Stufenordnung der Phänomenen in der Entwiklung ihrer Fühlbarkeit, wie in der Entwiklung ihrer Intelligenz bemerkt haben. Inzwischen entdekt der Philosoph in diesen neuen Modifikazionen der Seele verschiedene Schattirungen, bei welchen sich aufzuhalten, nicht ohne Nuzzen ist. Wenn Pandora durch die Resonanz eines tönenden Körpers in's Leben gerufen wird, so hat sie ein volkomneres Dasein, als durch den Organ des Geruchs. Denn wenn man ihr ein feines Gehör giebt, so wird sie mit dem Haupttone die Oktav von der Quint, die doppelte Oktav von der Terz unterscheiden, und's Vergnügen, welches aus der Harmonie verschiedener Tön' entspringt, ist grösser als das Vergnügen, welches die Empfindung eines einzigen Wolgeruchs giebt.

 

[Ib-09-1780-0321]
Das glüklich organisirte Ohr Pandorens wird sehr leicht das Geräusch vom Ton' unterscheiden, weil die erste Resonanz niemals etwas harmonisches hat; und bald wird 's das Konzert einiger Vögel dem widrigen Getös' eines einstürzenden Felsens vorziehen. Wenn sie mit dem

 

[Manuskriptseite 176]

Organe des Gehörs den Geruchsorgan vereinigt, so wird sie nach und nach sich gewöhnen, zwo Ordnungen der Fühlungen zu unterscheiden; und ihre Seele wird ein doppeltes Dasein gefunden zu haben glauben. Der Geschmak würde mehr als das Gehör, oder der Geruch zum Glük, oder Unglük Pandorens beitragen: denn der Hunger ist eine Nothdurft, und die Nothwendigkeit ihn zu stillen macht den Geruch einer Frucht reizender, als den Geruch einer Iulienne, oder 's Konzert etlicher Nachtigallen. Wenn die Bildsäule gleich stark fühlen, hören und essen kan, so kan der Geschmak den zween andern Sinnen nachtheilig sein; das Dasein der hungrigen Pandora wird ganz in ihrem Gaumen vorhanden, und sie für Wolgerüch' und Harmonie unempfindlich sein.

 

[Ib-09-1780-0322]
Wir wollen die Bildsäule wieder in 's Nichts zurükstürzen, und den Marmor nur durch Eröfnung der Augen bei hellem Licht zu leben anfangen lassen. Pandora wird alsdann Farben sehen, aber eine Kugel von einem Vierek nicht unterscheiden; sie wird sogar das lichtvolle Gemälde, welches ihr die Natur vorstelt, nur verwirt begreifen, so wie, wenn wir's erstemal in ein gothisches Gebäude gehen, die Menge der Verzierungen uns verhindert, die Bauart zu beurtheilen. Das Aug Pandorens gewöhnt sich nachher auf die blendenste Farbe sich zu heften. Wenn 's Ganze der sieben Grundfarben sich vor ihr durch Hülfe des Neuton'schen Prisma's entwikkelt hat, so mus sie gleich auf 's Rothe verfallen. Ihr ermüdetes Auge sucht bald auf einer sehr wenig lebhaftern Farb' auszuruhen, und wendet sich auf die Orangenfarbe. Darauf durchgeht's in der

 

[Manuskriptseite 177]

nämlichen Ordnung die Gelbe, die Grüne, die Blaue, die Purpur und Violetfarbe, bis endlich nichts mehr als die Schwarze übrig ist, und alsdann wird 's sich wahrscheinlicher Weise schliessen. Die Bildsäule lernt in der Folge mehrere Farben auf einmal übersehen; alsdann mus sie sich als eine Art einer färbichter Oberfläche betrachten, und sie wird eine zwar nur unvolkommene Vorstellung der Ausdehnung haben: denn die Figur, der Ort und die Bewegung sind vor ihren Augen nicht da; alles dieses hängt in ihrem Anbetracht von einer neuen Schöpfung ab.

 

[Ib-09-1780-0323]
Prometheus vergrössert 's Dasein Pandorens dadurch, daß er in ihr den Gefühlsorgan mit dem Organ des Gehörs, des Geschmaks und des Geruchs vereinigt; die Kett' ihrer Ideen verlängert sich alsdann, die Gegenstände des Genusses vermehren sich, allein ihre in einem engen Zirkel eingeschränkte Seele kan noch nicht ihre ganze Unwissenheit überwinden. Sie sieht, fühlt, schmekt und höret, ohne zu vermuthen, daß sie Augen, eine Nase, einen Mund und Ohren hat. Wann dann in der Zeit in welcher sie eine angenehme Frucht geniesset, ia ein Konzert hören läst, oder an ihren Seiten Weihrauch verbrennet, und ihren Blikken das mögliche Schauspiel des Augenklavirs vorstelt, so wird sie sich als einen Geschmak ansehen, welcher nach und nach wolklingend, wolriechend und farbenreich wird. All' ihre Beurtheilungen über die äusserlichen

 

[Manuskriptseite 178]

Gegenstände müssen unrichtig sein, weil sie denken, daß nur sie allein in der weiten Wüste der Natur vorhanden sei. Es ist Zeit, daß Prometheus den Sin des Gefühls in der Pandora entwikle. Der Künstler, welcher 's ganze Schauspiel ihrer Schöpfung sehen wil, schränkt anfänglich seine Geliebte blos auf den geringsten Grad der Empfindung ein. Pandora aller andern Sinne beraubt, lebt nur dadurch, daß sie die Handlungen ihrer Glieder, und besonders die Bewegungen ihres Athmens weis: dieses ist die Grundempfindung, und diesem Spiegel der Maschine hat sie ihr Leben zu danken.

 

[Ib-09-1780-0324]
Wenn sie in einem immer einförmigen Element' entstünde, so würde sie in der tiefsten Unwissenheit bleiben, allein die Kühle des Morgens folgt auf die angenehme Mässigung der Nachtluft, und die Mittagshizz' auf die Morgenkühle; sie unterscheidet alsdann verschiedne Fühlungen. Wenn ihre Füsse, während ihr Kopf den Sonnenstralen ausgesezt ist, vom Wasser einer Fontaine benezt werden, so erkent sie auf einmal zwo verschiedne Arten des Daseins, und sie bekomt eine verwirte Idee vom Ausgedehnten.

 

[Ib-09-1780-0325]
Welch ein neues Schauspiel zeigt sich? Der lebhafte Eindruk des Vergnügens hat sich dem Körper Pandorens mitgetheilt, ihre Muskeln ziehen sich zusammen und ihr Arm bewegt sich; diese neue Schönheit weicht der maschinenmässigen Bewegung. Sie irt mit ihrer Hand auf sich selbst herum, und fühlt Widerstand; sie urtheilt, daß sie einen Körper hat, und sie kan sagen: Ich.

 

[Manuskriptseite 179]

[Ib-09-1780-0326]
Darauf berührt sie einen fremden Körper, er giebt aber nicht Empfindung für Empfindung; wenn die Hand sagt: Ich, so bekomt sie nicht die nämliche Antwort. Dieses ist hinreichend, daß sie die äussern Gegenstände von ihrem eigenen Sein unterscheide; von iezt an hält sie sich nicht mehr für die ganze Natur.

 

[Ib-09-1780-0327]
So lange Pandora auf die Grundempfindung eingeschränkt gewesen ist, so lang' hat 's ihr gedünkt, daß ihr Sein nur in einem einzigen Punkt konzetrirt sei: seitdem sie aber den Gebrauch ihrer Glieder kent, sucht sie Abwechselungen ihrer Vergnügungen. Es gefält ihr, den Marmor, weil seine Fläche polirt ist, zu betasten, eine Frucht entzükt sie, weil sie solche ganz in ihrer Hand halten kan; auch ein Baum gefält ihr wegen der Verwunderung, worein sie die Grösse seines Umfangs sezt. Wenn so viele Bewegungen ihre Kräfte werden erschöpft haben, so werden ihre tumultuarischen Vergnügen verschwinden, und die Ruh' ihr lebhaftester Genus werden. Pandora kent schon die Ausdehnung, die Dauer und den Raum; sie kan einen andern Gegenstand ausser sich lieben, und ist der Neugierde fähig: diese leztere Empfindung wird sie den Anfällen des Schmerzens aussezzen. Sie geht, stöst an einen Palmbaum, wankt und fält mit Getöse; indem dieser Fal sie furchtsam macht, so erwekt er in ihr erst Vorstellungen des Fleisses, sie wird iezt mit Vorsicht und Mistrauen gehen; findet sie einen Stekken,

 

[Manuskriptseite 180]

so wird sie sich dessen zur Leitung ihrer Schritte bedienen. – Der Schmerz ist Pandoren nüzlich gewesen, er hat ihren Verstand verdoppelt. Das Gefühl ist der sicherste Sin; mit seiner Hülfe wird Pandora all' Augenblikk' in mehr Erstaunen gesezt. Sie vermengt ein Vierek nicht mehr mit einer Kugel, und die Richtung eines Bogens mit der geraden Richtung einer Binse, ihre Ideen von der Figur und Ausdehnung werden volkommener, und mit der Kunst des Archimedes berührt sie die Elemente. – Ihre Ideen vom Raum und der Dauer dehnen sich aus; ihre Einbildungskraft entdekt ihr eine unabsehlige Laufbahn, welche sie noch nicht hat durchlaufen können, und Augenblikke theils im vergangenen, theils in der Zukunft, welche sie nicht erreichen kan: alsdann verliert sie sich in einen unermeslichen Horizont, und ihr Gedanke scheint die ganze Ewigkeit zu umfassen. –

 

[Ib-09-1780-0328]
Pandora hört den Gesang der Vögel, das Rollen des Donners, das Rauschen des Wasserfals – sie sieht die Blizz' über sich leuchten – – dies alles möchte sie gern anrühren: und dieser so natürliche Irthum lernt ihr, die Weite zu beurtheilen. – Als sie's erstemal das Licht genos, so wuste sie nicht, daß die Sonne dessen Quelle war; sie wird davon durch die Nacht belehrt, welche mit ihrem Schleier alle Gegenstände, die sie umgaben, bedekte.

 

[Ib-09-1780-0329]
Die Pandora geniesset nun aller ihrer Sinnen. Sie vermuthet nicht, wenn sie ein Bedürfnis stilt, daß es wiederkommen werde. Sie liest nicht in der Zukunft;

 

[Manuskriptseite 181]

sie hat nicht mehr Vorsicht, als der Karaibe, welcher des Morgens sein Bet verkauft, und nur des Abends daran denkt, daß er sich wieder schlafen legen mus. Nach und nach wird sie durch die Erfahrung unterrichtet; sie denkt über 's Vergangene nach, und erstrekt ihre Vorsicht auf die künftigen Tage, und die Ordnung ihres Studirens ist durch ihre Bedürfniss' eingeschränkt. Sie misbraucht ihre Sinnen, der Schmerz bestraft sie deswegen, und sie lernt die schwere Kunst zu geniessen. – Sie ist sicher und fürchtet die blutgierigen Tieger nicht: aber die Erblikkung ihrer eignen Wunden zwingt sie, sich zu vertheidigen und selbst blutdürstig zu werden. –" Seit. 125–143.

 

[Ib-09-1780-0330]
5) Grosse Kette der Wesen – wo iedes fühlt; nur durch Grade verschieden! –

 

[Ib-09-1780-0331]
"Der Mensch macht Klassen, aber die Natur macht nur Individuen." S. 177.

 

[Ib-09-1780-0332]
"Das Gefühl wird durch eine sehr fein nuanzirte Stufenordnung vom höchsten Ende bis zum untersten, welches durch 's Atom ausgefült ist, immer schwächer, aber es stirbt nicht. – – –" S. 186.

 

[Ib-09-1780-0333]
"Wie kan man am organischen Bau der Metalle zweifeln? Zirkulirt nicht ein wirkender Saft in ihren Adern? Bemerkt man nicht genaue Verhältniss' in den verschiedenen Perioden ihres Lebens? Formiren nicht ihre in einander geflochtene Fibern, Klingen, Quasten und Gitter? Diese verschiedenen Zusammengattungen dieser fibrischen

 

[Manuskriptseite 182]

Bande machen, daß man auf dem Saphir die blaue Himmelsfarbe sieht, welche ihn schmükt, sie umgeben den Amethyst mit Purpurwellen, und geben dem Schmaragd dieses zitternde Licht, welches scharfsichtige Augen in unsrer Atmosphäre wahrnehmen." S. 191.

 

[Ib-09-1780-0334]
"Das Harz und der Schwefel verbinden die Erde mit den Metallen; der Vitriol vereinigt die Metalle mit dem Salz; die Krystallisirung das Salz mit den Steinen, der Amiant, Asbest und Nostoch die Stein' und die Pflanzen; der Polyp die Pflanzen mit den Insekten {Asbest und}; der Wurm, welcher Röhren hat, scheint die Insekten mit den Muscheln zu vereinigen; der Schnekke gränzt an die Muscheln und an die kriechenden Thiere; die Wasserschlange macht einen Übergang von den kriechenden Thieren zu den Fischen; die wilde Ent' ist ein Mittelding zwischen dem Fisch und dem Vogel; u. s. w." S. 207

 

[Ib-09-1780-0335]
"Die Pflanzen haben zwei Geschlechte, sie gebähren wieder Lebendige und haben Eier.

 

[Ib-09-1780-0336]
Sie ernähren sich, indem sie durch die Poren ihrer Wurzel die Nahrung einziehen. Der Mensch hat nur einen Mund, eine Zeder hat deren tausende.

 

[Ib-09-1780-0337]
Der Saft, welcher bei ihnen stat des Geblütes ist, zirkulirt bei ihnen in den Theilen, welche der grossen Pulsader und der vena cava gleich sind.

 

[Ib-09-1780-0338]
Das wachsende Thier wächst durch die weit feiner

 

[Manuskriptseite 183]

graduirte Entwiklung aller seiner Theile; wenn 's aufhört zu wachsen, so stirbt 's, und das ist sein Alter.

 

[Ib-09-1780-0339]
Die Pflanz' hat ihre Krankheiten, wie wir, als: Verstopfungen der Eingeweide, Geschwulst und Lähmungen pp. Die übeln Säfte der Erde, böse Ausdünstungen und verschiedene Körper verwunden sie, und die Natur heilt sie wieder. Die Pflanzen leiden Veränderungen nach dem Klima, unter welchem sie sind. Die Dunischen Pflanzen sind lauter immer Pygmäen, wie die Bewohner der heissen Zon' immer Schwarze sind.

 

[Ib-09-1780-0340]
Es giebt fühlende Pflanzen, welche zur Zeit des Sturms schlafen, und mit der Heiterkeit des Himmels wieder aufwachen. –" S. 210. 211.

 

[Ib-09-1780-0341]
"Es giebt eine Zeit der Kindheit, und eine Zeit des Alters für die Metalle; die Auflösung ist das End' ihres Lebens, wie bei den Thieren, sie vermehren sich auch; und ich zweifle nicht, daß man in der Zukunft Kieselsteine mänlichen Geschlechts, Gold weiblichen Geschlechts, und Hermaphroditen unter den Diamanten entdekken könne. –" S. 213.

 

[Ib-09-1780-0342]
Wenn's wahr ist, daß das Innere der Erd' eine regelmässige Vermischung verschiedner Metall' ist, wenn man auf ihrer Oberfläch' ein System des Dichten und Flüssigen entdekket;

 

[Manuskriptseite 184]

wenn ein richtiges Verhältnis zwischen den Wellen des Ozeans, und zwischen dem Gleichgewicht der Säft' in dem menschlichen Körper ist; wenn – – – Ich kan wahrlich! nichts bessers thun, als mit dem Pythagoras glauben, die Erde hab' eine Seele. –" S. 214.

 

[Ib-09-1780-0343]
6) Furcht und Hofnung sind immer beisammen.

 

[Ib-09-1780-0344]
"Die Furcht geht nicht ohne die Hofnung, weil diese zwo Leidenschaften, eine wie die andre, von der Wahrscheinlichkeit des Guten und Bösen abstammen. Ein Schiffer, dessen Schif erst durch den Sturm zu Grunde gegangen ist, zittert bei'm Anblikke des Todes, und schwimt noch, ihm zu entfliehen." – S. 299.

 

[Ib-09-1780-0345]
7) Bemerkung von der Anwendung unsrer Kräfte.

 

[Ib-09-1780-0346]
"Die Empfindung unsers Elends ist fähiger, heftige Leidenschaften zu erregen, als die Empfindung unsrer Kräfte. Ein Mensch, welcher alle Rettungsmittel seiner Seele kent, und weis, daß er sie nach Gefallen anwenden kan, unternimt nichts, und bleibt in einem trägen Zustande; allein der Mensch, welcher seine Unvolkommenheiten kent, empfindet eine wirksame Unruhe, welche ihn zwingt, sich ausserordentlich anzustrengen, und die Natur zu besiegen: der erste ist durch seine Stärke selbst schwach, und der andre durch sein Unvermögen stark. –" S. 239.

 

[Manuskriptseite 185]

[Ib-09-1780-0347]
XVIII.

 

[Ib-09-1780-0348]
Schriften von Helfrich Peter Sturz. Erste Samlung. Leipzig, bei Weidman's Erben und Reich. 1779.

 

[Ib-09-1780-0349]
1) Anekdoten und Bemerkungen.

 

[Ib-09-1780-0350]
"Ein Engländer und ein Franzos sind beide zum Tode verurtheilt, und ein Mönch sol sie dazu bereiten. Was hast du für eine Religion? fragt er den Engländer? Die Antwort: keine! Und du? (zum Franzosen:) celle, Monsieur, qui vous plaira (mit einer tiefen, geschmeidigen Verbeugung.) –" S. 29.

 

[Ib-09-1780-0351]
"Menschen, die sich wenig kennen, haben sich auch wenig zu erzählen; alle schwazzen, niemand unterhält sich. Man ist nirgends einsamer, als im Gedränge." S. 104.

 

[Ib-09-1780-0352]
"Wer eine Nazion darstellen wolte, in ihrem Wesen und Sein, müste mit vieler Menschenkentnis und lange forschen, aber auch nicht zu lange, weil sich endlich das Auge verwöhnt. Er müste wenig Reflexionen liefern, sondern Rede, Handlung, Leidenschaft, unter Verliebten, Kindern, Vätern, Gatten, unter Fürsten und Knechten, Gruppen aus der wallenden Natur, so würd' anschaulich, wie sie mit einander das Leben geniessen, oder ertragen, wie sie leiden, wie sie sich freuen. – –" S. 106. 107.

 

[Manuskriptseite 186]

[Ib-09-1780-0353]
"Wer, in einer goldnen Mittelmässigkeit, unbemerkt durch's Leben schleicht, begreift Rousseau's Menschenfeindschaft nicht, oder findet sie übertrieben; aber lernt euer brüderliches Geschlecht an Höfen, lernt eure Nebenbuhler im Amt, im Verstand, im Glük kennen, erhebt euch durch irgend ein Verdienst, und glaubt in der Unschuld eures Herzens, daß man euch liebt und schäzt, weil man euch umlächelt und umarmt. Wenn endlich unter euch der Boden wegsinkt, durch freundliche Mörder umgraben – dann seht, wie sich eure Freunde retten, als vergiftet ihr die Luft; wie eure Klienten euch für genossene Wolthaten anspein; ertragt der Glüklichen stolzes, niedertretendes, erwürgendes Mitleid, und liebt die Menschen, wenn ihr könt. –" S. 133. 134.

 

[Ib-09-1780-0354]
"Der Medizinä Doktor Rodelif wolte seinen Pflasterer nicht bezahlen. Du hast, sprach er, schlechte Arbeit gemacht, und sie mit Erde bedekt; und das ist, gab der schlimme Pflasterer zur Antwort, meine schlechte Arbeit nicht allein, die mit Erde bedekt wird." S. 206.

 

[Ib-09-1780-0355]
"Swift predigt' in der leeren Kirche zum Küster: "Meister Robert, es vermahnt uns beide der heutige Text" u. s. w. – –" S. 214.

 

[Ib-09-1780-0356]
2) Unrechtmässigkeit der Todesstrafen.

 

[Ib-09-1780-0357]
""Was ist am Leben einiger Schurken gelegen, da der

 

[Manuskriptseite 187]

Krieg doch ganze Völkerschaften wegfrist?" Freilich ist's um nichts besser, auf die Autorität eines Manifests, oder nach dem Text der Halsgerichtordnung zu morden; aber, wenn auch keine Heldentugend gezähmt werden kan, so gelingt 's uns vielleicht ein veraltetes Gesez verdächtig zu machen. Da's nicht in unsrer Macht steht die Pest zu vertilgen: sol darum auch kein Fieber geheilt werden? Die Erd' ist mit Menschenopfern bedekt, und darum eben verlohnt 's sich der Mühe, auch nur einige unsrer Brüder zu retten. Nie werd' einem das Leben genommen, wann nicht der Verbrecher ein Friedensstöhrer ist, wann nicht sein Anhang Empörung unterhält, wann nicht sein Leben der Tod guter Bürger werden kan. In iedem andern Fall' ist die Todesstraf' eine überflüssige Grausamkeit, weil die Erfahrung aller Länder und Zeiten bestätigt, daß Verbrechen nicht durch gelinde Strafen vermehrt, und nicht durch strenge gemildert werden. Ist man darum in Marokko seines Eigenthums sicherer, weil man die Räuber mit Säbelhieben zerstükt, oder in Algier, wo man sie vom Thurm herabschleudert und mit eisernen Haken auffängt? Nirgends giebt's blutdürstigere Übelthäter als in Italien und Frankreich, wo man am meisten rädert und köpft; nirgends wird mehr auf der Landstrasse geraubt, als in England, wo kein Räuber dem Galgen entrint; und nirgends reist man unbeleidigter als in Dänemark und Holstein, wo man keine Diebe mehr hängt.

 

[Manuskriptseite 188]

[Ib-09-1780-0358]
Die Ursache liegt nicht allein im Klima, oder im eigenthümlichen Karakter der Nazionen; denn die russische Kaiserin herscht von Kamtschatka bis nach Astrakan, fast unter allen bewohnten Himmelsstrichen, und dennoch gelingt 's ihr, nach dem Beispiel ihrer Vorgängerin, Ordnung und Sicherheit ohne Todesstrafe bei hundert ungebildeten Völkern zu erhalten. Rusland hat uns früh verfeinerte Europäer in Wissenschaften und Künsten erreicht und an Menschlichkeit übertroffen. Gelinde Strafen und Eigengewalt sind eine seltne Erscheinung in der Geschichte. Als der erste Mensch im gerichtlichen Pomp auf 'm Rade zerschmettert ward, bebte gewis vor Entsezzen und Abscheu die ganze Versamlung der Zuschauer; aber wir gewöhnen uns endlich an den blutigen Aufzug. Iede Exekuzion wird ein Schauspiel für den Pöbel, bei welchem auch mancher feine Man eine Erholungsstunde zubringt. – Das andächtige Schauspiel unsrer Hinrichtungen wirkt oft so sehr dem Endzwekk' entgegen, daß es nur zu Übelthaten reizt. Es darf nur einem Schwärmer nur einfallen, daß ihn der Tod vielleicht unbereitet überfält, um ruhig eine Kehl' abzuschneiden, damit er Zeit gewinne, sich selig zu beten; andre sind eines elenden Lebens müde und drängen sich durch ein Verbrechen zum Tode. Für beid' ist nur das Leben eine Strafe. – Ist Verhältnis zwischen Straf' und Verbrechen, wenn ein Elender aufhören sol, zu sein, weil er am Überflus des Reichen ein wenig genagt

 

[Manuskriptseite 189]

hat? Fürchtet ein philosophischer Spizbube den Strang, der die Arbeit hasset und das Vergnügen liebt, der die Ungleichheit des Eigenthums tadelt, der erwägt, daß uns allen ein mannigfaltiger Tod droht, und daß iede Krankheit ärger als ein flinker Henkersknecht martert? Wird ihn eine schlimme Viertelstunde mehr als ein mühseliges Leben unter 'm Prügel abschrekken? Ich glaube mit Voltairen, daß ein gehenkter Schelm zu nichts taugt, anstat daß er an der Kette noch etwas zum Vortheil der Geselschaft erwirbt. – –

 

[Ib-09-1780-0359]
An einer starken Kette sind Mörder eben so wenig gefährlich, als die Löwen im Tower. Unser Recht, den Mörder zu töden, sol sich auf 's Recht der Wiedervergeltung gründen. Wie ungereimt! Wenn ihr den Todschläger wieder todschlagen wolt, so mus auch der Ehebrecher gerichtlich angehalten werden, seine Frau in 's Bet des Beleidigten zu führen; eine Art der Genugthuung, die oft schlimmer sein mögte, als die Beleidigung selbst. –" S. 233–238.

 

[Ib-09-1780-0360]
XVIIII.

 

[Ib-09-1780-0361]
Logik und Metaphysik von Iohann Georg Heinrich Feder. Prof. der Philosophie auf der Georg=Augustus Universität. Vierte vermehrte Auflage. Göttingen und Gotha, verlegt 's Iohann Christian Dieterich. 1774.

 

[Ib-09-1780-0362]
1) Von Gefühl und Vernunft.

 

[Ib-09-1780-0363]
"Das Gefühl ist gleich einem Schiffer, der sich immer nahe an 's Ufer hält; die Vernunft gleich einem Seefahrer, der den Ozean durchkreuzt. Ist mehr Gefahr bei 'm leztern; so ist auch

 

[Manuskriptseite 190]

mehr Hofnung des Gewinstes. Aber die Grundgesezze der Empfindung müssen der Vernunft sein, was dem Seefahrer der Kompas ist. –" Seit. 163.

 

[Ib-09-1780-0364]
2) Widerlegung einiger Einwürfe gegen das Monadensystem.

 

[Ib-09-1780-0365]
"Alles Zusammengesezte ist ein Aggregat von einfachen Substanzen. Und wenn man auch eine Theilung eines ieden zusammengesezten Dinges in 's Unendliche annehmen wolte, so würd' ia doch dadurch die Realität der einfachen Substanzen nicht aufgehoben, daß man ihrer in iedwedem zusammengesezten Ding' unendlich viel' annähme. –

 

[Ib-09-1780-0366]
Aber wenn die einfachen Substanzen denn also keine Ausdehnung, Figur, Grösse pp. hätten: so wären sie ia nichts, oder so gut als nichts, mathematische Punkte? Dieser Schlus ist sichtbarlich übereilt. – Wie sol aber immerzu aus Dingen, die keine Gröss' und Ausdehnung haben, ein Ding werden, so Gröss' und Ausdehnung hat? Ich denke, die Frag' ist im Grund von eben der Art, wie diese andere, wie aus einzelnen Körnern ein Haufe, oder aus einzelnen Soldaten eine Armee werden könne; wie einzelne Buchstaben ein Heldengedicht ausmachen können, welches Karakter, Interesse, und hundert Eigenschaften hat, die seinen Elementen einzeln nicht zukommen? Aber eines noch; wie können die Monaden, wenn sie keine Theile, Grösse, Figur, folglich keine Seiten haben,

 

[Manuskriptseite 191]

einander berühren, damit die zusammengesezten Dinge daraus werden, deren Theile zusammenhängen? Das weis ich nicht. Aber müssen sie denn einander berühren? Könte nicht eine anziehende, oder eine uns unnenbare Kraft dies Phänomen bewirken? –" Seit. 326. 327. 328.

 

[Ib-09-1780-0367]
3) Wiederlegung des folgenden Einwurfs gegen die beste Welt: "Sie kan nicht die beste sein, weil sie endlich sein mus, und also, da iedes Endliche eine Vermehrung zuläst, sich immer eine bessere denken läst."

 

[Ib-09-1780-0368]
"Diesen Einwurf kan man umkehren und gerade das Gegentheil daraus schliessen: Weil eine iede Welt nothwendig endlich ist; so ist keine mögliche Welt unendlich. Folglich ist auch die beste der möglichen Welten endlich. Es ist also nicht widersprechend, eine Welt, die endlich ist, für die beste zu halten; so wenig 's widersprechend ist, unter allen möglichen Menschen einen für den besten zu halten; obgleich ein Mensch etwas endliches ist. Wider den Grundsaz, daß alles Endliche eines Zuwachses fähig ist, der bei 'm ganzen Beweise zum Grunde liegt, läst sich wenigstens mit Recht einwenden, daß derselbe nur also angenommen werden darf: wider den algemeinen Begrif der Endlichkeit ist 's nicht, sich einen Zuwachs bei einem endlichen Dinge zu gedenken; aber es könte demohngeachtet wider den individuellen Begrif irgend eines endlichen Dinges sein." S. 421.

 

[Manuskriptseite 192]

[Ib-09-1780-0369]
XX.

 

[Ib-09-1780-0370]
Kleine Kinderbibliothek, herausgegeben von I. H. Kampe. Fünfter Theil. Hamburg, in der Herold'schen Buchhandlung. 1780.

 

[Ib-09-1780-0371]
1)

 

[Ib-09-1780-0372]
An ein neugebornes Kind.
"Sei wilkommen uns im Erdenleben,
Du gewünschter Knabe, sei gegrüst!
Sieh! wir freu'n uns deiner, sieh' wir heben
Unsre Hände hoch, von wo du kommen bist;
Blikken dankend auf und flehen Seegen
Auf dich kleinen Erdengast herab,
Für dein ganzes Pilgerleben Seegen
Aus der treuen Vaterhand, die dich uns gab.
Schön ist, lieber Pilger! schön der Pfad zu gehen,
Sieh! mit Rosen ist er überstreut;
Horch der Schattenbäume lieblichs Wehen,
Sieh' der Lilie silberweises Kleid!
Dich umfliest ein lichter blauer Himmel,
Dich umstralt der hohen Sonne Glanz,
Und ein Mond bescheint dies Erdgewimmel,
Schön geschmükt mit einem Sternenkranz.
Und noch tausend, tausend Gottesgaben
Sind auf Erden rund um mich gesä't;
Und die alle solst du, Liebchen, haben,
Wenn dein Herz erst den Genus versteht.

 

[Manuskriptseite 193.]

O wir woll'n, dich ihn zu versteh'n zu lehren,
Brauchen süsse Red' und süssen Sang,
Und du wirst mit freudiger Begier uns hören,
Und wir ernten frühe deinen Dank.
Wirst dann wandeln unter Blüthenbäumen,
Unter Gottes lieben, lichten Mond,
Und die Tugend wird in deinem Herzen keimen,
In den Herzen, wo die Unschuld wohnt.
Sei wilkommen uns im Erdenleben!
Wir empfangen dich mit frohem Sang,
Du gewünschter Knabe, sieh', wir heben
Unsre Händ' empor zum frohen Dank. –"

S. 4. 5.

 

[Ib-09-1780-0373]
2)

 

[Ib-09-1780-0374]
Der Mond!
"Nunmehr blikket der Mond mit reinerm ruhigen Antliz,
Auf die Gefilde herab, die traurig liegen und schlummern.
Sanfter rolt der rieselnde Bach die silbernen Wellen,
In dem blinkenden Schein durch stille Wiesen und Thäler.
Matter säuselt der West durch 's Laub der zitternden Espen,
Wandelt im Hain, und komt mir entgegen mit stillem Gelispel.
Sol ich hinein in 's Dunkel geh'n, wo zakkigte Tannen
Halb vom Monde beglänzt und halb mit schwärzerem Grüne
Unter die Schatten der Nacht sich mischen und freudenlos trauern?
Oder besuch' ich dort die mat erleuchtete Eiche?
Schlummernd ragt das Dorf hervor aus waldichten Linden;

 

[Manuskriptseite 194.]

Einsam stehet am Ende die Kirche, von welcher der Schatten
Halb den Kirchhof verhült. Dahin, o ernstere Muse,
Las uns wandeln und dort Gedanken der Sterblichkeit athmen. – –"

S. 157. 158.

 

[Ib-09-1780-0375]
XXI.

 

[Ib-09-1780-0376]
Von Geistern und Geistersehern. Herausgegeben vom Verfasser der Abhandlung von den Ahndungen und Visionen. Leipzig, in der Weigand'schen Buchhandlung. 1780.

 

[Ib-09-1780-0377]
1) Von ganz dunklen Ideen.

 

[Ib-09-1780-0378]
"Es ist widersprechend zu sagen, man stelle sich etwas vor, und wisse nicht, was man sich vorstelt; man hab' eine Idee, und wisse nicht, daß man sie habe. Das Bewustsein, daß man eine Vorstellung hat, gehört so unzertrenlich zu ieder Vorstellung, daß sich ohne dieses keine Vorstellung im eigentlichen Verstande denken läst; denn daß wir sagen, wir haben Vorstellungen, oder haben keine, geschieht aus dem einzigen Grunde, daß wir wissen wir haben sie, oder haben sie nicht; wir können nicht sagen, wir denken an ein Dreiek, wenn wir uns nicht bewust sind, daß wir diese Vorstellung haben. Giebt 's also Vorstellungen oder Ideen ohne Bewustsein; so sind wir dadurch völlig ausser Stand gesezt, uns von unsern eignen Gedanken Rechenschaft zu geben, weil 's möglich ist, daß wir gerade zu der Zeit eine Vorstellung haben, da wir glauben, sie nicht zu haben. Wir verlieren auch

 

[Manuskriptseite 195]

eben dadurch all' Herschaft über unsre Herschaft und Begierden, denn wie können wir 's regieren, wovon wir nichts wissen? und wie können wir vor die Güt' unsrer Gesinnungen und Absichten stehen, wenn 's möglich ist, daß wir eben zu der Zeit die schlechtesten und niedrigsten haben, da wir uns von den besten und edelsten beseelt zu sein glauben. –" S. 5. 6.

 

[Ib-09-1780-0379]
2) Bemerkung von der Einbildungskraft.

 

[Ib-09-1780-0380]
"Die alzufeurige Vorstellung und das alzuheftige Verlangen nach einer Sache pflegt sogar den Gegenstand, der eine blosse Eigenschaft und Beschaffenheit einer Substanz ist, in eine für sich bestehende Sache zu verwandeln. –" S. 13.

 

[Ib-09-1780-0381]
3) Von der Furcht.

 

[Ib-09-1780-0382]
"Die Furcht macht die Täuschung noch leichter als die Hofnung. Das Fürchterliche hat, wegen der Idee des Erhabnen, mit welchem 's in Verbindung steht, einen starken Reiz für die Menschen. Man kan sich kaum enthalten, auf einen fürchterlichen Gegenstand wenigstens einen schüchternen Blik zu werfen, der aber zu flüchtig ist zur Untersuchung. Die entfernteste Ähnlichkeit zeigt uns alsdenn das Gefürchtete in seiner ganzen Grösse. Wir sehen nicht, was da steht, sondern was wir fürchten. –" Seit. 23. 24.

 

[Manuskriptseite 196]

[Ib-09-1780-0383]
4) Was in unserm Gesichtskreis liegt oder nicht liegt.

 

[Ib-09-1780-0384]
"Dieses Bild Dieses Bild] Abbildung: scannen!– MIWI stelt 's Auge mit seinem Gesichtskreis vor. Bei a ist das Zentrum des halben Zirkels b f e d c. In diesem Punkte liegt der Stern des Auges, wodurch 's Licht fält. Nun können aus iedem Punkte des halben Zirkels, wenn man die Punkte b und c ausnimt, Lichtstralen in 's Auge fallen; aber die Stralen, die ein deutliches Sehen verursachen sollen, müssen so einfallen, daß sie auch zugleich durch die krystallene Linse des Auges, x y durchfallen, die in einiger Entfernung hinter dem Augenstern liegt. Daher kan kein Punkt der Bogen c d oder b f sichtbar werden, und nur die Punkte des Zirkels, die im Bogen fed liegen, sind durch 's Gesicht empfindbar. Aus dieser Beschaffenheit des Augs folgt, daß eben nicht alle Menschen einerlei Gesichtskreis besizzen, weil 's auf die Grösse der Krystalllinse x y ankomt, die nicht bei allen Menschen völlig einerlei sein mus. –" S. 213. 214.

 

[Ib-09-1780-0385]
5) Die Vertreibung des Teufels – von Sangerhausen.

 

[Ib-09-1780-0386]
"Als Semler aus der Welt den Satanas vertrieb,

 

[Ib-09-1780-0387]
Und ieder Orthodoxe dawider schrie und schrieb,

 

[Ib-09-1780-0388]
Sprach Satanas, gestüzt auf seinem Wanderstabe:

 

[Ib-09-1780-0389]
Mich dauert die Welt, wo ich so wahre Freunde habe. – –" Seit. 338.

 

[Manuskriptseite 197]

[Ib-09-1780-0390]
XXII.

 

[Ib-09-1780-0391]
Moses Mendelssohn's philosophische Schriften. Erster Theil. Berlin, bei Christian Friedrich Vos 1761. a) Sieh' den 5ten Band dieser Auszüge Seit. 39 folg. Mendelssohns Schriften sind werth, mehr als ein mal gelesen zu werden – werth, daß man sie ganz abschriebe. Was ich dort versäumt habe, ist hier wieder ersezt worden.

 

[Ib-09-1780-0392]
1) Rechtfertigung der Vorsehung gegen den Tadler derselben.

 

[Ib-09-1780-0393]
"Das allervolkommenste Wesen mus an solchen Begebenheiten Gefallen finden, die in einander gegründet sind, aus denen die weiseste Ordnung hervorleuchtet. Die vernünftigsten Tadler der Vorsehung sehen die Möglichkeit wol ein, daß diese Welt so unvolkommen sie auch scheint, dennoch die allervolkommenste Verknüpfung zufälliger Dinge sein könne; daß vielleicht nicht die geringste Verbesserung darin vorgenommen, nicht das kleinste Übel aus der Verknüpfung gerissen werden könte, ohne nach dem Laufe der Natur im Ganzen weit grössere Übel anzurichten. Allein die weise Verknüpfung selbst ist für sie ein Stein des Anstosses. "Grausamer Schöpfer! rufen sie aus. Die Verkündigung deiner Weisheit war die Quell' unsers Elends. Du hast in der Welt unzählige Übel eingeflochten, und warum? Blos um die schöne Ordnung nicht zu brechen, blos um das Werk deiner Weisheit die Verknüpfung der Dinge nicht zu zerstören?" – Wir wollen einen von diesen

 

[Manuskriptseite 198]

Unbesonnenen sich erklären lassen:

 

[Ib-09-1780-0394]
Ich gesteh' es, kan er sagen; die Wesen haben nimmermehr schlechterdings volkommen geschaffen werden können. Ia ich räum' endlich ein, daß, wenn eine Verbindung der Ding' hat sein müssen, vielleicht die allerbeste wirklich geworden ist. Allein wozu diese Verknüpfung? Hat 's bei Got gestanden, (und man gestehe, daß es in seiner Macht gestanden), warum hat er nicht ein iedes Übel in der Welt durch ein Wunderwerk gehoben? Es wären unzählige andere Übel daraus erfolgt? Auch diesen hätt' er durch Wunderwerke zuvorkommen sollen. Es wären grössere Güter aussengeblieben? Wunderwerk' hätten sie hervorbringen können. Was vermag die Almacht nicht? Die Welt hätt' aufgehört ein Spiegel der götlichen Weisheit zu sein! Elende Ausflucht! Was liegt daran? Die Geschöpfe wären glükselig gewesen, und, o Unbegreiflicher! blos aus Güte solst du sie zum Dasein gerufen haben.

 

[Ib-09-1780-0395]
Allein gesezt, würd' ich ihm antworten, du hättest ein Recht von der Almacht alles mögliche zu fodern, bedenkest du auch, wie deine Forderung in 's Werk zu richten sei? All' Übel, die vernünftigen Geschöpfen aufstossen können, bestehen in der Vorstellung einer Unvolkommenheit. So hätte Got alle Vorstellungen von Unvolkommenheiten durch Wunderwerk' heben sollen?

 

[Ib-09-1780-0396]
"Allerdings!"

 

[Ib-09-1780-0397]
Und wenn aus dem Zustande meines Körpers in der

 

[Manuskriptseite 199]

Welt (denn nach ihm richten sich alle meine Gedanken) erfolgt, daß ich mir in diesem Augenblikk' eine Unvolkommenheit vorstellen werde; so sol mich die götliche Almacht plözlich in einen seligern Zustand versezzen?

 

[Ib-09-1780-0398]
"Ich sehe nichts ungereimtes hierin."

 

[Ib-09-1780-0399]
Dieser veränderte Zustand hätt' in meinem iezzigen nicht gegründet sein dürfen?

 

[Ib-09-1780-0400]
"Worzu dieses?"

 

[Ib-09-1780-0401]
"Sezze deinen Forderungen kein Ziel. Um dem Schöpfer alle Mittel zur Rechtfertigung zu benehmen; so verlange Wunderwerk' auf Wunderwerken, eine Welt voller Wunderwerke, die kein Plan, kein Zusammenhang verbindet, die aber, wie du glaubst, zur besten Absicht übereinstimmen. Sage z.B. er hätte mit iedem Augenblikke die zerbrächliche Beschaffenheit meines Körpers, und den unvolkommenen Zustand meiner Seele durch ein Wunderwerk verbessern sollen. Wo du 's bei einigen wenigen Wunderwerken bewenden lässest, so gilt die Ausflucht immer noch; Sie würden nach dem Laufe der Natur erstaunliche Unordnungen nach sich gezogen haben.

 

[Ib-09-1780-0402]
"Worzu ein Lauf der Natur? Nicht ein einziger Zustand mag in dem gegründet sein, der vor ihm hergegangen."

 

[Ib-09-1780-0403]
O! so sage vielmehr, Got sol mit iedem Augenblik Sel'

 

[Manuskriptseite 200]

und Körper töden, und anders erschaffen. Erweg' es wol, deine Forderung zielt handgreiflich auf diese Ungereimtheit hinaus. So lange die Veränderungen eines Dinges mit einander verknüpft sind, kan 's sich unter tausend verschiednen Gestalten zeigen, und immer noch eben dasselbe bleiben. Dasselbe Insekt wird in verschiednen Verwandlungen ein Wurm, eine Puppe, und ein Käfer; dieselbe Pflanze war Samen, wird ein Keimlein, und schiest zum Baum' auf. Warum? In iedem Zustande lag die Grundbildung der werdenden Gestalt. Im Wurme schon, ia im Eie selbst, war 's Bild des künftigen Käfers, und im Samen der beiahrte Baum verwikkelt anzutreffen. Hebe die Verknüpfung dieser wandelbaren Gestalten auf; las das Keimlein, das bestimt war zum Sprösling heran zu wachsen, durch ein Wunderwerk plözlich in einen Käfer verwandelt werden; die Almacht vermag auch dieses. Hört nicht hier die Pflanz' auf, und ein neues Wesen wird geschaffen? Und geschieht dieses nicht, weil der Zustand der Pflanze mit dem Käfer in keiner Verbindung stehet?

 

[Ib-09-1780-0404]
Was ist deine Forderung anders? Um der Seele keine Unvolkommenheiten vorstellen zu lassen, sol Got mit iedem Augenblikke neue Wesen erschaffen, und die vorigen zernichten? Denn zernichten würd' er sie, wenn der Zustand, darin er sie versezte, mit dem vorhergegangenen gar nicht verknüpft wäre.

 

[Ib-09-1780-0405]
Wenn mein Gegner seine Neigung zu widersprechen auf 's höchste treibt, was kan er hierwider sagen? Vielleicht, daß es besser wäre die Wesen nur einen Augenblik

 

[Manuskriptseite 201]

glüklich leben, als zum Elend' Iahrhunderte fortdauern zu lassen? Seichte Verdrehung! War dieses unser Streitpunkt? O Nein! Alle Wesen wolt' unser Widersacher fortdauern, und, durch Aufhebung der Verknüpfung in der Welt, glüklich fortdauern lassen. Ihre Zernichtung verlangen, ist eine andre Thorheit, deren Blösse man so oft und so glüklich aufgedekt hat. – –" Seit. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. b) Die ungereimten Folgen, die noch aus diesen Voraussezzungen herfliessen, sehe man im 5ten Bande Seit. 47. 48.

 

[Ib-09-1780-0406]
2) Das Wesen der einfachen Dinge besteht in ihren Kräften.

 

[Ib-09-1780-0407]
"Daß das Wesen der einfachen Ding' in ihren Kräften bestehe, wird wol niemand in Abrede sein, wenn er bedenkt, daß alle Veränderungen, die einem einfachen Dinge zukommen können, in der Abwechselung der Grade bestehen müssen; denn keine Theile können versezt, nichts hinzugethan, auch nichts davon genommen werden. Daher ist die Kraft, der Grund alles dessen, was einem einfachen Dinge zukommen kan, und folglich sein Wesen. –" S. 154.

 

[Ib-09-1780-0408]
3) Beweis des Sazzes des nicht zu unterscheidenden.

 

[Ib-09-1780-0409]
Kallisthen.

 

[Ib-09-1780-0410]
"Wenn alles auf 's genauste mit einander verknüpft ist; so können in verschiedener Verbindung des Raums und der Zeit unmöglich zwei volkommen ähnliche Ding' anzutreffen sein, ohne daß die ganzen Reihen von beiden Seiten sich volkommen ähnlich wären. Wie geht dieses aber an, wenn wir diese beiden Dinge nicht in zwei ähnliche Welten versezzen wollen?

 

[Ib-09-1780-0411]
Numesian.

 

[Ib-09-1780-0412]
Ia nun! Wenn 's weiter nichts ist; so wollen wir immer zwei ähnliche Welten vorhanden sein lassen. Wer die Existenz

 

[Manuskriptseite 202]

zweier nicht zu unterscheidender Ding' annimt; der wird ganz gewis kein Bedenken tragen, mit dem Demokritus auch volkommen ähnliche Welten für möglich zu halten.

 

[Ib-09-1780-0413]
Kallisthen.

 

[Ib-09-1780-0414]
O! des nichts ist leichter, als die Unmöglichkeit vieler Welten, die sich volkommen ähnlich sind, zu beweisen. Denn entweder werden sie mit einander verknüpft sein, oder nicht. Sind sie 's, so machen sie nicht mehr als eine einzige Welt aus, denn alles gehört durchgehends zu einer einzigen Kette. Sind sie 's nicht; so müssen sie entweder in etwas verschieden sein, oder sie sind sich volkommen ähnlich. Im ersten Falle kan unmöglich etwas volkommen ähnliches in beiden Welten anzutreffen sein, weil in iedem eins mit allem auf 's genauste verknüpft sein mus, und im leztern Falle sind diese Welten gar nicht von einander zu unterscheiden. Ich meine, sie sind auch nicht einmal durch den Raum, oder durch die Zeit zu unterscheiden, und ihre Verschiedenheit ist eine blosse Chimäre.

 

[Ib-09-1780-0415]
Numesian.

 

[Ib-09-1780-0416]
Eine blosse Chimäre? Und warum? Heist dieses nicht den Saz des nicht zu Unterscheidenden voraussezzen, eben da man ihn beweisen solte?

 

[Ib-09-1780-0417]
Kallisthen.

 

[Ib-09-1780-0418]
Nicht doch! Sie wissen, daß zwei ähnliche Dinge, die auch nicht einmal durch den Raum, oder durch die Zeit erkant und von einander unterschieden werden können, Iahrhunderte vor Leibniz eben so viel galten, als zwei Dinge, die nicht zwei sind. Man mag einen einzigen Begrif so vielmal hinsezzen, als man immer wil, so machen diese Hinzusezzungen nur deswegen eine Vielheit aus, weil die eine, entweder nach der andern, oder neben der andern angenommen angenommen wird. Was heist dieses aber anders, als, weil sie in einem verschiednen Raume, oder zu verschiednen Zeiten angenommen werden?

 

[Manuskriptseite 203]

[Ib-09-1780-0419]
Hebt man diesen Unterschied auf, so werden alle diese Begriffe gleichsam zusammenfliessen, und blos ein einziges Ding ausmachen. Wenn Leibniz die innere Möglichkeit zweier ähnlichen Dinge zugesteht; so versteht er 's nur auf so, daß Got sich eben dasselbe Ding in verschiedner Verbindung der Zeit, oder des Raumes vorstellen könne, wenn er 's vermöge seiner unendlichen Weisheit für gut befände. Got kan sich so wenig zwei Dinge vorstellen, die keinen äusserlichen und innerlichen Unterschied haben, als es unmöglich ist, sich zwei Dinge vorzustellen, die nicht zwei sind. – –" Seit. 246. 247. 248. 249.

 

[Ib-09-1780-0420]
XXIII.

 

[Ib-09-1780-0421]
Mendelssohn's philosophische Schriften. Zweiter Theil. Berlin, bei Christian Friedrich Vos 1761.

 

[Ib-09-1780-0422]
1) Über die Grundsäzze der schönen Künst' und Wissenschaften.

 

[Ib-09-1780-0423]
"Ist die Erkentnis der Volkommenheit sinlich; so wird sie Schönheit genant. Man nent aber eine Erkentnis sinlich, nicht blos wenn sie von den äussern Sinnen empfunden worden; sondern überhaupt, so oft wir von einem Gegenstand' eine grosse Menge von Merkmalen auf einmal wahrnehmen, ohne sie deutlich auseinander sezzen zu können. Die verständliche Volkommenheit erleuchtet die Seele, und befriedigt ihren urprünglichen Trieb nach bündigen Vorstellungen. Wenn sie aber die Triebfedern des Begehrungsvermögen in Bewegung sezzen sol, so mus sie sich in eine Schönheit verwandeln; die einzelne Begriffe der Mannigfaltigkeit müssen ihre ermüdende Deutlichkeit verlieren, damit 's Ganze

 

[Manuskriptseite 204]

in desto verklärterem Licht' hervorstralen könne. Es folgt hieraus, daß alles, was den Sinnen als eine Volkommenheit vorgestelt zu werden fähig ist, auch einen Gegenstand der Schönheit abgeben könne. Hieher gehören alle Volkommenheiten der äusserlichen Formen, das heist, der Linien, Flächen und Körper, die Überstimmung mannigfaltiger Tön' und Farben, die Ordnung in den Theilen eines Ganzen, alle Fähigkeiten unsrer Seele, alle Geschiklichkeiten unsers Körpers; und sogar die Volkommenheiten unsers äussern Zustandes, worunter man Ehre, Bequemlichkeit und Reichthümer versteht, können davon nicht ausgenommen werden, wenn sie geschikt sind, sinlich volkommen vorgestelt zu werden.

 

[Ib-09-1780-0424]
Das algemeine Mittel, unsrer Sele zu gefallen, ist die sinlich=volkommene Vorstellung. Und da der Endzwek der schönen Künst' ist, zu gefallen; so können wir folgenden Grundsaz als ungezweifelt voraussezzen: das Wesen der s. K. u. W. besteht in einer künstlichen sinlich=volkommenen Vorstellung, oder in einer durch die Kunst vorgestelten sinlichen Volkommenheit.

 

[Ib-09-1780-0425]
Die Gegenstände können entweder in der Natur anzutreffen, oder erdichtet sein. In beiden Fällen mus der Ausdruk, dessen sich die Kunst bedient, unsre Sinne täuschen. Das heist, wir müssen eine solche Menge von Merkmalen auf einmal wahrnehmen, daß wir die Sache selbst uns lebhafter vorstellen, als die ausdrükkenden Zeichen; und zwar um so viel lebhafter,

 

[Manuskriptseite 205]

daß unsre Sinne, wenigstens einen Augenblik, die Sachen selbst vor sich zu sehen glauben. Dieses ist der höchste Grad der anschauenden Erkentnis, den man die ästhetische Illusion nent. Man sieht hieraus, daß in dem Falle, wenn die Gegenständ' in der Natur anzutreffen sind, der Ausdruk auch getreu sein müsse, das heist, er mus uns alle Theile des Gegenstandes so abbilden, wie wir sie an ihm selbst vermittelst der Sinne wahrgenommen haben würden. Die Abbildung eines Gegenstandes, die mit allen seinen Theilen genau übereinstimt, wird eine Nachahmung genant; daher ist die Nachahmung in diesem Fall' eine nothwendige Eigenschaft der s. K. u. W.

 

[Ib-09-1780-0426]
Alle Theil' einer richtigen Nachahmung stimmen zu dem gemeinschaftlichen Endzwekk' überein, ein gewisses Urbild ähnlich vorzustellen; daher führt eine iede Nachahmung schon an und für sich selbst den Begrif einer Volkommenheit mit sich, und wenn unsre Sinne die Ähnlichkeit der Nachahmung wahrnehmen können; so ist sie vermögend eine angenehme Empfindung zu erregen. Die Bilder der Gegenständ' in einem stillen Wasser, in einem dunkeln Zimmer, und die von festen Körpern in Gips abgegossene Figuren gefallen uns blos ihrer Ähnlichkeit wegen. Da aber die Ähnlichkeit mit dem Urbilde nur eine einfache Volkommenheit ist; so erregt sie auch nur einen sehr geringen Grad der Lust, der öfters kaum merklich ist, und nur, so zu sagen, die Oberfläch' unsrer Sele berührt.

 

[Manuskriptseite 206]

[Ib-09-1780-0427]
Hierzu kömt in den Nachahmungen der Kunst, die Volkommenheit des Künstlers, die wir in ihnen wahrnehmen; denn alle Werke der Kunst sind sichtbare Abdrükke von den Fähigkeiten des Künstlers, die uns seine ganze Sel' anschauend zu erkennen geben. Diese Volkommenheit des Geistes erregt ein ungemein grösseres Vergnügen als die blosse Ähnlichkeit, weil sie würdiger und weit zusammengesezter ist als iene. Sie ist um so viel würdiger, ie mehr die Volkommenheit eines vernünftigen Wesens über die Volkommenheit lebloser Ding' erhaben ist, und auch zusammengesezter, weil viele Fähigkeiten der Sele, und öfters auch verschiedne Geschiklichkeiten der äusserlichen Gliedmassen, zu einer schönen Nachahmung erfordert werden. Wir finden mehr zu bewundern an einer Rose von Huysum, als an dem Bilde, das uns iener Flus, von dieser Königin der Blumen vorspiegelt; und die entzükkendste Landschaft reizt uns in der Kamera obskura nicht so sehr, als sie durch den Pinsel eines grossen Landschaftsmalers, zu reizen im Stand' ist.

 

[Ib-09-1780-0428]
Man sieht aus den angeführten Eigenschaften des schönen Ausdruks, warum uns das Genie in den Werken der Kunst mehr vergnügt als der ämsigste Fleis. Das Genie erfordert eine Volkommenheit aller Selenkräfte, und eine Übereinstimmung derselben zu einem einzigen Endzwekke. Darum müssen uns die Kenzeichen desselben, die eine Meisterhand über die Werke der Kunst ausstreuet, ungleich mehr vergnügen, als die Kenzeichen der Geduld und Übung, die zum Fleis erfordert werden.

 

[Ib-09-1780-0429]
Die algemeinen Eigenschaften eines schönen Gegenstandes lassen sich eben so leicht aus unsrer Erklärung herleiten, als

 

[Manuskriptseite 207]

die algemeinen Eigenschaften des schönen Ausdruks. Der Vorwurf der schönen Künste mus fähig sein, der sinlichen Erkentnis als volkommen abgebildet zu werden. Er wird also mannigfaltige Theil' haben müssen. Das Einerlei, das Magere, das Unfruchtbare, ist dem Geschmakk' unerträglich.

 

[Ib-09-1780-0430]
Die Theile müssen auf eine sinliche Art übereinstimmen, ein Ganzes auszumachen; d. h., die Ordnung und Regelmässigkeit derselben mus in die Sinne fallen. Mishellige, verwirte und durcheinander geworfene Theile, sind ohne zureichenden Grund vielmehr so, als anders neben einander; und wenn ihre Ordnung nicht in die Sinne fält, wenn sie verstekt ist, und erst durch vieles Nachsinnen herausgebracht werden mus; so geräth unsre Sele gleichsam in Verwirrung. Sie schweift ohne Leitfaden allenthalben herum, und hoft findet nirgend einen Ruhepunkt, da sie sich erholen und 's Ganze mit Muss' überdenken könte. Eine verstekte Ordnung ist, in Ansehung unserer Sinne, von einem völligen Mangel derselben nicht zu unterscheiden. – Das Ganze mus die bestimten Gränzen der Grösse nicht überschreiten; der Vorwurf der schönen Künste mus anständig, neu, ausserordentlich, fruchtbar u. s. w. sein.

 

[Ib-09-1780-0431]
Es werden daher nicht alle Gegenständ' in der Natur geschikt sein, in den Werken der Kunst nachgeahmt zu werden. Die Natur hat einen unermeslichen Plan. Die Mannigfaltigkeit desselben

 

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erstrekt sich vom unendlich Kleinen bis in 's unendlich Grosse, und seine Einheit ist über alles Erstaunen hinweg. Die Schönheit der äusserlichen Formen überhaupt, ist nur ein sehr geringer Theil von ihren Absichten, und sie hat dieselbe zuweilen grössern Absichten nachsezzen müssen. Ist 's also wol möglich, daß der eingeschränkte Raum, welchen wir von der Natur betrachten können, daß dieser Raum in so fern er uns in die Sinne fält, all' Eigenschaften der idealischen Schönheit erschöpfen solte?

 

[Ib-09-1780-0432]
Der menschliche Künstler hingegen wählt sich einen Vorwurf, der seinen Kräften gemäs ist. Seine Absichten sind so eingeschränkt als seine Fähigkeiten. Sein ganzer Endzwek ist, die Schönheiten, die in die menschliche Sinne fallen, in einem eingeschränkten Vorwurfe vorzustellen. Er wird also der idealischen Schönheit näher kommen können, als die Natur in diesem oder ienem Theile gekommen ist, weil ihn keine höhere Absichten zu Abweichungen veranlassen. Was sie in verschiednen Gegenständen zerstreut hat, versammelt er in einem einzigen Gesichtspunkt, bildet sich ein Ganzes daraus, und bemüht sich, es so vorzustellen, wie 's die Natur vorgestelt haben würde, wenn die Schönheit dieses Vorwurfs ihre einzige Absicht gewesen wäre. Nichts anders als dieses bedeuten die gewöhnlichen Ausdrükke der Künstler: die Natur verschönern, die schöne Natur nachahmen u. s. w. Sie wollen einen gewissen Vorwurf so abbilden, wie ihn Got geschaffen haben würde, wenn die sinliche Schönheit sein höchster Endzwek gewesen wäre, und ihn also keine wichtigere Endzwekke zu Abweichungen hätten veranlassen können. Dies ist die volkommen

 

[Manuskriptseite 209]

ste idealische Schönheit, die in der Natur nirgend anders als im Ganzen anzutreffen, und in den Werken der Kunst vielleicht nie völlig zu erreichen ist. Der Künstler mus sich also über die gemeine Natur erheben, und weil die Nachbildung der Schönheit sein einziger Endzwek ist, so steht 's ihm frei, dieselbe allenthalben in seinen Werken zu konzentriren, damit sie uns desto stärker rühre. Die Figuren der Natur, werden von allen Kennern der Bildhauerkunst unter die Antiquen gesezt.

 

[Ib-09-1780-0433]
Die Umrisse der Natur sind etwas mager, und ihre Köpfe nicht so edel, nicht so ausdruksvol, als die Köpfe der Antiquen. Denen also, die nicht Genie genug haben, das idealische Schöne aus den Werken der Natur zu abstrahiren, kan die fleissige Beobachtung der Antiquen nüzlicher sein, als die Betrachtung der Natur.

 

[Ib-09-1780-0434]
Die Lokalfarben der Natur sind nicht so frisch, nicht so lebhaft, als die Lokalfarben eines geschikten Koloristen. Iene malt einen unendlichen Raum, für unendliche Zeit, und verändert mit iedem Augenblikk' ihr unermesliches Gemälde. Was für eine erstaunliche Mannigfaltigkeit von Farben, wird sie nicht anwenden müssen! Ie geringer aber die Anzahl der Farben ist, desto reiner und lebhafter können sie sein. Ia die Farben des Koloristen selbst müssen, in der Vergleichung mit den Farben des Zeugfärbers, etwas schmuzig und bräunlich aussehen, weil der Endzwek des

 

[Manuskriptseite 210]

leztern blos auf eine einzige Farb' eingeschränkt ist. Wird man aber deswegen einem gemeinen Zeugfärber mehr Kentnis des Kolorits zuschreiben können, als einem Rubens oder einem Tizian?

 

[Ib-09-1780-0435]
In Ansehung der Tonkunst leuchtet diese Wahrheit weit deutlicher in die Augen. Die Töne der Natur sind zwar ausdrükkend, aber selten melodisch, und der Künstler mus sie verschönern, wenn er gefallen wil. Eben dieses thut auch der Tänzer, wenn er z. B. die ungezwungenen Bewegungen eines Schäfers zwar nachahmt, aber mit Anständigkeit und Kunst verbindet.

 

[Ib-09-1780-0436]
Ich wende mich iezt zur Eintheilung der schönen Künst' in ihre besondern Klassen. Die Zeichen, vermittelst welcher ein Gegenstand ausgedrukt wird, können entweder natürlich oder wilkührlich sein. Natürlich sind sie, wenn die Verbindung des Zeichens mit der bezeichneten Sach' in den Eigenschaften des Bezeichneten selbst gegründet ist. Hingegen werden dieienigen Zeichen wilkührlich genant, die vermög' ihrer Natur mit der bezeichneten Sache nichts gemein haben, aber doch wilkührlich dafür angenommen worden sind. Aus dieser Betrachtung fliest die erste Haupteintheilung des sinlichen Ausdruks, in schönen Künsten und Wissenschaften. Die schönen Wissenschaften, worunter man gemeiniglich die Dichtkunst und Beredsamkeit versteht, drükken die Gegenstände, durch wilkührliche Zeichen, durch vernehmliche Tön' und Buchstaben aus. Da nun eine vernünftige

 

[Manuskriptseite 211]

Zusammensezzung vieler Worte, eine Rede genant wird; so haben wir die ungezwungene Erklärung; ein Gedicht sei eine sinlich=volkommene Rede; so wie uns diese Erklärung Anlas gegeben hat, das Wesen der schönen Künst' überhaupt in die künstliche sinlich=volkommene Vorstellung zu sezzen. Der Hauptendzwek der Dichtkunst ist durch eine sinlich volkommene Rede zu gefallen; der Beredsamkeit aber, durch eine sinlich volkommene Rede zu überreden.

 

[Ib-09-1780-0437]
Das Mittel eine Rede sinlich zu machen, besteht in der Wahl solcher Ausdrükke, die eine Menge von Merkmalen auf einmal in 's Gedächtnis zurükbringen, um uns das Bezeichnete lebhafter empfinden zu lassen, als das Zeichen. Die Gegenstände werden unsern Sinnen, wie unmittelbar vorgestelt, und die untern Selenkräfte werden getäuscht, indem sie öfters der Zeichen vergessen, und der Sache selbst ansichtig zu werden glauben. Aus dieser algemeinen Maxime mus der Werth der poetischen Bilder, Gleichniss' und Beschreibungen, und sogar der einzelnen poetischen Worte beurtheilt werden.

 

[Ib-09-1780-0438]
Alle mögliche und wirkliche Dinge können durch wilkührliche Zeichen ausgedrukt werden, so bald wir einen klaren Begrif von ihnen haben. Daher erstrekt sich 's Gebiet der schönen Wissenschaften auf alle nur ersinliche Gegenstände.

 

[Ib-09-1780-0439]
Der Gegenstand der schönen Künst' ist eingeschränkter.

 

[Manuskriptseite 212]

Diese bedienen sich vornämlich der natürlichen Zeichen. Der Ausdruk in der Malerei, Bildhauerkunst, Baukunst, Musik und Tanzkunst sezt keine Wilkühr voraus, um verstanden zu werden. Daher mus sich eine iede Kunst mit dem Theile der natürlichen Zeichen begnügen, den sie sinlich ausdrukken kan.

 

[Ib-09-1780-0440]
Die natürlichen Zeichen, deren man sich in den schönen Künsten bedient, wirken entweder in die Werkzeuge des Gehörs, oder in die Werkzeuge des Gesichts. Das erstere thut die Musik, das leztere aber all' übrigen schönen Künste. a) Man seh' im 7ten Band Seit. 142–149. was Herder gegen diese Eintheilung erinnert hat. –

 

[Ib-09-1780-0441]
Die Schönheiten, welche in unartikulirten Tönen empfunden werden können, sind die sinliche Ordnung, die Übereinstimmung der einzelnen Töne zum Ganzen, die wechselweise Beziehung der Theil auf einander, die Nachahmung, und endlich alle Neigungen und Leidenschaften der menschlichen Sele, die sich durch Töne zu erkennen zu geben pflegen. Ferner kan die Tonkunst die mannigfaltigen Theile der Schönheit entweder in der Folg' auf einander, oder neben einander vorstellen. Ienes nent man Melodie, dieses aber Harmonie.

 

[Ib-09-1780-0442]
Auf eben diese Weise können die natürlichen Zeichen, die auf 's Gesicht wirken, entweder in der Folg' auf einander oder neben einander vorgestelt werden, d. h., sie können entweder die Schönheit durch Bewegung oder durch Formen

 

[Manuskriptseite 213]

ausdrukken. Die Tanzkunst thut 's vermittelst der Bewegung. Die verschiednen Stellungen des Körpers, die Bewegung der äussersten Theile desselben und die Gebärden, hängen in ihrer Folg' auf einander zusammen, und machen zusammengenommen ein schönes Ganzes aus. Die sichtbaren natürlichen Zeichen, die sich in einer Folge neben einander ausnehmen sollen, müssen durch Linien und Figuren vorgestelt werden. Nun kan dieses entweder durch Flächen oder durch Körper geschehen. In der Malerei geschieht's durch Flächen, in der Bildhauerei und der Baukunst durch Körper. – –" Seit. 75–93.

 

[Ib-09-1780-0443]
"Die schwerste und fast unmögliche Verbindung der Künst' ist, wenn Künste, welche Schönheiten in der Folge neben einander vorstellen, mit Künsten, welche Schönheiten in der Folg' auf einander vorstellen, vereinigt werden sollen. Dieses Geheimnis hat sich die Natur fast allein vorbehalten. Sie verbindet in ihrem unermeslichen Plane, die Schönheiten der Töne, Farben, Bewegungen und Figuren, durch unendliche Zeiten und gränzenlose Räum' in der volkommensten Harmonie. Dieses aber leidet doch eine Ausnahme. Die Musik verbindet wirklich die Harmonie mit der Melodie, da doch iene Schönheiten in der Folge neben einander, diese aber in der Folg' auf einander vorstelt. Allein der Grund von dieser Ausnahm' ist leicht zu finden. Die Tön' in der Harmonie werden in keinem Raume neben einander geordnet, daher fallen

 

[Manuskriptseite 214]

sie in einander, und wir empfinden nicht mehr als einen einzigen zusammengesezten Ton. Dieser kan nun in der Folge nach einer schönen Ordnung abwechseln. Wo aber die Schönheiten neben einander in einem Raume geordnet werden müssen, als in der Malerei, Bildhauer und Baukunst, da können sie schwerlich in der Folg' ohne Verwirrung abgeändert werden. Die Figur des Raumes selbst, den Theile neben einander einnehmen, müst' in der Folge nach einer schönen Ordnung abgewechselt werden, und man wird schwerlich ein Mittel finden, verschiedne Figuren in der Folg' auf einander nach den Gesezzen der Schönheit zu verbinden." Seit. 119. 120.

 

[Ib-09-1780-0444]
2)

 

[Ib-09-1780-0445]
Ein Sterbender!
"Dem Sterbenden brechen die Augen, und starren,
Sehen nichts mehr. Ihm schwindet das Antliz der Erde und des Himmels
Tief in die Nacht. Er höret nicht mehr die Stimme des Menschen,
Noch der Freundschaft zärtliche Klagen. Er selbst kan nicht reden,
Und mit bebender Zunge den bangen Abschied kaum stammeln.
Athmet tiefer herauf; Ein kalter ängstlicher Schweis läuft
Über sein Antliz, das Herz schlägt langsam, dan seht 's, dan stirbt er. –"

S. 156. 157.

 

[Manuskriptseite 215]

[Ib-09-1780-0446]
XXIIII.

 

[Ib-09-1780-0447]
Von den Verbrechen und Strafen. Aus dem Italiänischen mit des Hrn. Verfassers eignen noch nicht gedrukten Ergänzungen nach der neuesten Auflag' in 's Deutsche übersezt und mit vielen Anmerkungen vermehrt. Ulm, verlegt 's Albrecht Friedrich Bartholomäi. 1767.

 

[Ib-09-1780-0448]
1) Ursprung der Strafen.

 

[Ib-09-1780-0449]
"Die Gesezze sind die Bedingnisse, womit freie und auf diesem Erdkreis' einzeln ausgestreute Menschen, müde in einem immerwährenden Zustand des Krieges zu leben, und einer Freiheit zu geniessen, welche die Ungewisheit, sie zu erhalten, unbrauchbar gemacht, sich in eine Geselschaft vereinigt haben. Sie opferten einen Theil ihrer Freiheit auf, um der übrigen mit Sicherheit und Ruhe zu geniessen. Die Summe dieser Theile für die Wolfarth eines ieden aufgeopfert – macht die Oberherschaft eines Volks aus, und der, dem der Gebrauch dieser obersten Gewalt anvertraut worden ist, ist der rechtmässige Verwahrer und Verwalter aller dieser Theile. Allein 's war nicht genug, dieses in den Händen eines einzigen oder mehrerer Menschen hinterlegte Heiligthum im Ganzen zu bilden, man must' es auch beschüzzen von den absonderlichen eines ieden Menschen insbesondre, welcher stets sich bemüht, nicht nur allein seinen eignen Theil von der hinterlegten natürlichen Freiheit wiederum wegzunehmen, sondern auch der übrigen Zweige der obersten Gewalt zu Unterdrükkung seiner Mitbürger sich zu bemächtigen. Diesem Übel vor

 

[Manuskriptseite 216]

zubeugen, hat man sinliche Bewegungsgründ' erfunden – die man mit dem Namen Strafen belegt. Sie sind sinlich, denn der gemeine Hauf' ist gewohnt, mehr d nach sinlichen als algemeinen Bewegungsgründen zu handeln. –" Seit. 5. 6. 7. 8.

 

[Ib-09-1780-0450]
2) Unrechtmässigkeit der Tortur.

 

[Ib-09-1780-0451]
"Kein Mensch kan vor dem Urtheilspruch des Richters ein Missethäter genent werden, die bürgerliche Geselschaft kan ihn auch nicht des öffentlichen Schuzzes berauben, bevor 's nicht ausgemacht ist, daß er ienen Vertrag verlezt habe, womit er sich denselben Schuz erworben hat. Nur ein ungeheurer Despotism kan 's für rechtmässig ansehen, dem nachgesezten Richter die Macht einzuräumen, eine Straf' über einen Bürger zu verhängen, während daß man noch zweifelt, ob er schuldig oder unschuldig ist. Dieses Dilemma ist nicht neu: entweder ist 's Verbrechen gewis oder ungewis! Ist 's gewis, so gehört keine andre Strafe darauf, als die, welche die Gesezze bestimt haben, und die Peinigung ist ebenso unnüz, als unnüz die Bekentnis des Missethäters ist; ist 's Verbrechen aber ungewis, so darf man keinen Unschuldigen peinigen, denn als ein solcher wird den Gesezzen nach ein Mensch geachtet, dessen Verbrechen nicht erwiesen sind.

 

[Ib-09-1780-0452]
Ich aber sezze noch hinzu, daß man alle Verhältnisse geflissentlich zu verwirren sucht, wenn man verlangt, daß ein Mensch zu gleicher Zeit der Kläger und der Beklagte sei, und daß die schmerzlichen Empfindungen ein

 

[Manuskriptseite 217]

Werkzeug, die Wahrheit hervorzubringen, abgeben sollen; gleichsam, als wenn die Richtschnur der Wahrheit in den Muskeln und Nerven eines Elenden läge. Vielmehr ist dieses ein sicheres Mittel, wodurch die starken Missethäter losgesprochen, und die schwachen Unschuldigen verdamt werden müsten. –

 

[Ib-09-1780-0453]
Diese abscheuliche Art, die Wahrheit zu entdekken, ist ein noch bestehendes Denkmal iener alten und wilden Gesezgebung, da man die Proben des Feurers Feuers, des siedenden Wassers und den ungewissen Ausgang der Waffen noch für götliche Urtheilssprüch' hielt, gleichsam, als wenn die Glieder der ewigen Kette, welche im Schoosse der schöpferischen Ursach' aller Dinge ruhet, der nichtigen menschlichen Anordnungen halber all' Augenblikke zertrent,und in Unordnung gebracht werden solten. Der einzige Unterschied, welcher zwischen der Tortur und den Proben des Feuers oder des siedenden Wassers obwaltet, ist dieser: daß der Ausgang der erstern von der Wilkühr des Beklagten, und der Ausgang des zweiten von einem blos physischen und äusserlichen Zufall' abzuhängen scheint. Allein dies ist ein blos scheinbarer und nicht wesentlicher Unterschied, man kan eben so wenig frei die Wahrheit sagen mitten unter den Ängsten und schmerzlichen Empfindungen der Tortur, so wenig man damals ohne Betrug die Wirkungen des Feuers und des siedenden Wassers verhindern kan. Eine iede Handlung unsers Willens stehet allezeit im

 

[Manuskriptseite 218]

Verhältnis mit der Kraft unsrer sinlichen Fühlungen, welche davon die Urquell' ist, und die Empfindlichkeit eines ieden Menschen hat ihre Schranken. Der Eindruk des Schmerzens kan deswegen so sehr anwachsen, daß er unsre Empfindung ganz einnimt, und dem Gepeinigten keine andre Freiheit überläst, als den kürzesten Weg zu wählen, nämlich für den gegenwärtigen Augenblik sich der Pein zu entziehen. Die Antworten des Beklagten sind alsdan eben so nothwendig, als die Eindrükkungen des Feuers oder des Wassers sind. Wer unschuldig, aber empfindlich ist, wird sich alsdenn schuldig geben, wenn er dadurch 's Ende der Peinigung zu bewirken glaubt. Aller Unterschied zwischen beiden verschwindet durch eben das Mittel, welches man zu dessen Ausfindigmachung anzuwenden vorgiebt. Der Ausschlag von der Tortur beruht daher auf der Leibsbeschaffenheit und iener Ausrechnungskunst, wodurch ieder Mensch vom andern nach dem Verhältnisse seiner Stärk' und der Empfindlichkeit sich unterscheidet. Auf solche Art könte sogar der Mathematiker weit besser als ein Richter diesen Fragsaz erörtern: wie nämlich nach Masse der angegebnen Kraft der Muskeln, und der Empfindlichkeit der Nerven eines Unschuldigen der Grad des Schmerzens zu finden sei, wodurch er dahin gebracht würde, ein angegebnes Verbrechen zu bekennen. –

 

[Ib-09-1780-0454]
Zum leztern entsteht noch aus dem Gebrauche der Tortur die seltne Folgerung, daß der Unschuldige dadurch in ei

 

[Manuskriptseite 219]

nen schlimmern Zustand verfält, als der Schuldige; denn, wenn man beid' auf die Tortur sezt, so findet der erstere lauter Umstände vor sich, die ihm entgegen sind; bekent er 's Verbrechen, so wird er verdamt, läugnet er 's Verbrechen, so wird er zwar für unschuldig erkant; er hat aber doch eine unverdiente Straf' ausgestanden, der Schuldige hingegen hat einen günstigern Umstand für sich; widersteht er standhaft der Peinigung, so mus er als unschuldig losgesprochen werden, ia er hat dadurch die grössere Straf' in eine geringere verwandelt; daher kan der Unschuldige nur verlieren, und der Schuldige gewinnen. – –" Seit. 63–82.

 

[Ib-09-1780-0455]
3) Von schleuniger Volstrekkung der Strafen.

 

[Ib-09-1780-0456]
"Ie fertiger und ie näher eine Straf' auf 's Verbrechen folgt, ie gerechter und nüzlicher wird sie sein. Ich sage gerechter, weil sie dem Missethäter die unnüzzen und grausamen Qualen der Ungewisheit erspart, welche theils durch die Kraft der Einbildung, theils durch die Empfindung der eignen Schwachheit immer anwachsen. Ich sage gerechter, weil die Beraubung der Freiheit, da sie eine Straf' ist, vor der Verurtheilung, nur in so weit 's die Nothwendigkeit erfordert, vorhergehen kan. Der Kerker ist deswegen nur ein blosser Verwahrungsort eines Bürgers, bis man ihn als schuldig verurtheilt, und diese

 

[Manuskriptseite 220]

Verwahrung, da sie ihrem Wesen nach schmerzhaft ist, mus so kurze Zeit dauern, und so wenig hart sein, als es möglich ist. Diese möglichste Abkürzung der Zeit erhält ihre Bestimmung nach dem Grade der nothwendigen Dauer, innerhalb welcher der Prozes geführt wird, und nach dem Grade der Zeitrechnung, mittelst derer ein Schuldiger vor dem andern, zu seiner Verurtheilung das Vorgangsrecht behauptet. Welch ein grausamer Widerstreit, als die Nachlässigkeit eines Richters, und die Ängsten des Angeklagten? – Überhaupt müssen die Schwere der Strafen und die Folgen eines Verbrechens den grösten Nachdruk für andre haben, und so wenig, als es möglich ist, für den Leidenden hart sein. Nie kan man eine bürgerliche Geselschaft für rechtmässig erkennen, wo man nicht für einen unfehlbaren Grundsaz hält, daß die Menschen sich nur den mindesten Übeln haben unterwerfen wollen.

 

[Ib-09-1780-0457]
Ich habe gesagt, daß die Beschleunigung der Strafen weit nüzlicher sei; denn ie geringer der Abstand ist von der Zeit, die zwischen der Straf' und der Missethat verlauft, desto stärker und dauerhafter werden im Gemüthe des Menschen die zween Begriffe, von Verbrechen und Strafen zusammen gesezt, so, daß man auf eine unmerkliche Weise das eine als die Ursach, und 's andre als eine nothwendige Wirkung betrachtet. –" S. 87–90.

 

[Ib-09-1780-0458]
3) Strafen müssen gelind sein – weder grausam, noch tödlich.

 

[Ib-09-1780-0459]
"In eben dem Mas, als die Bestrafungen schwerer werden,

 

[Manuskriptseite 221]

verhärten sich auch die menschlichen Gemüther, welche, wie die flüssigen Dinge, mit den Gegenständen, wovon sie umgeben sind, sich alzeit in 's Gleichgewicht sezzen, und die immerzu auflebende Kraft der Leidenschaften verursacht, daß nach einer hundertiährigen Anwendung der grausamsten Strafen, das Rad keinen grössern Schrekken erregt, als ehe vor der Kerker that. Damit eine Straf' ihre Wirkung erreiche, ist 's genug, daß das Übel der Strafe den vorgebildeten Vortheil, der aus dem Verbrechen entsteht, überwöge, und zu diesem Übergewicht mus die Unfehlbarkeit der Strafe, und der Verlust des mit dem Verbrechen verknüpften Vortheils gerechnet werden: alles, was darüber geht, ist alsdann überflüssig, und deswegen ungerecht; die Menschen richten sich nach der wiederholten Ausübung der Übelthaten, die sie kennen, und nicht nach ienen, die sie miskennen. Sezze man mir zum Beispiele zwei Völker, bei deren ersterm in der Leiter der Strafen, die mit der Leiter der Verbrechen im Verhältnis steht, eine ewige Knechtschaft zur härtesten Strafe bestimt sei, und bei deren anderm das Rad, so behaupt' ich, daß dem erstern die bei denselben ausgesezte grössere Straf' eben so schreklich sein wird, als dem zweiten die seinige: gäb' es nun eine gegründete Ursach, die gröste Strafe, welche bei'm zweiten Volk im Schwang' geht, unter 's erstere zu ver

 

[Manuskriptseite 222]

sezzen, so müste man der nämlichen Bewegungsgründ' halben die Strafen des leztern noch vergrössern, und auf solche Art unmerklich zu langwierigen Peinen fortschreiten. – Bei gar zu grossen Strafen fält 's schwer, das wesentliche Verhältnis zwischen dem Verbrechen und der Strafe beizubehalten, denn, obwol die an neuen Erfindungen unerschöpfliche Grausamkeit die Arten und Gattungen der Strafen in 's unendliche zu verändern sucht, so können sie doch nicht ienen äussersten Grad überschreiten, welcher der menschlichen Empfindlichkeit Gränzen sezt, und wenn man einmal diese äusserste Gränzen würd' erreicht haben, würde man für grössere Verbrechen keine ihnen proporzionirte grössere Strafe mehr finden, deren man von nöthen hätte, um ihnen zuvorzukommen. –" Seit. 112. 113. 114.

 

[Ib-09-1780-0460]
"Woher kan doch ienes Recht entstehen, welches sich die Menschen zueignen, ihres gleichen zu töden? gewis nicht von daher, wovon die oberste Gewalt und die Gesezz' ihren Ursprung nehmen. Diese sind nur die Summen der kleinsten Antheilen von der besondern Freiheit, so ein ieder zu seinem eignen Besten aufgeopfert hatte. Die oberste Gewalt stelt nur den algemeinen Willen vor, welcher ienes Ganz' ausmacht, so aus dem besondern Willen eines ieden besteht. Wer ist doch derienige, der iemals einem andern den freien Willen ihn zu töden überlassen hat, wie kan unter 's kleinste Opfer der Freiheit eines ieden, das gröste aller Güter, nämlich 's Leben, ge

 

[Manuskriptseite 223]

rechnet werden? Und wenn dieses geschehen ist, wie verträgt sich ein solcher Grundsaz mit ienem andern, daß der Mensch nicht die Macht habe, sich selbst umzubringen, und er müste sie haben, wenn er dieses Recht einem andern oder der ganzen Geselschaft zu übergeben hätte vermögen sollen? –

 

[Ib-09-1780-0461]
Iedes Beispiel, welches man mittelst der Todesstraf' einem Volke vor Augen stelt, sezt ein begangenes Verbrechen voraus; die für ein einziges Verbrechen verhängte Strafe der ewigen Knechtschaft giebt hingegen viele und anhaltende Beispiele, ist 's nun von einer sehr grossen Wichtigkeit, daß man den Menschen die Macht der Gesezz' öfters vor Augen stelle, so mus eine Todesstraf' öfters auf der andern folgen: wir müssen mithin voraussezzen, daß auch öfters Verbrechen begangen werden; sol nun diese Bestrafung wirklich nüzlich sein, so darf sie nicht allen Eindruk auf die menschlichen Gemüther machen, den sie machen solte, das ist eben so viel gefordert, als wann sie zu der nämlichen Zeit *ü* nüzlich und unnüzlich sein solle. – –" Seit. 115–125.

 

[Manuskriptseite 224]

[Ib-09-1780-0462]
Verzeichnis der neuen Schriften.

 

[Ib-09-1780-0463]
I. Thomas Abt's freundschaftliche Korrespondenz. Seit. 1.

 

[Ib-09-1780-0464]
II. David Hartlei's Betrachtungen über den Menschen pp. Aus'm Englischen. Erster Band. 6.

 

[Ib-09-1780-0465]
III. Björnståhl's Brief' auf seinen Reisen pp. Aus dem Schwedischen. Des dritten Bandes erstes Heft. 49.

 

[Ib-09-1780-0466]
IIII. Björnståhl's Briefe pp. Des dritten Bandes zweites Heft. 51.

 

[Ib-09-1780-0467]
V. Bürger's Gedichte. 53.

 

[Ib-09-1780-0468]
VI. Algemeine deutsche Bibliothek. Des neun und dreissigsten Bandes zweites Stük. 62.

 

[Ib-09-1780-0469]
VII. Hartlei's Betrachtungen über den Menschen pp. Zweiter Band. 67.

 

[Ib-09-1780-0470]
VIII. Less's Versuch einer praktischen Dogmatik. 72.

 

[Ib-09-1780-0471]
VIIII. Ferguson's Grundsäzze der Moralphilosophie. Übersezt und mit Anmerkungen versehen von Garve. 76.

 

[Ib-09-1780-0472]
X. Tölner's theologische Untersuchungen. Des ersten Bandes erstes Stük. 110.

 

[Ib-09-1780-0473]
XI. Tölner's theol. Untersuchungen. Des ersten B. zweites Stük. 127.

 

[Ib-09-1780-0474]
XII. Bonnet's philosoph. Untersuchung der Beweise für 's Christenthum. Aus 'm Französischen von Lavater übersezt. 136.

 

[Ib-09-1780-0475]
XIII. Pot's kleine Naturlehre. 142.

 

[Manuskriptseite 225]

[Ib-09-1780-0476]
XIIII. Sophron, oder die Bestimmung des Iünglings für dieses Leben. Seit. 145.

 

[Ib-09-1780-0477]
XV. Kant's Beobachtungen über 's Gefühl des Schönen und Erhabenen. 148.

 

[Ib-09-1780-0478]
XVI. Die Philosophie der Natur. Aus 'm Französischen. Erster Band. 161.

 

[Ib-09-1780-0479]
XVII. Die Philosophie der Natur. Zweiter und lezter Band. 164.

 

[Ib-09-1780-0480]
XVIII. Sturz's Schriften. Erste Samlung. 185.

 

[Ib-09-1780-0481]
XVIIII. Feder's Logik und Metaphysik. Vierte Auflage. 189.

 

[Ib-09-1780-0482]
XX. Kampe's Kinderbibliothek. Fünfter Theil. 192.

 

[Ib-09-1780-0483]
XXI. Hennings von Geistern und Geistersehern. 194.

 

[Ib-09-1780-0484]
XXII. Mendelssohn's philosophische Schriften. Erster Theil. 197.

 

[Ib-09-1780-0485]
XXIII. Mendelssohn's ph. Schriften. Zweiter Theil. 203.

 

[Ib-09-1780-0486]
XXIIII. Bekkaria's Abhandlung von den Verbrechen und Strafen. Aus 'm Italiänischen. 215.

 

[Manuskriptseite 226]

[Ib-09-1780-0487]
Verzeichnis der exzerpirten Sachen.

 

[Ib-09-1780-0488]
1) Vom Positiven und Negativen – in der Mathematik und Metaphysik - - - - - - Seit. 1.

 

[Ib-09-1780-0489]
2) Warum sterben Säuglinge? - - - - - 4.

 

[Ib-09-1780-0490]
3) Von den Modifikazionen unsrer Triebe - - - 4.

 

[Ib-09-1780-0491]
4) Von den Empfindungen und ihrer Entstehung - - - 6.

 

[Ib-09-1780-0492]
5) Von den Assoziazionen der Ideen - - - - 13.

 

[Ib-09-1780-0493]
6) Von der Trägheit der Materie - - - - - - 16.

 

[Ib-09-1780-0494]
7) Von der Leibnizzischen Monadologie - - - - 18.

 

[Ib-09-1780-0495]
8) Widerlegung der gewöhnlichen Theorie von der Freiheit des Menschen - - - - - - - 19.

 

[Ib-09-1780-0496]
9) Zweifel gegen die Lehre von der Inspirazion - - - 46.

 

[Ib-09-1780-0497]
10) Vermuthung – zur Rechtfertigung der Vorsehung - - 49.

 

[Ib-09-1780-0498]
11) Ursprung der deutschen Wörter "Halm" und "Haus" - - 49.

 

[Ib-09-1780-0499]
12) Von der Gefahr derer, die an den Alpen wohnen - - - 50.

 

[Ib-09-1780-0500]
13) Von der eingeschobnen Stell' 1 Ioh. V. 7 - - - - 50.

 

[Ib-09-1780-0501]
14) Anektode von Voltairen - - - - - - 50.

 

[Ib-09-1780-0502]
15) Aus der Sprache lernt man ein Volk kennen - - - 51.

 

[Ib-09-1780-0503]
16) Karakterisirung der Türken - - - - - - 52.

 

[Ib-09-1780-0504]
17) Aussichten in die Ewigkeit - - - - - - 53.

 

[Ib-09-1780-0505]
18) Der Hund aus der Pfennigschenke - - - - - 55.

 

[Ib-09-1780-0506]
19) "Das Mädel, das ich meine" - - - - - - 56.

 

[Manuskriptseite 227]

[Ib-09-1780-0507]
20) Das Fragment - - - - - - - - - Seit. 59.

 

[Ib-09-1780-0508]
21) Auch ein Lied an 'n lieben Mond - - - - - - 59.

 

[Ib-09-1780-0509]
21) Vom Gesezze - - - - - - 62.

 

[Ib-09-1780-0510]
22) Vom Nuzzen des Christenthums - - - - - 67.

 

[Ib-09-1780-0511]
23) Von der Verdamnis - - - - - - - 68.

 

[Ib-09-1780-0512]
24) Altgüte Gottes - - - - - - - - 72.

 

[Ib-09-1780-0513]
25) Vom Worte $$$ - - - - - - - - 74.

 

[Ib-09-1780-0514]
26) Etymologie des Worts "Welt" - - - - - 75.

 

[Ib-09-1780-0515]
27) Das Schlagen des Herzens - - - - - 75.

 

[Ib-09-1780-0516]
28) Ursprung des Worts "Teufel" - - - - - 75.

 

[Ib-09-1780-0517]
29) Was "Cherubim" heist - - - - - - - 75.

 

[Ib-09-1780-0518]
30) Etwas zur Bestätigung der Lehre von der Nothwendigkeit 76.

 

[Ib-09-1780-0519]
31) Der Unterschied zwischen den thierischen und vernünftigen Trieben - - - - - - - 77.

 

[Ib-09-1780-0520]
32) Wie bei 'm Menschen die Wahrnehmung des Unterschieds zwischen Pflicht und Verbrechen entsteht - 85.

 

[Ib-09-1780-0521]
33) Unterschied zwischen Stolz und Eitelkeit - - - - 88.

 

[Ib-09-1780-0522]
34) Unterschied zwischen Vergnügen und Hochachtung - - 89.

 

[Ib-09-1780-0523]
35) Vom Begriffe von Got - - - - - - - 90.

 

[Ib-09-1780-0524]
36) Beweis für die Immaterialität der Sele - - - 93.

 

[Ib-09-1780-0525]
37) Physisches und moralisches Übel - - - - - - - 96.

 

[Ib-09-1780-0526]
38) Ist ausser der Tugend ein Gut? - - - - - 98.

 

[Ib-09-1780-0527]
39) Der Unterschied zwischen der Arbeit des Geistes bei 'm Spielen und bei 'm Studiren - - - - - - - - - 106.

 

[Ib-09-1780-0528]
40) Ursprung der Recht' und des Eigenthums - - - - 107.

 

[Manuskriptseite 228]

[Ib-09-1780-0529]
41) Von der Gotheit Christi - - - - - - - - Seit. 110.

 

[Ib-09-1780-0530]
42) Von den Akkommodazionen, die im 1 Kap. an d. Ebräer vorkommen 111.

 

[Ib-09-1780-0531]
43) Von der Freud' aus bösen Handlungen – zur Verbesserung der Lehre von der Erbsünde - - - - 111.

 

[Ib-09-1780-0532]
44) An wen Paullus oft in seinen Briefen redet - - 125.

 

[Ib-09-1780-0533]
45) Hat die Philosophie in der Theologie geschadet? - - - 126.

 

[Ib-09-1780-0534]
46) Es ist völlig zweklos, den Leuten Wahrheiten einzuschärfen, die sie nicht verstehen - - - - 127.

 

[Ib-09-1780-0535]
47) Unser Leben ist nicht blos Prüfungszeit - - - 127.

 

[Ib-09-1780-0536]
48) Von der Stell' Ioh. - - - - - - - - 3, 6. 135.

 

[Ib-09-1780-0537]
49) Bemerkung von der Furcht - - - - - 136.

 

[Ib-09-1780-0538]
50) Kan eine einfache Substanz iemals der unmittelbare Gegenstand unsrer anschauenden Erkentnis werden 136.

 

[Ib-09-1780-0539]
51) Von unsern Bemerkungen über die menschliche Sele 137.

 

[Ib-09-1780-0540]
52) Die Fortdauer der Thierselen - - - 137.

 

[Ib-09-1780-0541]
53) Von den Wundern - - - - - - - - - 138.

 

[Ib-09-1780-0542]
54) Von unserer Sprach' im künftigen Leben - - - 141.

 

[Ib-09-1780-0543]
55) Wie die Luft den Umlauf der Säft' in den Pflanzen befördert 142.

 

[Ib-09-1780-0544]
56) Die Menge der Luft, die der Mensch einathmet - - - 143.

 

[Ib-09-1780-0545]
57) Vom Sumsen der Insekten - - - - - - 143.

 

[Ib-09-1780-0546]
58) Vom Echo - - - - - - 144.

 

[Ib-09-1780-0547]
59) Vom Wasser - - - - - - - 145.

 

[Ib-09-1780-0548]
60) Von den Beobachtungen über die Kinder - - 145.

 

[Ib-09-1780-0549]
61) Von der Entwiklung des Menschen - - - 145.

 

[Ib-09-1780-0550]
62) Entschlossenheit und Beharlichkeit - - - - 146.

 

[Manuskriptseite 229]

[Ib-09-1780-0551]
63) Die Rechtmässigkeit der Leidenschaften - - - - Seit. 147.

 

[Ib-09-1780-0552]
64) Von einer feinen Ruhmsucht - - - - - - - - 147.

 

[Ib-09-1780-0553]
65) Vom Schönen und Erhabnen - - - - - - 148.

 

[Ib-09-1780-0554]
66) Verschiedne wizzige Bemerkungen - - - 161.

 

[Ib-09-1780-0555]
67) Einige Fragen – meistens die Metaphysik betreffend - - 164.

 

[Ib-09-1780-0556]
68) Geschichte der Sele - - - - - - 165.

 

[Ib-09-1780-0557]
69) Von den Sinnen - - - - - - - - - 169.

 

[Ib-09-1780-0558]
70) Die Bildsäule des H.v. Kondillak – oder wie unsre Sele sich Begriffe bildet - - - - - - - 170.

 

[Ib-09-1780-0559]
71) Grosse Kette der Wesen – wo iedes fühlt - - - - - - 181.

 

[Ib-09-1780-0560]
72) Furcht und Hofnung begleiten einander immer - - - 184.

 

[Ib-09-1780-0561]
73) Bemerkung von der Anwendung unsrer Kräfte - - - 184.

 

[Ib-09-1780-0562]
74) Anektoden und Bemerkungen - - - - - 185.

 

[Ib-09-1780-0563]
75) Unrechtmässigkeit der Todesstrafen - - - - - 186.

 

[Ib-09-1780-0564]
76) Von Gefühl und Vernunft - - - - - - - 189.

 

[Ib-09-1780-0565]
77) Widerlegung einiger Einwürfe gegen 's Monadensystem 190.

 

[Ib-09-1780-0566]
78) Widerlegung eines Haupteinwurfs gegen die Lehre von der besten Welt - - - - - - - - - 191.

 

[Ib-09-1780-0567]
79) An ein neugebornes Kind - - - - - - - 192.

 

[Ib-09-1780-0568]
80) Der Mond - - - - - - - - - - 193

 

[Ib-09-1780-0569]
81) Von ganz dunkeln Ideen - - - - - - - - 194.

 

[Ib-09-1780-0570]
82) Bemerkung von der Einbildungskraft - - - - - 195.

 

[Ib-09-1780-0571]
83) Von der Furcht - - - - - - - - - 195.

 

[Ib-09-1780-0572]
84) Was in unserm Gesichtskreis liegt oder nicht liegt - - 196. 196.] danach von Jean Paul übergangen Die Verbreitung des Teufels – von Sangerhausen (S. 196)

 

[Manuskriptseite 230]

[Ib-09-1780-0573]
85) Rechtfertigung der Vorsehung gegen den Tadler derselben - Seit. 197.

 

[Ib-09-1780-0574]
86) Das Wesen der einfachen Dinge besteht in ihren Kräften - 201.

 

[Ib-09-1780-0575]
87) Beweis des Sazzes des nicht zu Unterscheidenden - - 201

 

[Ib-09-1780-0576]
88) Über die Grundsäzze der schönen Künst' und Wissenschaften 203.

 

[Ib-09-1780-0577]
89) Ein Sterbender - - - - - - - 214.

 

[Ib-09-1780-0578]
90) Ursprung der Strafen - - - - - - - 215.

 

[Ib-09-1780-0579]
91) Unrechtmässigkeit der Tortur - - - - - 219.

 

[Ib-09-1780-0580]
92) Von schleuniger Volstrekkung der Strafen - - - 219.

 

[Ib-09-1780-0581]
93) * Strafen müssen gelind sein – weder grausam, noch tödlich - - - - - - - - - - 220.

 

[Ib-09-1780-0582]
Ende des neunten Bandes.